Traditionell beginnen Berichte über Missionen und besondere Einsätze für die Kaiserin mit einer längeren Lobpreisung ihrer Schönheit und Weisheit, ihrem Sachverstand auf praktisch allen Gebieten sowie der Versicherung der ewigen unterwürfigen Ergebenheit ihr gegenüber. Ich möchte es hier angesichts der Rationierung von Papier und der vorgerückten Stunde etwas kürzer und nüchterner angehen lassen, ohne freilich auf die Bestätigung meiner Loyalität zu verzichten. Doch ich habe schon Texte in den Fingern gehabt, bei denen die ersten fünf Seiten aus nichts anderem als kriecherischem Gewinsel bestanden - und das, obwohl die Kaiserin nichts so sehr schätzt wie Ergebnisse.
Und ebensolche gedachte ich zu liefern, als ich von einer ihrer Stimmen im arcolianischen Bezirk einen Auftrag erhielt. Die meisten wissen wohl, daß Arcolia der Bereich ist, der den Magiern vorbehalten ist, auch wenn es bisweilen zu verschwiegenen Verbrüderungen mit den Profanen kommt, aber die Kaiserin ist da tolerant. Sie hat Verständnis für das Allzumenschliche, so viel lässt sich sagen, und ist gar nicht die harte und gefühllose Herrscherin, als die sie im Volk so oft dargestellt wird. Aber eine gewisse Strenge ist schon notwendig, um sich in einer Welt, die immer noch von Königen, Grafen und Herzögen, von Kriegsherren und Monstern geprägt ist, durchzusetzen. Und natürlich kann sie sich auf ihre Armee und ihre Spezialisten verlassen - zu denen auch ich gehöre: Roguy Nyne, Magier mit Fachgebiet Aufklärung und Analyse.
Die Stimme hatte mich in den südöstlichen Trakt der Kaserne beordert, mit voller Marschausrüstung. Sie stand schon da, als ich eintraf, obwohl ich die Tür mehr als pünktlich durchschritten hatte. Es war eine Frau Ende zwanzig, angetan mit dem typischen mehrlagigen Kleid, in das gewiss ein halbes Dutzend Zauber eingearbeitet waren, und mit einem aristokratischen Auftreten, das sich wohl kaum von dem ihrer Herrin unterschied. Als sie mich ansprach, war der Widerhall der Kaiserin zu hören.
"Ihr werdet eine Mission für die Kaiserin ausführen. Begebt Euch in die Stadt Murcioso und findet heraus, was mit den Einwohnern geschehen ist. Ihr seid autorisiert, mittelbare als auch unmittelbare Gewalt anzuwenden. Noch Fragen, Spezialist Nyne?"
Ich erkannte die charakteristische Knappheit der Diktion von früheren Aufträgen wieder. Es gehörte zur Eigenart der Stimmen, so zu sprechen wie der Wille, dem sie dienten. Man sagte, die Kaiserin hätte hunderte von Stimmen und tausende von Augen. Letzteres schien mir etwas übertrieben, denn die geistige Zusammenführung all dieser Bilder hätte selbst einen sehr erfahrenen Magier zu sehr erschöpft. Aber vielleicht meinten manche auch nur einfach Informanten, ohne zu wissen, dass es durchaus Zauber gab, durch die man durch die Augen anderer zu sehen vermochte.
Ich wollte erst den Kopf schütteln, aber dann fragte ich doch: "Wo befindet sich diese Stadt?" Das Kaiserreich war inzwischen so groß geworden, dass wahrscheinlich außer ihr selbst niemand mehr alle Städte kennen oder wenigstens zuordnen konnte.
Die Stimme sah mich herablassend an. "Die Kaiserin ist keine Landkarte, sondern erwartet von Euch, dass Ihr derart triviale Aspekte selbst bewältigen könnt."
"Selbstverständlich", versicherte ich. "Verzeiht, Stimme."
"Mich habt Ihr nicht beleidigt, sondern nur Euch selbst. Die Kaiserin hat Verständnis für Eure momentane Unkenntnis und erwartet Ergebnisse ... in nicht allzu ferner Zukunft."
Diese Spitze war mir nicht entgangen.
"Für die Kaiserin!", sagte ich nur noch, um jeglichem weiteren Fehler aus dem Weg zu gehen.
Die Stimme gestattete sich ein dünnes Lächeln. "Für die Kaiserin." Dann drehte sie sich auf dem Absatz um und verließ den Raum mit großen Schritten. Ich schulterte meinen Rucksack und machte mich auf zum Kartenraum, der zwei Stockwerke höher lag.
Dank der zahlreichen militärischen Detailkarten brauchte ich nicht lange, um Murcioso zu finden. Die Stadt lag in Losa Xireva, einem unlängst eroberten Wüstengebiet im Süden. Die Gegend sah nicht so aus, als würde das Kaiserreich dort viele Garnisonen aufbauen wollen. Es gab ein paar Hügel, viel karges Land und nur wenige verstreute Siedlungen. Murcioso war eine der größten davon. Gemessen an den zentralen Städten des Kaiserreiches war die Stadt jedoch winzig. Vielleicht hatte sie nicht einmal zehntausend Einwohner gehabt. Doch ich wusste, selbst unsere Karten waren nicht immer exakt. Und derartige Missionen bergen stets Überraschungen.
Vorsichtshalber stöberte ich durch weitere zusammengerollte Karten, Schriften, Folianten und verstaubte Atlanten, welche durch die Eroberungszüge der Kaiserin an allzu vielen Orten neue Zeichnungen der Grenzverläufe benötigt hätten. Doch mir waren die momentanen Grenzen gleichgültig; die Stadt selbst würde weiterhin da sein, fixierbar durch die Landmarken der Umgebung und damit kalkulierbar für die Magier der hohen Türme. Denn ich hatte nicht vor, zu Fuß zu gehen oder auch nur zu reiten. In meinen Anfangsjahren, als ich noch nicht das Vertrauen und Wohlwollen der Kaiserin hatte, gab es oft genug beschwerliche und weite Reisen zurückzulegen. Inzwischen fand ich wochenlange Ritte nicht mehr spannend, und meine Auftraggeberin schätzte wie gesagt schnelle Ergebnisse. So hoffte ich auf einen der raren Turmscheine. Vielleicht würden die Experten eine Ausnahme für mich machen. Mein Status war noch nicht hoch genug, dass ich die Türme frei nutzen konnte, nicht einmal bei solchen Aufträgen wie jetzt. Die Stimme hätte es erwähnt.
Ich zeichnete mir aus verschiedenen Karten eine praktische Reisekarte zurecht, denn aus dem Kartenraum durfte man kein bestehendes Material mitnehmen. Dabei betrachtete ich meine Vorlagen noch einmal genauer. Murcioso lag ungefähr drei Wochenreisen weit südöstlich, hinter dem Corcieza-Meer und dem Ijon-Gebirge, inmitten einer kargen Gegend ohne nennenswerte Anhaltspunkte von Wert. Es war mir schleierhaft, warum es der Kaiserin die Mühe wert gewesen war, diesen Landstrich überhaupt einzunehmen. Ich erkannte weder Hinweise auf Bodenschätze noch auf Ackerbau, Viehzucht oder besondere Orte, die vielleicht für Magier hätten interessant sein können. Aber sie hatte sicher gewusst, warum sie die dreizehnte Kavallerie und die Verbundeinheiten neunzehn bis zweiundzwanzig dort durchgejagt hatte. Hätten die Leute in Murcioso erbitterte Gegenwehr geliefert, hätte es in einem längeren Scharmützel oder gar einer Belagerung enden können, aber als die anrückenden Truppen über die Sandhügel kamen, sahen sie nur ein Flackern hinter den Mauern, und als sie das Tor aufbrachen und die Stadt betraten, fanden sie diese leer vor. So wird es erzählt.
Ein leichter Sieg ohne Verluste ist natürlich der beste, wenn auch nicht der ruhmreichste Verlauf einer Eroberung. Da die Kaiserin keine Plünderungen und Brandschatzungen zulässt, kehrten die Soldaten schon bald wieder zurück und wurden woanders eingesetzt. Die Stadt aber wurde seitdem gemieden; so viel ließ sich den Berichten, welche den Karten beilagen, entnehmen. Wie die Einwohner verschwunden waren und wohin sie gelangt waren, konnte niemand sagen. Und ich verstand nun, dass die Kaiserin dieses Rätsel aufklären wollte.
Interessanterweise war es eine Einzelmission. Normalerweise wurden Gruppen von drei bis fünf Personen zusammengestellt. Aber da offenbar niemand vor Ort war, schien die Entsendung eines einzelnen Analytikers ausreichend. Nun, ich hatte meine Kampferfahrungen. Und ich hätte es schlechter treffen können. Wenigstens hatte man mir nicht die kampflustige Elfe Lindrai oder die verrückte Fee Charynna mitgegeben. Sie hatten sich in früheren Missionen einen recht umstrittenen Ruf erarbeitet.
Mit meiner neuen Karte im Mantel ging ich Richtung Wendeltreppe, um mein Glück im Turm zu probieren. Doch im Durchgang stand schon die Stimme von vorhin.
„Die Kaiserin hat die Aufgabe hochgestuft“, teilte sie mir in ihrem klaren, aber unbeteiligten Tonfall mit, „und daher erhaltet Ihr eine missionsgebundene Berechtigung für den Turm.“
Sie streckte mir das gesiegelte Schreiben hin, das mich als Sonderbeauftrager der Kaiserin auswies. Das klingt größer als es ist. Es war nur eine normale – aber eben seltene – Turmberechtigung, doch sie würde mir Wochen ersparen. Die Bürokratie im Kaiserreich ist vermutlich das einzige, das größer als das Reich selbst ist.
„Ich danke der unbesiegbaren Kaiserin“, sagte ich mit einer Verbeugung zu der Stimme. „Ihr Wille ist mein Ansporn.“
Ihr schwaches Lächeln erstarb. „Ihr Wille ist Euer Befehl.“
Das war eine von den Situationen, in denen man leicht den Kopf verlieren konnte. Zumindest bei den früheren Königen.
„Ich sehe da weder einen Widerspruch noch einen Unterschied“, konterte ich. „Als Soldat folge ich dem Befehl, aber als Magier bin ich inspiriert. Und das ist der Mehrwert, wegen dem ich eingesetzt worden bin.“
„Wir werden sehen, was Euer Wert ist, wenn Ihr zurückkommt“, meinte sie kühl. „Doch bis dahin solltet Ihr nicht die Gründe mutmaßen, warum die Kaiserin etwas tut. Es steht Euch nicht zu.“
Doch ihr Tonfall war eine Spur gemäßigter als zuvor.
„Euer Tadel ist berechtigt,“ versicherte ich und steckte das Schreiben ein.
„Natürlich ist er das. Und jetzt geht endlich. Oder wollt Ihr doch lieber zu Fuß gehen?“
Ich beeilte mich, davonzukommen. Niemand diskutiert mit einer Stimme, niemand diskutiert mit der Kaiserin. Ich wusste nicht, wie viel von ihrer Persönlichkeit und ihrem Wissen auf ihre Stimmen ausstrahlte, aber man hatte jedes Mal den Eindruck, als würde man vor ihr selbst stehen.
Im Turmraum wurde ich nach Prüfung des Schreibens nach den üblichen Maßnahmen eingelassen. Man prüfte nach, was ich wog, wieviel Metall ich dabeihatte und ließ mich meine Magielinie signieren. Mit diesen Eckdaten ließ sich anhand der Transferformel ausrechnen, wie der Transportzauber aufgebaut zu sein hatte. Der zuständige Magus sah sich meine Karte an und hantierte einige Zeit mit Linealen, Zirkeln und einem Abakus auf einem großen Papyrusbogen. Ich kannte den Ablauf von früher her. Es sah zwar umständlich aus, aber gerade die Genauigkeit und Sorgfalt, die hier angewendet wurde, würde dafür sorgen, dass ich nicht mitten im Ijon-Gebirge oder fünf Schritte unterhalb des Sandes herauskommen würde. Fernreisezauber gehörten anfangs zu den häufigsten Todesursachen von Magiern, bis man Formeln und Standards entwickelt hatte. Die Turmmagier des Kaiserreiches waren die einzigen, die im Ruf standen, ohne Fehler zu arbeiten. Das war ungemein beruhigend.
„Stellt Euch in die Mitte des Kreises dort drüben“, sagte der diensthabende Magus in routiniertem Tonfall, „und schließt am besten die Augen.“
Ich folgte seinem Rat. Anfänger sperren beim Transfer meist die Augen auf, weil sie mitbekommen wollen, was genau vor sich geht, aber man sieht einerseits nichts außer grauen Schleiern, und andererseits verstärkt es den Reiseeffekt, welcher der Seekrankheit ähnelt. Ich hatte nicht vor, bei der Ankunft mit weichen Knien dazustehen und mich zu übergeben. Das ist vor allem dann lästig, wenn man inmitten unfreundlicher Personen herauskommt, wie es unter Kriegsbedingungen öfters geschieht. Doch ich spürte nur das vertraute Ziehen und eine Veränderung des Luftdrucks - und stand plötzlich knöcheltief im Sand einer Düne. Im Umkreis von drei Schritten um mich herum war der Sand so eben, als hätte ein Riese mit einem Hammer darauf geschlagen. Das war wahre Präzision.
Vor mir, am Fuße der Düne, lag die Stadt. Das Tor war noch halb geöffnet. Kein Rauch lag in der Luft, keine Menschenseele war zu sehen, nicht die kleinste Bewegung. Von hier oben konnte ich ein dicht bebautes, von Mauern umgebenes Straßengewirr erkennen, einige markante größere Gebäude und einen großen Platz in der Mitte. Diese Stadt bot Raum genug für tausende von Einwohnern, und doch waren sie alle innerhalb eines Augenblicks verschwunden.
Es war klar, warum die Kaiserin an so etwas interessiert war: über einen so gewaltigen Transportzauber verfügte selbst das Kaiserreich nicht. Ich hatte bisher daran gezweifelt, dass so etwas überhaupt möglich war, und selbst wenn man die Vorsichtsmaßnahmen der Turmmagier außer Acht ließ, war die Planung, Strukturierung, Erfassung und Delokation einer ganzen Menschenmenge etwas, das die Fähigkeiten jedes mir bekannten Magiers überstieg.
Aber jetzt war ich ja hier, um dem Kunststück auf den Grund zu gehen. Außerdem musste ich aus der Hitze heraus. Ich stapfte hinab und spähte durch das Tor, ohne ernsthaft Gegenwehr zu erwarten. Niemand war da. Doch ich würde nicht auf die einfachsten Tricks hereinfallen. Es war gut möglich, dass ein Zauber mit der Stadtmauer als Begrenzer immer noch arbeitete. Ich wollte nicht einmal den kleinsten Alarmzauber auslösen.
Ich zog den Mantel aus, legte den Rucksack ab und führte einige Erkenntniszauber durch, welche mir das Vorhandensein eines aktiven Zaubers und falls ja, seinen Zweck und seine Stärke verraten würden. Doch da war nichts. Ich konnte ungefährdet eintreten.
Meine Schritte hallten von den Mauern wider, als ich durch den Torbogen trat und mit meinen Sachen auf den Schatten zusteuerte. Dort atmete ich erst einmal tief durch und trank etwas aus meiner Feldflasche. Später musste ich nach Wasser suchen, um sie aufzufüllen, aber es musste hier Brunnen geben und ich konnte mir kaum vorstellen, dass die Leute auch sämtliche Vorräte mitgenommen hatten.
Doch ich stand nach ein paar Momenten wieder auf und begann meine Erkundung. Hinter hohen Mauern mit einer massiven Holztür versteckten sich oft malerische Innenhöfe, die ringsum mehrere Wohnungen boten. In der Mitte der Höfe standen nicht selten Orelliabäume und andere Pflanzen, welche die Innenhöfe damit zu einer kleinen Oase machten. Die Häuser hatten meist zwei, selten drei Stockwerke mit flachen Dächern. Von oben hatte man eine ganz gute Aussicht, doch auch von hier ließ sich nichts Lebendiges erkennen.
Ich stieg wieder hinab und wanderte weiter. Ein freistehender Turm aus Stampflehm erregte meine Aufmerksamkeit, aber es schien sich nur um eine Art Glockenturm zu handeln, umgeben von kleinen Palmengärten und mehreren Plätzen. In einer der breiteren Straßen entdeckte ich ein Haus, das mit filigranen Stuck- und Mosaikarbeiten verziert war. Im Innern lagen Schriftrollen verstreut herum. Das war interessant, denn ansonsten hatte ich bislang keine besondere Unordnung ausmachen können.
Die verschnörkelten Schriftzeichen konnte ich allerdings nicht lesen; es war eine der xirevischen Schriften, wie sie im Süden üblich waren. Aber auf so etwas war ich vorbereitet. Ich nahm den Beutel mit vorbehandeltem Goldsand aus meiner Gürteltasche und blies einen Hauch davon über die Dokumente. Über ihnen begannen Übersetzungen in der Luft zu flimmern.
Ah. Es waren Geschichten aus der Frühzeit von Murcioso, ja von Losa Xireva selbst. Ich wanderte durch die verschiedenen Räume des Gebäudes, das eine Bibliothek gewesen sein mochte, vielleicht auch eine Akademie. Jetzt zeugten nur noch zwei umgefallene Regale, die sandigen Schriften und mysteriöse Mosaike von seinem Zweck.
Auch in Wohnhäusern schien man mitunter hastig aufgebrochen zu sein. Manchmal sah noch alles völlig unversehrt aus, als wenn die Bewohner nur gerade mal zu den Nachbarn gegangen wären, und mehrfach sah ich noch Teller mit (inzwischen längst verdorbenem) Essen auf den Tischen. In anderen Häusern waren Dinge aus den Schränken und Schubladen gerissen worden. Es gab auch halb gepackte Taschen und Beutel, die man offenbar dann doch zurückgelassen hatte. Das sah für mich alles nach einer eiligen, teils überstürzten Flucht aus.
Ich ließ die Gebäude, die Innenhöfe, die Gärten und kleinen Paläste mit ihren bunten, opulenten Verzierungen hinter mir und strebte dem großen Platz zu. Hier mussten sich jeden Tag hunderte von Menschen versammelt haben, um zu handeln, sich zu treffen, zu reden oder auch nur Wasser zu holen. Der Brunnen stand im Schatten eines recht prunkvollen, um nicht zu sagen protzigen Gebäudes. Allmählich gab mir der zur Schau gestellte Reichtum zu denken. War der Pfad, den ich draußen gesehen hatte, in Wirklichkeit eine große Handelsstraße? Oder waren alle Einwohner so mächtige Magier, dass sie sich alles herbeizaubern konnten, was sie wollten? Beides erschien mir unwahrscheinlich. Nun, vielleicht lebte man in Murcioso einfach vom Reichtum früherer und besserer Zeiten.
Zurzeit lebte hier allerdings niemand: der Platz war menschenleer.
Doch das hieß nicht, dass nichts da war – im Gegenteil. Man stelle sich einen Markt vor, durch den eine hastige Viehherde getrieben worden war: so ungefähr sah es hier aus. Ein Teil der Stände war umgefallen; vielleicht allein durch den Wind, welcher in den letzten Monaten durch die Stadt gestrichen war, aber etliche Waren auf den Teppichen und Tüchern, die auf dem Boden lagen, waren zertrampelt. Früchte und andere Nahrungsmittel waren ohnehin verdorben.
Ich ging von Stand zu Stand, und jede Spur war absonderlicher als die vorherige. Es gab Stangen mit kleinen Ketten und Ösen daran, die selbst für Kinder zu klein waren. Nein, man hatte hier Tiere befestigt; Vögel oder Affen vielleicht. Ich fand leere Käfige, die groß genug für Katzen oder Hunde waren, und schließlich das herumliegende Zaumzeug eines Esels oder kleinen Pferdes, direkt vor einen Wagen gespannt.
Ich sah mir die Waren an, die hier angeboten worden waren: Töpferwaren, Eisenwaren, Stoffe, Nahrungsmittel, Schmuck, Teppiche, Lederwaren, Tiere und Kleidung. Das schienen mir alles typische Gegenstände aus der Region zu sein, aber ich hatte ein merkwürdiges Gefühl dabei.
Ich nahm mir einen kleinen Teppich vom Rand, klopfte ihn aus, legte ihn auf die Mitte des Platzes und setzte mich darauf, um nachzudenken. Irgendwas übersah ich hier.
Gut, ich vermochte mir schon grob vorzustellen, was vorgefallen war: man bemerkt die anrückende Armee, die Einwohner werden auf dem Zentralplatz zusammengerufen, sie packen hastig einiges zusammen, lassen manches zurück, erreichen den Platz und werden vom Zauber wegtransportiert.
Alle? Ohne Ausnahme?
Nein, so funktionierte das nicht. Ich habe schon oft mit Magiern zusammengearbeitet, war in Kampfeinsätzen gegen Monster, aber ein perfekt ausgeführter Massenzauber unter derartigen Bedingungen grenzte an Mythen. Analytiker bringen Mythen zu Fall, so ist es immer.
Doch wie mein alter Mentor Mesym Hyte immer sagte: „Wenn die Magie nicht ausreicht, kann man es ja mal mit Denken versuchen“ – und ich würde es umgekehrt machen. Denn die magische Analyse war hier meine eigentliche Aufgabe; ich versuche ihr nur eine gute Grundlage zu verschaffen.
So zog ich ein klassisches Pentagramm um meinen Teppich, stellte die Kerzen, Spiegel und Kristalle im richtigen Winkel auf und sprach die notwendigen Formeln.
Die erste verriet mir, dass ich im Zentrum eines starken abgelaufenen Zaubers stand. Das hatte ich zwar genau so vermutet, aber es war dennoch gut, eine Bestätigung dafür zu haben.
Die zweite verriet mir, dass der Zauber bis zu den Stadtmauern gereicht hatte, also eine enorme Fläche abgedeckt hatte. Schon dies war atemberaubend.
Die dritte Formel aber setzte mich über die Art der Magie, die hier gewirkt worden war, in Kenntnis.
Und jetzt übergab ich mich doch.
Dann schleppte ich mich zum Brunnen und trank reichlich. Diese Narren! Diese verdrehten, idiotischen Narren!
Ich kehrte schließlich zu meinem Teppich zurück und sah mich noch einmal um. Wenn man wusste, worauf man zu achten hatte, sah man es.
Es war zu viel Kleidung. Hier lagen nicht nur neue Kleidungsstücke, die von ihren Stangen geweht oder von einem Tisch gefallen waren. Es war auch ältere, gebrauchte Kleidung dabei, und meist lagen direkt irgendwelche Sandalen oder Stiefel daneben. Und Taschen. Beutel, deren Inhalt durch den Wind verstreut worden war.
Ich ging ein paar der Ledertaschen durch und fand darunter die Schriftrollen mit den xirevischen Zeichen. Bis hierher hatten sie es geschafft; nicht weiter.
Es war keine Transportmagie gewesen, sondern eine Variante der Todesmagie – kurz gesagt Infernomagie, welche nicht nur die Seele, sondern auch die Körper konsumiert. Jedes Lebewesen innerhalb der Stadtmauern, vom kleinsten Insekt bis zum höchsten Würdenträger, war hier gestorben und ins Inferno gezogen worden, während die kaiserliche Armee noch nicht einmal auf Pfeilschussweite heran war.
Das waren die Fakten, aber es war nicht der Grund. Die Kaiserin würde einen Grund wollen.
Ich packte meine Ausrüstung zusammen und verließ den Platz, der das Auge des Sturms gewesen war. In einer der Nebengassen suchte ich mir ein kleines Haus, das halbwegs schattig lag, und ruhte mich einige Zeit aus. Aber ich konnte nicht schlafen.
Die Sache ergab für mich keinen Sinn. Dass es kein Transportzauber gewesen war, hatte mir zwar gezeigt, dass meine Einschätzung der Machbarkeit grundsätzlich richtig gewesen war, aber warum sollte die Bevölkerung geschlossen in das Reich des elementaren Feuers oder der Dämonen gehen wollen? Niemand konnte erwarten, dort irgendeine Überlebenschance zu haben.
Aber ich konnte mir auch nicht vorstellen, dass es alles Fanatiker waren, die lieber starben als sich formal dem Reich anzuschließen. War ihnen der Tod lieber als solide Straßen, ein Bewässerungssystem, Schulen für die Kinder, eine einheitliche Rechtsprechung, fähige Heilkundige und Schutz vor den umgehenden Monstern? Ich wusste, dass manche Länder anfangs Widerstand geleistet hatten, aber inzwischen hatten die meisten eigentlich erkannt, wie die „eroberten“ Gebiete aufblühten.
Doch selbst wenn man hier strikt gegen die Kaiserin war: niemand packt Hausrat und Schriftrollen ein, um sich dann dem Inferno zu überantworten. Die meisten Leute hier waren offenbar davon ausgegangen, dass sie tatsächlich an einen anderen fernen und sicheren Ort gebracht würden.
Jemand aber hatte dies offenbar versprochen und eigene Pläne verfolgt. Oder gar eine ganze Gruppierung, denn auch ein Infernozauber dieses Ausmaßes erfordert mehr magische Kraft, als eine Person allein aufbringen kann.
Ich sprang auf. Eine Gruppierung, die über bedeutende magische Macht verfügt, sich aber in einer abgelegenen Stadt aufhält? Einer Stadt, die für ihre Lage und Möglichkeiten verblüffend reich wirkt?
Es gab zwar mehrere Möglichkeiten, aber eine sprang besonders ins Auge: der Kult der Schwarzen Strömung. Das war ein Orden abtrünniger Magier, der am Schwolferfels besonders rücksichtslos die Naturmagie ausgebeutet hatte, bis die Elfen so aufgebracht waren, daß sie gemeinsam mit einem Trupp der Kaiserin den Untaten Einhalt geboten hatten. Die Schlacht am Schwolferfels liegt nun schon mehr als ein Jahrzehnt zurück, aber sie hat das Bild des Kaiserreichs nachhaltig geprägt, obwohl vom Berg nur noch die Hälfte übrig ist. Vom Orden natürlich noch weniger. Nur wenige sollen entkommen sein, hieß es, und ich schätzte, Murcioso war ein sehr unauffälliger Ort gewesen, um wieder seine Kräfte zu sammeln. Die Schwarze Strömung hätte jedenfalls die Mittel und das Motiv gehabt. Eine weitere Konfrontation mit der kaiserlichen Armee hätte sie nicht überstanden. Ich traute ihnen durchaus zu, die arglosen Einwohner mit ins Verderben zu reißen, nur um hernach verbrannte Erde zu hinterlassen – und ein Rätsel.
Ich ging noch einmal auf den Marktplatz. Es dämmerte längst, aber ich griff mir einfach eine Laterne von einem Stand und zündete sie an. Das prunkvolle Haus, das mir vorhin schon aufgefallen war, verdiente eine nähere Untersuchung.
Ich blies eine feine Staubwolke von myrtanischem Kreidepulver in den Eingang – eine der simpelsten und zugleich billigsten Methoden, um arkane Felder sichtbar zu machen. Nach meinen Zaubern von vorhin wollte ich nicht gleich wieder großen Aufwand betreiben und vor allem etwas Kraft für Notfälle behalten.
Ein Schimmern bewies mir, dass hier einige tückische Zauber noch darauf warteten, ausgelöst zu werden. Ob Strömung oder nicht: hier waren auf jeden Fall bösartige Magier am Werk gewesen. Ich kehrte nach draußen zurück, sammelte drei große Stoffballen auf und band sie mit einigen Gürteln zusammen. Dann hängte ich noch einen Kapuzenumhang oben drauf, allerdings mehr aus dekorativen Zwecken. Diesen Lumpenmann hielt ich wie einen Schild vor mich und betrat das verdächtige Gebäude.
Schon nach wenigen Schritten hatte er Stahlpfeile, einen Blitz und eine Feuerlanze abbekommen. Ich warf die brennende Figur durchs Fenster auf die lehmige Straße. Und es gab Leute, die glaubten, ein Analytiker würde nur in der Akademie herumsitzen und magische Gegenstände betrachten! Ha!
Dann setzte ich noch einmal das Kreidepulver ein. Jetzt war zum Glück alles sauber. Zumindest im Erdgeschoss. Ich ging die Truhen, Schränke und Schubladen durch. Eine Menge nützlicher magischer Sachen war dabei, darunter ein grundlegender Transferzauber, aber noch kein echtes Beweisstück. Also musste ich weiter.
Die Treppe war meiner Kreideanalyse nach dreifach gesichert, aber ich hatte inzwischen die Nase voll, schob einige Tische ins Treppenhaus, stellte Stühle darauf und kletterte an den Fallen vorbei nach oben. So etwas wäre natürlich nicht gegangen, wenn noch jemand vom Orden hier gewesen wäre und den Krach gehört hätte.
Der erste Stock war tatsächlich aufschlussreicher. In zwei Zimmern entdeckte ich Dokumente, welche die ehemaligen Bewohner des Hauses in Verbindung mit der Schwarzen Strömung brachten. Dies hätte allein bereits ausgereicht, dass die kaiserlichen Kampfmagier ihre Meteorschauer ausgepackt hätten. Aber ich fand nach einigem Suchen und unter Nutzung des Rests meiner Kreide noch ein verschlossenes Metallkästchen, das von den restlichen Partikeln so umkreist wurde wie die Kugel eines Morgensterns ihren Haltepunkt umkreist.
Nur ein Narr hätte versucht, dieses Kästchen jetzt zu öffnen.
Ich packte es in meinen Rucksack, kletterte vorsichtig wieder hinab und verließ das Ordenshaus. Was für eine Unverschämtheit, sich hier vor aller Augen breit zu machen! Aber wahrscheinlich hatten sie einfach den alten Stadtvogt oder was immer sie hier gehabt hatten, aus dem Weg geräumt.
Auf der Treppe neben dem Brunnen fand ich alte Blutspuren. Auch eine Art, sich die Einwohner gefügig zu machen, indem man den Zugang zum Wasser kontrollierte. Das Bild setzte sich immer weiter zusammen.
Es war inzwischen dunkel geworden, und ich hatte nicht die Absicht, inmitten all der Toten – oder zumindest deren verbliebener Güter – zu übernachten. Also band ich meinen Mantel auf den Rucksack, schulterte ihn und marschierte zu meiner Düne zurück. Erst hier, außerhalb der Stadt, schien mir der Einsatz von Transportmagie sicher genug. Im Inneren mochten immer noch genug Restströmungen toben, welche eine solch heikle Magie stören konnten.
Ich rechnete mit Hilfe meiner Karte und der Position der Sterne die Richtung und die Entfernung aus, die mich in die Hauptstadt zurückbringen würde. Diese gefundene – und zweifellos vom Orden gestohlene – Schriftrolle war mit der Präzision eines Transfers seitens eines Turmmagiers nicht zu vergleichen, aber ich wollte auch keine drei Wochen wandern, und dies war nicht meine erste Kalkulation.
Trotzdem arbeitete ich im Licht meiner Laterne über eine Stunde daran. Es bringt nichts, hier am falschen Ende zu sparen. Man hatte mir gesagt, dass es ein paar Kollegen unter den Spezialisten geben sollte, die nur wenige Augenblicke benötigen würden, aber was weiß man von jenen, die im Gebirge unter Tonnen von Gestein oder in der Tiefsee landen? Sie haben nichts mehr zu erzählen.
Ich sprach die Formel, als ich mir sicher war, und kippte unmittelbar nach unten weg. Dann fiel ich … durch Äste, mehr Äste, Strauchzeug, und auf den Boden. Es war schmerzhaft, aber ich konnte mich aufrappeln und feststellen, dass ich nur ein paar blaue Flecke hatte. Sehr gut.
Als ich mich umsah, erkannte ich, dass dies das bewaldete Trainingsgelände der Akademiekaserne war. Ich humpelte aus dem Gebüsch, zupfte mir die Äste und Blätter aus der Kleidung und marschierte zum Haupteingang. Für einen Tag Arbeit hatte ich genug; ich wollte nur mein Gepäck abwerfen, ein Bad nehmen, essen, trinken und schlafen.
Ein Späher tauchte in vollem Tempo vor mir auf; als er meine Uniform erkannte, senkte er die Waffen.
„Was ist los?“, brummte ich.
„Der Turm hat eine unangemeldete Ankunft im Akademiebezirk festgestellt“, sagte er ruhig, als sei er nicht gerade durch die halbe Akademie gerannt, um einen Eindringling abzuwehren.
„Das war ich. Roguy Nyne, Sonderbeauftrager der Kaiserin.“ Ich wollte mich auf keine große Diskussion einlassen.
„Ich weiß, ich kenne Euch. Seid Ihr nicht erst heute Mittag abgereist?“ Er blickte mich argwöhnisch an.
„Ich bin in der Analyse so schnell wie Ihr beim Rennen“, meinte ich patzig.
Aber er lächelte nur. „Sehr gut. Dann kommt mit, Ihr werdet bereits erwartet.“
„Kann ich nicht erst…“
„Nein.“ Er drehte sich um und ging Richtung Akademie. Ich zermahlte einen Fluch zwischen den Zähnen und folgte ihm.
Im ersten Stock stand, wie so oft regungslos, die Stimme. Es war dieselbe wie am Mittag. Vielleicht war sie für diesen Trakt zuständig, vielleicht für die halbe Akademie. Mit Sicherheit war sie nicht für mich zuständig. Aber da stand sie.
„Ihr wollt einen Bericht abgegeben, Spezialist Nyne?“ Manchmal klingt ihr Tonfall unmenschlich. Es ist immer so ein Gegensatz zu ihrem anmutigen Gesicht.
Ich rasselte die Fakten herunter, die Folgerungen, die Vermutungen. Sie hörte still zu und nickte dann.
„Ich darf Euch mittteilen, dass Eure Beurteilung der Sachlage zu den bereits vorhandenen Informationen über Murcioso passt. Die Kaiserin dankt Euch für Eure überaus schnelle und gründliche Untersuchung des Falls. Dass Ihr das Kästchen mitgebracht habt, ist eine weitere ausgezeichnete Leistung, die nicht vergessen werden wird. Ihr seid für eine Beförderung vorgemerkt. Das Kästchen werdet Ihr dem Untersuchungsbeauftragten für arkane Gefahren in der zweiten Kellerebene, roter Trakt, übergeben. Das Ergebnis wird Euch später mitgeteilt. Ihr seid für eine Woche freigestellt.“
„Bitte richtet der großzügigen Kaiserin meinen Dank aus“, erwiderte ich. Mit einer Beförderung hatte ich gar nicht gerechnet.
„Die Kaiserin hat ihn bereits zur Kenntnis genommen. Bevor Ihr jedoch entlassen seid, noch eine Sache…“ Sie trat zwei Schritte näher. Es war ungewöhnlich, dass eine Stimme ihre Distanz aufgab. Wollte sie mich mit einem schnellen Dolchstich zum Schweigen bringen?
„In Eurem Bericht ist der Hauch eines Zweifels angeklungen. Ihr konntet nicht umhin Euch zu fragen, ob die Leute nicht aus Angst vor der Kaiserin Selbstmord begangen hätten, oder ob sie eine Philosophie verfolgt hätten, die ihnen eher den Tod als die Erschließung gebietet, wodurch das Auftauchen der Armee als Auslöser zu betrachten gewesen wäre.“
„Ich habe nichts dergleichen gesagt“, gab ich nachdrücklich zurück.
„Ich kann zwischen den Zeilen lesen“, sagte sie ausdruckslos. Und dabei wurde es mir klar: sie – und wahrscheinlich alle Stimmen – konnten bis zu einem gewissen Grad Gedanken lesen. So standen sie auch in Verbindung mit der Kaiserin, die somit praktisch überall persönlich anwesend sein konnte, wo eine Stimme für sie eintrat. Vermutlich klappte das zwar nur innerhalb der Hauptstadt, aber es war trotzdem beeindruckend.
„Ihr habt recht, Erschließung ist ein weit besseres Wort“, meinte ich ausweichend.
„Roguy“, sprach sie mit gesenkter Stimme, „macht Euch keine Vorwürfe. Es ist für Außenstehende nicht einfach, die Strategien der Kaiserin zu beurteilen. In der Vergangenheit ist es niemals zu Vorkommnissen wie diesen gekommen, schon weil die Armee meist die Bevölkerung von Tyrannen befreit hat. Und selbst dort, wo es aus anderen Gründen notwendig war, durchzugreifen, standen auf der anderen Seite niemals Fanatiker. In diesem Fall hatte die Kaiserin einen Anfangsverdacht, dass jene Stadt vom Bösen durchdrungen war; es gab verschiedene vertrauenswürdige Quellen, die darauf hinwiesen. Nur um damit aufzuräumen, sind jene Einheiten nach Losa Xireva entsandt worden. Ansonsten war die ganze Gegend für das Kaiserreich uninteressant, aber Ihr wisst ja, dass die Kaiserin kein Unheil bestehen lässt. Ihr habt nun bestätigt, dass finstere Mächte am Werk waren, und niemand konnte ahnen, dass sie noch verruchter waren als vermutet.“
Ich verbeugte mich. „Ihr gewährt mir die Huld einer Erklärung. Das wäre nicht notwendig gewesen, aber ich danke Euch.“
Sie sah mir in die Augen. „In früheren Zeiten, unter den Königen, hätte man einen Zweifel wohl als Hochverrat gedeutet. Aber die Kaiserin hat ihre Spezialisten sorgfältig ausgesucht, und sie schätzt auch Gedankengänge, die Eure Moral belegen. Falls Ihr wieder einmal zweifeln solltet, dann überlegt, warum sich auch die Elfen und weitere nichtmenschliche Völker der Kaiserin angeschlossen haben. Nicht um die Welt zu erobern, sondern um das Richtige zu tun.“
Sie trat einen Schritt zurück, und ich war mir fast sicher, irgendwo in der Hauptstadt war dasselbe Blitzen, das ich gerade vor mir sah, auch in den Augen der Kaiserin.
Die Stimme wandte sich abrupt ab und ging mit federnden Schritten zur Treppe, die zum Turm führte. Doch auf dem Weg kam sie an einem halb offenen Fenster vorbei, und in dessen Glas spiegelte sich ihr Lächeln.
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Tag der Veröffentlichung: 31.07.2022
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Ein Beitrag zum Juli-Wettbewerb 2022 der Anthologiegruppe (Platz 2). Das Thema war der persönliche Titel, der aus zwei Teilen bestehen sollte. In diesem Fall: "Der Magier" und "in der leeren Stadt".