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Mexiko Krimi Juraze

Seite 300 Mexican Dogs 3.0 Ulrich Wahl ulrwahl@gmail.com

 

 

Pulp

oder

Mexican Dogs 3.0

 

Ein Lautrec Krimi aus der Serie Pulp

 

Seiten 1 - 150

von 300 Seiten

 

Inhaltsangabe:

Lautrec hat einen Auftrag in Juarez nahe der mexikanisch amerikanischen Grenze angenommen. Der Bürgermeister Lopez ist verschwunden. Der Detektiv braucht das Geld, seit seinem Rauswurf bei der NOPD ist er klamm. Er arbeitet mit Ramos zusammen, der in der Ermittlung der Frauenmorde wie ein Sisyphos kämpft. Bis dato werden in der Stadt vierhundert Frauen vermisst und wurden dreihundertsiebzig Leichen gefunden.

Ein Straßenköter und junges obdachloses Mädchen hat sich an die Haken von Lautrec gehängt. Conchitas Ziel ist Amerika. Lautrec kümmert sich um sie. Sie träumt von einem Swimmingpool und goldenen Wasserhähnen. Als eine asiatische Frau tot aufgefunden wird, der das Herz fehlt, ist sich Lautrec nicht sicher, ob es sich um einen Serienkiller handelt, oder ob die Opfer von brutalen Freiern so zugerichtet wurden. Auch die CIA ist unterwegs, um im Geheimen gegen die Drogenkartelle zu kämpfen. Die CIA Aktionen sind den mexikanischen Behörden nicht bekannt. Es herrscht ein Art Kriegszustand, neue nachrichtentechnische Mittel wie Drohnen kommen zum Einsatz. Lautrec arbeitet mit einem lokalen Ermittler zusammen, ihm ist es wichtiger Lopez zu finden, denn dann bekommt er eine satte Prämie. Er verheddert sich in den verschiedenen Spinnennetze und kriminellen Milieus der Stadt, in der keiner dem anderen vertraut. Jeder versucht abzukassieren, es ist ein Kampf jeder gegen jeden, Gott gegen alle. Selbst die Familie des entführten Bürgermeisters macht ihm das Leben zur Hölle. Lautrec, stoisch, ermittelt wie ein griechischer Held. Kommt in Versuchung Kohle anzunehmen. Einer der Mädchenmörder der Pharao geht ihm ins Netz. Doch der wird befreit, da er ein begnadeter Drogenkoch bzw. Chemiker der Szene ist. Er kommt dem Frauen Handel Syndikat auf die Spur, die auf einer Ranch ihr Unwesen treibt, er überführt Rudy Lopez, Sohn des Bürgermeister, am Mord an einer Prostituierten. Er findet zwar den Vater Bürgermeister Lopez, aber der will untergetaucht bleiben, er hat ein neues Leben mit einer neuen Frau begonnen. Sein eigener Sohn lässt ihn umbringen.

Es kommt zu einem grausamen Finale, Rudy gibt dem berühmten jungen Jesus Killer den Auftrag Komplizen umzulegen, unter den CIA Agenten ist ein erbitterter Kampf ausgebrochen, jeder versucht abzuzocken, darunter sind viele Doppelagenten, die sich im Dunst der Kartelle bewegen. Lautrec hat Zeugen und Beweismaterial nach El Paso geschafft, lockt Rudy über die Grenze, der andere Gangsterbosse dort töten will. Er wird verhaftet, während Bronfstein das Kommando des Juarez Kartell übernimmt und mit dem Chinesen und Kubaner zusammenarbeitet. Ena Lopez erschießt Rudy während der Gerichtsverhandlung, nachdem auf sie ein Mordanschlag verübt wurde, den Rudy in Auftrag gegeben hat. Lautrec hat Papiere für Conchita besorgt, bringt sie nach Amerika.

Figurenbiografie:

 

Bob Lautrec,53, schwarz gefärbter Kinnbart, schmales ovales Gesicht, dunkles Haar, im Nacken aufstehend, er war 53, 1,75 groß. Privatdetektiv. Ex Cop NOPD.

Lopez, 56, verschwundener Bürgermeister.

Rudy Lopez, sein Sohn, 33, Anwalt, untersetzt, schwarzes Haar glänzt und trieft vor Pomade.

Ena, 40, Arzt, Tochter, Ena, Schönheit, mit blondem Haar, dunklen Augen,

Luz Bourgeois, 45, Journalist, Künstlerin, Schreiberin, schlank, strenge Gesichtszüge, graue Raucherhaut.

Juan Ramos, 30, Bürstenschnitt, der aufrechte mexikanische Polizist

Mädchen, 15, Conchita, Flöte spielend, große Ohrringe, Glatze, Indio.

Tequila, Straßenköter.

Der Chinese, Wirt, der mit Frauen handelt, Zahnlücken und schwarze Zahnstrümpfe, Zigarre.

Juan Fitch, 48, Hauptmann der Drogen Task Force.

Leon Bronfstein, 54, russisch jüdische Vorfahren, korrupter Polizist, Pferdeschwanz

Jim Biloxi, 42, Amerikaner, schwarze Klamotten, Augenklappe, Söldner

Bill Fetcher, 50, Diabetes, rötlich schimmernd Haut im Gesicht, Bierbauch, CIA Agent, verwickelt in Waffen- und Drogenschmuggel.

Dick, 48, Söldner in der Truppe von Jim Biloxi

Jesus Killer, Jose, 14, Auftragsmörder, verrückt, schizoid, sagt er handle im Auftrag von Gott.

Angel Da Costa, Priester, Drogenboss, Kubaner.

Der Chinese, Boss der Hong Kong Mafia

Ricky Heroin, 35, Baby Face, Bandito

Karim,50, Pharao, Chemiker, klein und dick.

Don, Indianer Aktivist, Holzhändler.

Rico, 28, Indio, einer aus Da Costas Bande

Gomez, FBI El Paso

Webster, Police El Paso.

 

Nebenfiguren

Dirty Harry

Tony Montana Gangster im Film Scarface:

Ich sage immer die Wahrheit. Selbst wenn ich lüge.

 

Prolog

Am Morgen machte sich das Mädchen auf den Weg. Sie schwankte über den Pfad, vor ihr ein Esel, ein Bauer mit Sombrero und Poncho, ein falscher Schritt und sie stürzte in die Schlucht. Als sie sich umdrehte, sah sie die Holzhütte, die unter einen Felsvorsprung gebaut war, wo sie bis jetzt gelebt hatte. Sie fröstelte es, dachte an ihren Vater. Die arme Mutter habe Gott selig. Die Sonne drang durch die taubenweißen Wolken. 38 Grad. Brütende Hitze.

Das Gebirge sah aus wie tote mächtige Riesen. Alles war in ein milchiges schummriges Licht getaucht. Es roch nach Kiefern. Ein Specht war zu hören. Sie war voller Hoffnung und Mut. Ein Reh stand auf der Höhe, sah sie an und verschwand im dichten Unterholz.

Nach zwei Tagen Wanderschaft kam sie auf die Bundesstraße 16. Sie stellte sich an den Seitenrand, um mit dem blütenweißen Taschentuch zu winken, eines mit Stickereien ihrer seligen Mama.

Keiner der vorbeibrausenden LKWs stoppte, bis dieser Pick Up mit Pferdeanhänger hielt. Ein Mann kurbelte die Scheibe herab.

„Wo willst du hin?“, fragte er, lächelnd.

Er hatte einen riesigen Schnauzbart.

„Nach Amerika.“

„Ich fahr Richtung El Paso. Steig ein.“

Ihr Herz klopfte, als sie auf den Beifahrersitz kletterte.

Er gab Gas. Sie sah ihn von der Seite schüchtern an. Er trug einen Cowboyhut, eine Jeansjacke, kariertes Hemd, schwarze Hose. Sein Gesicht war von der Sonne gegerbt.

„Bist du ein Cowboy?“

„Wenn man so will. Hab ne Pferderanch bei El Paso.“

„Bist du glücklich?“

„Was weiß ich. Ich hab mir nie große Gedanken um das Leben gemacht. Es ist wie es ist. Ich mache kein Aufheben um mich.“

Man hörte einen Schlag, er hatte ein Tier totgefahren.

„Was war das?“, fragte sie.

„Diese blöden Hasen. Und wenn es kein Karnickel ist, dann sind es streunende abgemagerte Hunde. Gott sei Dank, es war kein Mensch. Einen Wolf hab ich in Alaska gesehen. Ich lese gerne Jack London. Ich suchte Gold am Klondike. Mühselig. Auf einen Yard ein paar Körner. Nun widme ich mein Leben den Ponys.“

„Magst du Katzen?“

„Das ist was für Weiber. Suchst du einen Job?“

„Was ist das?“

„Arbeit. Wie verdienst du dein Geld?“

„Ich weiß nicht.“

„Ein Freund von mir betreibt in Juarez ein Lokal.“

„Ich will lieber nach Amerika.“

„Ich fahr nicht sofort über die Grenze.“

„Was machst du in Juarez?“

„Nix. Ich amüsier mich ein wenig. Du hast ein unschuldiges Gesicht. Du könntest einen Haufen Dollar verdienen. Mucho Dineros.“

In der Stadt angekommen, fuhr der Yankee zur Straße des Teufels und hielt vor einer Bar. Barfly stand über dem Eingang, ein mieser Schuppen. Er schob seinen Stetson Hut ins Genick, nahm sie bei der Hand, trabte hinein.

Der Raum war in ein schummriges jesusrotes Licht getaucht. Eine dicke rothaarige Frau, Mexikanerin, redete mit ihm. Sie gab ihm Geld, umarmte das Mädchen, um es nach oben zu begleiten, wo einige Zimmer waren. Ein paar Huren standen herum, die kicherten. Alle waren aufreizend dürftig bekleidet.

„Rosa wird dir alles zeigen!“

„Was will sie mir zeigen?“

„Wie du mit den Männern umgehst.“

„Ich will nach Amerika.“

„Erst musst du Geld verdienen. Gib ihr Handtücher und Kondome.“

Rosa trug ein offenherziges rotes Negligés, sie verschwand mit der Neuen in einem Loch, auf dem Boden lag eine schmutzige alte Matratze. An der Wand hing ein Kreuz. Die Wand war dekoriert mit Madonnenbildern.

„Wie heißt du?“, fragte sie.

„Ich weiß nicht.“

„Hast du keinen Namen?“

„Ich will nach Amerika!“

Rosa umarmte sie, sie weinte bitterlich. Ihre Augen liefen über, wie das Meer bei Flut.

„Alles halb so schlimm, du gewöhnst dich daran. Wenn du dich geschickt anstellst, musst du ihnen nur einen runterholen.“

Ihr erster Freier war ein Amerikaner, ein junger Fernfahrer, mit öligen Klamotten. Er öffnete seine Hose.

„Blas mir einen.“

„Was?“

„Nimm ihn in den Mund.“

„Ich kann das nicht.“

Er wurde sauer, aggressiv, brauste auf.

„Du blöde Kuh.“

Er schlug zu. Mit der flachen Hand. Gepfeffert. Wow. Ihre Wange färbte sich rot, aus der Nase kamen Blutstropfen.

„Gib mir mein Geld zurück, ihr Bohnenfresser. Zu blöd zum Ficken.“

Kurzerhand griff er in ihren Büstenhalter, schnappte die Scheine und verschwand. Unten beschwerte er sich. Die alte Hexe kam hoch, diese Bordellmutter oder Mama, wie sie die anderen Huren nannte

„Sei nicht so zickig. Du wirst doch die Beine breit machen können. Umsonst ist der Tod. Wenn du nichts einnimmst, gibt es kein Essen. Nimm die Tabletten.“

Die Alte gab der Neuen Valium, die das namenlose Mädchen schluckte. Sie setzte sich auf den Stuhl vor ihrer engen Bude, schaute die Bilder an, ein Bilderbuch über Jesus, Maria im Stall, den Esel, den Morgenstern, sie schloss die Augen, begann zu träumen, sah den Hirsch, den ihr Vater erlegt hatte, sah wie dieser dem das Fell abzog. Mitten im Traum war sie in die Tiefe der Dunkelheit gestürzt. Sie war in einer Welt zwischen Tod und Leben gefangen. Wie unter Narkose. Immer wieder tauchte in Flashs ein riesiger Swimmingpool auf, ein pinkfarbener Cadillac. War das Amerika?

 

1

Ab einem gewissen Zeitpunkt schien die Welt für einen entzaubert. Du warst kein unbekümmertes Kind mehr. Und du hast begriffen, die Erde war der Garten Eden, das Paradies von dem alle redeten, als sei es ein andere Komet, aber es war hier, auf dem Fleck, wo er sich bewegte, was war daraus geworden?

Sie trug ein schwarzes Kleid, wie eine Witwe, als nähme sie den Tod ihres Mannes voraus.

Im Fernsehen lief ein alter Film, auf Stumm geschaltet. Vom Winde verweht mit Clark Gable. Überall Hundehaare. Es roch nach Katzenpisse. Ein schwarzer Kater sprang vom Fenstersims. Ein Topf mit Orchideen flog um. Ein müder Labrador lag vor dem Sofa, auf dem die Kinder der Familie saßen. Tochter und Sohn, beide um die dreißig, standen auf, um Lautrec zu begrüßen. Die schwarze Witwe stellte sie vor.

„Das ist Ena, das Rudy. Ena arbeitet als Arzt, Rudy ist Rechtsanwalt.“

Lautrec nickte. Ena war eine Schönheit, mit blondem Haar, dunklen Augen, Minirock. Rudy war untersetzt, sein Teint war dunkler, als der von seiner Schwester. Sein schwarzes Haar glänzte und triefte vor Pomade. Er war ein femininer Typ. Marke stolzer Torero.

Lautrec legte los.

„Wann sahen Sie Ihren Mann zum letzten Mal?“

„Genau vor vier Wochen. Montags ging er nach dem Frühstück zum Rathaus. Zu Fuß, wie immer. Die Leibwächter begleiteten ihn im Auto. Sie fuhren langsam neben ihm. Abends wartete ich vergeblich auf ihn.“

„War die Kripo hier?“

„Ja, aber die mexikanische Polizei unternimmt nichts.“

„Wieso?“

„Er hat Feinde. Er hat den Polizeichef entlassen. Die sind alle in den Drogenhandel der Kartelle verstrickt.“

„Ich werde mein bestes tun. Haben sich die Entführer gemeldet?“

„Sie wollen eine Million Dollar.“

„Haben Sie das Geld?“

„Der Bruder meines Vaters ist Staatssekretär in der Regierung Calderon. Ich werde mit ihm reden.“

„War es ein Brief?“

„Eine SMS, Señor.“

Sie zeigte ihm das Handy. Lautrec wusste, dass die Narcos ihre Telefone täglich wechselten. Handys waren billig. Eine neue Karte, eine neue Nummer. Er schrieb sich die Nummer der SMS auf, sicher war sicher.

„Ihre Referenzen sind gut, alle loben Sie“, warf Rudy ein, mit zuckersüßer Stimme.

Er schwieg kurz, kratzte sich am Ohr, fuhr fort: „Am besten Sie sprechen mit mir. Meine Mutter ist nicht mehr belastbar. Ich hab ein Büro in der Innenstadt. Was meinst du, Ena?“

„Ich denke Mutter ist einverstanden, wenn du die Kontrolle der Angelegenheit übernimmst“, warf die Schwester ein.

Sie war Lautrecs Kragenweite.

„Wann haben Sie ihren Vater zum letzten Mal gesehen?“

„Er war bei mir vor sechs Wochen im Büro.“, sagte Rudy.

„Um was ging es? War er nervös?“

„Nein, er war gelassen. Wir redeten über ein Testament. Er hatte Befürchtungen bald sterben zu müssen.“

Er wandte sich der Tochter zu und fragte:

„Und Sie, Señora? Wie war ihr Verhältnis ihres Vaters?“

„Gut“, entgegnete die Tochter, lakonisch.

Sie schminkte ihre Lippen, roch nach aufdringlichem Parfüm.

„Wo arbeiten Sie? Haben Sie eine Praxis?“, fragte er.

„Ich arbeite in der Abteilung für Psychiatrie im Angeles Krankenhaus.“

„Kann ich Ihre Kontaktdaten haben.“

Beide gaben ihm ihre Visitenkarten. Es war stickig. Die Luft brannte.

Die Mutter reichte Lautrec ein Kuvert mit Geld, fächelte sich Luft zu, mit einem schwarzen Fächer. Eine junge Frau kam ins Zimmer: „Señora, das Essen ist fertig.“

Es roch nach Fisch, Knoblauch und Zitrone. Lautrec verließ das Haus, er war in Mesita, er ging zu Fuß in Richtung Innenstadt.

Wenn er in Städten war, latschte er lieber, um diese Urbanität kennenzulernen. Die Anhaltspunkte waren dürftig. Er hatte den Vorschuss. Den er auch im Misserfolg behalten konnte, er hatte eine Antrittsprämie vereinbart.

Diese mexikanische Grenzstadt, Pueblo mala muerto von Lautrec getauft, war als die Stadt des Todes bekannt, die von tristen und trostlosen verschlafen wirkenden Viertel der Armen umgeben war, in der ein desolates Haus an das andere gepresst schien.

Immer mehr arme Mexikaner drängten in die Stadt, auf der Suche nach dem großen Glück, als hätte man am Rio Grande Gold gefunden, der ein jämmerliches ausgetrocknetes Rinnsal war, das El Paso von Juarez trennte, die über vier Brücken verbunden waren. Viele blieben hängen, obgleich ihr Ziel die USA waren.

Lautrec hustete, sein Hals kitzelte, er war erkältet, half sich mit Aspirin, das mit Alkohol berauschend wirkte, wenn man genug von den Pillen einwarf, diese Mischung war ein heftiger Trip.

Er ahnte, dass es eine schwierige Mission war. Als er an der Kathedrale der Missionare mit ihren zwei bizarren Türmen vorbei ging, wehte eine warme Brise, an seinen Lippen haftete Sand, den er wegwischte.

Verdammte Sonne. Die Hitze sorgte für müde Knochen und drang in jeden Winkel seines Körpers, sodass Lautrecs weißes Cottonhemd auf der Haut klebte und nass war, als sei es gerade aus der Waschmaschine gekommen. Er war ausgelaugt, sehnte sich nach einer Dusche.

Dieser verfluchte hinkende Straßenköter folgte ihm. Immer wenn Lautrec sich umdrehte, blieb der Hund ängstlich stehen. Sobald Lautrec weiterging, war ihm der Kläffer auf der Pelle, wie ein gespenstischer Schatten. Mann, ich bin nicht dein Herrchen, fluchte der Detektiv.

Die Straßen waren verstopft mit Autos, der Detektiv sah erstaunt auf die Eselswagen, auf denen Müll transportiert wurde. Er fühlte sich wie eine ausgepresste Zitrone. Verdammt, wo war sein Ford, hatte er sich verirrt?

Als er auf der El Camino de Diablo war, der Straße des Teufels, versuchten Türsteher und Schlepper ihn in einen der vielen Nachtklubs, Diskotheken oder Kneipen zu drängen: Heiße Girls, kaltes Bier.

Sie zupften an seinen Ärmeln, waren hartnäckig wie Zecken. No!

Lautrec lockerte seinen Binder, ein Geschenk seines Vaters, eine Schnürsenkel Krawatte, die von einer silbernen Brosche, die mit aztekischen türkisblauen Steinen besetzt war, zusammengehalten war.

Die Hitze war trocken, er schwitzte, der Fußmarsch hatte ihn ermüdet, mit einem Schweißtuch trocknete er sein Gesicht ab.

Er klopfte seine schwarze Levis Jean ab, steckte den Stofffetzen ein. Der silberne Totenkopf an seinem Gürtel blitzte in der Wucht der Sonnenstrahlen.

Er fuhr mit der Hand über seine staubigen schwarzen Cowboystiefel. Er sah auf, an einer Wand prangerte das Konterfei von Che Guevara.

Er setzte seine runde John Lennon Sonnenbrille auf. Endlich hatte er seinen zerbeulten alten Pick Up gefunden. Er hatte Durst.

Er flüchtete in eine düstere Kneipe, namens Barfly, in der es Schatten, Mescal und Frauen gab, die man für eine Handvoll Dollar kaufen konnte. Seine Kehle war staubtrocken, über ihm surrte ein eiernder Ventilator. Seine Augen schweiften. Er erntete finstere Blicke von Männern, die Sombreros trugen, unter ihnen saßen dürftig bekleidete Damen, die durcheinander redeten und lachten.

Im ersten Stock waren die Zimmer. Ein Gast und eine der Frauen trabten nach oben. Er umarmte sie. Die Treppe knarzte.

„Hola Cowboy“, sagte einer.

Lautrec nickte. Niedlicher Laden, dachte er. Die Bar war primitiv mit weißen Plastikstühlen –und Tischen eingerichtet, eine Wurlitzer Musikbox flackerte, es war die Stimme von Elvis zu hören, die Schallplatte blieb hängen, einer der Männer kickte volle Spitze gegen das Gerät, bis sich die Musik zu einer wohlklingenden Melodie formte.

Lautrec ging zur Bar, über der eine Büste von Jesus angebracht war, bestellte ein Corona, das ihm nicht kalt genug war.

„Perdon, cerveza no frio.“

„Du kannst mit mir englisch sprechen, Gringo.“

„Ich kann das mexikanische Bier nur trinken, wenn es eiskalt ist.“

Der Barmann, ein Chinese, grinste, zynisch. Seine Zähne waren schwarz. Er hatte ein von Drogen gezeichnetes Opium Gesicht, das ausgemergelt war. Er blickte mit müden glasigen Augen den Detektiv an, lässig schob er ein Glas mit Eis in Richtung Lautrec, als sei der Tresen eine Eisbahn. Fuck. Das Glas stoppte genau vor ihm.

Er wollte kein Eis, sondern ein Flasche Bier, die gekühlt war, Lautrec warf ihm einen Dollar vor die Fresse, die er in eine Kasse unter dem Tresen steckte. Dort lag eine abgesägte Schrottflinte, schussbereit. Er musste an John Wayne denken, komisch. Würde es zu einem Duell kommen?

Verdammt, dann trink ich das Bier eben mit Eis. Scheiß Land. Die Corns waren ihm fremd. Ihre Kultur war anders, schienen gelassener zu sein, wie Typen wie Lautrec. Komme ich heute nicht, komme ich morgen, stand in ihre Gesichter geschrieben.

Er leerte den Inhalt der Flasche in das Glas, trank einen tiefen Schluck.

„Sie ist eine Heilige!“, sagte der Chinese.

Er zeigte auf ein Mädchen, das sich Lautrec näherte.

Sie setzte sich neben ihn an den Tresen.

„Du siehst müde aus, Gringo. Was machst du in der Stadt?“

„Ich bin Reise Journalist“, log Lautrec.

Er war nachdenklich, arbeitet auf Erfolgsbasis. Wenn der den Bürgermeister fand, bekam er eine satte Prämie. Die Anzahlung war Peanuts. Er hatte auch Kosten, wie Benzin, Essen und Hotel.

Kassierte er die Prämie, dann konnte er die kleine Farm in Missouri in den Ozark Mountains kaufen. Auf dem Land wollte er angeln und jagen. Vereinfache dein Leben, war sein Motto. Er würde Forellen fangen, Zwölf Ender Hirsche schießen.

Mit den sturen Hinterwäldlern dieser Region würde er schon klar kommen. Er war nicht anspruchsvoll, wünschte, mit der Natur eins zu werden. Eine dumme Idee vielleicht, wenn man die Erde so betrachtete. Naja, halt kleine Brötchen backen, war seine Devise.

Diese Gangster starrten ihn an, sie würden nicht zögern, ihn abzuknallen. Freier strebten nach oben, blickten sich nervös um. Ein Polizist schaute kurz herein.

Seine Nachbarin weckte ihn mit dem Ellbogen: „Kaufst du mir was?“

„Was?“

„Sie trink Schampus“, warf der Chinese ein.

„Gut. Gib ihr ein Glas.“

Der Barmann schenkte ein.

„Zwanzig Dollar, Hombre.“

Zähneknirschen zahlte er. Streit war das letzte, was er brauchte. Hier stand er auf verlorenem Posten.

Lautrec sah sie an: Ihr hübsches Babygesicht schmückte eine zierliche Nase und ein herzförmiger Mund. Ihr Alter war schwer zu schätzen.

Die Nägel und Lippen waren lila lackiert und geschminkt. Fuck. Ihre Augen schienen Lautrec zu fressen. Sie sah ihn wehmütig an, Ihr Kopf war kahl, wie bei Kranken während der Chemotherapie, sie trug große silberne Ohrringe. Wenn er sie so betrachtete, war ihm klar, dass sie ein Indio Mädchen war, die auf der Straße lebte und eine Dusche brauchte. Er sah sie an: „Wie heißt du?“

„Ich hab keinen Namen.“

„Jeder hat einen.“

„Kommst du mit auf ein Zimmer.“

„Nein. Du bist zu jung.“

„Ich bin älter, als du denkst, Gringo.“

Lautrec winkte ab, stand auf. Alle Blicke waren auf ihn gerichtet.

Als er die Kaschemme durchquerte, um das Weite zu suchen, wirbelten bei jedem Schritt Sägespäne durch die Luft, der glatzköpfige Wirt hatte die Hand an der Schrottflinte. Lautrec spürte dies. Es war wie in einem Western. Die Luft knisterte. Eine falsche Bewegung und er war tot.

Er traute niemanden, schon gar nicht in dieser Bar, wenn er sterben müsste, war es ihm lieber, wenn er dem Schützen ins Gesicht schauen konnte. Er drehte sich um, als er an der Tür war. Er setzte seinen Cowboyhut auf. Eine schwarze Katze schlich an ihm vorbei.

Vor dem Lokal atmete er tief durch, sah, dass ihm das Mädchen gefolgt war. Eine Frau bot ihm eine Madonna aus Holz an. Auf dem Dach stand ein Typ mit einem Pumpgun im Arm neben einem Wassertank. Lautrec tippte an die Krempe seines Stetson Hutes, die brütende Sonne stand gegen Mittag senkrecht über der Stadt.

Er öffnete die Tür, die Kleine wollte einsteigen, er scheuchte sie weg, stieg ein, er liebte seinen abgefuckten rostigen Pick Up, nach wenigen Metern parkte er, er hatte einen blau gelben bemalten Mini-Markt entdeckt, auf der Fassade war Jesus abgebildet, der eine 44er in der Hand hielt.

Ein Mann, der mit einem AK 47 Gewehr bewaffnet war, stand vor einer Banamex Bank Filiale, er trug einen blauen Overall und blaue Baseballmütze, Lautrec ging an ihm vorbei, er betrat den Laden.

Er kaufte ein Flasche Whisky, Eis und ein paar Dosen, legte schöne amerikanische Dollars auf den Tresen, hinter dem eine Frau stand, zwischen deren Beine zwei Kinder herumspielten.

Zurück am Wagen standen wieder das Mädchen und dieser Köter da, den er Tequila taufte. Wenn er den Hund zu streicheln versuchte, zuckte er zusammen. Er hinkte, der rechte hintere Fuß war lahm. Er sah erbärmlich aus. Jemand hatte ihn jämmerlich geschlagen.

Die Kleine holte ihre Flöte heraus und spielte La Paloma, das Lied stammte von einem spanischen Komponisten und es wurde zum ersten Mal 1863 in Mexiko aufgeführt im Teatro Nacional de Mexico.

Als sie ihr Spiel beendete, fragte Lautrec sie: „Wo ist deine Mama?“

„Ich hab keine!“

„Wo wohnst du?“

„Hier!“

Sie zeigte auf die Straße. Ein Kind wäre ihm ein Klotz am Bein. Sie war jung, wenn man ihn mit ihr erwischte, wurde er womöglich für einen pädophilen Gringo gehalten, von denen es genug in der Stadt gab, die nach jungen Mädchen suchten, um sich zu vergnügen. Er wollte keinen Ärger mit den mexikanischen Bullen kriegen. Er sah sie an: „Hast du keine Casa?“

„Nein. Ist das dein Hund?“

„Nein.“

„Wie heißt du?“

„Ich weiß nicht.“

„Wenn ich dich erneut treffe, werde ich dich taufen und dir einen Namen verpassen.“

Lautrec gab ihr einen Dollar, zwängte sich rein, auf den Sitz, packte das Eis, den Whisky und das Coke in seinen Kühler, er fuhr nach Westen, er sah das Monument, die Statue mit dem Reiter, dem Bullen folgen, er wohnte im Motel La Teja. Es war ein flacher ockerfarbener Bau.

Er parkte neben einem Polizei Pick Up neben dem Eingang. Auf der Pritsche hockten Cops in schwarzen Overalls, auf ihren Knien lagen Pumpguns. Wow. Gott, er hatte das Schulterhalfter abgelegt, wegen der Hitze, es war dumm von ihm oder gleichsam klug.

Er betrat die Lobby. Ein stolzer Torero mit einem asketischen Gesicht stand in einer Gruppe von Männern am Tresen. Seine bestickte rote Jacke war versetzt mit farbigen Pailletten, er hatte einen glitzernden goldenen Hüftgürtel, er trug seinen Hut unter dem Arm. Seine Wange wies eine riesige Narbe auf. Seine runde Sonnenbrille und die Pomade im schwarz glänzenden Haar entsprechen seinen Macho Naturell. Sofort musste Lautrec an Hemingways Buch Fiesta denken, das er dabei hatte.

 

2

Als er sein Zimmer betrat, saß eine dunkle Gestalt in einem dunkelblauen Polizei Overall in einem der Sessel. Er war von der Bundespolizei. Das PF Logo auf dem blauen Tuch bestätigte dies.

Er war fett, ein Gürtel mit Pistolenhalfter hielt einen Kugelbauch zusammen, sein Schädel rund, zierte ein martialischen Bürstenschnitt, am Hinterkopf hatte er einen Zopf, der von einer silbernen Spange zusammengehalten wurde.

An jedem Finger trug er einen Ring aus Gold. Er war ein Typ, den jeder Regisseur sofort als Bösewicht besetzen würde.

Er sah Lautrec grinsend an: „Wenn du bei der Mafia Karriere machen willst, musst du heute englisch und spanisch sprechen können. Auch die Bosse der Kartelle denken global. Vielleicht hab ich einen Job für dich.“

Lautrecs blaue Augen suchten den Besucher ab, strich über seinen Kinnbart, blieb gelassen, obgleich die Grimassen des Bullen unverschämt waren, der selbstbewusst dozierte: „Das erste Ziel ist ein Porsche, dann eine Villa. Und wenn du ein armer Hund warst, denkst du, du seist Gott, wenn du Erfolg hast. Du liebst doch auch die Porsche 911er und würdest gern einen besitzen?“

„Was wollen Sie von mir?“

„Wir haben nichts gegen Gringos. Es ärgert mich, wenn sie bewaffnet sind wie du.“

„Ich hab wohl das Schild am Ortseingang übersehen: Waffen bitte beim Sheriff abgeben.“

„So ist es. Du kommst mir schon vor wie einer dieser einsamen Reiter. Diese Kopfgeldjäger. Dein Pferd ist zwar ein Pick Up Truck. Also gib mir deine Knarre.“

„Ich bin nicht bewaffnet“, raunte Lautrec.

Seine Stimme war pelzig vom früheren Alkoholgenuss, zu viel an Whisky.

Der Cop stand auf, durchsuchte ihn. Das Hirn des Detektivs wälzte Gedanken hin und her. Es führte Selbstgespräche: So blöd bin ich auch nicht. Ich bin ein aufgeweckter, Junge. Du Arsch. Diese Durchsuchung nervte. Lautrec mochte es nicht, wenn ihm jemand an den Eiern herumspielte. Als der Bulle ihm in den Schritt fasste, meckerte er: „Mann, ich bin nicht schwul.“

„Ich auch nicht. Du bist sauber. Ich werde der Russe genannt.“

„Seltsam für einen Mexikaner“, säuselte Lautrec.

„Einer meiner Vorfahren begleitet Trotzki ins Exil nach Mexiko. Sie waren Blutsverwandte.“

„Bist du Kommunist?“

„Ich bin Jude. Mein Name lautet Leon Bronfstein. Du willst doch nicht mein Feind sein?“

„Was weiß ich. Vielleicht muss ich dich bald töten.“

„Warum?“

„Von deinen Goldklunkern könnte ich eine Weile leben.“

„Du bist ein Spaßvogel. Für wen arbeitest du wirklich?“

Lautrec schwieg.

Leon grinste: „Wir suchen ihn auch. Den Bürgermeister. Er ist ein Schuft. Ein Verräter. Er hat bei allen die Hand aufgehalten. Wenn du ihn findest, kassier die Kohle von der Witwe und melde uns wo er steckt.“

„Wieso?“

„Ich werde ihn töten, Amigo.“

„Was bezahlst du?“

„Du stehst unter meinem Schutz. Du kannst in Ruhe ermitteln. Ein Kuvert mit Dollar wechselt den Besitzer.“

„Ich soll sie verraten, nachdem ich die Prämie kassiert habe?“

„Wir sind doch alle Teufel. Keiner von uns ist ein Engel.“

Er lachte, es war ein tiefes schepperndes versautes Kichern, das einem in die Knochen fuhr.

„Was ist euer Problem mit Lopez?“

„Er hat eine Privatarmee aufgestellt. Söldner. Sie campieren auf einer Farm vor den Toren der Stadt.“

„Und die sind euch in die Quere gekommen?“

„Diese Gringos haben nichts auf mexikanischem Boden verloren.“

Lautrec war zufrieden, ein Hinweis. Er lächelte, sah ihn gelassen an: „Und was ist da das Problem?“

„Es sind Profis. Gefährliche Monster. Man sagt, sie bauen eine Station für Drohnen auf.“

„Bullshit. Die USA kann nicht Krieg führen ohne Erlaubnis ihrer Regierung. Das muss ein Märchen sein.“

„Das ist der Stand der Dinge.“

„Und wenn das wahr ist, warum stört es dich?“

„Mich ärgert es, dass die Amis uns wie ihre Kolonie behandeln. Ich bin Patriot.“

„Du redest um den heißen Brei herum.“

„Du solltest nicht zu neugierig sein. Es könnte deinen Kopf kosten. Mach deinen Job. Finde Lopez. Den Rest erledigen wir.“

Er stand auf.

„Meine Güte. Ich bezahl dich sogar, Amigo. Geld wird dich vernünftig machen. Verlasse die Stadt.“

Er hielt Lautrec ein Kuvert vor die Nase. Lautrec wusste, es war schmutziges Geld.

„Ich arbeite für einen Boss. Nicht zwei.“

Leon lächelte.

„Endlich ist ein ehrlicher Mann in der Stadt.“

Als er ging, atmete Lautrec tief durch. Das mit den Drohnen war vermutlich eine Scheißhaus-Parole. Er genehmigte sich einen Jack & Coke, sah fern, nachdem er das Gerät eingeschaltet hatte. Ein Fußballspiel. Die Chivas spielte gegen die Aguilas. Die Ziegen gegen die Adler. Er ging zum Fenster. Das Mädchen und der Hund standen auf dem Parkplatz. Sie waren wie dunkle Schatten, die ihn verfolgten.

 

3

Am nächsten Tag fuhr Lautrec aus der Stadt, er sah den Friedhof San Rafael. An ihm flogen Wüste, Kreosotbüsche, stachelige Yuccas, Mesquitenbäume vorbei; dazwischen Glasscherben, Fetzen von Kleidung, zerrissene Plastiksäcke. Die Straße machte eine Kurve, bohrte sich in den flirrenden Horizont mit den kupferroten Felsen Ein Wander-Falke schwebte durch die Luft.

Er parkte. Zwanzig Kilometer außerhalb der Stadt. Er wanderte auf einen Hügel. Als er oben angekommen war, kauerte er auf den Boden, tiefste Gangart, lag auf der Lauer, linste durch ein Fernglas, entdeckte kleine Häuser aus Stein, mit flachen Dächern. Eine Pferdekoppel, Ponys, Kakteen. Verbranntes Gras. Weißer grauer Sand.

Von einem Grill stieg Rauch auf. Ein Luftzug. Hinter ihm war jemand.

„Steh langsam auf“, sagte eine dunkle Stimme.

Lautrec stand auf, mit erhobenen Händen, schaute in ein Pumpgun. Ein anderer finster drein blickender Kerl durchsuchte ihn, sie brachten ihn zu seinem Pick Up.

„Dein Fernglas hat dich verraten. Steig ein. Du darfst selber fahren. Fahr zu der Hazienda.“

Lautrec setzte sich ans Steuer. Hinter ihm der Gewehrlauf, einer der Typen. Der andere saß neben ihm. Sand wirbelte auf, als er losfuhr.

„Wieso bist du nicht unbewaffnet, Amigo?“

„Ich bin ein Tourist.“

„Wer es glaubt, wird selig, du Kojote. Warum schnüffelst du hier herum? Was suchst du? Suchst du Gold?“

„Ich war zufällig in dieser Gegend.“

Auf der Farm angekommen, warfen sie Lautrec in einen Raum, der wie ein OP Saal aussah. Ein Mann im weißen Kittel kam. Er setzte den Detektiv in einen Ledersessel, klebte ihm Elektroden auf den Kopf, stellte einen Computer an.

„Wir lesen damit deine Gedanken. Der Computer setzt diese in Bilder um. So wissen wir was du denkst. Das ist ein Prototyp. Also beantworte meine Fragen aufrichtig.“

„Das ist wohl ein Witz. Niemand kann Gedanken lesen, keine Maschine der Welt.“

„Wir haben den Durchbruch geschafft. Der Laptop zeichnet Bilder auf, daran erkennen wir, ob du lügst. Natürlich gibt es noch Feinjustierungen zu tun, bis wir jedes Wort des Probanden eindeutig entziffern und lesen können. Das ist nur eine Frage der Zeit. Dieser Krieg ist für unser Experiment das richtige Betätigungsfeld.“

„Welcher Krieg?“

„Der Kampf gegen die Kartelle wurde vom mexikanischen Präsidenten zum Krieg erklärt.“

„Klingt alles wie Science Fiction.“

„Du solltest reden, wenn ich es sage.“

„Ich hab nichts zu verbergen, Senor. Was wollen Sie wissen?“

„Wurdest du von der mexikanischen Regierung geschickt? Oder die CIA? Oder ein anderer Geheimdienst? Wer steckt dahinter.“

„Nein. Mit sowas hab ich nichts zu tun.“

„Was denkst du, was wir hier tun?“

„Ich weiß es nicht. Ich wollte mir die Gegend anschauen und ein paar Klapperschlangen schießen.“

„Arbeitest du für eins der Kartelle? Die Brüder Gottes? Oder das Juarez Kartell, La Linea oder Sinaloa?“

„Nie gehört. Ich suche den Bürgermeister, der entführt wurde. Ich bin Privatdetektiv.“

„Einwandfrei. Die Maschine arbeitet effizient. Du hast ein reines Gewissen.“

Er betätigte eine Lautsprecheranlage. Zwei Bewacher kamen, nahmen den Detektiv in ihre Mitte. Das fing gut an. Du bist in die erste Falle getappt. Fuck. Seine Nerven waren angespannt.

Sie brachten ihn in eine andere Casa, die aus Sandstein erbaut war.

In einem kleinen Büro mit Neonleuchten empfing ihn ein Mann, der auf einem Auge eine schwarze Klappe trug. Er war ganz in Schwarz gekleidet: Cowboystiefel, besticktes Hemd, Jeans. Er zog an einem Zigarillo. Auf dem Schreibtisch stand ein Elefant aus Elfenbein, daneben eine Magnum. Gold, eine de Luxe Ausgabe. Limitierte Edition.

Wow. Vielleicht waren die Kugeln aus Silber. Der Rauch des Zigarillos schrieb unlesbare Worte in die Luft.

„Schießt du mit Goldkugeln?“, fragte Lautrec.

„Wäre etwas zu teuer beim momentanen Preis für Gold. Auch, wenn sie aus Titan wären, würden sie Schmerzen verursachen.“

„Bin nicht scharf auf eine.“

„Was zieht dich in diese Gott verlassene Gegend?“

„Ich bin Ermittler. Ich suche nach einer vermissten Person.“

„Lass dir nicht alles aus der Nase ziehen. Suchst du Lopez?“

„Arbeiten Sie für ihn?“

„Für wen wir arbeiten ist unwichtig. Wie bist du auf uns gekommen?“

„Bronfstein hat von euch erzählt.“

„Er ist eine miese Ratte.“

„Dachte ich mir. Also haben wir einen gemeinsamen Feind, oder?“

„Richtig. Ich gebe dir diese Nummer eines meiner Mobiltelefone. Du informierst mich über deine Schritte und Erkenntnisse. Bist du ein Ex Cop?“

„Ja, NOPD.“

„Ach, ausgerechnet ein Bulle aus New Orleans besucht uns in der Wüste. Bald ist Mardi Gras? Würde gern mal wieder Karneval feiern. Warst du bei der Mordkommission?“

„Anfänglich, dann bei der Drogen Fahndung. Meine Aufklärung Quote war gut.“

„Dann hattest du keine Skrupel, was?“

„Ehrlich gesagt. Ich geh nicht vorher in die Kirche, wenn ich einen verhafte.“

„Ich trau dir zu, dass du Lopez findest.“

„Wenn er nicht schon tot ist.“

„Kann sein. Kann auch nicht sein. Diese Kriminellen der Drogen Kartelle reagieren oft irrational.“

„Ihr seid wohl Ex Marines?“

„Alles Veteranen aus dem Irak Krieg, Kumpel.“

„Seit ihr vom Pentagon oder arbeitet ihr für Blackwater?“

„Ich stelle hier die Fragen. Nur so viel: Unser Auftritt hier ist streng geheim. Wie heißt du?“

„Bob Lautrec.“

Er stand auf, beugte sich vor, gab Lautrec die Hand: „Jim. Jim Biloxi.“

„Was soll der Hokuspokus mit dem Gedanken Lesegerät?“

„Unsere Firma wird Millionen damit verdienen. Es geht noch um winzige Details und präzise Genauigkeit.“

Eine beklommene Pause entstand, die Lautrec durchbrach:

„Wie soll es weitergehen, Jim?“

„Du hast uns nie getroffen. Du kennst uns nicht. Okay? Du gibst uns die nötigen Infos in der Sache Bürgermeister. Dafür bezahlen wir dich sogar.“

Er gab Lautrec ein Bündel Dollar. Er steckte die Moneten ein. Schneller konnte er nicht zu Geld kommen. Scheiß Spiel. Er ahnte, dass er mit Blackwater ins Schwarze getroffen hatte. Diese Firma rekrutierte Veteranen als Söldner und führte Aufträge im Geheimen für das Pentagon durch.

Sein Gewissen regte sich, Für einen Moment halt: Geld stinkt nicht, raunte er. Nimm, was du kriegen kannst, Bob! Verschwinde auf nimmer Wiedersehen. Blöde Sache. Diese Abhängigkeit von Moneten. Wann kam er aus der Kiste raus?

Du wirst es schaffen. Positiv bleiben. Sie brachten ihn zu seinem Karren. Adios Amigos.

Der Himmel schimmerte hellblau. Die Sonne glühte. Es roch nach verbranntem Gummi.

Er startete den Motor, gab Gas. Volles Karacho voraus. Der Motor tuckerte.

Am Horizont auf einem Hügel ein Mann auf einem Pferd. Wer hier verschwand, wurde nie gefunden. Das war Niemandsland. Brachland, es war von kleinen Mülldeponien überzogen. Tote Hose. Geier warteten auf dich, wenn die Narcos dich hier halb tot aussetzten.

Fuck. Das war ja ein Geldsegen. Alle waren an seiner Polizei Arbeit interessiert. Wenn er Lopez fände, würden sie ihn sofort töten. Das stand für Lautrec fest. Selbst den Amis traute er nicht. Sie waren bezahlte Killer. Wenn er jetzt abhaute?

Soviel Kohle war es nicht. Wenn er schon dieses Spiel mitmachte, dann setzte er auf den Hauptgewinn. Die volle Prämie. Es war ein Risiko in einem fremden Land zu ermitteln. Aber was hatte er, der einsame Cowboy, für eine andere Chance?

Ja, er fühlte sich wie vor einem Duell. Einem Showdown.

Zaster machte einen sexy. Klar, Privatdetektiv stand auf der untersten Stufe der sozialen Skala mit Vertretern für Staubsauger. Wie sagte Tony Montana, der Gangster im Film Scarface: In diesem Land musst du zuerst Geld machen! Wenn du das Geld dann hast, bekommst du die Macht. Und wenn du die Macht hast, bekommst du die Frauen!

Komm, Bob, du bist ein harter Hund. Du bist und bleibst ein Schnüffler. Du hast nichts anderes gelernt. Ihm fehlte jemand, der ihn aufmunterte. Wenn ehrlich war, vermisste er sein Frau. Im Auto redete er oft mit sich selbst. Komm, Junge. Ran an den Speck. Er sprach sich Mut zu, während er nachdenklich die Wüste durchquerte.

 

4

Erste Ausläufer der Stadt. Wow. Er atmete tief durch. Endlich. Aus der Trockenheit raus. Endlich Menschen. Häuser. Keine giftige Klapperschlangen, versteckten Gräber, verweste Leichen, oder rostige Limousinen. Durchsiebt von Pumpgun Geschossen.

Great. Budy. Gib Gas. Du bist wieder in der Welt. Oder täuschte er sich?

Er sah Flachbauten, mit Wassertanks auf dem Dach. Erste Werbetransparente für Hundefutter. Endlos aneinander gereihte Fabriken, in denen Frauen ausgenutzt wurden als Näherinnen oder sonst einen sinnlosen Stuss.

Er hupte. Herrenlose Hunde und spielende Kinder waren ihm Weg. Sie gingen zur Seite. An einer Kreuzung stoppte er. Die Ampel war auf rot. Ein Junge säuberte seine Scheibe. Lautrec gab ihm zwei Dollar. Er lächelte. Thank you, Senor. Er hatte ein schmutziges Gesicht. Trug zerlumpte Klamotten.

Weiter Lautrec! Der Verkehr nahm zu. Schwoll an. Fräste sich wie eine janusköpfige Schlange durch die Stadt.

Alle wollten nach El Paso.

Über die Brücken in die Staaten. Kondome mit Drogen im Darm. Ein endloser Zug nach Texas. Von dort kamen die Waffen. Wer kein Geld hatte, riskierte sein Leben. Für hundert Dollar war alles zu haben. Frauen. Schmuggel. Sogar Mord. Dieser Trail stoppte nie. Die Gangster waren schwer bewaffnet. Sie hatten sogar Panzerfäuste im Gepäck.

Er überlegte. Seine Gedanken wogen hin und her. Sein Gehirn zeichnete die Picasso Skizze, eine Karte der Kriminellen. Der Dämonen und Phänomene. Der Verdächtigen. War Rudy Lopez Kopf eines der Kartelle? Wer profitierte vom Verschwinden des Bürgermeisters? Konnte er der Familie trauen?

 

Sein Gehirn hatte Fieber. Es fotografierte, arbeitete unentwegt, wie eine Maschine, spuckte keinen Gesamtplan aus. Verflucht. Es gab nichts Ganzes, was diesen Fall anbelangte. Er sah Splitter. Fragmente. Einzelne Noten. Eindrücke. Stückwerk.

Das Leben war paradox. Neben dem Positiven stand das Negative. Das Streben der Menschen zum Guten, wurde durch das Böse in seinem Wesen zerstört. Er philosophierte, um seine Wut zu besänftigen. Nicht durchdrehen, Lautrec. Immer die Hand an der Hosennaht halten. Disziplin war angesagt.

Zurück am Motel. Die Kleine mit dem hinkenden Hund stand auf dem Parkplatz. Er nahm sie mit. Sie war verdreckt. Er buchte noch ein Zimmer, das mit seinem verbunden war. Er bezahlte mit Kreditkarte. Er befahl ihr, sich auszuziehen. Duschte sie mit samt dem Straßenköter, suchte nach einem Namen, taufte sie Conchita.

„Morgen kauf ich dir bei Wal Mart ein paar Klamotten.“

Übers Telefon bestellte er Chips, Pizza und Cola.

„Hast du keine Eltern?“

„No Senor.“

„Lüg mich nicht an.“

„Nimmst du mich mit in die USA?“

„Das ist illegal.“

„Ich würde gerne Amerikaner werden.“

„Warum?“

„Alle sind reich dort.“

„Das stimmt nicht.“

„Ich will auch ein Haus besitzen. Ein Schwimmbad und ein Auto. Verstehst du, ohne Träume bist du ein Zombie.“

„Würden alle Immigranten im eigenen Land so viel arbeiten wie in der Fremde, müssten sie nicht auswandern.“

„Ich verstehe nicht.“

„Du bekommst bei uns nichts geschenkt, Conchita.“

„Sie haben dort goldene Wasserhähne. Einer bringt die Milch nach Hause. Echt, Senor. Hast du das auch?“

Er trocknete sie ab, stellte den Fernseher ein und ging. Du bist zu gutmütig. Nun hast du die Kleine an der Backe. Du kannst nicht mal die eigenen Kinder versorgen. Verdammt Lautrec. So wirst du den Fall nicht lösen, mit einem Kind als Begleiter.

Auf seinem Zimmer mixte er Bourbon mit Cola. Der Drink wurde Jacky Coke genannt, hörte sich niedlicher an. Ungefährlicher. Der Alkohol war beruhigend. Gut für die Transmitter und Synapsen. Er legte sich auf sein Bett.

Er ahnte, dass er in der Klemme steckte. Mexiko?

Das war eine andere Kultur. Dieses dumpfe Gefühl der Angst strömte durch seinen Körper und Wesen, er kämpfte gedanklich dagegen an, in New Orleans schien alles geordnet zu sein, im Vergleich zu dieser schäbigen Stadt.

Er musste an die Mafia denken. Überall wo Armut war und die katholische Kirche Einfluss hatte, gab es schwarze Gesellschaften. Kriminelle Bruderschaften.

Er hatte eine Nachricht. Buchstaben. Auf einem karierten Zettelchen. Er lag auf dem Nachtisch. Er nahm die Message in die Hand: Luz Bourgeois, eine Künstlerin- und Journalistin, wollte ihn treffen.

Er telefonierte. Vereinbarte den Termin. Er surfte mit seinem Laptop. Wlan. Keine Nachricht von Cindy, seiner Frau, den Kinder. Er duschte. Eine Weile ruhte er, überlegte, ob er den Fall niederlegen solle. Das war fremdes Revier. Ein Totentanz. Er war müde, raffte sich auf, ging zur Rezeption. Ein Taxi bitte!

Sonnenuntergang. Die moderne Kutsche brachte ihn zur Kathedrale. Er kaufte ein Sol in einem Mini- Mart. Er wartete. Das Bier war kühl, die Flasche angelaufen. Wasserperlen hafteten am Glas. Er trank ex. Er schob seinen Stetson ins Genick.

Die Dame kam. Sie war schlank und hatte strenge Gesichtszüge. Graue Raucherhaut. Kurzes graues Haar. Dunkle Augen. Sie zündete sofort eine Zigarette, blies den würzigen Rauch genussvoll aus.

„Die dunkelsten Kapitel Mexikos spielen sich in den katholischen Familien ab.“

„Was hat es mit Lopez zu tun?“

„Sein Sohn arbeitet für das Juarez Kartell.“

„Der Anwalt?“

„Ja, er wäscht Geld. Er betreut höherrangige Häftlinge.“

„Beweise?“

„Es gibt einen Zeugen, der es behauptet. Er sei der Finanzchef.“

„Das ist zu wenig. Aber was soll der Sohn mit der Entführung zu tun haben? Das ist wohl etwas abseitig?“

„Es gibt Gerüchte. Es soll zu unzüchtigen Handlungen in der Familie gekommen sein.“

„Für Gerüchte kann ich mir nix kaufen, Luz. Ich dachte, sie legen was auf den Tisch.“

Ein Militärkonvoi fuhr vorbei. Sie sah den fragenden Blick des Ermittlers:

„Es sind achttausend Soldaten und Bundespolizisten in der Stadt.“

„Was wollen Sie wirklich von mir?“

„Gott, ich dachte, wenn ein amerikanischer EX Cop in der Stadt ist, um Lopez zu finden, gibt es eine Story. Klar, nicht sofort. Langfristig gesehen.“

„Wer sagte ihnen, dass ich in der Stadt bin?“

„Der Sohn des Bürgermeisters.“

„Merkwürdig.“

„Das ist gespenstisch. Der Anfang der Geschichte ist spannend. Der Sohn des Entführten erzählt herum, wer seinen Papa sucht.“

„Er wird von vielen gesucht. Das ist das Problem. Nur, wenn ich der erste bin, der ihn findet, könnte Lopez überleben.“

„Vermutlich ist er in El Paso.“

Lautrec wedelte den Qualm aus seinem Gesicht, den Luz nach jedem Zug ausatmete, wie ein wütender Drachen. Das Lopez in El Paso verschwunden war, schien eine Möglichkeit zu sein. Genauso gut konnte er hier in der Stadt sein.

Die Dämmerung brach über den Gebäuden ein, wie Marktschreier über Passanten. Es knisterte, zwischen Luz und ihm. Es roch nach Benzin. Sie drehten eine Runde im Ford.

Sie erzählte: „Ich bin immer mit meiner Kamera unterwegs. Tag und Nacht. Ich höre den Polizeifunk ab. Fahre zum Tatort. Meist bin ich die erste, die eintrifft. Ich verkaufe die Aufnahmen an Fernsehstationen und ich benutze sie für meine Installationen. Ich verkaufe die Geschichte des Todes.“

Lautrec war fasziniert von ihr, die jede Ecke der Stadt kannte und von der Landkarte des Todes erzählte: „An dieser Kreuzung wurde der Abgeordnete Mercado erschossen. Die Sicario. Sie töten die Leute für 1000 Pesos.“

Das war nicht mehr als 70 Dollar. Ein Leben war hier nicht viel wert. Er war hier auf verlorenem Posten. Er hatte eine Vorahnung. Eine schlimme. War das die Fin de Partie?

In der El Whisky Bar spielte eine Band. Mexikanischer Techno Beat. Es war dunkel, bis auf den rötlichen Ton ein paar flackernder Scheinwerfer. Bass. Schlagzeug. Tanzende Figuren. Discokugel.

I got the power…I got the beat…

Lautrec schwang das Tanzbein mit Luz. Sie war anschmiegsam, wenn sie sich ihm annäherte, rhythmisch. Techno Salsa. Ole. Dann eine langsame Nummer, Steh Blues. 4/4 Takt. Er bohrte:

„Du hast bestimmt noch bessere Informationen, oder?“

„Hier kannst du niemand vertrauen.“

„Ich bin weder ein zinswuchernder Banker, noch ein ausbeutender Zuhälter, noch ein täuschender Priester oder habgieriger Dealer.“

„Das Ansehen von Bullen ist auch nicht viel besser.“

„Ich bin nur ein freischaffender Schnüffler.“

„Die sind auch bestechbar.“

Es war klar, dass er ohne Informationen hilflos umherirrte.

Er war wie ein Blinder, ein Suchender. Auch ein blindes Huhn findet mal ein Corn.

Geduld, Hombre. Du brauchst viel Geduld. Fühlst du deine Waffe. Die Smith & Wesson. Die Kleine. 38er.

Es war Nacht. Die Ratten krochen aus den Löchern. Ratas. Locos.

Sie trennten sich. Küsschen. Er brauchte Zeit. Sie würde reden, früher oder später. Sie war ein Kenner der Szene. Wenn sie ihm vertraute, würde sie Fakten ausspucken.

Ein alter aufgemotzter roter Chevi Cabrio mit offenem Verdeck rollte neben ihm. Ein blonder lockiger Kerl mit Baby Face sah ihn an, grinsend. Er sah gar nicht mexikanisch aus.

Er spielte an seiner Pistole herum, die er demonstrativ Lautrec zeigte. Seine blauen Augen schimmerten wie Vanilleeis. Die Sache mit Baby Face hörte sich an, wie das Pfeifen im Walde. Seine Stimme klang zynisch: „Como estas, Senor? Caminante de noche. Du siehst aus, wie ein Hund, der seinen Weg nicht findet.“

„Du hast recht, Amigo. Ich bin einsam. Meine Freundin hat mir einen Korb gegeben.“

„Dir fehlt eher das Herrchen.“

„Herrenlose Hunde sind gefährlich.“

„Echt, Alter. Du hast ein Gesicht wie ein Rottweiler. Du jagst mir höllische Angst ein. Ich zittere. Leider hab ich keinen Knochen zur Hand.“

„Was willst du, Baby Face?“

„Vaquero. Verschwinde aus der Stadt. Ich geb dir vierundzwanzig Stunden.“

„Und wenn ich bleibe?“

„Du landest auf dem Friedhof. Merk dir meinen Namen. Ricky Heroin.“

„Süßer Name!“

Plötzlich schoss er, sie gaben Gas, fuhren mit quietschenden Reifen davon. Lautrec war das Herz in die Hosentasche gerutscht. An seinem Kopf war die Kugel vorbei gepfiffen. Scheiß Kerle. Er seufzte: Gott, wo bist du? Du Gott der Gerechtigkeit?

Er zückte seinen Revolver, drückte ab, traf die Rückleuchte der Limousine. Glas splitterte. Gummi Abrieb. Gott blieb in seiner Garderobe. Er hatte keine Lust, auf die Bühne zu kommen.

Ein Streifenwagen hielt. Zwei Polizisten kamen auf ihn zu, drückten ihn gegen die Karosse, nahmen ihm die Smith & Wesson ab, legten ihm Handschellen an. Im Revier landete er in einem Käfig. Er war eingesperrt mit Betrunkenen. Dieses Loch gehörte den Verirrten der Nacht.

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 22.06.2020
ISBN: 978-3-7487-4680-5

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Hemingway, Chandler.

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