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Impressum

Als ich begonnen habe, diese kleinen Episoden zu schreiben, waren sie noch kurz und unscheinbar. Doch mittlerweile habe ich 25 solcher Episoden geschrieben, die alle so unterschiedlich sind, dass man sie nicht einander zuordnen würde. Aber ihr Grundthema ist dasselbe: Liebe ist Liebe, egal welches Geschlecht sie hat! Keine Diskriminierung! Gleichberechtigung! Respekt!

Diese teils kurzen, teils längeren Episoden sind mein Beitrag damit Schwule und Lesben endlich heiraten dürfen - vor dem Gesetz gleichgestellt werden. Mein Engagement, um aufzuzeigen, dass wir alle Liebe verdient haben, egal welches Geschlecht wir haben und von welchem Geschlecht wir uns angezogen fühlen! Die Sexualität kann man sich genau so wenig aussuchen wie die Augen- oder Haarfarbe.

Bitte beachte, dass die Texte noch nicht professionell lektoriert und korrigiert worden sind … sobald ich mich für eine Veröffentlichung entscheide, werde ich dies noch nachholen.

 

Euer Marc

 

 

Marc Weiherhofs bisherige Veröffentlichungen:

 

Injection (2015)

ISBN Paperback    978-3-95949-033-7

 

Der Bosporus-Kurier: Gay Romance (2015)

ISBN Paperback     978-3-7323-3083-6

 

Der Pakt: Ein Thriller (2015)

ISBN Paperback     978-3-86361-467-6

Das Vermächtnis des Unbekannten (2014)

ISBN Paperback     978-3-86361-388-4

 

 

© 2015 Marc Weiherhof – Autor schwuler Literatur

Web                          http://www.marc-weiherhof.ch

E-Mail                        marc@marc-weiherhof.ch

 

 

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung. Alle Figuren und Ereignisse im Buch sind freie Erfindungen des Autors. Übereinstimmungen mit realen Personen oder Ereignissen wären rein zufällig.

Katzen

Das schrille Geräusch des Weckers reißt die Männer aus ihrem oberflächlichen Schlaf und beendet damit eine viel zu kurze Nacht. Sie sind selber schuld – es war viel zu spät, als sie endlich ins Bett kamen und weil sie so nervös waren, konnten sie nicht einschlafen. Und was tun zwei Männer, wenn sie nicht schlafen können.

Genau: Sie haben Sex.

Es war wild, ungezähmt und sehr kräftezehrend, weshalb Sascha und Julian ihren Schlaf danach nicht mehr lange suchen mussten. Fahrig tippt Sascha auf sein Smartphone, um den Wecker zum Schweigen zu bringen. Er stöhnt seine Müdigkeit in den Raum und setzt dem unschuldigen Display brutal zu.

„Sei endlich still!“, grummelt er genervt.

„Hey, dein iPhone kann nichts dafür!“, gibt Julian zurück, als er die Tippbewegungen und die Fluchworte hört.

„Ich weiß … weiß … aber es ist so … so verdammt früh! Ich mag noch nicht aufstehen!“, quengelt Sascha wie ein kleines Kind, bevor er sich die Decke über den Kopf zieht. Ein tiefer Seufzer entweicht ihm. Julian ist bereits hellwach und kann über so viel Morgenmuffeligkeit nur den Kopf schütteln. Ein Lächeln huscht über sein Gesicht. Heute ist es soweit: Der Einzug der neuen Familienmitglieder steht an.

„Ach komm schon, du Griesgram. Auf, jetzt. Sonst muss ich Schatztauchen gehen!“ Das zeigt Wirkung. Mit einem erschrockenen Geräusch wickelt sich Sascha in seine Decke ein, bis kaum mehr etwas hervorlugt – das hält seinen Julian jedoch nicht davon ab, seine Drohung wahr zu machen. Zuerst kitzelt er seinen Partner, dreht ihn von einer auf die andere Seite und packt ihn etwas härter an. Lachende, quiekende und erstickende Geräusche dringen an Julians Ohr. Sascha verliert nach ein paar weiteren ‚Angriffen‘ den Halt an der Decke. Diese Gelegenheit lässt sich Julian nicht nehmen. Mit einem Ruck entblößt er seinen Freund und kitzelt ihm über die nackte Haut – an Bauch und Rippen. Er schwingt die Decke über sich und küsst sich seinen Weg über Saschas Körper. Mit seinen Fingerkuppen berührt er seinen Partner überall und treibt ihm die Müdigkeit aus den Knochen.

„Hör auf! Hör auf, ich bekomme ja noch einen Herzinfarkt, so früh am Morgen!“

„Früh? Es ist acht Uhr und in einer Stunde müssen wir los!“, nuschelt Julian von unter der Decke hervor. „Aber ein bisschen Zeit bleibt noch …“, flüstert er, bevor er Saschas Morgenlatte mit der Zunge berührt. Ein zögerliches Stöhnen dringt an sein Ohr. Er spielt mit seiner Zunge über das warme, samtige Fleisch, die empfindliche Haut an der Spitze. Sascha riecht gut und Julian wird augenblicklich sechs Stunden zurückkatapultiert: Es riecht nach dem gemeinsamen Sex und so unverkennbar nach Sascha.

Jetzt gibt es für Julian kein Halten mehr.

Er intensiviert seine Behandlung, greift mit den Händen nach den hängenden Hoden und massiert sie durch die dünne Haut des Sacks. Er zieht an den feinen Härchen und entlockt seinem Partner Laute des puren Vergnügens. Sascha drängt sich ihm entgegen und Julian nimmt liebend gerne alles von ihm in sich auf. Er schlürft, leckt, saugt, massiert, spielt und nuckelt so virtuos, dass Sascha unter ihm bebt und vor Lust beinahe vergeht. Julian spürt, dass sein Partner nun wach ist und dass es nicht mehr lange dauern wird, bis er kommt. Er hat es sich zwischen Saschas Schenkeln gemütlich gemacht, spielt an den Hoden, liebkost rhythmisch die feuchte Eichel. Mit seiner anderen Hand sucht er sich den Weg zu Saschas Mund um ihm zwei Finger in den Mund zu schieben. Augenblicklich schnellt die warme Zunge hervor und umspielt Julians Finger, speichelt sie ein. Er grinst um das Geschlecht seines Freundes, zieht seine Finger zurück und drückt damit gegen den Muskelring, der Saschas Eingang versperrt. Zuerst mit einem, dann mit dem zweiten dringt er in seinen Liebhaber ein. Die Wärme die in plötzlich umschließt ist unbeschreiblich. Er muss nicht lange suchen, bevor er Sashs Lustzentrum trifft und ihn damit zur Verzweiflung bringt. Sein Partner windet sich, keucht, stöhnt und schluchzt unter seinen geschickten Fingern. Sascha zerrt die Decke weg und sieht seinem Freund dabei zu, wie er ihn verwöhnt. Julian lässt den Penis aus seinem Mund gleiten und macht den Rest mit der Hand. Immer härter und immer schneller. Mit einem animalischen Keuchen und Stöhnen wird Sascha von seinem Orgasmus fortgerissen. Das Glied pumpt den heißen Samen in wilden Schüben auf Julians Zunge, in seinen Mund und auf sein Gesicht. Langsam ebnen die Zuckungen ab, das Beben versiegt. Julian grinst zufrieden und beginnt das Glied von den Samenresten zu befreien. Er leckt sogar den Rest des Safts von seinen Händen.

Pure Befriedigung.

„Und jetzt du“, kommt es keuchend.

„Dafür bleibt keine Zeit. Sieh lieber zu, dass du endlich ins Bad kommst, damit wir in einer halben Stunde gehen können!“ Mit einem Grummeln, aber befriedigt, steht Sascha auf und tappt ins Badezimmer. Julian steht ebenfalls auf und legt seine Kleider bereit.

„Beweg dich, sonst kommen wir zu spät!“, krakeelt Julian durch die Wohnung. Meine Güte, warum braucht er nur immer so lange im Bad? Warum?, denkt er so bei sich, als Sascha in den Flur tritt. Julians Kinnlade fällt ihm beinahe bis zu den Knien. Jetzt fällt ihm wieder ein, warum sein Freund so lange im Badezimmer braucht. Weil er einfach atemberaubend gut aussieht und so ein Aussehen muss gepflegt werden. „Komm schon! Los, los, los!“

„Jahaaaa! Unsere ‚Büsi‘ laufen uns schon nicht weg!“

„Aber das Tierheim schließt um zwölf Uhr. Es ist Samstag, das heißt, dass es am Nachmittag ganz geschlossen bleibt. Ich möchte nicht noch länger auf die beiden Racker warten!“

„Ich auch nicht. Ich freue mich schon so lange auf die beiden“, bestätigt Sascha. „Aber … aber denkst du, dass wir die richtige Entscheidung getroffen haben? Ich meine: Wir haben die beiden nur durch das Käfig gesehen. Wir wissen nur das von den beiden, was uns die Tierpflegerin gesagt hat. Die könnte uns auch anlügen …“

„Was hat das Tierheim davon, wenn alle Katzeneltern ihre Adoptivtiere zurückgeben? Sie hat uns sicher nicht angelogen, mein Hase!“

„Hoffen wir das Beste!“ Die beiden haben die Wohnung bereits vor Wochen katzentauglich eingerichtet. Den Balkon haben sie mit einem Katzennetz gesichert, überall gibt es Katzenbäume und weitere Kratzgelegenheiten. In jedem Zimmer haben sie ein Bettchen platziert und die Schränke so präpariert, dass die neuen Mitbewohner überall raufklettern können. Katzen lieben es ja, Aussicht über die Wohnung zu haben. Das Futter ist bereit, die Näpfe, die Katzenklos, einfach alles. Es war gar nicht so einfach für die beiden, endlich Katzen zu finden. Die Tierheime in der Stadt waren äußerst unhöflich und haben das Vorhaben der beiden nur bedingt unterstützt, sich Hauskatzen anzuschaffen. Die Heime in der Stadt hatten nur Freigänger und die Katzenheime aufm Land nur Wohnungskatzen. Irgendwie merkwürdig, oder? Nach langem hin und her haben sie dann doch noch ein Heim gefunden, dass ihnen Tiere zugesichert hat. Und dahin sind sie nun auf dem Weg. 30 Autominuten trennen Sie von ihrem Zielort.

„Ich bin so neugierig und hoffe, dass sich die beiden wohlfühlen werden!“, eröffnet Sascha das Gespräch, nachdem sie auf die Stadtautobahn gefahren sind.

„Hallo? Die werden sich bestimmt wohlfühlen. So ein schönes Daheim kriegt nicht jeder …“

„Und was ist, wenn sie alles vollpissen oder unsere Möbel zerkratzen?“

„Das werden sie nicht. Außerdem sind wir jetzt eine Woche daheim und können die beiden eingewöhnen …“, versucht Julian zu beruhigen. Sein Partner denkt immer so viel nach und macht sich über alles und jedes Gedanken. Manchmal ist das echt anstrengend, aber dafür liebt er seinen Sascha ja auch so sehr.

„Dann machen wir es jetzt so, dass wir sie im Gästebad aussetzen, dort wo auch die Katzenklos sind und sie dann alleine die Wohnung erkunden lassen?“

„Jep, so machen wir’s!“ Ein paar Minuten später fahren die Männer auf den Parkplatz vor dem Tierheim. Sascha ist aufgeregt und nervös. Seine Handflächen sind schweißnass und dennoch freut er sich so dermaßen auf diesen Moment.

Endlich Katzen.

Die beiden schnappen sich ihre Katzenkörbe und betreten das Tierheim. Ein kleiner Laden lädt die Tierbesitzer zum Shoppen ein. Doch daran haben die beiden kein Interesse, beziehungsweise werden sie heute sowieso viel Geld ausgeben, wenn auch nicht für Futter. 460 Franken kostet eine Katze aus dem Tierheim. Ein stattlicher Betrag, wie die beiden finden.

„Willkommen. Sie bekommen Omid und Ozra, richtig?“, werden die beiden von einer älteren Frau mit langen Haaren angesprochen – wahrscheinlich die Heimleiterin.

„Das ist richtig. Wir freuen uns schon so auf die beiden!“

„Das freut mich. Es gibt jedoch ein Problem: Ozra ist krank.“

Bam.

Ein Schlag direkt ins Gesicht, wie Sascha findet. In ihm bricht etwas zusammen. Er weiß nicht was, denn er kennt das Tier ja gar noch nicht. Aber er hat sich so gefreut und dass sie jetzt krank sein soll, versetzt ihm einen Dämpfer.

„Was hat sie denn?“, will Julian wissen, da er genau merkt, dass Sascha im Moment so mit seinen Gedanken beschäftigt ist, dass er darauf nichts erwidern kann.

„Letzte Woche war sie in der Tierklinik. Schnupfen, ein ausgewachsener Katzenschnupfen. Außerdem hat sie Problem mit den Äugelein. Vor zwei Tagen haben wir sie wieder ins Tierheim geholt und gepflegt. Sie bekommt Antibiotika und zweimal täglich muss man Tropfen ins Auge geben …“

„Aber … aber … ich versteh das nicht. Als … als wir hier zu Besuch waren hat man uns nicht mal zu den Tieren gelassen, weil es ‚unhygienisch‘ sei und weil man die Gesundheit der Tiere nicht gefährden will und jetzt geben Sie uns kranke Katzen?“, bricht es aus Sascha heraus. Endlich kann er seine Gedanken in Worte fassen. „Das ist jetzt ein Witz, oder? Warum haben Sie uns nicht darüber informiert? Wir sind extra von Basel angereist!“

„Sowas ist leider immer möglich. Außerdem ist es nichts Schlimmes. Ein wenig Antibiotika und Augentropfen und sie ist wieder ganz die Alte. Sie können sie natürlich auch erst nächste Woche abholen … das wäre auch kein Problem“, bietet die Tierheimleiterin an.

„Nein, das ist nicht möglich. Wir haben nächste Woche extra freigenommen, weshalb wir das jetzt nicht alles verschieben möchten und können. Denken Sie denn, dass wir das hinkriegen? Sie kennt uns ja gar nicht, denken Sie, dass sie hinhält?“

„Ozra ist sehr pflegeleicht. Haben Sie keine Angst, das schaffen Sie ganz sicher. Dann möchten Sie die beiden sofort mitnehmen?“ Ein Nicken von den beiden Männern. „Gut, dann machen wir doch zuerst das Schriftliche. Das ist der Vertrag, den Sie mir bitte auf jeder Seite visieren und dann auf der hintersten Seite unterzeichnen mögen. Hier ist ein Stift“, damit reicht die Frau den Männern ein zehnseitiges Vertragsdokument.

Sascha muss leer schlucken.

Sie beginnen den Vertrag zu lesen. Klauseln wie ‚Bei Wegzug müssen Sie das Tierheim informieren‘, ‚Wir haben das Recht unangemeldet bei Ihnen Zuhause eine Inspektion vorzunehmen‘, ‚Sollten wir eine katzenungerechte Haltung feststellen, nehmen wir die Tiere wieder zurück‘, ‚In diesem Fall gibt es keine Rückerstattung des Preises‘ oder ‚Ihnen ist es nicht gestattet die Tiere einzuschläfern ohne Rücksprache mit der Tierheimleitung‘ machen es den Männern schwierig, sich auf die Tiere zu freuen. Zum einen ist es löblich, dass der Schweizer Tierschutz solche Anstrengungen unternimmt, um den Tieren ein schönes Zuhause zu ermöglichen, zum anderen fühlt man sich wie ein Verbrecher, wenn man dieses Dokument liest.

„Sie erhalten dann eine von uns unterzeichnete Kopie per Post! Zahlen Sie bar oder mit Karte?“

„Wir … wir zahlen mit der Karte“, stammelt Sascha perplex. Gut, es nützt nichts, also setzt er seine Unterschrift unter das Dokument, während Julian die Gebühr am Kartenterminal begleicht.

„Gut, dann holen wir Ihnen die Tiere. Einen Moment bitte.“ Damit sind die beiden Männer alleine im kleinen Laden und sehen sich an. Beiden ist anzusehen, dass sie überfordert sind und sich nicht so vorgestellt haben. Ein paar Minuten später geht die Tür auf und die Tierpfleger kommen mit zwei Tragboxen heraus. „Ich nehme an, dass Sie die Tiere in ihre Kisten umladen möchten?“, will die Tierheimleiterin wissen.

Ein Nicken.

Trotz allen Widrigkeiten und Vertragshürden – als der Korb geöffnet wird und die Männer den Kater entdecken, ist alles vergessen. Er hat Angst, aber man spürt auch, dass er ganz genau weiß, dass er jetzt in ein besseres Zuhause kommt. Weg vom Tierheim … in ein neues Leben. Sascha greift sich den Kater und drückt ihn an sich, legt ihn über die Schulter. Das Tierchen beginnt zu schnurren, zeigt damit seine Dankbarkeit. Behutsam versucht Sascha ihn in die Transportbox zu legen. Das geht ganz gut, er sträubt sich nur leicht.

„So und hier kommt Ozra. Wir würden Ihnen gerne zeigen, wie Sie die Behandlung machen müssen. Die Tabletten einfach ins Futter geben, das frisst sie ganz gut“, beginnt die eine Pflegerin. Die Katze wird auf den Tisch gepackt, festgehalten, dann wird ihr Kopf überstreckt, die Augen aufgerissen und zwei Tröpfchen hineingeträufelt. Ozra mauzt, kreischt und schlägt mit den Pfoten um sich. Es ist, als ob in ihr etwas entfesselt wurde. Pure Panik und Entsetzen nehmen Besitz von der Katze – in ihr entfesseln sich die ungebändigten Kräfte der Wildnis. Mit ihren scharfen Krallen schlitzt sie alles auf, was sich ihr in den Weg stellt.

Diese Bestie soll pflegeleicht sein?

Gerade als Sascha das Gesagte der Tierheimleitung innerlich wiederholt, entweicht der Katze ein wildes Fauchen, das in seiner Intensität dem eines Berglöwen oder eines Schneeleoparden gleichkommt. „Und so applizieren Sie das Medikament. Zweimal täglich. Ganz einfach. Okay?“, will die Tierpflegerin wissen. Sascha entfernt seinen Blick von dem entfesselten Monstrum und sieht die Frau mit großen Augen an. Leichenblässe überzieht seine Züge.

Einfach?

„Werden wir schon schaffen“, meint Julian, als er der Pflegerin hilft, das wildgewordene Tier in die Transportbox zu ‚zwängen‘. Sascha lächelt nervös, bevor er nickt, um die Vorführung abzuschließen.

Die Fahrt nach Hause verläuft ziemlich nervig. Ozra, die die beiden Kiwi taufen werden, miaut in ihrem Korb um die Wette mit den Geräuschen des Motors. Unnachgiebig und im Minutentackt ertönt ihre unzufriedene Stimme, die den Männern durch Mark und Bein geht. Anfangs hat Sascha noch versucht sie zu beruhigen, hat ihr Futter durch die Gitterstäbe gestopft und sie gestreichelt, doch dann hat er es aufgeben. Omid, der Kater, den sie Onyx taufen werden, ist äußerst ruhig. Sieht man aber in seinen Käfig, sieht man, wie er zittert und Angst hat.

Eine Tortur – für Mensch und Tier.

„Denkst du, dass es dir richtige Entscheidung war?“, will Sascha wissen.

„Ja, natürlich …“

„Sie ist krank und hast du gesehen, wie sie sich gewehrt hat. Das schaffen wir niemals alleine. Und der Vertrag nervt mich auch: Die können jederzeit bei uns auftauchen. Das will ich nicht. Wir haben die Wohnung mehr als nur katzengerecht eingerichtet!“

„Ja, ich weiß. Aber sie wissen das nicht und es ist ihre Pflicht. Hab Vertrauen, ja? Alles wird gut“, beschwichtigt Julian mit ruhiger Stimme. Ein Seufzen entweicht seinem Freund und Julian sieht, wie Sascha aus dem Fenster starrt. Eine typische Reaktion. Wie gut er seinen Freund doch mittlerweile kennt.

In der Wohnung angekommen, bringen die beiden die Käfige ins Gästebadezimmer, so wie sie es besprochen haben. Sie öffnen die Käfige. Es passiert nichts. Keine der Katzen bewegt sich aus dem Korb. Sie ziehen sich zurück und beobachten. Als erste betritt Kiwi das neue Daheim. Neugierig beschnuppert sie die Umgebung und startet die Erkundung des Gästebads. Der Kater bleibt sitzen.

„Komm, wir gehen ins Esszimmer …“, flüstert Julian, bevor sich die Männer zurückziehen. Im Esszimmer setzen sie sich mit Leckerli auf den Boden und warten. Tierbücher raten zu diesem Vorgehen. Die Tiere sollen sich die Umgebung alleine anschauen und selbst entscheiden können, wann sie zu den Menschen gehen. Sascha schaut auf die Uhr.

Lange Zeit geschieht nichts.

Doch dann wird eine schwarzweiße Katze sichtbar. Tollkühn erkundet sie die gesamte Wohnung ohne scheu und ohne Angst. Kiwi, die Draufgängerin. Es ist so, als inspizierte sie ihre neue Bleibe wie ein Hoteltester. Ein kurzer Blick in jeden Raum der 4.5-Zimmerwohnung. Es scheint ihr zu gefallen.

„Sieh dir das an!“, frohlockt Sascha.

„Ja, das ist ja geil. Komm her … Kiwi … komm her …“ Nachdem Julian mit den Leckerli Geräusche macht, dreht sich die Katze um und kommt schnurstracks auf die Männer zu. Schnurrend schmeichelt sie sich um die Menschen und verlangt nach einem Fressi, dass sie sofort erhält. Mit Freudentränen in den Augen streichelt Sascha über Kiwi, heißt sie in der Familie willkommen.

Auch Julian ist angetan von der Katzendame.

Als wenig später auch das Katerchen im Flur auftaucht und den Weg Richtung Esszimmer in Angriff nimmt, ist das Glück der Männer komplett. Sie haben es geschafft. Sie sind stolze Katzenbesitzer und es scheint, als ob es den beiden Flauschpfoten im neuen Daheim gut gefällt, sie sich wohlfühlen. Julian lächelt Sascha an und küsst ihn auf den Mund. Es ist ein sanfter, liebevoller Kuss. Sie umarmen sich und Sascha entweicht ein Schluchzen.

Familie.

Die beiden werden viel Freude mit den Tieren haben, aber auch einige Kratzer erdulden und empfindliche Verluste beim Mobiliar hinnehmen müssen. Die Katzen erwartet ein liebevolles Heim mit netten Menschen, die für die beiden Babys alles tun werden.

Ende

Mechaniker

„Diese verdammte Karre!“, brummt Nils sauer. Er schlägt auf das Lenkrad. „Aua!“, quittiert er den Schmerz, der sich in seiner Hand ausbreitet. Er seufzt und zückt resigniert das iPhone aus seiner Hosentasche. Es bringt nichts, das Auto muss in die Werkstatt! „Ausgerechnet heute! Grrrr, verflucht!“ Er wollte heute in ein verlängertes Wochenende starten und nun blinken sämtliche Anzeigen auf dem Display wie ein Weihnachtsbaum.

Farbige Lämpchen überall.

„Autohaus Müller, Gerster, was kann ich für Sie tun?“, ertönt die quikende Stimme der Rezeptionistin. Nils schliesst kurz die Augen.

„Guten Tag, mein Name ist Nils Brander. Die Anzeigen an meinem Fiat 500 spielen verrückt und ich wollte heute in die Berge fahren …“

„Oh, das tut mir leid, Herr Brander.“

„Danke. Gibt es eine Möglichkeit, dass ich heute noch vorbeikommen könnte und Sie mein Auto reparieren?“, will Nils wissen. In seiner Stimme schwingen Hoffnung, aber auch Angst und ein bisschen Wut mit.

„Das ist sehr kurzfristig, Herr Brander.“

„Ach, Frau Gerster, das weiß ich doch auch. Denken Sie nicht, dass Sie kurz …“, will Nils mit der zuckersüßesten Stimme wissen, die er aufbringen kann.

„Ich frage in der Werkstatt. Bitte bleiben Sie dra…“, damit landet Nils in der Warteschlaufe, wo er sogleich von langweilender Fahrstuhlmusik eingelullt und in den Schlaf hypnotisiert wird – wäre er nicht so aufgewühlt, schliefe er auf der Stelle ein. „Sind Sie noch da?“ Ja, wo sollte ich denn auch sonst sein?, denkt Nils belustigt.

„Selbstverständlich … und wie sieht es aus?“

„Der Mechaniker meint, dass Sie Ihr Auto sofort vorbeibringen sollen. Er sieht es sich an. Fahren Sie direkt in die Garage, Sie müssen sich nicht am Empfang anmelden. Okay? “

„Ja, natürlich, das ist ja super. Vielen, vielen Dank, Frau Gerster“, frohlockt Nils aufgebracht. Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt. Vielleicht gibt es doch noch die Möglichkeit für ein verlängertes Wochenende in den Bergen.

„Auf Wiederhören!“, trällert die Frau noch, doch Nils hat bereits aufgelegt. Die Reisetasche liegt im Wagen, er ist startklar. Der PS-schwache Motor erwacht zum Leben und Nils fährt aus der Tiefgarage in Richtung der Werkstatt. Weit muss er nicht fahren. Das Areal wirkt kühl und ein wenig heruntergekommen. Das Gebäude der Werkstatt hat seine besten Zeiten bereits hinter sich. Aber eigentlich ist es ja egal, wie es hier aussieht, Hauptsache man kann seinen Wagen reparieren. Nils befolgt die Anweisung der Frau und fährt mit seinem pinken Italiener-Rucksäckchen – wie man den 500er auch nennt – direkt vor das weit geöffnete Garagentor und hält an. Er steigt aus und geht Richtung Werkstatt.

„Hallo?“ Zuerst geschieht nichts. Etwas lauter: „Hallooo?“ Ein unverständliches Grummeln schlägt ihm entgegen. Werkzeuge fallen zu Boden. Nils drückt das rechte Auge zu und wartet, bis Mechaniker auftaucht.

„Wer, verdammt nochmal … Hallo? Wer ist da?“, ertönt eine maskulin dunkle Stimme.

„Nils Brander. Ich hatte angerufen betreffend meinem 500er?“ Ächzend erhebt sich jemand und stampft in Nils Richtung. Vor seinem geistigen Auge tut sich ein Bild auf: älterer Herr, Bierbauch, ölverschmierter Overall, Halbglatze. Der Mann biegt um eine Ecke und Nils kriegt weiche Knie – es ist, als ob sich seine Knochen in Pudding verwandeln. Er reißt die Augen weit auf und starrt den Typen an.

Seine Vorstellung war falsch. So falsch!

„Adi Nussbaumer. Freut mich“, meint der Mechaniker, als er Nils die Hand hinstreckt. Viel zu lange starrt dieser auf die ihm hingestreckte Hand, die Adern die das Fleisch durchlaufen, die Kraft, die davon ausgeht. Er schluckt trocken und reicht dem Mann seine Hand.

„F-freut … freut m… mich auch“, stammelt Nils verlegen. Der Typ ist ein Traum. Breite Schultern, ein markantes Gesicht, ein gepflegter Bart, groß, kräftig, muskulös und kernig. Erneut schluckt Nils seine Aufregung hinunter. Diese grünen Augen sie sind so leuchtend, dass sich der Kunde darin verliert. Es ist als, ob alles andere verschwimmt.

„Geht es Ihnen gut?“, reißt ihn die Stimme des Hünen aus seinen mehr als lüsternen Gedanken. Er schüttelt den Kopf, nimmt Haltung an und fragt: „Hä? Ja, natürlich. Was, was haben Sie gefragt?“ Das entlockt dem Mann ein grollendes Lachen, was seine Züge weicher erscheinen lässt. Er hat perfekte Zähne!, stellt Nils fest. „Ich habe gefragt, was denn das Problem bei Ihrem Auto ist?“

„Achso. Hihi. Naja. Leuchten. Alle. Bunt. Also … shit. Ich … bitte entschuldigen Sie!“, stammelt Nils verlegen. Er schließt die Augen, atmet tief ein und aus und fährt dann fort: „Ich wollte heute in ein verlängertes Wochenende in den Bergen starten und als ich losfahren wollte, leuchten sämtliche Anzeigen auf! Das … das passt mir heute so überhaupt nicht. Können Sie mir helfen?“

„Passt es denn je?“, will der Mechaniker lachend wissen. „Dann will ich mir das mal ansehen. Sie haben draußen geparkt?“ Ein Nicken von Nils. Der Mann geht voraus und ermöglicht seinem Kunden so einen äußerst genauen Blick auf die Kehrseite des Schönlings. Durch den blauen Stoff des ölverschmierten Overalls – wenigstens hier lag Nils richtig – zeichnet sich ein perfekt geformter Körper ab. Breite Schultern, eine Wespentaille und ein knackiger Hintern. Als der Mann den pinken 500 entdeckt, bleibt er stehen. „Oh, wow. Ähm … schöne Farbe!“, bringt er stotternd hervor.

„Ja, nicht wahr? Ach, ich habe damals so lange überlegt, welche Farbe ich nehmen soll. Ich tendierte zwischen Gelb, Pink und Orange. Alles so geile Farben, die total gut zu mir und meinem Lebensstil passen. Aber am Schluss, naja, hat mein Pink Fetisch wieder eingeholt und ich … oh … ähm … sorry … ich … das interessiert Sie gar nicht …“, verstummt Nils nach seinen viel zu enthusiastischen Erzählungen. Ein bezauberndes Lächeln erhellt das Gesicht des Mechanikers, bevor er sich umdreht den Motor anlässt, sich die Anzeigen ansieht und dann die Motorhaube öffnet. Er sieht kurz rein, werkelt herum, zieht den Ölstandanzeiger heraus und kontrolliert ihn.

„Sagen Sie mal, Herr Brander … wann … wann haben Sie zuletzt das Öl kontrolliert?“ Nils starrt den Mann an, wie wenn er von einem anderen Planeten kommt.

„Das … Öl kontrolliert?“

„Ja, hier, den Anzeiger rausziehen, kontrollieren und Öl nachfüllen?“

„Noch … nie?“

„Hm … das dachte ich mir. Der Ölstand ist viel zu niedrig, was die Warnleuchten auslöst. Außerdem ist die nächste Kontrolle schon seit sechs Monaten fällig und das Scheibenwischerwasser ist ebenfalls leer.“

„Das … das klingt ja schlimm … ich ähm … kann man das Auto noch retten?“, will Nils geknickt wissen.

„Ob man es noch? Oh Mann. Ich mache Ihnen einen Vorschlag, Herr Brander.“

„Ja?“

„Ich repariere Ihr Auto in den nächsten dreißig Minuten und Sie trinken mit mir einen Kaffee?“

„Wie? Ich … mit Ihnen? Also … ähm … ja, klar. Super. Also das mit dem Auto. Also auch der Kaffee, ja … klar.“

„Ich bin Adi.“

„Nils.“

„Setz dich dort drüben hin und lass mich meine Arbeit tun, ja?“ Ein Nicken des Kunden und Adi steigt in den pinken Wagen ein und fährt ihn in die Garage. Schnell wird er an Kabel gehängt und durchgecheckt. Adi hantiert mit Öl und sonstigen Flüssigkeiten, während Nils ihm sehr genau dabei zusieht. Nils beobachtet jede Bewegung des Mechanikers. Man sieht, wie die Muskeln unter seinem Shirt arbeiten, wie sich die Sehnen in seinen braungebrannten Armen bewegen, wie sinnlich und geschmeidig er sich bewegt. Dieser erotische Anblick lässt das Blut in Nils‘ Körper pulsierend nach unten schießen. Sein Glied richtet sich auf und drückt unangenehm gegen die viel zu enge Hose. „Fertig!“, frohlockt Adi und dreht sich zu Nils, dieser steht sofort auf und verdeckt angestrengt seine Erektion.

„Schon? Oh, super, dann kann ich ja jetzt los!“

„Hm … leider nein …“

„Was? Du hast es mir versprochen!“ Adi setzt ein schelmisches Lächeln auf und lässt seinen Blick erstmals offensichtlich über Nils‘ Silhouette wandern. Er tritt näher an seinen Kunden heran – so nahe, dass Nils den betörenden Duft des Mechanikers wahrnimmt. Schweiss. Arbeit. Adi. „Was … was …“, stammelt er verlegen. Der Mechaniker kommt immer näher und Nils weicht immer weiter zurück. Nach ein paar weiteren Schritten prallt er gegen eine Wand und keucht auf. Adi stützt seine Hände an der Wand neben Nils‘ Kopf ab und lehnt sich nahe zu ihm.

„Du kannst nur losfahren … wenn …“, haucht Adi seinem zittrigen Kunden ins Ohr.

„Wenn?“

„Wenn du mich küsst …“

„Wenn ich dich … küsse? Das ist Nötigung!“, flüstert Nils erregt.

„Nur, wenn du es nicht auch willst.“ Damit greift Adi an Nils‘ Hose, streicht über dessen steinharte Erektion. Ein Stöhnen entweicht Nils, als diese Berührung ihn beinahe kommen lässt. „Darf ich dich küssen?“

„J-ja … ja.“

Als sich die beiden Münder berühren, sich die Männer zu küssen beginnen, durchdringt beide Körper ein starkes Beben – es ist, als ob etwas in ihrem Innern ausgelöst wird, dass nun auszubrechen droht. Stöhnend schlingt Nils seine Arme um Adis Nacken, zieht ihn näher. Als der Mechaniker mit seiner Zunge an Nils‘ Lippen spielt, öffnet er bereitwillig und lässt den Mechaniker eindringen, Besitz von ihm ergreifen.

„Komm mit!“

„Was?“, krächzt Adi verwirrt.

„Komm mit in die Berge. Wenn wir mittags losfahren, sind wir gegen Abend dort. Begleite mich … bitte.“ Adi sieht sich seinen Kunden an, streicht ihm übers Haar und küsst ihn erneut gierig. Fordernd drückt er sein erigiertes Glied an Nils, zeigt ihm seine Erregung.

„Um elf endet meine Schicht. Dann will ich duschen, mich umziehen, packen und dann können wir los.“

„Wirklich? Du kommst mit?“, will Nils erstaunt wissen.

„Ja. Aber nur unter einer Bedingung!“ Nils schließt die Augen. Verdammt. Immer treffe ich auf solche Idioten, die Bedingungen stellen, um mit einem viel zu dünnen Mann auszugehen!, denkt Nils angesäuert.

„Ja, was denn?“, keift er bereits ungehalten.

„Du lässt dir von mir zeigen, wie du das Öl wechseln kannst und was du sonst noch tun solltest, damit dir dein Fiat 500 noch lange, lange, lange erhalten bleibt. Ja?“ Adi wackelt mit den Augenbrauen und beginnt zu lachen. Er hat ein wundervolles Lachen, das richtiggehend ansteckend ist. Nils stimmt mit ein. In diesem Moment spürt er regelrecht, wie ihm ein Stein vom Herzen fällt.

„Ja. Ja! Natürlich. Ach, ich freu mich! Dann hole ich dich gegen elf hier ab?“, frohlockt Nils, als er sich zu seinem Auto bewegt. Dann dreht er sich nochmal um, rennt zu Adi und küsst ihn erneut. „Bis später …“

„Bis später!“

Dildoparty

Ein schrilles Klingeln durchbricht die nervöse Anspannung. Ist die erste Teilnehmerin bereits da?, fragt sich Livio, bevor er die Tür öffnet und eine blonde Frau Mitte 30 entdeckt.

„Willkommen! Mein Name ist Livio, ich bin der Gastgeber. Mit wem habe ich das Vergnügen?“

„Susanne. Freut mich.“ Die zwei geben sich die Hand und Livio bittet den Gast in seine Wohnung. Die Frau sieht sympathisch aus, trägt gepflegte Kleidung und hat ein strahlendes Lächeln aufgesetzt.

„Du bist die Erste … komm doch ins Wohnzimmer. Darf ich dir einen Prosecco anbieten?“ Ein freundliches Nicken der Frau. „Ich habe Litschi oder Normal da. Was darf es sein?“ Die Mimik der Frau bröckelt. Ihre Lippen beben leicht. Man spürt, dass sie nervös ist, so wie Livio. Es ist seine erste Party.

Die erste Dildoparty.

„Litschi, gerne“, entscheidet sich die Frau. Livio nickt und huscht in die Küche. Ein Freund hat ihn auf die Idee gebracht, dass er das gemeinsame, äußerst knappe Haushaltungsbudget mit solchen Veranstaltungen aufbessern könnte. Idee dahinter: Livio veranstaltet in regelmäßigen Intervallen Dildopartys, lädt immer wieder neue Teilnehmer ein, die es dann weitererzählen und so Livios Kundenstamm vergrößern. Die Frauen und Männer kaufen die erotischen Helferchen und vom Umsatz erhält der Gastgeber eine Beteiligung von zwanzig Prozent.

Hört sich gut an.

Zehn Minuten später sind sämtliche Gäste eingetroffen. Nach der anfänglichen frostigen Reserviertheit gelingt es Livio mit seiner freundlichen und umgänglichen Art das Eis zu brechen. Die acht Frauen und zwei Männer sind in der richtigen Stimmung und der Alkohol tut das übrige. Die Leute futtern Chips, Nüsschen und sonstiges Knabberzeug und sind auf die Präsentation gespannt.

„So, meine Lieben, dann wollen wir mal anfangen. Als erstes präsentiere ich euch den stattlichen Vibrator ‚Internal Intense‘. Er ist ergonomisch geformt, das Material ist gefühlsecht, sanft und gleitfähig. Er lässt sich sowohl für vaginales als auch anales Vergnügen verwenden …“ Livio atmet tief durch. Es ist komisch für ihn, solche Sachen zu erzählen und dabei den schwarzen Vibrator in seiner Hand herumzudrehen und zu demonstrieren. „‘Internal Intense‘ ist ein estim-Vibrator, das heißt, dass er nebst der Vibration zusätzliche Reizstromstöße entsendet. Er ist das einzige Toy, das Vibration mit Stromstößen verbindet. Er kribbelt, pulsiert und vibriert. Ich schlage vor, dass wir ‚Internal Intense‘ zirkulieren lassen und ihr ihn alle berührt und euch mit der Form vertraut macht“, damit reicht er das Spielzeug an Egon weiter, der ihn etwas unbeholfen festhält. „Er ist absolut wasserdicht, ist mit einem wieder aufladbaren Akku versehen und arbeitet mit zwei Motoren, das heißt, dass wir eine Vielzahl von Möglichkeiten und Modi zur Verfügung haben. Er hat eine Länge von 15 cm und einen Durchmesser von 4 cm.“

„Findet der auch den G-Spott, Livio?“, will nun Egon wissen, der das Teil mittlerweile fasziniert in der Hand herumdreht. Die Frauen sehen den offensichtlich schwulen Egon leicht entsetzt an – man sieht förmlich, wie es in ihrem Kopf arbeitet.

„Na das wollen wir uns nun wirklich nicht vorstellen!“, gibt Jessica zurück und verzieht angeekelt den Mund. „Gib den Vibrator endlich weiter!“, zickt sie. Egon schaut betroffen, tut aber, wie ihm geheißen. Susanne schaltet den Dildo ein und kichert entzückt von der Stärke und den Kontraktionen.

„Wo schaltet man die Stromstöße ein?“, will die nächste wissen.

„Ihr habt zwei Bedienelemente. Das untere regelt die Vibration, mit dem oberen lässt sich die Stromstärke einstellen …“

„Oh, wow … das … das ist ja … wow“, stammelt Kathrin, bevor sie den Dildo weitergibt.

„Das Toy kommt mit einer schönverarbeiteten Tasche, einem USB-Ladekabel und einer mehrsprachigen Anleitung“, wirft Livio noch ein, doch die Teilnehmer/Innen haben nur Augen für den kostspieligen Freudenbringer.

„Schade, dass man ihn nicht sofort ausprobieren kann“, kichert eine der Damen.

„Ich nehme einen!“

„Ich auch!“, treffen die Bestellungen ein. Livio lächelt angetan und notiert die Wünsche der Kundinnen und Kunden.

Nach ‚Internal Intense‘ präsentiert der Gastgeber einige Cock Ringe, ein Set von Anal Stöpseln, sexy Unterwäsche für Sie und Ihn sowie Handschellen aus der ‚Grey‘-Kollektion. Das Leder ist geschmeidig und glänzend. Die Innenseiten der Cuffs sind samtig weich und die Kette, welche daran baumelt, macht Lust auf mehr. Die Frauen und Männer sind mittlerweile aufgetaut, fesseln sich gegenseitig, amüsieren sich über die Penisgrößen der Männer und die Bedürfnisse der Frauen. Über frühzeitige Ergüsse und dem Wunsch nach Größe und Umfang.

„Kannst du das nächste Mal größere Plugs mitbringen, Livio, diese hier sind doch sehr klein, da besteht die Gefahr, dass sie ganz reinflutschen!“, äußert sich Egon, während er an seinem Gläschen nippt. „Stösschen!“, prostet er den kichernden Damen zu. Eine boxt ihm freundschaftlich auf den Oberarm. „Aua. Ist doch so!“, kontert er gekränkt.

„Meine Güte! Das ist eklig! Das wollen wir nicht hören!“, schnauzt ihn Jessica an. Die anderen Frauen wenden sich leicht hilflos ab und bleiben stumm. „Das ist eine Dildoparty und keine Homoparty! Ich will nicht hören, was du dir alles in den Hintern schiebst, du Perversling! Ihr denkt immer, dass alle eure kranke Neigung akzeptieren und sogar tolerieren müssen, dass regt mich total auf und …“

In Livios Inneren baut sich eine ungeheure Wut aber auch Hilflosigkeit auf. Vorhin hat er den Spruch der einen Teilnehmerin noch überspielt, aber das geht zu weit! Es gibt nur eine Möglichkeit, wie Livio jetzt reagieren kann: „Jessica, bitte nicht in diesem Ton. Das ist eine offizielle Ladies and Gays Dildoparty. Wenn du also ein Problem mit gleichgeschlechtlich liebenden Menschen hast, dann möchte ich dich nun bitten, zu gehen.“ Die Gesichtsfarbe von Jessica verändert sich ins Dunkelrote.

„Wa- wie – das – ist eine – eine Frechheit! Ich muss mich hier nicht anprangern lassen, wenn ich keinen Arschsex praktiziere und auch nicht wissen möchte, wie die Homos poppen!“, keift sie los, während sie aufsteht.

„Du verpasst was, meine Liebe. Würde dir guttun“, flüstert Bernd, der zweite schwule Mann an diesem Abend. „Mit diesem Stock im Arsch!“ Sie funkelt ihn wütend an.

„Ich bitte dich zu gehen! Und alle, die homosexuelle Menschen nicht akzeptieren können, dürfen ihr gerne folgen. Ich bin selbst schwul und möchte nicht mit Leuten den Abend verbringen, die etwas gegen mich oder meinesgleichen haben. Jetzt, raus!“, entgegnet Livio wütend und doch bestimmt. Jessica stampft aus dem Wohnzimmer. Zwei weitere Frauen folgen ihr, ohne etwas zu sagen. Die, die zurückbleiben, lächeln betroffen aber auch aufmunternd. Nachdem die Tür lautstark ins Schloss fällt, wird es ruhig in der Wohnung. Livio steht wie ein Ölgötze in der Stube und bringt keinen Mucks heraus. So hat er sich diesen Abend nicht vorgestellt.

Peinliche Stille.

„Was für ein Gerät wolltest du uns noch zeigen, Livio?“, wirft nun Susanne ein. Sie nickt Livio auffordernd zu.

„Ja, zeig uns das Teil!“, meint Egon ebenfalls aufmunternd. Die Show muss weitergehen. Livio nickt dankbar, sammelt sich kurz und kramt das neue Teil aus seinem Koffer.

 

„So, die Teilnehmer sind gegangen …“, meldet sich Livio zu Wort, als er das Schlafzimmer betritt. Auf dem großen Doppelbett liegt Sven. Er sieht müde und traurig aus.

„Wie ist es gelaufen?“, kommt es krächzend zurück. Sven räuspert sich und versucht sich im Bett aufzurichten. Er stöhnt schmerzerfüllt.

„Warte, ich helfe dir.“

„Lass mich in Ruhe! Ich will nicht immer bemuttert werden!“, keift ihn Sven an. Seine Stimme ist rau und direkt. Er schließt die Augen. „Es tut mir leid …“, kommt es sanfter. „Wie … wie ist es gelaufen?“

„Ist schon okay, ich weiß ja, dass du Schmerzen hast. Es ist gut gelaufen. Ich habe für 750 Euro Waren verkauft. Davon 20 Prozent sind 150 Euro – für zwei Stunden Arbeit. Gar nicht schlecht, oder?“

„Das … das ist wirklich nicht schlecht.“

„Damit können wir Essen kaufen und ich besorge dir das bequeme Kissen, das du so gerne haben möchtest!“

„Das … das muss nicht sein. Gönn dir doch selbst wiedermal was“, krächzt Sven mit Tränen in den Augen. „Ich … es tut mir so weh, dass du für mich krampfen musst, deinen Job aufgegeben hast und arm bist. Alles nur wegen mir!“

„Red keinen Stuss! Ich liebe dich und ich tue das gerne für dich! Seit deiner Krebsdiagnose hat sich viel verändert. Du brauchst Pflege und ich möchte dich nicht den ganzen Tag alleine Zuhause lassen. Und: Es ist nicht deine schuld! Wer konnte denn ahnen, dass die Gesundheitskasse nicht zahlt oder nur das Nötigste?“, will Livio wissen, bevor er sich aufs Bett setzt, mit seiner Hand über Svens Wange fährt und ihm dann ein Küsschen auf die Wange haucht. „Ich liebe dich und ich bringe dieses ‚Opfer‘ gerne für dich. Außerdem ist es gar kein Opfer, denn ich kann so bei dir sein, mit dir zusammen diesen Weg beschreiten. Als Paar. Durch dick und dünn, wie wir es uns versprachen!“ Livios Gegenüber lächelt dankbar und in diesen wunderschönen braunen Augen ist so viel Verlangen und Vertrauen zu lesen, dass es Livio im Herzen wärmt, ihn bekräftigt und ihm bestätigt, dass es das Richtige ist.

„Ich liebe dich!“, kommt es dankbar und vertraut von Sven.

„Und ich dich!“

Das Grab

„Schau mal, Ben, was ich dir mitgebracht habe“, flüstert Remo, als er sich hinkniet, um sein Mitbringsel niederzulegen. Er hat sich für ein wunderschönes Blumengesteck aus roten und weißen Rosen entschieden – dazu wurden Gräser und Blätter kombiniert.

Außergewöhnlich.

Er legt das Bouquet vor den Grabstein auf das einfachbepflanzte Grab. Benjamin Baumgartner, 1985 bis 2010, steht in goldigen Lettern auf dem Stein. Remo wischt sich eine Träne von der Wange. Fünf Jahre ist es her und dennoch kann er nicht loslassen, seinen Ben nicht vergessen. Es ist für ihn, als ob es gestern war, dass sie zusammen glücklich waren und dachten, dass sie die Welt erobern können. Der Schmerz über diesen Verlust ist so gewaltig, dass er Remo noch immer jeden Tag begleitet. Weitere Tränen kullern über seine Wange und verschleiern seine stechend blauen Augen. Sein Herz zieht sich schmerzerfüllt zusammen. Er versinkt im schönsten Moment, den die beiden zusammen erlebt haben:

„Hey, mein Traummann. Hier ist es wunderschön. Du hast so ein gutes Händchen für sowas!“, zwinkert ihm Ben zu, als er ihn in eine sinnliche Umarmung schließt und ihn auf die Wange küsst, nur, um sich dann zu seinem Mund vorzutasten. Sie küssen sich leidenschaftlich, halten einander in den Armen und sind sich nah. Sie befinden sich auf einer kleinen Insel in der Nähe von Hawaii. Einsame, weiße Sandstrände, ausladende Palmen, eine angenehme Temperatur und das Wasser ist so sauber und blau, dass man ewig darin baden möchte.

„Wir haben uns zusammen für diesen Urlaub entschieden, mein Hase. Aber jetzt kommen wir zu der eigentlichen Überraschung: guck mal da vorne, was ich für uns vorbereitet habe!“, gibt Remo zurück, als er mit seinem Kinn auf eine Palme deutet.

„Du … du bist ja … du bist ja vollkommen verrückt! Oh, mein Gott, Remo. Es … es ist wunderschön. Ich … ich weiß gar nicht, was ich sagen soll!“, stammelt Ben, als er den Picknickkorb und die Decke entdeckt.

„Lass dich von mir verwöhnen, Süßer!“, schnurrt Remo, als er seinen verdatterten Partner an der Hand nimmt und ihn zur Decke führt. Eine Palme spendet Schatten, die rotweiße Decke passt perfekt an dieses Plätzchen und im Korb gibt es frische Früchte, Sandwiches, Champagner sowie andere Getränke und Leckereien. Remo hat Rosenblätter gestreut und in einem silbernen Ständer wartet eine rote Kerze darauf, entzündet zu werden. Nur wenige Meter von diesem idyllischen Plätzchen entfernt, streicheln seichte Wellen über die Küste und wirbeln die Sandkörner auf. Sie setzen sich hin und beginnen mit dem Picknick.

„Ich liebe dich“, flüstert Ben, als er Remo ein Küsschen auf den Mund haucht. „So sehr!“

„Und ich liebe dich, mein Großer.“ An diesem Plätzchen, ihrem persönlichen Fleckchen Glück, herrscht eine unheimlich romantische Stimmung. Sie sehen sich tief in die Augen, lächeln und füttern sich gegenseitig mit Erdbeeren. Sie lachen, tauschen Zärtlichkeiten aus, küssen sich und sind einfach glücklich. Ihr Herzschlag rast wie damals, als sie sich kennengelernt haben. Die Schmetterlinge sind geblieben.

Pures Glück.

Nachdem sie die Früchte verzehrt und den Champagner geleert haben, sitzen sie beieinander – Remo vor Ben, zwischen seinen Beinen – und halten sich in den Armen. Pure Vertrautheit. Grenzenloses Vertrauen. Sie sehen sich den Sonnenuntergang an. Der riesengroße Feuerball versinkt langsam hinter dem Horizont und beleuchtet das Firmament und die watteartigen Wölkchen mit einem satten Rot, das so wunderschön ist, dass beide gar nicht genug davon kriegen können. Remo dreht sich zu seinem Ben um und küsst ihn feurig. Mit seiner Zunge zieht er die Konturen von Bens sinnlichen Lippen nach. Ein erstes zögerliches Stöhnen entweicht Ben, als er sich seinem Partner auf die Decke drücken lässt und dessen schlanken Körper auf seinem empfängt. Sie stöhnen einander in den Mund, berühren sich überall und wollen so nah beieinander sein, wie es eben nur geht. Remos Hand wandert unter Bens Hawaiihemd und geht auf Entdeckungstour, während Ben ihn durch die Hose massiert, seine Freude steigert. Sie geben sich einander hin. An diesem wunderschönen und perfekten Ort, vereinen sich ihre Körper zu einem einzigen.

Wahre Liebe.

„Was tun Sie hier?“, wird Remo angefahren und erwacht aus seinem Tagtraum, den wertvollen Erinnerungen an seine große Liebe. Er blinzelt und kommt zu sich. Eine Frau steht neben ihm und mustert ihn kritisch.

„Frau Baumgartner, schön Sie zu sehen!“, kommt es viel zu krächzend. Remo dreht sich weg, trocknet sich die Augen mit einem Taschentuch und schnäuzt einmal kräftig.

„Ich wünschte, dass ich das Gleiche sagen könnte. Was. Tun. Sie. Hier?“, gibt sie gereizt zurück.

„Ich besuche Ben, habe ihm einen Strauß gebracht …“, gibt Remo Auskunft. Ohne etwas zu sagen, bückt sich die Frau zu Remos Mitbringsel, hebt es auf und läuft damit zum nahen Abfalleimer. Sie wirft das teure Gesteck lieblos hinein.

„Ich habe Ihnen schon tausendmal gesagt, dass wir Sie hier nicht sehen möchten. Weder Sie noch Ihre Geschenke!“

„Wa … was? Sie können doch nicht meine Blumen wegschmeißen! Die waren für Ben!“

„Verstehen Sie nicht, was ich sage? Sie haben unseren Sohn verdorben. Wegen Ihnen ist er auf diese perverse Bahn geraten, die ihm … ihm das Leben gekostet hat. Gott verzeiht so etwas nicht! Niemals!“, sagt Frau Baumgartner hasserfüllt. Ihre Augen funkeln, ihre Lippen sind zusammengepresst.

„Sie denken immer noch, dass er wegen mir gestorben ist? Er war krank, hatte Bauchspeicheldrüsenkrebs …“

„Ich weiß, was er gehabt hat!“, zischt sie ihn an. „Und jetzt hauen Sie endlich ab, sonst rufe ich die Polizei!“ Remo ist schockiert, entsetzt und enttäuscht. Er kann nicht mal in Ruhe Bens Grab besuchen.

Er hat keine Rechte, keinerlei gesetzlichen Anspruch.

Wenn sie doch nur hätten heiraten können. Wenn. Bens Familie hat das gesamte Geld genommen, das Ben und er für schlechte Zeiten gespart hatten. Er musste aus der gemeinsamen Wohnung ausziehen und sie haben sogar den Großteil der Erinnerungen und Fotoalben mitgenommen.

Er war nicht einmal zur Beerdigung eingeladen.

„Auf was warten Sie noch? Hauen Sie ab! Verpissen Sie sich!“, zetert das verbitterte Weib. Remo sieht sie an, dreht sich ab und geht davon. Im Mülleimer liegt das Bouquet, das er für Ben gekauft hatte.

Tränen überströmen sein Gesicht.

Wenn sie doch nur hätten heiraten können!

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Impressum

Texte: Marc Weiherhof
Tag der Veröffentlichung: 12.09.2015

Alle Rechte vorbehalten

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