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»Altmeister Goethe«, »Altvater Homer«, »Vater Herodot«, »Papa Haydn«, das geht ja wie in der Puppenfee. Warum nicht »Tante Sappho«, »Mama Dido«?

Mit welchem Recht, bitte, tun Sie so familiär, so verwandt, so gnädig mit den erlauchten Herren? Sie mögen noch so zärtlich Papa rufen, er nennt Sie doch nicht Emil.

Beiläufig eine indiskrete Frage: Sie sind ohne Zweifel der Nämliche, der da schreibt: »Freund Lampe«, »Bruder Grimmbart«, »Gevatter Storch«, »Onkel Petz«, denn beiderlei stammt aus demselben Familiensinn, aus dem gleichen veronkelten Gemütsschatz. Eine ausgedehnte Verwandtschaft, fürwahr! von väterlicher Seite mit Homer und Haydn, von mütterlicher mit der Arche Noah verschwägert! Ich gratuliere.

Nun gehört es ja gewiß zu den unveräußerlichsten Menschenrechten, ab und zu ein bißchen läppisch zu tun. Und zur Verdauung, nach dem Essen, wenn einem just nichts Gescheidtes einfällt, leistet etwas Albernes den gleichen Dienst. Aber drucken lassen sollte man's besser nicht. Dazu ist denn doch der Einfall, alles, was da kreucht und fleucht, Papa zu nennen, nicht bedeutend genug. Auch schiene es mir geschmackvoller, den Scherz nicht auf die großen Herren der Kunst auszudehnen. Ihr Bild gewinnt sicher nicht dadurch, daß der erste beste sich ihnen auf die Knie setzt.

Allerdings, es macht sich ja gewissermaßen von selber. Ein Künstler wird alt, junge kommen heran, die den Alten niemals jung sahen; denen gehört die Vorstellung dieses Herrn unzertrennlich mit der Vorstellung weißer Haare zusammen; und der »Altmeister« oder »Papa« ist fertig. Ist das auch nicht besonders gescheit, so ist es doch verzeihlich.

Hingegen ist es unverzeihlich, nachdem jener das Zeitliche gesegnet, ihm seine weißen Haare in die Ewigkeit nachzutragen, ihm seinen wohlverdienten Ruhm auf alle Zeiten mit Schlafrock und Pantoffeln zu verunzieren. Denn der Tod verjüngt; nachdem der Leib verschwunden, tritt die Seele mit dem Antlitz der Jugend vor die Erinnerung.

Übrigens, er rächt sich grausam, der tote Kunstpapa, für den Unglimpf. Damit, daß er Euch den Schlüssel zu seinen Werken verweigert. Wer mit der Vorstellung eines kindlichen Altvaters Homer an die Ilias tritt, trägt mit seinen Händen einen muffigen Beigeschmack in den Text, den er nicht mehr los wird. Die Sonne Homers schlägt ihm in einen Altweibersommer um. Wer sich einmal angewöhnt hat, »Papa Haydn« zu sagen, der hat das Benefiz des Haydnschen Frühlingsjubels auf immer verloren. Beobachten Sie doch nur das Konzertpublikum bei einer Haydnschen Symphonie. Wie sie da wohlwollend lächeln, wie sie gnädig schmunzeln! Als wollten sie sagen: »er kann's noch recht gut, für sein Alter.« Das kommt vom »Papa Haydn«.

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Tag der Veröffentlichung: 05.09.2012

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