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Ein Abt war in dem Baierland,
Sein' Abtei, die ist weit bekannt
Und ist genannt Rauschhofen;
Der aß und trank das Allerbest',
Daß er ward fett und wohlgemäst't,
Groß wie ein Kachelofen.
Zuletzt ward's eng ihm um die Brust,
Er mochte nicht mehr essen,
Nur noch zum Trinken hatt' er Lust;
Furcht hat ihn drum besessen.
Nach Rath der Aerzt' fuhr er ins Bad geschwinde,
Daß er da Hilfe finde;
Zween Mönche nahm er mit
Nach eines Abtes Sitt'.

Als er nun kam durch einen Wald,
Da sprengt' aus einem Hinterhalt
Ein Edelmann ihn an
Und sprach: »Wer bist du, wo willst hin?«
Er sprach: »Ins Wildbad; Herr, ich bin,
Ihr seht's, ein Gottesmann.«
Er fragt': »Was willst du im Wildbad?«
Er sprach: »Ich kann nicht essen;«
Und jener drauf: »Ist das dein Schad',
So will ich mich vermessen,
In dreien Tagen ganz zu helfen dir.
Wolauf und fahr' mit mir!«
Dem Abt half keine Bitt',
Er mußt' wol fahren mit.

Als er gebracht war auf das Schloß,
Sperrt' er ihn in ein' Kammer groß,
Sprach: »Du mußt trocken baden.«
Den Tag er ihm drei Erbsen gab.
Der Abt ward hungrig, nahm sehr ab
Und bat gar sehr um Gnaden.
Zu Tisch lud ihn der Edelmann:
Da wie ein Wolf er fraß,
Und schenkt' ihm achtzig Gulden dann
Und fuhr heim seine Straß'. –
Darum, wer voll ist und nicht essen mag,
Versuch' die Kunst drei Tag';
Dies Wildbad ihn purgirt,
Daß er fein essen wird.



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