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»Herein!«

Ein elegant gekleideter Herr mit schwarzem Haar, Spitzbart und Monokel trat ein.

»Verzeihung – ich war schon gestern hier, ohne Sie anzutreffen. Ich bin Baron von Tschmltrzklptsch –« (Den Namen verstand ich nicht.)

»Ihr Besuch ehrt mich, bitte, nehmen Sie Platz. Ich habe leider nur einen Stu –«

»Danke, danke«, unterbrach er mich nervös. »Ich höre, Sie dichten gut –«

»Sehr gut«, bestätigte ich.

»Ich habe ein vielleicht etwas seltsam klingendes Anliegen an Sie, aber ich würde, wenn Sie einverstanden wären, gut honorieren. Es handelt sich um ein Gelegenheitsgedicht –«

»Goethe schrieb nur Gelegenheitsgedichte«, warf ich ein.

»Würden Sie ein Gedicht über meine Frau machen?«

»Mit Vergnügen. Frauenbedichtung ist meine Spezialität.«

»Meine Frau kommt Montag aus Florenz, wird aber nur vierundzwanzig Stunden bei mir bleiben. Da möchte ich ihr das Poem überreichen.«

»Sehr passend und vornehm.«

»Und ein Honorar von fünfhundert Mark würde Sie befriedigen?«

Ich verbeugte mich tief und konnte kein Wort herausbringen.

»Schön«, sagte der Baron, »ich müßte aber die Bedingung stellen, daß Sie mir das Gedicht am Montagabend persönlich nach Uchtriz bringen. Ich bin zwischen acht und neun Uhr im ›Hotel Kaiser‹ zu treffen. Es tut mir leid, Ihnen die Sache so erschweren zu müssen, aber – – «

»Schon gut. Ich bin ein freies Kind der Zeit. Ich brauche nur noch einige Angaben über Ihre Frau.« Damit holte ich einen für solche Zwecke bestimmten Fragebogen aus meinem Schreibtisch und begann die einzelnen Punkte vorzulesen:

»Haare?«

»Blond«, erwiderte der Fremde.

»Augen?«

»Blaugrau.«

»Größe?«

»Mittel.«

»Schlank?«

»Sehr.«

»Vorname?«

»Elisa.«

»Ah! – Besondere Eigentümlichkeiten oder sonst Erwähnenswertes?«

»Sammelt Strumpfbänder.«

»Danke bestens. Das genügt. Montag zwischen acht und neun haben Sie das Gewünschte.«

»Und nicht wahr, ich kann mich auf Ihre Pünktlichkeit verlassen?«

»Der Wahn ist kurz, die Reu ist lang!« zitierte ich, da mir nichts Passenderes einfiel.

»Schön. Soll ich den pekuniären Teil gleich – – «

»Bitte, das eilt nicht.« Ich heuchelte erhabene Gleichgültigkeit.

»Hier ist die Adresse: Uchtriz, ›Hotel Kaiser‹, acht bis neun Uhr. Dann besten Dank im voraus und auf Wiedersehen. Ich empfehle mich Ihnen!«

»Adieu, Herr Baron, habe die Ehre!« rief ich an der Treppe laut. Alle Nachbarn hörten es.

Das Gedicht über oder besser an Elisa ward noch am selben Tage fast fertig gedichtet. Es gelang wirklich schön. Nur auf Strumpfbänder fehlte mir noch ein Reim, Sumpfländer paßte nicht recht und Rumpfschänder schien mir zu gesucht. Doch das wollte ich schon noch finden.

Inzwischen hatte ich mit vieler Mühe festgestellt, daß Uchtriz ein kleiner Marktflecken, etwa zwei Stunden Bahnzeit entfernt und keine Bahnstation war.

Mein Freund Koppel, dem an dieser Stelle nochmals gedankt sei, lieh mir am Montag das Fahrgeld. In strömendem Regen, auf ausgefahrenen Feldwegen mußte ich von der letzten Bahnstation bis Uchtriz anderthalb Stunden zu Fuß gehen.

»Hotel Kaiser« war der beste Gasthof dort. Man erhielt auf Wunsch Servietten. Übrigens gab es keinen Gasthof weiter in dem Ort. Als ich anlangte, erkundigte ich mich zunächst, ob ein Baron mit schwarzen Haaren, Monokel und vornehmer Kleidung dort logierte, denn ich wußte den Namen meines Auftraggebers leider nicht. Man teilte mir mit, der Herr wohne allerdings dort, habe aber nach Stallberg fahren müssen und hinterlassen, wer ihn zu sprechen wünsche, solle ihn erwarten; er käme um elf Uhr zurück.

Das war sehr fatal und eine Ungehörigkeit, die nur durch die Höhe des Honorars gerechtfertigt schien.

Ich aß von neun bis elf Uhr sieben belegte Butterbrote und feilte dabei noch etwas an meiner Ode an Elisa.

Dann wurde mir die Rückkehr des Barons gemeldet. Ein schwarzhaariger Herr mit Monokel, vornehm gekleidet, erschien. Es war jedoch nicht der von mir Gesuchte, sondern ein Bergingenieur aus Lüneburg. Außerihm wohnte zur Zeit kein Fremder in Uchtriz, und niemand wußte etwas von meinem Baron. Ich war wütend und befand mich in einer peinlichen Situation, da ich keinen Pfennig Geld mehr besaß.

In meiner Not vertraute ich mich dem Bergingenieur an, bat ihn, mir das nötige Geld vorzustrecken, und bot ihm dafür meine Ode an Elisa an. Etwas mißtrauisch zunächst, wünschte er das Gedicht zu hören. Ich las es vor. Nach der zweiten Strophe schenkte er mir das Geld wie auch das Gedicht und empfahl sich, ohne meinen Dank abzuwarten.

Sehr niedergeschlagen machte ich mich auf den Heimweg, indem ich den Schuft von Baron verwünschte, der mich so niederträchtig im Stich gelassen hatte.

Drei Tage später begegnete mir dieser Herr auf der Straße und wollte kaltblütig vorübergehen. Ich trat jedoch auf ihn zu und grüßte in erwartender Haltung.

Er sah mich einen Moment zerstreut an, dann faßte er plötzlich meine Hand und fragte mit ruhiger Stimme: »Sagen Sie mal, glauben Sie, daß es Katzen mit Flossen gibt?«

»Nein«, entgegnete ich empört, »mein Herr, ich glaube nur, daß Sie verrückt sind.« – –

Ich will nicht zu ausführlich erzählen.

Meine Meinung bestätigte sich. Der Baron entpuppte sich als ein verrückter Barbier aus der Augustenstraße, der in der ganzen Umgegend bekannt war und besonders von der Jugend als Sonderling gern verfolgt wurde. Mein eigener Sohn kannte ihn und lachte mich wegen meiner Leichtgläubigkeit aus. – – Findest du nicht, lieber Leser, daß diese Geschichte viel hübscher anfängt als aufhört?

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