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Schiffer- und Nixen-Märchen



I. Vom Sieben-Nixen-Chor

Manche Nacht im Mondenscheine
Sitzt ein Mann von ernster Schoene,
Sitzt der Magier Drakone,
Auf dem Gartenhausbalkone,
Mit Prinzessin Liligi;
Lehrt sie allda seine Lehre
Von der Erde, von dem Himmel,
Von dem Traum der Elemente,
Vom Geschick im Sternenkreise.

Lass es aber nun genug sein!
Mitternacht ist lang vorueber -
Spricht Prinzessin Liligi -
Und nach solchen Wunderdingen,
Maechtigen und ungewohnten,
Luestet mich nach Kindermaerchen,
Lieber Mann, ich weiss nicht wie! -

"Hoerst du gern das Lied vom Winde,
Das nicht End noch Anfang hat,
Oder gern vom Koenigskinde,
Gerne von der Muschelstadt?"

Singe du so heut wie gestern
Von des Meeres Lustrevier,
Von dem Haus der sieben Schwestern
Und vom Koenigssohne mir.

"Zwischen gruenen Wasserwaenden
Sitzt der Sieben-Nixen-Chor;
Wasserrosen in den Haenden,
Lauschen sie zum Licht empor.

Und wenn oftmals auf der Hoehe
Schiffe fahren, schattengleich,
Steigt ein siebenfaches Wehe
Aus dem stillen Wasserreich.

Dann, zum Spiel kristallner Glocken,
Drehn die Schwestern sich im Tanz,
Schuetteln ihre gruenen Locken
Und verlieren Gurt und Kranz.

Und das Meer beginnt zu schwanken,
Well auf Welle steigt und springt,
Alle Elemente zanken
Um das Schiff, bis es versinkt."

Also sang in Zaubertoenen
Suess der Magier Drakone
Zu der lieblichen Prinzessin;
Und zuweilen, im Gesange,
Neiget er der Lippen Milde
Zu dem feuchten Rosenmunde,
Zu den hyazintheblauen,
Schon in Schlaf gesenkten Augen
Der betoerten Jungfrau hin.
Diese meint im leichten Schlummer,
Immer hoere sie die Lehre
Von der Erde, von dem Himmel,
Vom Geschick im Sternenkreise,
Doch zuletzt erwachet sie:

Lass es aber nun genug sein!
Mitternacht ist lang vorueber,
Und nach solchen Wunderdingen,
Maechtigen und ungewohnten,
Luestet mich nach Kindermaerchen,
Lieber Mann, ich weiss nicht wie!

"Wohl! - Schon auf des Meeres Grunde
Sitzt das Schiff mit Mann und Maus,
Und die Sieben in die Runde
Rufen: Schoenster, tritt heraus!

Rufen freundlich mit Verneigen:
Komm! es soll dich nicht gereun;
Woll’n dir unsre Kammer zeigen,
Wollen deine Maegde sein.

- Sieh, da tritt vom goldnen Borde
Der betoerte Koenigssohn,
Und zu der korallnen Pforte
Rennen sie mit ihm davon.

Doch man sah nach wenig Stunden,
Wie der Nixenbraeutigam,
Tot, mit sieben roten Wunden,
Hoch am Strand des Meeres schwamm."

Also sang in Zaubertoenen
Suess der Magier Drakone;
Und zuweilen, im Gesange,
Neiget er der Lippen Milde
Zu dem feuchten Rosenmunde,
Zu den hyazintheblauen,
Schon in Schlaf gesenkten Augen
Der betoerten Jungfrau hin.

Sie erwacht zum andernmale,
Sie verlanget immer wieder:
Lieber Mann, ein Kindermaerchen
Singe mir zu guter Letzt!

Und er singt das letzte Maerchen,
Und er kuesst die letzten Kuesse;
Lied und Kuss hat ausgeklungen,
Aber sie erwacht nicht mehr.
Denn schon war die dritte Woche,
Seit der Magier Drakone
Bei dem edeln Koenigskinde
Seinen falschen Dienst genommen;
Wohlberechnet, wohlbereitet
Kam der letzte Tag heran.

II. Nixe Binsefuss

Des Wassermanns sein Toechterlein
Tanzt auf dem Eis im Vollmondschein,
Sie singt und lachet sonder Scheu
Wohl an des Fischers Haus vorbei.

"Ich bin die Jungfer Binsefuss,
Und meine Fisch wohl hueten muss,
Meine Fisch die sind im Kasten,
Sie haben kalte Fasten;
Von Boehmerglas mein Kasten ist,
Da zaehl ich sie zu jeder Frist.

Gelt, Fischermatz? gelt, alter Tropf,
Dir will der Winter nicht in Kopf?
Komm mir mit deinen Netzen!
Die will ich schoen zerfetzen!
Dein Maegdlein zwar ist fromm und gut,
Ihr Schatz ein braves Jaegerblut.

Drum haeng ich ihr, zum Hochzeitstrauss,
Ein schilfen Kraenzlein vor das Haus,
Und einen Hecht, von Silber schwer,
Er stammt von Koenig Artus her,
Ein Zwergen-Goldschmieds-Meisterstueck,
Wers hat, dem bringt es eitel Glueck:
Er laesst sich schuppen Jahr fuer Jahr,
Da sinds fuenfhundert Groeschlein bar.

III. Zwei Liebchen

Ein Schifflein auf der Donau schwamm,
Drin sassen Braut und Braeutigam, Er hueben und sie drueben.

Sie sprach, Herzliebster, sage mir,
Zum Angebind was geb ich dir?

Sie streift zurueck ihr Aermelein,
Sie greift ins Wasser frisch hinein.

Der Knabe, der taet gleich also,
Und scherzt mit ihr und lacht so froh.

Ach, schoene Frau Done, geb sie mir
Fuer meinen Schatz eine huebsche Zier!

Sie zog heraus ein schoenes Schwert,
Der Knab haett lang so eins begehrt.

Der Knab, was haelt er in der Hand?
Milchweiss ein koestlich Perlenband.

Er legts ihr um ihr schwarzes Haar,
Sie sah wie eine Fuerstin gar.

Ach, schoene Frau Done, geh sie mir
Fuer meinen Schatz eine huebsche Zier!

Sie langt hinein zum andernmal,
Fasst einen Helm von lichtem Stahl.

Der Knab vor Freud entsetzt sich schier,
Fischt ihr einen goldnen Kamm dafuer.

Zum dritten sie ins Wasser griff:
Ach weh! da faellt sie aus dem Schiff.

Er springt ihr nach, erfasst sie keck,
Frau Done reisst sie beide weg:

Frau Done hat ihr Schmuck gereut,
Das buesst der Juengling und die Maid.

Das Schifflein leer hinunterwallt;
Die Sonne sinkt hinter die Berge bald.

IV. Der Zauberleuchtturm

Des Zauberers sein Maegdlein sass
In ihrem Saale rund von Glas;
Sie spann beim hellen Kerzenschein,
Und sang so glockenhell darein.
Der Saal, als eine Kugel klar,
In Lueften aufgehangen war
An einem Turm auf Felsenhoeh,
Bei Nacht hoch ob der wilden See,
Und hing in Sturm und Wettergraus
An einem langen Arm hinaus.
Wenn nun ein Schiff in Naechten schwer
Sah weder Rat noch Rettung mehr,
Der Lotse zog die Achsel schief,
Der Hauptmann alle Teufel rief,
Auch der Matrose wollt verzagen:
O weh mir armen Schwartenmagen!
Auf einmal scheint ein Licht von fern
Als wie ein heller Morgenstern;
Die Mannschaft jauchzet ueberlaut:
Heida! jetzt gilt es trockne Haut!
Aus allen Kraeften steuert man
Jetzt nach dem teuren Licht hinan,
Das waechst und waechst und leuchtet fast
Wie einer Zaubersonne Glast,
Darin ein Maegdlein sitzt und spinnt,
Sich beuget ihr Gesang im Wind;
Die Maenner stehen wie verzueckt,
Ein jeder nach dem Wunder blickt
Und horcht und staunet unverwandt,
Dem Steuermann entsinkt die Hand,
Hat keiner Acht mehr auf das Schiff;
Das kracht mit eins am Felsenriff,
Die Luft zerreisst ein Jammerschrei:
Herr Gott im Himmel, steh uns bei!
Da loescht die Zauberin ihr Licht;
Noch einmal aus der Tiefe bricht
Verhallend Weh aus _einem_ Mund;
Da zuckt das Schiff und sinkt zu Grund.

Eduard Mörike

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 25.06.2010

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