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Margreta schaut ins nächtlich wilde Meer:
»O Sturm, weh meinen Liebsten wieder her!«

»»Schön Margret, ringe nicht die Hände wund;
Dein Wilhelm ruht ja längst am Meeresgrund.

Auf Muscheln ist sein Bett, von Tang umlaubt,
Und Fische spielen über seinem Haupt.

Die Schiffe sieht man hoch, hoch über ihn
Auf Wellenfurchen, die verrauschen, ziehn.

O laß ihn ruhn, er schlummert süß und mild,
Er hört nicht mehr wie Sturm um Raaen schrillt.««

– Margreta weint und starret unverwandt
Ins wilde, wilde Meer vom Klippenstrand.

»Gewölk, zerreiß! Er ruft – Komm Mondenlicht!
Laß mich ihn schauen, eh das Herz mir bricht!

Nun wird es hell! – Ich seh, ich seh sein Schiff!«
Sie rufts und eilt auf Flügeln übers Riff!

O wie sein Arm und Kuß ins Schiff sie zog
Ins graue, – das von neuem seewärts flog!

»O Wilhelm sprich: wie ist so kalt dein Mund?« –
– »»Margret, die See ist kühl zu dieser Stund.««

»O Wilhelm, süßer Freund, wie modergrau
Ist Schiff und Segelwerk und Flagg und Tau?« –

– »»Margret, Margret, mein Herz, erschrecke nicht:
So fahl erscheints im schwachen Mondenlicht.««

– »O Wilhelm, käm doch bald das Morgenrot!
Dein Schiffervolk sieht bleich aus wie der Tod!«

– »»Es ist so bleich, weil mit dem Sturm es ringt;
Fühl doch, wie er das Schiff, das schwache, schwingt!««

– »O Wilhelm, er verweht, Spinnweben gleich,
Dein modernd Segel in der Lüfte Reich!«

– »»Laß wehn! – hier ist nichts mehr, das irgend hält!
Sieh wie mein Schiffsvolk mit dem Schiff zerfällt!

Nur Liebe flieget über Modergraus
Und schwarzen Sturm ins Morgenrot hinaus!

Wie leicht wir schweben, gleich als wärs im Traum,
Mit Füßen streifend feuchter Wolken Saum!««

– »Wilhelm, wie bist du schön, wie sanft, wie licht!
Die Frühe scheint dir schon ins Angesicht.«

– »»Die Liebe trägt uns, höher schlägt die Brust,
Der Wonne, die nie schwindet, sich bewußt!

Weltwogen stürmt! wir schweben nach dem Tod
Vereint als Selge: – schau das Morgenrot!««

– Margreta strebt am Meeresrand die Pracht
Des jungen Tags zu schaun, als – sie erwacht!

Sie lebt! – Sie hat geträumt. – Der Sonne Schein
Dringt warm und hell in ihr Gemach herein.

Des Liebsten harrend sank sie in den Traum,
Der nicht verronnen als ein bunter Schaum.

»Weltwogen stürmt! Wir schweben nach dem Tod
Vereint als Selge!« klingts ins Morgenrot.

»Ihr selig nach, und höher schlägt die Brust,
Der Ewigkeit der Liebe sich bewußt.« –

Sie springt empor: mit Wasser hell und klar
Wäscht sie ihr Antlitz, ordnet Kleid und Haar.

Ihr sagt das Herz: bald kommt den sie ersehnt,
Der Ferngereiste, den sie tot gewähnt!

Aus blühenden Gärten mit dem holdsten Schall
Labt sie, nach banger Nacht, die Nachtigall.

Noch süßre Stimme tönt nun in ihr Ohr,
Die Mutter ruft: »Margreta, eil hervor!

Wie lang du schläfst! Dein Wilhelm springt ans Land,
Komm, eh er naht, zu ihm! Geschwind zum Strand!«

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Tag der Veröffentlichung: 22.09.2011

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