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Personen



Empedokles
Pausanias, sein Schüler
Hermokrates, Oberpriester von Agrigent
Kritias, Archon von Agrigent
Panthea, dessen Tochter
Delia, ihre Gefährtin
Agrigentiner. Drei Sklaven des Empedokles. Ein Bauer.

Ort: 1. Akt: Agrigent; 2. Akt: der Ätna





Erster Akt



1.
Panthea. Delia.



Panthea. Dies ist sein Garten! Dort im geheimen Dunkel, wo die Quelle springt, dort stand er jüngst, als ich vorüberging – du hast ihn nie gesehn?

Delia. O Panthea! Bin ich doch erst seit gestern mit dem Vater in Sizilien. Doch ehemals, da ich noch ein Kind war, sah ich ihn auf einem Kämpferwagen bei den Spielen in Olympia. Sie sprachen damals viel von ihm, und immer ist sein Name mir geblieben.

Panthea. Du mußt ihn jetzt sehn, jetzt! Man sagt, die Pflanzen merkten auf ihn, wo er wandre, und die Wasser der Erde strebten herauf, da wo sein Stab den Boden berühre, und wenn er bei den Gewittern in den Himmel blicke, teile die Wolke sich, und hervor schimmre der heitre Tag. – Das all mag wahr sein! Doch was sagt's? Du mußt ihn selbst sehen! einen Augenblick! und dann hinweg! ich meid' ihn selbst, ein furchtbar, allverwandelnd Wesen ist er.

Delia. Wie lebt er denn mit anderen? Ich begreife nichts von diesem Manne. Sage, hat er, wie wir, auch seine leeren Tage, wo man sich alt und unbedeutend dünkt? Und gibt es auch ein menschlich Leid für ihn?

Panthea. Ach! da ich ihn zum letzten Male dort
Im Schatten seiner Bäume sah, da hatt' er wohl
Sein eigen tiefes Leid – der Göttliche.
Mit wunderbarem Sehnen, traurigforschend,
Wie wenn er viel verloren, blickt' er bald
Zur Erd' hinab, bald durch die Dämmerung
Des Hains hinauf, als wär' ins ferne Blau
Das Leben ihm entflogen, und die Demut
Des königlichen Angesichts ergriff
Mein ringend Herz: – auch du mußt untergehn,
Du schöner Stern – und lange währet's nicht mehr!
Das ahnte mir.

Delia. Hast Du mit ihm auch schon gesprochen, Panthea?

Panthea. Oh, daß du daran mich erinnerst! Es ist nicht lange, daß ich todeskrank daniederlag. Schon dämmerte der Tag vor mir, und um die Sonne wankte, wie ein seellos Schattenbild, die Welt. Da rief mein Vater, wenn er schon ein arger Feind des hohen Mannes ist, am hoffnungslosen Tage den Vertrauten der Natur; und als der Herrliche den Heiltrank mir gereicht, da schmolz in zauberischer Versöhnung mir mein kämpfend Leben ineinander und wie zurückgekehrt in süße, sinnenfreie Kindheit schlief ich wachend viele Tage fort und kaum bedurft' ich eines Atemzugs. Wie nun in frischer Luft mein Wesen sich zum ersten Male wieder der lang entbehrten Welt entfaltete, mein Auge sich in jugendlicher Neugier dem Tag erschloß, da stand Empedokles! o wie göttlich und wie gegenwärtig mir! Am Lächeln seiner Augen blühte mir das Leben wieder auf! Ach, wie ein Morgenwölkchen floß mein Herz dem hohen süßen Licht entgegen, und ich war der zarte Widerschein von ihm.

Delia. O Panthea!

Panthea. Der Ton aus seiner Brust! in jeder Silbe klangen alle Melodien! und der Geist in seinem Wort! – Zu seinen Füßen möcht' ich sizen, stundenlang, als seine Schülerin, sein Kind, in seinen Äther schaun und auf zu ihm frohlocken, bis in seinen Himmelshöhen sich mein Sinn verlöre droben.

Delia. Was würd' er sagen, Liebe, wenn er's wüßte!

Panthea. Er weiß es nicht, der Unbedürft'ge wandelt
In seiner eignen Welt; in leiser Götterruhe geht
Er unter seinen Blumen, und es scheun
Die Lüfte sich, den Glücklichen zu stören;
Ihm schweigt die Welt, und aus sich selber wächst
In steigendem Vergnügen die Begeisterung
Ihm auf, bis aus der Nacht des schöpfrischen
Entzückens wie ein Funke der Gedanke springt,
Und heiter sich die Geister künft'ger Taten
In seine Seele drängten, und die Welt,
Der Menschen gärend Leben und die stillere
Natur um ihn erscheint – hier fühlt er, wie ein Gott,
In seinen Elementen sich, und seine Lust
Ist himmlischer Gesang. Und dann tritt er
Heraus ins Volk an Tagen, wo die Menge
Sich überbraust, und eines Mächtigern
Der unentschlossene Tumult bedarf
Da herrscht er dann, der herrliche Pilot,
Und hilft hinaus; und wenn sie dann erst recht
Ihn sehn, des immer fremden Mannes sich
Gewöhnen möchten, ehe sie's gewahren,
Ist er hinweg – ihn zieht in ihre Schatten
Die stille Pflanzenwelt, wo er sich schöner findet,
Und ihr geheimnisvolles Leben, das vor ihm
In seinen Kräften allen gegenwärtig ist.

Delia. O Sprecherin! wie weißt du denn das alles?

Panthea. Ich sinn ihm nach – wieviel ist über ihn
Mir noch zu sinnen? ach! und hab' ich ihn
Gefaßt, was ist's? Er selbst zu sein, das ist
Das Leben, und wir andern sind der Traum davon.
Sen Freund Pausanias hat auch von ihm
Schon manches mir erzählt – der Jüngling sieht
Ihn Tag vor Tag, und Jovis Adler ist
Nicht stolzer denn Pausanias, ich glaub' es!

Delia. Ich kann nicht tadeln, Liebe, was du sagst,
Doch trauert meine Seele wunderbar
Darüber, und ich möchte sein wie du,
Und möcht' es wieder nicht. Seid ihr denn all
Auf dieser Insel so? Wir haben auch
An großen Männern unsre Lust, und einer
Ist jetzt die Sonne der Athenerinnen,
Sophokles! dem von allen Sterblichen
Zuerst der Jungfrau herrlichste Natur
Erschien und sich zu reinem Angedenken
In seine Seele gab –
Und jede wünscht sich, ein Gedanke
Des Herrlichen zu sein und möchte gern
Die immerschöne Jugend, eh' sie welkt,
Hinüber in des Dichters Seele retten
Und frägt und sinnet, welche von den Jungfrauen
Der Stadt die zärtlichernste Heroide sei,
Die seiner Seele vorgeschwebt, die er
Antigone genannt; und helle wird's
Um unsere Stirne, wenn der Götterfreund
Am heitern Festtag ins Theater tritt,
Doch kummerlos ist unser Wohlgefallen,
Und nie verliert das liebe Herz sich so
In schmerzlich fortgerißner Huldigung. –
Du opferst dich – ich glaub' es wohl, er ist
Zu übergroß, um ruhig dich zu lassen,
Den Unbegrenzten liebst Du unbegrenzt,
Was hilft es ihm? Dir selbst, dir ahndete
Sein Untergang, du gutes Kind, und du
Sollst untergehn mit ihm?

Panthea. O mache mich
Nicht stolz, und fürchte, wie für ihn, für mich nicht!
Ich bin nicht er, und wenn er untergeht,
So kann sein Untergang der meinige
Nicht sein, denn groß ist auch der Tod der Großen. –
Und will der Waffenträger mit dem Helden
Durch eine Schicksalsflamme gehn, so muß
Der eine wie der andere dazu
Berufen sein; – was diesem Manne widerfährt
Das glaube mir, das widerfährt nur ihm,
Und hätt' er gegen alle Götter sich
Versündiget und ihren Zorn auf sich
Geladen, und ich wollte sündigen,
Wie er, um gleiches Los mit ihm zu leiden,
So wär's, wie wenn ein Fremder in den Streit
Der Liebenden sich mischt. – "Was willst du?" sprächen
Die Götter mir, "du Törin, kannst uns nicht
Beleidigen wie er –"

Delia. Du bist vielleicht
Ihm gleicher, als du denkst, wie fändest du sonst
An ihm ein Wohlgefallen.

Panthea. Liebes Herz!
Ich weiß es selber nicht, warum ich ihm
Gehöre; sähst du ihn! – Ich dacht', er käme
Vielleicht heraus, um diese Stunde geht
Der Ewigjugendliche gern im Haine,
Wenn einen Augenblick der frische Tag
Ihm gleicht; du hättest dann im Weggehn ihn
Gesehn; es war ein Wunsch! nicht wahr? ich sollte
Der Wünsche mich entwöhnen, denn es scheint,
Als liebten unser ungeduldiges Gebet die Götter nicht; sie haben recht!
Ich will auch nimmer – aber hoffen muß
Ich doch, ihr guten Götter, und ich weiß
Nicht anderes denn ihn – ich wollte gern,
Ich bäte, gleich den übrigen, von euch
Nur Sonnenlicht und Regen, könnt' ich nur!
O ewiges Geheimnis! was wir sind
Und suchen, können wir nicht finden, was
Wir finden, sind wir nicht. – Wieviel ist wohl
Die Stunde? –

Delia. Dort kommt dein Vater,
Ich weiß nicht, bleiben oder gehen wir?

Panthea. Wie sagtest du? Mein Vater? Komm! hinweg!



2.
Chor der Agrigentiner in der Ferne



Kritias. Hermokrates

Kritias. Hörst du das trunkne Volk?

Hermokrates. Sie suchen ihn.

Kritias. Der Geist des Manns
Ist mächtig unter ihnen.

Hermokrates. Ich weiß, wie dürres Gras
Entzünden sich die Menschen.

Kritias. Das einer so die Menge bewegt, mir ist's
Als wie wenn Jovis Blitz den Wald
Ergreift und furchtbarer.

Hermokrates. Darum binden wir den Menschen auch
Das Band ums Auge, daß sie nicht
Zu kräftig sich am Lichte nähren.
Nicht gegenwärtig werden
Darf Göttliches vor ihnen,
Es darf ihr Herz
Lebendiges nicht finden.
Kennst du die Alten nicht,
Die Lieblinge des Himmels man nennt!
Sie nährten die Brust
An Kräften der Welt,
Und den Hellaufblickenden war
Unsterbliches nahe,
Drum beugten die Stolzen
Das Haupt auch nicht,
Und vor den Gewaltigen konnt'
Ein anderes nicht bestehn,
Es ward verwandelt vor ihnen.

Kritias. Und er?

Hermokrates. Das hat zu mächtig ihn
Gemacht, daß er vertraut
Mit Göttern worden ist.
Es tönt sein Wort dem Volk,
Als käm' es vom Olymp;
Sie danken's ihm,
Daß er vom Himmel raubt'
Die Lebensflamm' und sie
Verrät den Sterblichen.

Kritias. Sie wissen nichts denn ihn,
Er soll ihr Gott,
Er soll ihr König sein.
Sie sagen, es hab' Apoll
Die Stadt gebaut den Trojern,
Doch besser sei, es helf'
Ein hoher Mann durchs Leben.
Noch sprechen sie viel Unverständiges
Von ihm und achten kein Gesetz
Und keine Not und keine Sitte.
Ein Irrgestirn ist unser Volk
Geworden, und ich fürcht',
Es deute dieses Zeichen
Zukünft'ges noch, das er
Im stillen Sinne brütet.

Hermokrates. Sei ruhig, Kritias!
Er wird nicht.

Kritias. Bist du denn nicht mächtiger?

Hermokrates. Der sie versteht,
Ist stärker denn die Starken,
Und wohlbekannt ist dieser Seltne mir.
Zu glücklich wuchs er auf;
Ihm ist von Anbeginn
Der eigne Sinn verwöhnt, daß ihn
Geringes irrt! er wird es büßen,
Daß er zu sehr geliebt die Sterblichen.

Kritias. Mir ahndet selbst,
Es wird mit ihm nicht lange dauern,
Doch ist es lang genug,
So er est fällt, wenn's ihm gelungen ist.

Hermokrates. Und schon ist er gefallen.

Kritias. Was sagst du?

Hermokrates. Siehst du denn nicht? es haben
Den hohen Geist die Geistesarmen
Geirrt, die Blinden den Verführer.
Die Seele warf er vor das Volk, verriet
Der Götter Gunst gutmütig den Gemeinen,
Doch rächend äffte leeren Widerhalls
Genug denn auch aus toter Brust den Toren.
Und eine Zeit ertrug er's, grämte sich
Geduldig, wußte nicht,
Wo es gebrach; indessen wuchs
Die Trunkenheit dem Volke; schaudernd
Vernahmen sie's, wenn ihm vom eignen Wort
Der Busen bebt', und sprachen:
So hören wir nicht die Götter!
Und Namen, so ich die nicht nenne, gaben
Die Knechte dann dem stolzen Trauernden.
Und endlich nimmt der Durstige das Gift,
Der Arme, der mit seinem Sinne nicht
Zu bleiben weiß und ähnliches nicht findet,
Er tröstet mit der rasenden
Anbetung sich, verblindet, wird wie sie,
Die seelenlosen Abergläubigen;
Die Kraft ist ihm entwichen,
Er geht in einer Nacht, und weiß sich nicht
Herauszuhelfen, und wir helfen ihm.

Kritias. Des bist du so gewiß?

Hermokrates. Ich kenn' ihn.

Kritias. Ein übermütiges Gerede fällt
Mir bei, das er gemacht, da er zuletzt
Auf der Agore war. Ich weiß es nicht,
Was ihm das Volk zuvor gesagt; ich kam
Nur eben, stand von fern. "Ihr ehret mich,"
Antwortet' er, "und tuet recht daran;
Denn stumm ist die Natur,
Es leben Sonn' und Luft und Erd' und ihre Kinder
Fremd umeinander,
Die Einsamen, als gehörten sie sich nicht.
Wohl wandeln immerkräftig
Im Göttergeiste die freien
Unsterblichen Mächte der Welt
Rings um der andern
Vergänglich Leben,
Doch wilde Pflanzen
Auf wilden Grund
Sind in den Schoß der Götter
Die Sterblichen alle gesäet,
Die Kärglichgenährten, und tot
Erschiene der Boden, wenn einer nicht
Des wartete, lebenerweckend –
Und mein ist das Feld. Mir tauschen
Die Kraft und Seele zu einem
Die Sterblichen und die Götter.
Und wärmer umfangen die ewigen Mächte
Das strebende Herz, und kräft'ger gedeihn
Vom Geiste der Freien die fühlenden Menschen,
Und wach ist's! denn ich
Geselle das Fremde,
Das Unbekannte nennet mein Wort,
Und die Liebe der Lebenden trag'
Ich auf und nieder; was einem gebricht,
Ich bring' es vom andern, und binde
Beseelend und wandle
Verjüngend die zögernde Welt
Und gleiche keinem und allen",
So sprach der Übermütige.

Hermokrates. Das ist noch wenig. Ärgers schläft in ihm.
Ich kenn' ihn, kenne sie, die überglücklichen,
Verwöhnten Söhne des Himmels
Die anders nicht, denn ihre Seele, fühlen.
Stört einmal sie der Augenblick heraus –
Und leicht zerstörbar sind die Zärtlichen –
Dann stillet nichts sie wieder, brennend
Treibt eine Wunde sie, unheilbar gärt
Die Brust. Auch er! so still er scheint,
So glüht im doch, seit ihm das Volk mißfällt,
Im Busen die tyrannische Begierde.
Er oder wir! Und Schaden ist es nicht,
So wir ihn opfern. Untergehen muß
Er doch!

Kritias. O reiz' ihn nicht! und laß
Sie sich ersticken, die verschloß'ne Flamme.
Laß ihn, gib ihm nicht Anstoß, findet den
Zu frecher Tat der Übermüt'ge nicht,
Und kann er nur im Worte sündigen,
So stirbt er als ein Tor und schadet uns
Nicht viel. Das macht ihn furchtbar,
Ein kräft'ger Gegner; glaub' es mir, dann erst,
Dann fühlt er seine Macht.

Hermokrates. Du fürchtest ihn und alles, armer Mann!

Kritias. Die Reue nur mag ich mir gerne sparen –
Mag gerne schonen, was zu schonen ist.
Die Nemesis zu ehren, lehrte mich
Mein Leben und mein Sinn; das braucht
Der Priester nicht, der alles weiß,
Der Heil'ge, der sich alles heiliget.

Hermokrates. Begreife mich, Unmündiger! eh' du
Mich lästerst. Fallen muß der Mann; ich sag'
Es dir, und glaube mir, wär' er zu schonen,
Ich würd' es mehr wie du. Denn näher bin
Ich ihm, wie du. Doch lerne das:
Verderblicher, denn Schwert und Feuer ist
Der Menschengeist, der götterähnliche,
Wenn er nicht schweigen kann und sein Geheimnis
Unaufgedeckt bewahren. Bleibt er still
In seiner Tiefe ruhn und gibt, was not ist,
Wohltätig ist er dann; ein fressend Feuer,
Wenn er aus seiner Fessel bricht.
Hinweg mit ihm, der seine Seele bloß
Und ihre Götter gibt, verwegen
Aussprechen will Unauszusprechendes,
Und sein gefährlich Gut, als wär' es Wasser,
Verschüttet und vergeudet; schlimmer ist's
Wie Mord, und du, du redst für diesen?
Beschwätzen möchtest du Notwendiges?
Sein Schicksal ist's. Er hat es sich
Gemacht, und leben soll,
Wie er, und vergehn, wie er, in Weh
Und Torheit jeder, der wie er
Das Göttliche verrät und allverkehrend
Verborgenherrschendes
In Menschenhände liefert!
Er muß hinab!

Kritias. So teuer büßen muß er's, der sein Bestes
Aus voller Seele Sterblichen vertraut?

Hermokrates. Er mag es, doch es bleibt die Nemesis
Nicht aus, mag große Worte sagen, mag
Entwürdigen das keusch verschwiegne Leben,
Aus Tageslicht das Gold der Tiefe ziehn,
Er mag es brauchen, was zum Brauche nicht
Den Sterblichen gegeben ist, ihn wird's
Zuerst zugrunde richten,
Hat's ihm den Sinn nicht schon verwirrt? Ist
Bei seinem Volke denn die volle Seele,
Die zärtliche, nicht schon genug verwildert?
Wie ist er nun ein Eigenmächtiger
Geworden, dieser Allmitteilende!
Der güg'ge Mann, wie ist er so verwandelt
Zum Frechen, der wie seiner Hände Spiel
Die Götter und die Menschen achtet!

Kritias. Du redest schrecklich, Priester, und es dünkt
Dein dunkel Wort mir wahr. Es sei!
Du hast zum Werke mich, nur weiß ich nicht,
Wo er zu fassen ist; es sei der Mann
So groß er will, zu richten ist nicht schwer;
Doch mächtig sein des Übermächtigen,
Der, wie ein Zauberer, die Menge leitet,
Es dünkt ein andres mir, Hermokrates.

Hermokrates. Gebrechlich ist sein Zauber, Kind, und leichter
Denn nötig ist, hat er es uns bereitet,
Es wandte zur gelegnen Stunde sich
Sein Unmut um, der still empörte Sinn
Befeindet nun sich selber, hätt' er auch
Die Macht, er achtet's nicht, er trauert nur
Und siehet seinen Fall, er sucht
Rückkehrend das verlorne Leben,
Den Gott, den er aus sich hinweggeschwätzt.
Versammle mir das Volk, ich klag' ihn an,
Ruf' über ihn den Fluch, erschrecken sollen sie
Vor ihrem Abgott, sollen ihn
Hinaus verstoßen in die Wildnis,
Und nimmer wiederkehrend soll er dort
Mir's büßen, daß er mehr, wie sich gebührt,
Den Sterblichen verkündiget.

Kritias. Doch wes beschuldigest du ihn?

Hermokrates. Die Worte, so du mir genannt,
Sie sind genug.

Kritias. Mit dieser schwachen Klage
Willst du das Volk ihm von der Seele ziehen?

Hermokrates. Zu rechter Zeit hat jede Klage Kraft,
Und nicht gering ist diese.

Kritias. Und klagtest du des Mords ihn an vor ihnen,
Es rührte nichts die Abergläubigen.

Hermokrates. Dies eben ist's, die offenbare Tat
Vergeben sie, die Abergläubigen,
Unsichtbar muß es sein, ins Auge muß es
Sie treffen, das bewegt die Blöden.

Kritias. Es hängt ihr Herz an ihm, das bändigest,
Das lenkst du nicht so leicht; sie lieben ihn.

Hermokrates. Sie lieben ihn? jawohl, solang er blüht'
Und glänzt' – – – – – – naschen sie;
Was sollen sie mit ihm, nun er
Verdüstert ist, verödet? Da ist nichts,
Was nützen könnt' und ihre lange Zeit
Verkürzen, abgeerntet ist das Feld,
Verlassen liegt's, und nach Gefallen gehn
Der Sturm und unsre Pfade drüber hin!

Kritias. Empör' ihn nur! empör' ihn! siehe zu!

Hermokrates. Ich hoff', er ist geduldig.

Kritias. So wird sie der Geduldige gewinnen!

Hermokrates. Nichts weniger!

Kritias. Du achtest nichts, du wirst dich
Und mich und ihn und alles noch verderben.

Hermokrates. Das Träumen und das Schäumen
Der Sterblichen, ich acht' es wahrlich nicht!
Sie möchten Götter sein und huldigen
Wie Göttern sich, und eine Weile dauert's!
Sorgst du, es möchte sie der Leidende
Gewinnen, der Geduldige?
Empören wird er gegen sich die Toren,
An seinem Leide werden sie den teuern
Betrug erkennen, werden unbarmherzig
Ihm's danken, daß der Angebetete
Doch auch ein Schwacher ist, und ihm
Geschiehet recht, warum bemengt er sich
Mit ihnen.

Kritias. Ich wollt' ich wär' aus dieser Sache, Priester!

Hermokrates. Vertraue mir und scheue nicht, was not ist.

Kritias. Dort kömmt er. Suche nur dich selbst,
Du irrer Geist, indes verlierst du alles.

Hermokrates. Laß ihn! hinweg!



3.
Empedokles



In meine Stille kamst du leisewandelnd
Fandst drinnen in der Halle Dunkel mich aus,
Du Freundlicher, du kamst nicht unverhofft,
Und fernher wirkend über der Erde vernahm
Ich wohl dein Wiederkehren, schöner Tag!
Und meine Vertrauten, euch, ihr schnellgeschäft'gen
Kräfte der Höh'! und nahe seid auch ihr
Mir wieder, seid wie sonst, ihr Glücklichen,
Ihr irrelosen Bäume meines Hains!
Ihr ruhetet und wuchst und täglich tränkte
Des Himmels Quelle die bescheidenen
Mit Licht; und Lebensfunken sätest du
Befruchtend auf die blühenden aus, du Äther!
O innige Natur! ich habe dich
Vor Augen, kennest du den Freund noch,
Den Hochgeliebten, kennest du mich nimmer?
Den Priester, der lebendigen Gesang
Wie frohvergoßnes Opferblut dir brachte.

O bei den heiligen Bäumen,
Wo Wasser aus den Adern der Erde
Sich sammeln und am heißen Tage
Die Dürstenden erfrischen,
Auch mir, ihr Quellen des Lebens, strömtet
Aus Tiefen der Welt ihr einst
Zusammen, und es kamen
Die Dürstenden zu mir; – wie ist's denn nun
Verträumt? bin ich ganz allein?
Und ist es Nacht hier außen auch am Tage?
Der höher, denn ein sterblich Auge, sah,
Der Blindgeschlagne tastet nun umher –
Wo seid ihr, meine Götter?
Weh! laßt ihr nun
Wie einen Bettler mich?
Und diese Brust, die liebend euch geahndet,
Was stoßt ihr sie hinab
Und schloßt sie mir in schmählich enge Bande
Die freigeborne? Und leben soll
Er nun so fort, der Langverwöhnte,
Der selig oft mit allen Lebenden
Ihr Leben, – ach! in heilig schöner Zeit
Sich wie das Herz gefühlt von einer Welt
Und ihren Götterkräften, –
Verdammt in seiner Seele soll er so
Dahingehn, ausgestoßen, freundlos, er
Der Götterfreund, an seinem Nichts
Und seiner Nacht sich weiden immerdar,
Unduldbares duldend, gleich den Schwächlingen, die
Ans Tagewerk im scheuen Tartarus
Geschmiedet sind? Was, daherab bin ich
Gekommen? Um nichts? ha! Eines,
Eins mußtet ihr mir lassen! Tor bist Du
Derselbe doch und träumst, als wärest du
Ein Schwacher. Einmal noch! noch einmal
Soll mir's lebendig werden und ich will's!
Fluch oder Segen! Täusche nur die Kraft,
Demütiger, dir nimmer aus dem Busen!
Weit will ich's um mich machen, tagen soll's
Von eigner Flamme mir, du sollst
Zufrieden werden, armer Geist,
Gefangener, frei, groß und reich
In eigner Welt dich fühlen – –
Weh! einsam! einsam! einsam!
Und nimmer find' ich
Euch, meine Götter
Und nimmer kehr' ich
Zu deinem Leben, Natur!
Dein Geächteter! weh! Hab' ich doch auch
Dein nicht geachtet, dein
Mich überhoben, hast du nicht
Umfangend mit den warmen Fittichen,
Du Zärtliche, mich vom Schlafe gerettet?
Den Törichten schmeichelnd zu deinem Nektar
Gelockt, damit er trank und wuchs
Und blüht' und mächtig geworden und trunken
Deiner ungestraft höhnt? O Geist,
Geist, der mich groß gemacht, du hast
Dir einen Helden, hast, alter Saturn,
Dir einen neuen Jupiter
Gezogen, einen schwächern nur und frechern.
Denn schmähen kann die böse Zunge dich nur.
Es ist vorbei! Verbirg dir's nicht! du hast
Es selbst verschuldet, armer Tantalus,
Das Heiligtum hast du geschändet, hast
Mit frechem Stolz den schönen Bund entzweit.
Elender! als die Genien der Welt
Voll Liebe sich in dir vergaßen, dachtest du
An dich, und wähntest, karger Tor, an dich
Die Gütigen verkauft, daß sie dir,
Die Himmlischen, wie blöde Knechte dienten.
Ist nirgends ein Rächer, und muß ich denn allein
Den Hohn und Fluch in meine Seele sagen?
Muß einsam sein? auch so? Und es reißt
Die delphische Krone mir kein Besserer,
Denn ich, vom Haupt und nimmt die Locken hinweg,
Wie es dem kahlen Seher gebührt, – o Götter!



4.
Empedokles. Pausanias.



Pausanias. O all
Ihr himmlischen Mächte, was ist das?

Empedokles. Wer hat dich hergesandt? willst du das Werk
Verrichten an mir? Ich will dir alles sagen,
Wenn du's nicht weißt; dann richte, was du tust,
Danach. – Pausanias! o suche nicht
Den Mann, an dem dein Herz gehangen, denn
Er ist nicht mehr, und gehe, guter Jüngling!
Dein Angesicht entzündet mir den Sinn,
Und sei es Segen oder Fluch, von dir
Ist beides mir zu viel. Doch wie du willst!

Pausanias. Was ist geschehn? Ich habe lange dein
Geharrt und dankte, da ich jetzt von ferne
Dich sah, dem Tageslicht, da find' ich so,
Du hoher Mann, ach, wie den Blitzgetroffnen,
Vom Haupte bis zur Sohle dich zerschmettert.
Warst du allein? Die Worte hört' ich nicht
Doch schallt mir noch der fremde Todeston.

Empedokles. Es war des Mannes Stimme, der sich mehr,
Denn Sterbliche, gerühmt, weil ihn zu viel
Beglückt die gütige Natur.

Pausanias. Vetraut zu sein mit allen Göttlichen
Der Welt ist nie zu viel.

Empedokles. So sagt' ich auch,
Du Guter, da der heil'ge Zauber noch
Aus meinem Geiste nicht gewichen war,
Und da sie mich, den Innigliebenden,
Noch liebten, sie, die Genien der Welt.
O jene Zeit!
Ihr Liebeswonnen, da die Seele mir
Von Göttern, wie Endymion, geweckt,
Die kindlich schlummernde, sich öffnete,
Lebendig sie, die Immerjugendlichen,
Des Lebens große Genien, empfand.
Schöne Sonne! Menschen hatten mich
Es nicht gelehrt, mich trieb unsterblich liebend
Mein heilig Herz Unsterblichen entgegen.
Entgegen dir! – ich konnte Göttlicheres
Nicht finden – stilles Licht! und so wie du
Das Leben nicht an deinem Tage sparst
Und sorgenfrei und froh der goldnen Fülle dich
Entledigst, so gönnt' auch ich, der Deine,
Den Sterblichen die beste Seele gern,
Und furchtlos offen gab
Mein Herz, wie du, der ernsten Erde sich,
Der schicksalvollen, auch ihr treu,
Ein Jüngling ihr zu bleiben bis zuletzt;
Ich sagt' ihr's oft in trauter Stunde zu,
Band so den teuern Todesbund mit ihr.
Dann rauscht' es anders, denn zuvor, im Hain,
Und zärtlich tönten ihrer Berge Quellen –
Und ihrer Liebe Blume gab sie mir;
Mit ihren Zweigen
Umschlang sie mir das Haupt.

Pausanias. Ach solche Jugend! Vom Gedenken glänzt
Das Auge dem Trauernden noch auf.

Empedokles. All deine Freuden Erde! wahr wie sie,
Und warm und voll, aus Müh' und Liebe reifend,
Sie alle gabst du mir. Und wenn ich oft
Auf stiller Bergeshöhe saß und staunend
Der Menschen wechselnd Irrsal übersann,
Zu tief von deinen Wandlungen ergriffen,
Und nah mein eignes Welken ahndete,
Dann atmete der Äther, so wie dir,
Mir heilend um die liebeswunde Brust
Und, wie Gewölk der Flamme lösten
Gereiniget die Sorgen mir sich auf,
Im hohen Blau.

Pausanias. O Sohn des Himmels!

Empedokles. Ich war es, ja! und möcht' es nun erzählen,
Ich Armer! möcht es einmal noch
Mir in die Seele rufen,
Das Wirken deiner Geniuskräfte,
Der herrlichen, deren Genoß ich war, o Natur!
Daß mir die stumme, todesöde Brust
Von deinen Tönen allen widerklänge!
Bin ich es noch? o Leben! und rauschten sie
All deine geflügelten Melodien und hört'
Ich deinen alten Einklang, große Natur?
Ach! ich, der Einsame, lebt' ich nicht
Mit dieser heil'gen Erd' und diesem Licht
Und dir, von dem die Seele nimmer läßt,
O Vater Äther, und mit allen Lebenden,
Der Götterfreund, im gegenwärtigen
Olymp? Ich bin hinausgeworfen, bin
Ganz einsam, und das Weh ist nun
Mein Tagesgefährt' und Schlafgenosse mir.
Bei mir ist nicht der Segen, – geh!
Geh! frage nicht! denkst du, ich träum'?
O sieh mich an, und wundre des dich nicht,
Du Guter, daß ich daherab
Gekommen bin; des Himmels Söhnen ist,
Wenn überglücklich sie geworden sind,
Ein eigner Fluch beschieden.

Pausanias. Ich duld' es nicht
Weh! solche Reden! Du? ich duld' es nicht,
Du solltest so die Seele dir und mir
Nicht ängstigen. Ein böses Zeichen ist's,
Wenn so der Geist, der immerfrohe, sich
Der Mächtigen umwölket.

Empedokles. Fühlst du's? Es deutet, daß er bald
Zur Erd' hinab im Ungewitter muß.

Pausanias. O laß den Unmut, Lieber!
Was tat er Euch, o dieser Reine,
Daß ihm die Seele so verfinstert ist,
Ihr Todesgötter! haben die Sterblichen denn
Kein Eignes nirgendswo, und reicht das Furchtbare
Denn ihnen bis ans Herz, und herrscht
Es in der Brust der Stärkeren denn auch,
Das ewige Schicksal? Bändige den Gram,
Und übe deine Macht; bist du es doch,
Der mehr vermag, denn andere, o sieh
An meiner Liebe, wer du bist,
Und denke dein und lebe!

Empedokles. Du kennest mich ind dich und Tod und Leben nicht.

Pausanias. Den Tod, ich kenn' ihn wenig nur,
Denn wenig dacht' ich seiner.

Empedokles. Allein zu sein und ohne Götter, dies,
Dies ist er! ist der Tod!

Pausanias. Laß ihn, ich kenne dich; an deinen Taten
Erkannt' ich dich, in seiner Macht
Erfuhr ich deinen Geist und seine Welt;
Wenn oft ein Wort von dir
Im heil'gen Augenblick
Das Leben vieler Jahre mir erschuf,
Daß eine neue große Zeit von da
Dem Jünglinge begann. Wie zahmen Hirschen,
Wenn ferne rauscht der Wald, und sie
Der Heimat denken, schlug das Herz mir oft,
Wenn du vom Glück der alten Urwelt sprachst,
Der reinen Tage kundig, und dir lag
Das ganze Schicksal offen; zeichnetest
Du nicht der Zukunft große Linien
Mir vor das Auge, sichern Blicks, wie Künstler
Ein fehlend Glied zum ganzen Bilde reihn?
Und kennst Du nicht die Kräfte der Natur,
Daß du vertraulich, wie kein Sterblicher,
Sie, wie du willst, in stiller Herrschaft lenkst?

Empedokles. Recht! Alles weiß ich, alles kann ich meistern;
Wie meiner Hände Werk, erkenn' ich es
Durchaus und lenke, wie ich will,
Ein Herr der Geister, das Lebendige.
Mein ist die Welt und untertan und dienstbar
Sind alle Kräfte mir, – – –
– – – – zur Magd ist mir
Die herrnbedürftige Natur geworden,
Und hat sie Ehre noch, so ist's von mir.
Was wäre denn der Himmel und das Meer
Und Inseln und Gestirn, und was vor Augen
Den Menschen alles liegt, was wär' es noch,
Dies tote Saitenspiel, gäb' ich ihm Ton
Und Sprach' und Seele nicht? was sind
Die Götter und ihr Geist, wenn ich sie nicht
Verkündige? Ha! wer bin ich?

Pausanias. Verhöhne nur im Unmut dich und alles,
Was Menschen herrlich macht, ihr Wirken und
Ihr Wort, verleide mir
Den Mut im Busen, schrecke mich zum Kinde,
O sprich es nur heraus! Du hassest dich,
Und was dich liebt, und was dir gleichen möcht';
Ein andres willst du, denn du bist, genügst dir
In deiner Ehre nicht, du willst nicht bleiben.
Willst zugrunde gehen!

Empedokles. Unschuldiger!

Pausanias. Und dich verklagst du?
Was ist es denn? o mache mir dein Leiden
Zum Rätsel länger nicht, mich peiniget's.

Empedokles. O ehre, was du nicht verstehst!

Pausanias. Warum
Verbirgst du mir's und machst dein Leiden mir
Zum Rätsel? Glaube, schmerzlicher ist nichts!

Empedokles. Und nichts ist schmerzlicher, Pausanias,
Denn Leiden zu enträtseln. Siehest du,
Pausanias, denn nicht?
Ach, lieber wäre mir's, du wüßtest nicht
Von mir und aller meiner Trauer.
Ich sollt' es nicht aussprechen! heil'ge Natur,
Jungfräuliche, die dem rohen Sinn entflieht!
Verachtet hab' ich dich – und mich allein
Zum Herrn gesetzt, ein übermütiger
Barbar! ich kannt' es ja,
Das Leben der Natur, die Götter waren
Mir dienstbar nun geworden, ich allein
War Gott und sprach's im frechen Stolz heraus –
O glaub' es mir, ich wäre lieber nicht
Geboren! Nun geh und tröste nimmer –
Was ist's? Was siehest du?

Pausanias. Was? um eines Wortes willen?
Wie kannst du so verzagen, kühner Mann?

Empedokles. Um eines Wortes willen? ja. Und mögen
Die Götter mich zernichten, wie sie mich
Geliebt.

Pausanias. So sprachen andere nicht, wie du.

Empedokles. Die andern! wie vermöchten sie's?

Pausanias. Jawohl,
Du wunderbarer Mann, so innig liebt'
Und sah kein anderer die ew'ge Welt
Und ihre Genien und Kräfte nie,
Wie du; und darum sprachst das kühne Wort
Auch du allein, und darum fühlst du auch
So sehr, wie du mit einer stolzen Silbe
Vom Herzen aller Götter dich gerissen,
Und opferst liebend ihnen dich dahin.
O Empedokles.

Empedokles. Siehe, was ist das?
Hermokrates, der Priester, und mit ihm
Ein Haufe Volks und Kritias, der Archon,
Was suchen sie bei mir?

Pausanias. Sie haben lang
Geforschet, wo du wärst.



5.
Empedokles. Pausanias. Hermokrates. Kritias. Agrigentiner.



Hermokrates. Hier ist der Mann, von dem ihr sagt, er sei
Lebendig zum Olymp emporgegangen.

Kritias. Und traurig sieht er, gleich den Sterblichen.

Empedokles. Ihr armen Spötter! Ist's erfreulich euch,
Wenn einer leidet, der euch groß geschienen?
Und achtet ihr, wie leicht verwehten Staub
Den Starken, wenn er schwach geworden ist?
Euch reizt die Frucht, die reif zur Erde fällt,
Doch glaubt es mir, nicht alles reift für Euch.

Ein Agrigentiner. Was hat er da gesagt?

Empedokles. Ich bitt' euch, geht,
Besorgt, was euer ist, und menget euch
Ins Meinige nicht ein.

Hermokrates. Doch hat ein Wort
Der Priester dir dabei zu sagen?

Empedokles. Weh!
Ihr reinen Götter, ihr lebendigen!
Muß dieser Heuchler meine Trauer mir
Vergiften? geh! ich schonte ja dich oft,
So ist es billig, daß du meiner schonst,
Du weißt es ja, ich hab' es dir bedeutet,
Ich kenne dich und deine schlimme Zunft,
Und lange war's ein Rätsel mir , wie euch
In ihrem Runde duldet die Natur.
Und als ich noch ein Knabe war, da mied
Euch Allverderber schon mein frommes Herz,
Das unbestechbar innig liebend hing
An Sonn' und Äther und den Boten allen
Der großen ferngeahndeten Natur;
Denn wohl hab ich's gefühlt in meiner Furcht,
Daß ihr des Herzens freie Götterliebe
Bereden möchtet zu gemeinem Dienst,
Und daß ich's treiben sollte, so wie ihr.
Hinweg! ich kann vor mir den Mann nicht sehn,
Der Göttliches wie ein Gewerbe treibt,
Sein Angesicht ist falsch und kalt und tot,
Wie seine Götter sind. Was stehet ihr
Betroffen? Gehet nun!

Kritias. Nicht eher, bis
Der heil'ge Fluch die Stirne dir gezeichnet,
Schamloser Lästerer!

Hermokrates. Sei ruhig, Freund!
Ich hab' es dir gesagt, es würde wohl
Der Unmut ihn ergreifen. – Mich verschmäht
Der Mann, das hörtet ihr wohl, ihr Bürger
Von Agrigent, und harte Worte mag
Ich nicht mit ihm in wildem Zanke wechseln,
Es ziemt dem Greise nicht, ihr möget nur
Ihn selber fragen, wer er sei?

Empedokles. O Laßt!
Ihr seht es ja, es frommet keinem,
Ein blutend Herz zu reizen. Gönnet mir's,
Den Pfad, worauf ich wandle, still zu gehn.
Ihr spannt das Opfertier vom Pfluge los,
Und nimmer trifft's der Stachel seines Treibers,
So schonet meiner auch: entwürdiget
Mein Leiden mir mit böser Rede nicht,
Denn heilig ist's; und laßt die Brust mir frei
Von eurer Not! ihr Schmerz gehört den Göttern.

Erster Agrigentiner. Was ist es denn, Hermokrates, warum
Der Mann die wunderlichen Worte spricht?

Zweiter Agrigentiner. Er heißt uns gehn, als scheut' er sich vor uns.

Hermokrates. Was dünket euch? der Sinn ist ihm verfinstert,
Weil er zum Gott sich selbst vor euch gemacht.
Doch weil ihr nimmer meiner Rede glaubt,
So fragt nur ihn darum, er soll es sagen.

Dritter Agrigentiner. Wir glauben es dir wohl.

Pausanias. Ihr glaubt es wohl,
Ihr Unverschämten! – Euer Jupiter
Gefällt euch heute nicht, er siehet trüb,
Der Abgott ist euch unbequem geworden,
Und darum glaubt ihr's wohl? Da stehet er
Und trauert und verschweigt den Geist, wonach
In heldenarmer Zeit die Jünglinge
Sich sehnen werden, wenn er nimmer ist,
Und ihr, ihr kriecht und zischet um ihn her?
Ihr dürft es? und ihr seid so sinnenlos,
Daß euch das Auge dieses Manns nicht warnt?
Und weil er sanft ist, wagen sich an ihn
Die Feigen – heilige Natur, wie duldest
Du auch in deinem Runde dies Gewürm?
Nun sehet ihr mich an und wisset nicht,
Was zu beginnen ist mit mir, ihr müßt
Den Priester fragen, ihn, der alles weiß.

Hermokrates. Ihr hört, wie euch und mich ins Angesicht
Der freche Knabe schilt. Er darf's, solang
Sein Meister euretwegen alles kann.
Wer sich das Volk gewonnen, redet, was
Er will; das weiß ich wohl und strebe nicht
Aus eignem Sinn entgegen, weil es noch
Die Götter dulden. Vieles dulden sie
Und schweigen, bis ans Äußerste gerät
Der wilde Mut, dann aber muß der Frevler
Rücklings hinab ins bodenlose Dunkel.

Dritter Agrigentiner


Erster Agrigentiner. Sagt,
Wie kam es denn, daß dieser uns betörte?

Zweiter Agrigentiner. Sie müssen fort, der Jünger und der Meister.

Hermokrates. So ist es Zeit! – Euch fleh' ich an, ihr Furchtbarn!
Ihr Rachegötter! – Wolken lenket Zeus
Und Wasserwogen zähmt Poseidaon,
Doch euch, ihr Leisewandelnden, euch ist
Zur Herrschaft das Verborgene gegeben,
Und wo ein Eigenmächtiger der Wieg'
Entsprossen ist, da seid irr auch und geht,
Indes er unbesorgt zum Frevel wächst,
Stillsinnend fort mit ihm und lauscht hinab
In seine Brust, wo euch den Götterfeind
Die unbesorgt geschwätzige verrät.
Auch den, ihr kanntet ihn! den heimlichen
Verführer, der die Sinne nahm dem Volk
Und mit dem Vaterlandsgesetze spielt'
Und sie, die alten Götter Agrigents,
Und ihre Priester niemals achtete.
Und nicht verborgen war vor euch, solang
Er schwieg, der ungeheure Sinn.
Er hat's vollbracht! Verruchter, wähntest du,
Sie müßten's nachfrohlocken, da du jüngst
Vor ihnen einen Gott dich selbst genannt?
Dann hättest du geherrscht in Agrigent,
Ein einziger allmächtiger Tyrann,
Und dein gewesen wäre, dein allein
Das gute Volk und dieses schöne Land.
Sie schwiegen nur; erschrocken standen sie;
Und du erblaßtest, und es lähmte dich
Der böse Grimm in deiner dunkeln Halle,
Wo du hinab dem Tageslicht entflohst.
Und kömmst du nun und gießest über mich
Den Unmut aus und lästerst unsre Götter?

Erster Agrigentiner. Nun ist es klar; er muß gerichtet werden.

Kritias. Ich hab' es euch gesagt, ich traute nie
Dem Träumer.

Empedokles. O ihr Rasenden!

Hermokrates. Und sprichst
Du noch und ahndest nicht, du hast mit uns
Nichts mehr gemein, ein Fremdling bist du worden
Und unerkannt bei allen Lebenden;
Die Quelle, die uns tränkt, gebührt dir nicht
Und nicht die Feuerflamme, die uns frommt,
Und was den Sterblichen das Herz erfreut,
das nehmen die heil'gen Rachegötter von dir,
Für dich ist nicht das heitre Licht hier oben.
Nicht dieser Erde Grün und ihre Frucht,
Und ihren Segen gibt die Luft dir nicht,
Wenn deine Brust nach Kühlung seufzt und dürstet.
Es ist umsonst, du kehrest nicht zurück
Zu dem, was unser ist. Denn du gehörst
Den Rächenden, den heil'gen Todesgöttern.
Und wehe dem von nun an, wer ein Wort
Von dir in seine Seele freundlich nimmt,
Wer dich begrüßt und seine Hand dir beut,
Wer einen Trunk am Mittag dir gewährt,
Und wer an seinem Tische dich erduldet,
Und, wenn du nachts an seine Türe kömmst,
Dir Schlummer unter seinem Dache schenkt
Und, wenn du stirbst, die Grabesflamme dir
Bereitet, wehe dem, wie dir! – Hinaus!
Es dulden die Vaterlandsgötter länger nicht,
Wo ihre Tempel sind, den Gottverächter.

Pausanias. O komm, du gehest nicht allein, es ehrt
Noch einer dich, wenn's schon verboten ist,
Du Lieber! und du weißt, des Freundes Segen
Ist kräftiger, denn dieses Priesters Fluch.
O komm in fernes Land! wir finden dort
Das Licht des Himmels auch, und bitten will ich,
Daß freundlich dir's in deine Seele scheine
Im heiterfreien Griechenlande drüben;
Da grünen Hügel auch, und Schatten gönnt
Der Ahorn dir, und milde Lüfte kühlen
Den Wanderern die Brust; und wenn du müd
Vom heißen Tag an fernem Pfade sitzest,
Mit diesen Händen schöpf' ich dann den Trunk
Aus frischer Quelle dir und sammle Speise,
Und Zweige wölb' ich über deinem Haupt,
Und Moos und Blätter breit' ich dir zum Lager,
Und wenn du schlummerst, so bewach' ich dich,
Und muß es sein, bereit' ich dir auch wohl
Die Grabesflamme, die sie dir verwehren,
Die Schändlichen!

Empedokles. Du treues Herz! – Für mich,
Ihr Bürger, bitt' ich nichts; es sei geschehn!
Ich bitt' euch nur um dieses Jünglings willen.
O wendet nicht das Angesicht von mir!
Bin ich es nicht, um den ihr liebend sonst
Euch sammeltet? ihr selber reichtet da
Mir auch die Hände, nicht unziemlich dünkt'
Es euch, zum Freund euch wild heranzudrängen,
Und auf den Schultern brachtet ihr die Kleinen
Und hubt mit euren Armen sie empor;
Bin ich es nicht, und kennt ihr nicht den Mann,
Dem ihr gesagt, ihr könntet, wenn er's wollte,
Von Land zu Land mit ihm wie Bettler gehn,
Und, wenn es möglich wäre, folgtet ihr
Ihm auch hinunter in den Tartarus?
Ihr Kinder! Alles wolltet ihr mir schenken
Und zwangt mich töricht oft, von euch zu nehmen,
Was euch das Leben heitert' und erhielt;
Dann gab ich euch's vom meinigen zurück,
Und mehr denn eures, achtetet ihr dies.
Nun geh' ich fort von euch; versagt mir nicht
Die eine Bitte: schonet dieses Jünglings!
Er tat euch nichts zuleid'; er liebt mich nur,
Wie ihr mich auch geliebt, und saget selbst,
Ob er nicht edel ist und schön? und wohl
Bedürft ihr künftig seiner, glaubt es mir!
Oft sagt' ich euch's: es würde Nacht und kalt
Auf Erden, und in Not verzehrte sich
Die Seele, sendeten zuzeiten nicht
Die guten Götter solche Jünglinge,
Der Menschen welkend Leben zu erfrischen;
Und heilig halten, sagt' ich, solltet ihr
Die heitern Genien – o schonet sein,
Und rufet nicht das Weh! versprecht es mir!

Dritter Agrigentiner. Hinweg! wir hören nichts von allem, was
Du sagst.

Hermokrates. Dem Knaben muß geschehn, wie er's
Gewollt. Er mag den frechen Mutwill büßen,
Er geht mit dir, und dein Fluch ist der seine.

Empedokles. Du schweigest, Kritias! verbirg es nicht,
Dich trifft es auch; du kanntest ihn, nicht wahr,
Die Sünde löschten Ströme nicht von Blut?
Ich bitte Tiere; sag' es ihnen, Lieber!
Sie sind wie trunken, sprich ein ruhig Wort,
Damit der Sinn den Armen wiederkehre!

Zweiter Agrigentiner. Noch schilt er uns? Gedenke deines Fluchs
Und rede nicht, geh du! wir möchten sonst
An dich die Hände legen.

Kritias. Wohl gesagt,
Ihr Bürger!

Empedokles. So! – und möchtet ihr an mich
Die Hände legen? was? gelüstet schon
Bei meinem Leben euch, ihr hungernden
Harpyien, und könnt ihr's nicht erwarten, wenn erst
Der Geist entflohn ist mir, die Leiche zu schänden?
Heran! zerfleischt und teilet die Beut', und es segne
Der Priester euch den Genuß, und seine Vertrauten,
Die Rachegötter, lad' er zum Mahl! – Dir bangt,
Heilloser? Was? Der schlaue Jäger traf
Ja doch sein Wild, warum frohlockt er nicht?
Und zittert? kennst Du mich? und soll ich dir
Den bösen Scherz verderben, den du treibst?
Bei deinem grauen Haare, Mann! du solltest
Zu Erde werden, denn du bist sogar
Zum Knecht der Furien zu schlecht. O sieh!
So schändlich stehst du da und durftest doch
An mir zum Meister werden? Freilich ist's
Ein ärmlich Werk, ein blutend Wild zu jagen!
Ich trauerte, daß wußt' er wohl, da wuchs
Der Mut dem Feigen; da erhascht' er mich
Und hetzt des Pöbels Zähne mir aufs Herz.
O, wer, wer heilt den Geschändeten nun? wer nimmt
Ihn auf, der heimatlos der Fremden Häuser
Mit Narben seiner Schmach umirrt, die Götter
Des Hains fleht, ihn zu bergen? – komme, Sohn!
Sie haben wehe mir getan, doch hätt'
Ich's wohl vergessen, aber dich? – Ha geht
Nun immerhin zugrund', ihr Namenlosen!
Sterbt langsamen Tods, und euch geleite
Des Priesters Rabengesang! und weil sich Wölfe
Versammeln da, wo Leichname sind, so finde sich
Dann einer auch für euch; der sättige
Von eurem Blute sich; der reinige
Sizilien von euch! Es stehet dürr
Das Land, wo sonst die Purpurtraube gern
Dem bessern Volke wuchs und goldne Frucht
Im dunkeln Hain und edles Korn, und fragen
Wird einst der Fremde, wenn er auf den Schutt
Von euern Tempeln tritt, ob da die Stadt
Gestanden. Gehet nun! Ihr findet mich
In einer Stunde nimmer.

(Indem sie abgehen)

Pausanias (nachdem Kritias zurück ist)
Laß
Indessen mich zum alten Vater gehn
Und Abschied nehmen.

Empedokles. O warum? was tat
Der Jüngling euch, ihr Götter! gehe denn,
Du Armer! draußen wart' ich auf dem Wege
Nach Syrakus, dann wandern wir zusammen.

(Pausanias geht auf der anderen Seite ab)



6.
Empedokles. Kritias.



Kritias. Was ist's? Was hast du mir zu sagen?

Empedokles. Auch du verfolgtest mich?

Kritias. Was soll
Mir das?

Empedokles. Ich weiß es wohl, du möchtest gern
Mich hassen, dennoch hassest du mich nicht:
Du fürchtest nur; du hattest nichts zu fürchten

Kritias. Es ist vorbei. Was willst du noch?

Empedokles. Du hättest
Es selber nie gedacht, der Priester zog
In seinen Willen dich; du klage dich
Darum nicht an, o hättst du nur ein treues Wort
Für ihn gesprochen, doch du scheutest
Das Volk.

Kritias. Sonst hattest du mir nichts
Zu sagen? Überflüssiges Geschwätz
Hast du von je geliebt.

Empedokles. O rede sanft,
Ich habe deine Tochter dir gerettet.

Kritias. Das hast du wohl.

Empedokles. Du sträubst und schämest dich
Mit dem zu reden, dem das Vaterland
Geflucht; ach! unverdienter Fluch, ich will
Es gerne glauben, schändet auch, wenn ihn
Die Unsrigen gesprochen. – Denke dir,
Es rede nun mein Schatte, der versöhnt
Vom heitern Friedenslande wiederkehre.

Kritias. Ich wäre nicht gekommen, da du riefst,
Wenn nicht das Volk zu wissen wünschte, was
Du noch zu sagen hättest.

Empedokles. Was ich dir
Zu sagen habe, geht das Volk nichts an.

Kritias. Was ist es denn?

Empedokles. Du mußt hinweg aus diesem Land'; ich sag'
Es dir um deiner Tochter willen, denk an dich
Und sorge nicht für anders! kennest du
Sie nicht und ist dir's unbewußt, wieviel
Es ist besser, daß eine Stadt voll Toren
Versinkt, denn ein Vortreffliches?

Kritias. Was kann
In diesem Land ihr fehlen? denkest du
Weil du nicht mehr im Land,
So könne Gutes nicht darin bestehn?

Empedokles. Kennest du sie nicht? Und tastest wie ein Blinder an, was dir
Die Götter gaben? und es leuchtet dir
In deinem Haus umsonst das holde Licht?
Ich sag' es dir, in diesem Lande findet
Das fromme Leben seine Ruhe nicht,
Und einsam bleibt es dir, so schön es ist,
Und stirbt dir freudelos, denn nie begibt
Die zärtlichernste Göttertochter sich,
Barbaren an das Herz zu nehmen, glaub'
Es mir! Es reden wahr die Scheidenden.
Und wundere des Rats dich nicht!

Kritias. Was soll
Ich nun dir sagen?

Empedokles. Gehe hin mit ihr
In heil'ges Land, nach Elis oder Delos,
Wo jene wohnen, die sie liebend sucht,
Wo stillvereint die Bilder der Heroen
Im Lorbeerwalde stehn. Dort wird sie ruhn,
Dort bei den schweigenden Idolen wird
Der schöne Sinn, der zartgenügsame,
Sich stillen, bei den edeln Schatten wird
Das Leid entschlummern, das geheim sie hegt
In frommer Brust. wenn dann am heitern Festtag
Sich Hellas' schöne Jugend dort versammelt,
Und um sie her die Fremdlinge sich grüßen,
Und hoffnungsfrohes Leben überall,
Wie goldenes Gewölk, das stille Herz
Umglänzt, dann weckt dies Morgenrot
Zur Lust wohl auch die fromme Träumerin,
Und von den Besten einen, die Gesang
Und Kranz in edlem Kampf gewonnen, wählt
Sie sich, daß er den Schatten sie entführe,
Zu denen sie zu frühe sich gesellt.

Kritias. Hast du der goldnen Worte noch so viel
In deinem Elend übrig?

Empedokles. Spotte nicht!
Die Scheidenden verjüngen alle sich
Noch einmal gern. Der Sterbeblick ist's nur
Des Lichts, das freudig einst in seiner Kraft
Geleuchtet unter euch. Es lösche freundlich,
Und hab' ich euch geflucht. so mag dein Kind
Den Segen haben, wenn ich segnen kann.

Kritias. O laß! und mache mich zum Knaben nicht.

Empedokles. Versprich es mir und tue, was ich riet,
Und geh aus diesem Land; verweigerst du's,
So mag die Einsame den Adler bitten,
Daß er hinweg von diesen Knechten sie
Zum Äther rette! Bessers weiß ich nicht.

Kritias. O sage, haben wir nicht recht an dir
Getan?

Empedokles. Was fragst du nun? Ich habe dir
Vergeben. Aber folgst du mir?

Kritias. Ich kann
So schnell nicht wählen.

Empedokles. Wähle gut,
Sie soll nicht bleiben, wo sie untergeht,
Und sag' es ihr, sie soll des Mannes denken,
Den einst die Götter liebten. Willst du das?

Kritias. Wie bittest du? Ich will es tun. Und geh
Du deines Weges nun, du Armer!
(Geht ab.)

Empedokles. Ja!
Ich gehe meines Weges, Kritias,
Und weiß wohin, und schämen muß ich mich,
Daß ich gezögert bis zum Äußersten.
Wie oft, wie oft hat dich's gemahnt! da wär'
Es schön gewesen. Aber nun ist's not!
O stille! gute Götter! immer eilt
Den Sterblichen das ungeduld'ge Wort
Voraus und läßt die Stunde des Gelingens
Nicht unbetastet reifen. Manches ist
Vorbei; und leichter wird es schon. Es hängt
An allem fest, der alte Tor! und da
Er einst gedankenlos ein stiller Knab'
Auf seiner grünen Erde spielt, war
Er freier, denn er ist; o scheiden! – selbst
Die Hütte, die mich hegte, lassen sie
Mir nicht, was mußt' ich auch so lange warten,
Bis Glück und Geist und Jugend ferne war,
Und nichts wie Torheit überblieb und Elend.



7.
Drei Sklaven des Empedokles.



Erster Sklave. Du gehest, Herr?

Empedokles. Ich gehe freilich, Guter,
Und hole mir das Reis'gerät, soviel
Ich selber tragen kann, und bring' es noch
Mir auf die Straße dort hinaus – es ist
Dein letzter Dienst!

Zweiter Sklave. O Götter!

Empedokles. Immer seid
Ihr gern um mich gewesen, denn ihr wart's
Gewohnt von lieber Jugend her, wo wir
Zusammen auf in diesem Hause wuchsen,
Das meinem Vater war und mir, und fremd
Ist meiner Brust das herrisch kalte Wort.
Ihr habt der Knechtschaft Schicksal nie gefühlt.
Ich glaub' es euch, ihr folgtet gerne mir,
Wohin ich muß. Doch kann ich es nicht dulden,
Daß euch der Fluch des Priesters ängstige,
Der jedem, so sich irgend mir gesellt,
Verkündet ist. Ihr wißt ihn schon:
Die Welt ist aufgetan für euch und mich,
Ihr Lieben, und es sucht nun jeder sich
Sein eigen Glück!

Dritter Sklave. Wir lassen nicht von dir, wir können's nicht.

Zweiter Sklave. Was weiß der Priester, wie du lieb uns bist.
Verbiet' er's andern! uns verbeut er's nicht.

Erster Sklave. Gehören wir zu dir, so laß uns auch
Bei dir! Ist's doch von gestern nicht, daß wir
Mit dir zusammen sind, du sagst es selber.

Empedokles. O Götter! bin ich kinderlos und leb'
Allein mit diesen drein, und dennoch häng'
Ich hingebannt an diese Ruhestätte
Gleich Schlafenden und ringe, wie im Traum,
Hinweg? Es kann nicht anders sein, ihr Guten!
O sagt nichts mehr davon, ich bitt' euch das,
Und laßt uns tun, als wären wir es nimmer.
Ich gönn's dem frommen Manne nicht, daß er
Mir alles noch verfluche, was mich liebt –
Ihr gehet nicht mit mir, ich sag' es euch.
Hinein und nehmt das Beste, was ihr findet
Und zaudert nicht und flieht; es möchten sonst
Die neuen Herrn des Hauses euch erhaschen,
Und eines Feigen Knechte würdet ihr.

Zweiter Sklave. Mit harter Rede schickst du uns weg?

Empedokles. Ich tu' es dir und mir – ihr Freigelaßnen
Ergreift mit Manneskraft das Leben, laßt
Die Götter euch mit Ehre trösten, ihr
Beginnt nun erst. Es gehen Menschen auf
Und nieder. Weilet nun nicht länger. Tut,
Was ich gesagt.

Erster Sklave. Herr meines Herzens! leb',
Und geh nicht unter!

Dritter Sklave. Sage, werden wir
Dich nimmer sehn?

Empedokles. O fraget nicht, es ist
Umsonst.

Zweiter Sklave (im Abgehen)
Er bleibt es doch!
Ach! wie ein Bettler soll er nun das Land
Durchirren und des Lebens nirgend sicher sein?

Empedokles (sieht ihnen schweigend nach)
Lebt wohl, ich hab'
Euch schnöd' hinweggeschickt, lebt wohl, ihr Treuen,
Und du, mein väterliches Haus, wo ich erwuchs
Und blüht'! – ihr lieben Bäume! vom Freudengesang
Des Götterfreunds geheiligt, ruhige
Vertraute meiner Ruh'! o sterbt und gebt
Den Lüften zurück das Leben, denn es scherzt
Das rohe Volk in eurem Schatten nun,
Und wo ich selig ging, da spotten sie meiner.
Weh! ausgestoßen ihr Götter? und ahmte,
Was ihr mir tut, ihr Himmlischen, der Priester,
Der Unberufene, seellos nach? ihr ließt
Mich einsam, mich, der, euch geschmäht, ihr Lieben!
Und dieser wirft zur Heimat mich hinaus,
Und der Fluch hallt, den ich selber mir gesprochen,
Mir ärmlich aus des Pöbels Munde wider?
Ach! der innig mit euch, ihr Seligen, einst
Gelebt und sein die Welt genannt aus Freude,
Hat nun nicht, wo er seinen Schlummer find',
Und in sich selber kann er auch nicht ruhn.
Wohin denn nun, ihr Pfade der Sterblichen? viel
Sind eurer, wo ist der meine? der kürzeste wo?
Der schnellste? denn zu zögern ist Schmach.
(Geht ab.)



8.
Panthea. Delia.



Delia. Stille, liebes Kind!
Und halt' den Jammer, daß uns niemend höre.
Ich will hinein ins Haus. Vielleicht er ist
Noch drinnen, und du siehst noch einmal ihn.
Nur bleibe still indessen – kann ich wohl
Hinein?

Panthea. O tu es, liebe Delia!
Ich bitt' indes um Ruhe, daß mir nicht
Das Herz vergeht, wenn ich den hohen Mann
In dieser bittern Schicksalsstunde sehe.

Delia. O Panthea!

Panthea (allein nach einigem Stillschweigen)
Ich kann nicht – ach, es wär'
Auch Sünde, da gelassener zu sein!
Verflucht? ich fass' es nicht; und wirst auch wohl
Die Sinne mir zerreißen, schwarzes Rätsel!
Wie wird es sein?
(Pause. Erschrocken zu Delia, die wieder zurückkommt.)
. . . . .

Delia. Ach! alles tot!
Und öde!

Panthea. Fort?

Delia. Ich fürcht' es. Offen sind
Die Türen; aber niemend ist zu sehn.
Ich rief, da hört' ich nur den Widerhall
Im Hause; länger bleiben mocht' ich nicht –
Ach! stumm und blaß ist sie und siehet fremd
Mich an, die Arme. Kennest du mich nimmer?
Ich will es mit dir dulden, liebes Herz!

Panthea. Nun! komme nur!

Delia. Wohin?

Panthea. Wohin? ach das,
Das weiß ich freilich nicht, ihr guten Götter!
Weh! keine Hoffnung! und du leuchtest mir
Umsonst, du Tageslicht dort oben, fort
Ist er, wie soll die Einsame denn wissen,
Warum ihr noch die Augen helle sind.
Es ist nicht möglich, nein! zu frech
Ist diese Tat, zu ungeheuer, und ihr habt
Es doch getan, und leben muß ich noch
Und stille sein bei diesen? weh und weinen,
Nur weinen kann ich über alles das!

Delia. O weine nur! du Liebe, besser ist's,
Denn schweigen oder reden.

Panthea. Delia!
Da ging er sonst, und dieser Garten war
Um seinetwillen mir so wert. Ach oft
Wenn mir das Leben nicht genügt', und ich,
Die Ungesellige, betrübt mit andern
Um unsre Hügel irrte, sah ich her
Nach dieser Bäume Gipfeln, dachte, dort
Ist einer doch! Und meine Seele richtet'
An ihm sich auf. Ach! grausam haben sie's
Zerschlagen, auf die Straße ausgeworfen,
Mein Heldenbild, ich hätt' es nie gedacht,
So schmählich! o verblühet nun, ihr Blumen
Des Himmels, schöne Sterne. Glänzte doch
Auch er vom Äther, doch es muß hinab,
Was sterblich ist.

Delia. Es ist ein großer Mann gefallen.

Panthea. Ach! hundertjähr'gen Frühling wünscht ich oft,
Ich Törichte, für ihn und seine Gärten!

Delia. O konntet ihr die zarte Freude nicht
Ihr lassen, gute Götter!

Panthea. Klage nicht
Um mich, du Gute! Blüten fallen viel,
Wie meine sind. Gedenk' an ihn! der Mann,
Wie eine neue Sonne kam er uns
Und strahlt' und zog das ungereifte Leben
An goldnen Seilen freundlich zu sich auf;
Und lange hatt' auf ihn Sizilien
Gewartet. Niemals herrscht' auf dieser Insel
Ein Sterblicher, wie er, sie fühlten's wohl,
Er lebe mit den Genien der Welt
Im Bunde. Seelenvoller! und du nahmst
Sie all ans Herz, vertrautest ihnen dich!
Großmütiger, weh! mußt du nun dafür
Geschändet fort von Land zu Lande ziehn,
Das Gift im Busen, das sie mitgegeben.
O ihr Blumen
Des Himmels! schöne Sterne, werdet ihr
Denn auch verblühn? und wird es Nacht alsdann
In deiner Seele werden, Vater Äther,
Wenn deine Jünglinge, die glänzenden,
Erloschen sind vor dir? Ich weiß, es muß,
Was göttlich ist hinab. Zur Seherin
Bin ich geworden über seinen Fall,
Und wo mir noch ein schöner Genius
Begegnet, nenn' er Mensch sich oder Gott,
Ich weiß die Stunde, die ihm nicht gefällt!
Das habt ihr getan. O laßt nicht mich,
Ihr weisen Richter, ungestraft entkommen,
Ich ehr' ihn ja, und wenn ihr es nicht wißt,
So will ich es ins Angesicht euch sagen.
Dann stoßt auch mich zu eurer Stadt hinaus.
Und hat er ihm geflucht, der Rasende,
Mein Vater, ha! so fluch' er nun auch mir!

Delia. O Panthea, mich schreckt es, wenn du so
Dich deiner Klagen überhebst. Ist er
Denn auch wie du, daß er den stolzen Geist
Am Schmerze nährt und heft'ger wird im Leiden,
Ich mag's nicht glauben, denn ich fürchte das.
Was müßt er auch beschließen?

Panthea. Ängstigest
Du mich? was hab' ich denn gesagt? Ich will
Auch nimmer – ja geduldig will ich sein,
Ihr Götter! will vergebens nun nicht mehr
Erstreben, was ihr ferne mir gerückt,
Und was ihr geben mögt, das will ich nehmen.
Und find' ich nirgends dich, du Heiliger,
So kann ich doch mich freuen, daß du da
Gewesen. Ruhig will ich sein, es möcht'
Aus wildem Sinne mir das edle Bild
Entfliehen, und daß mir nur der Tageslärm
Den brüderlichen Schatten nicht verscheuche,
Der, wenn ich leise wandle, mich geleitet.

Delia. Du liebe Träumerin! er lebt ja noch.

Panthea. Er lebt? ja, wohl! er lebt! er geht
Im weiten Felde Nacht und Tag. Sein Dach
Sind Wetterwolken, und der harte Boden ist
Sein Lager, Winde krausen ihm das Haar –
Und Regen träuft mit seinen Tränen ihm
Vom Angesicht, und seine Kleider trocknet
Am heißen Mittag ihm die Sonne wieder,
Wenn er mitten im schattenlosen Sande geht;
Gewohnte Pfade sucht er nicht: im Fels
Bei denen, die von Beute sich ernähren,
Die fremd, wie er, und allverdächtig sind,
Da kehrt er ein, die wissen nichts vom Fluch,
Die reichen ihm von ihrer rohen Speise,
Daß er zur Wanderung die Glieder stärkt,
So lebt er! weh! und das ist nicht gewiß.

Delia. Ja, es ist schrecklich, Panthea!

Panthea. Ist's schrecklich?
Du arme Trösterin! und sieh, es währt
Nicht lange mehr, so kommen sie und sagen
Einander sich's, wenn es die Rede gibt,
Daß er erschlagen auf dem Wege liege.
Es dulden's wohl die Götter, haben sie
Doch auch geschwiegen, da man ihn mit Schmach
Ins Elend fort aus seiner Heimat warf.
O du! – wie wirst du enden? müde ringst
Du schon am Boden fort, du stolzer Adler!
Und zeichnest deinen Pfad mit Blut und bald
Erhascht der feigen Jäger einer dich,
Zerschlägt am Felsen dir dein sterbend Haupt.
Und Jovis Liebling nanntet ihr ihn doch?

Delia. Ach! lieber, schöner Geist! nur so nicht!

Panthea. Nur solche Worte nicht! Wenn du es wüßtest,
Wie mich die Sorg' um dich ergreift! Ich will
Auf meinen Knien dich bitten, wenn es hilft.
Besänftige dich nur. Wir wollen fort.
Es kann noch viel sich ändern, Panthea.
Vielleicht bereut es bald das Volk, du weißt
Es ja, wie sie ihn liebten. Komm! ich wend'
An deinen Vater mich, und helfen sollst
Du mir. Wir können ihn vielleicht gewinnen.

Panthea. O wir, wir sollten das, ihr Götter!



Zweiter Akt


(Gegend am Ätna. Bauernhütte.)

1.
Empedokles. Pausanias.



Empedokles. Wie ist's mit dir?

Pausanias. O das ist gut,
Daß du ein Wort doch wieder redest, Lieber
Denkst du es auch? hier oben waltet wohl
Der Fluch nicht mehr, und unser Land ist ferne;
Mir atmet frei die Brust auf diesen Höhen,
Und auf zum Tage darf das Auge doch
Nun wieder blicken, und die Sorge wehrt
Den Schlaf uns nicht, es reichen
Gewohnte Kost uns Menschenhände wieder.
Du brauchst der Pflege, Lieber! und es nimmt
Der heil'ge Berg, der väterliche, wohl
In seine Ruh' die umgetriebnen Gäste.
Willst du, so bleiben wir auf eine Zeit
In dieser Hütte – darf ich rufen, ob
Sie uns vielleicht den Aufenthalt vergönnen?

Empedokles. Versuch' es nur, sie kommen schon heraus.



2.
Bauer. Was wollt ihr? dort hinunter geht
Die Straße.



Pausanias. Gönn' uns Aufenthalt bei dir
Und scheue nicht das Aussehn, guter Mann.
Denn schwer ist unser Weg und öfters scheint
Der Leidende verdächtig, doch mögen dir's
Die Götter sagen, welcher Art wir sind.

Bauer. Es stand wohl besser einst mit euch denn jetzt.
Ich will es gerne glauben, doch es liegt
Die Stadt nicht fern; ihr solltet doch daselbst
Auch einen Gastfreund haben.Besser wär's,
Zu dem zu kommen, denn zu Fremden.

Pausanias. Es schämte leicht der Gastfreund unser sich,
Wenn wir zu ihm in unserm Unglück kämen.
Und gibt uns doch der Fremde nicht umsonst
Das wenige, warum wir ihn gebeten.

Bauer. Wo kommt ihr her?

Pausanias. Was nützt es, das zu wissen?
Wir geben Gold, und du bewirtest uns.

Bauer. Ich habe keinen Raum für euch
In meinem Hause.

Pausanias. Was ist das? so reich'
Uns Brot und Wein und fordre, was du willst.

Bauer. Das findet ihr an anderm Orte besser.

Pausanias. O, das ist hart! doch gibst du mir vielleicht
Ein wenig Leinen, daß ich's diesem Mann
Um seine Füße winde, die ihm noch
Vom Felsenpfade blutig sind – sieh nur
Ihn an! Der gute Geist Siziliens ist's
Und mehr, denn eure Fürsten! und er steht
Vor deiner Türe kummerbleich und bettelt
Um deiner Hütte Schatten und um Brot,
Und du versagst es ihm, und todesmüd
Und dürstend lässest du ihn draußen stehn
An diesem Tage, wo das harte Wild
Zur Höhle sich vorm Sonnenbrande flüchtet?

Bauer. Ich kenn' euch. Wehe! das ist der Verfluchte
Von Agrigent. Es ahndete mir gleich.
Hinweg!

Pausanias. Beim Donner! nicht hinweg! – er soll
Für dich mir bürgen. lieber Heiliger!
Indes ich geh' und Nahrung suche. Ruh'
An diesem Baum und höre! wenn ihm
Ein Leid geschieht, es sei, von wem es wolle,
So komm' ich über Nacht und brenne dir,
Eh' du es denkst, dein strohern Haus zusammen!
Erwäge das!

(Bauer geht ab.)



3.
Empedokles. Pausanias.



Empedokles. Sei ohne Sorge! Sohn!

Pausanias. Wie sprichst du so? Ist doch dein Leben mir
Der lieben Sorge wert, und diese meinen,
Es wäre nichts am Manne zu verderben,
Dem solch ein Wort gesprochen ward wie dir,
Und leicht gelüstet sie's, und wär' es nur
Um seines Mantels wegen, ihn zu töten;
Denn ungereimt ist's ihnen, daß er noch
Gleich Lebenden umhergeht; weißt du es
Denn nicht?

Empedokles. O ja, ich weiß es.

Pausanias. Lächelnd sagst
Du das, o Empedokles?

Empedokles. Treues Herz,
Ich habe wehe dir getan, ich wollt'
Es nicht.

Pausanias. Ach! ungeduldig bin ich nur.

Empedokles. Sei ruhig meinetwegen, Lieber, bald
Ist dies vorbei.

Pausanias. Wie sagst du das?

Empedokles. Du wirst
Es sehn.

Pausanias. Wie ist dir? soll ich nun ins Feld
Nach Speise gehn? wenn du es nicht bedarfst,
So bleib' ich lieber, oder besser ist's,
Wir gehn und suchen einen Ort zuvor
Für uns im Berge.

Empedokles. Siehe! nahe blinkt
Ein Wiesenquell; der ist auch unser. Nimm
Dein Trinkgefäß, die hohle Kürbis, daß der Trank
Die Seele mir erfrische.

Pausanias (an der Quelle)
Klar und kühl
Und rege sproßt's aus dunkler Erde, Vater!

Empedokles. Erst trinke du. Dann schöpf' und bring' es mir.

Pausanias (indem er ihm es reicht)
Die Götter segnen dir's.

Empedokles. Ich trink' es euch,
Ihr alten Freundlichen! ihr meine Götter!
Und meiner Wiederkehr, Natur! schon ist
Es anders, o ihr Gütigen, ihr geht
Voraus, und eh' ich komme, seid ihr da.
Und blühen soll
Es, eh' es reift! – sei ruhig, Sohn! und höre,
Wir sprechen vom Geschehenen nicht mehr.

Pausanias. Du bist verwandelt und dein Auge glänzt
Wie eines Siegenden; ich fass' es nicht.

Empedokles. Wir wollen noch, wie Jünglinge, den Tag
Zusammen sein und vieles reden. Findet
Doch leicht ein heimatlicher Schatte sich,
Wo unbesorgt die treuen Langvertrauten
Beisammen sind in liebendem Gespräch.
Mein Liebling! haben wir, wie gute Knaben
An einer Traub', am schönen Augenblick
Das liebe Herz so oft gesättigt,
Und mußtest du bis hier mich hergeleiten,
Daß unsrer Feierstunden keine sich verlör',
Wohl kauftest du um schwere Mühe sie;
Doch geben was umsonst die Götter?

Pausanias. O mache mir es klar, daß ich wie du
Mich freue!

Empedokles. Siehest du denn nicht! Es kehrt
Die schöne Zeit von meinem Leben heute
Noch einmal wieder; und das Größre steht
Bevor. Hinauf, o Sohn, zum Gipfel
Des alten heil'gen Ätna!
Denn gegenwärt'ger sind auf Höhn die Götter,
Da will ich heute noch mit diesen Augen
Die Ströme sehn und Inseln und das Meer.
Da, zögernd über goldenen Gewässern,
Auch das Sonnenlicht beim Scheiden,
Das jugendliche, das ich einst
Zuerst geliebt. Dann glänzt um uns
Das ewige Gestirn, indes herauf
Der Erde Glut aus Bergestiefen quillt,
Und zärtlich rührt der Allbewegende,
Der Geist, uns an! o dann –

Pausanias. Du schreckst
Mich nur, denn unbegreiflich bist du mir.
Du siehest heiter aus und redest herrlich,
Doch lieber wär' es mir, du trauertest.
Ach, brennt dir doch die Schmach im Busen, die
Du littest, und achtest selber dich für nichts,
So viel du bist.

Empedokles. O Götter, läßt auch der
Zuletzt die Ruh' mir nicht und regt den Sinn
Mir auf mit roher Rede; willst du das,
So geh! Bei Tod und Leben! Nicht ist dies
Die Stunde mehr, viel Worte noch davon
Zu machen, was ich leid' und bin.
Besorgt ist das; ich will es nimmer wissen.
Ich hab's verdient. Ich kann dir's wohl verzeihn,
Daß du zur Unzeit mich gemahnt. Es ist
Der Priester dir vor Augen und es gellt
Im Ohre dir des Pöbels Hohngeschrei,
Die brüderliche Nänie, die uns
Zur lieben Stadt hinausgeleitet.
Ha! mir! bei allen Göttern, die mich schufen,
Sie hätten's nicht getan, wär ich
Der Alte noch gewesen. Was? schändlich
Verriet ein Tag von meinen Tagen mich
An diese Feigen – still! hinunter soll's!
Begraben will ich es, so tief, wie noch
Kein Grab für Sterbliches gegraben ist.

Pausanias. Ach! häßlich stört' ich ihm die hohe Seele,
Die herrliche, und bänger denn zuvor
Ist jetzt die Sorge.

Empedokles. Getrost! es ist geholfen. Laß die Klage!
Und störe mich nicht wieder. Mit der Zeit
Ist alles gut. Mit Sterblichen und Göttern
Bin ich nun bald versöhnt, ich bin es schon.

Pausanias. Ist's möglich? und geheilt
Ist dir der furchtbar trübe Sinn, und wähnest du
Dich nun nicht mehr allein, und ruhig kehrt
Dein Herz wie sonst ans Herz der Erde wieder?
Und freundlich ahndend sieht dein Auge
Zum väterlichen Äther wieder auf?
Du Lieber! und es dünkt der Menschen Tun
Unschuldig wie die Herdesflamme dir?
So sprachst du sonst; ist's wieder wahr geworden?
O sieh! dann segn' ich den klaren Quell,
An dem das neue Leben dir begann.
Und fröhlich wandern morgen wir hinab
Ans Meer, das uns an sichres Ufer bringt.
Was achten wir der Reise Not und Mühe!
Ist heiter doch der Geist!

Empedokles. O Kind! Pausanias, hast du dies vergessen:
Umsonst wird nichts den Steblichen gewährt.
Und eines hilft. – Nein, heldenmüt'ger Jüngling,
Erblasse nicht! Sieh! was mein altes Glück
Mir wieder bringt, und leise kaum gedacht,
Das Unersinnbare mir wieder gibt,
Mit Götterjugend mir, dem Welkenden,
Die Wange rötet, kann nicht übel sein.
Geh Sohn! Ich möchte meinen Sinn
Und meine Lust nicht gerne ganz verraten.
Für dich ist's nicht. Und höre, liebes Herz,
Wenn du's erfährst, so mache dir's nicht eigen,
Und lasse mir's, ich lasse deines dir.
Was ist's?

Pausanias. Ein Haufe Volks, dort kommen sie
Herauf.

Empedokles. Erkennst du sie?

Pausanias. Ich traue nicht
Den Augen.

Empedokles. Was? soll ich zum Rasenden
Noch werden, was? in sinnenlosem Weh
Und Grimm hinab, wohin ich friedlich wollte?
Agrigentiner sind's!

Pausanias. Unmöglich!

Empedokles. Träum'
Ich denn? Mein edler Gegner ist's, der Priester
Und sein Gefolge – pfui! so heillos ist,
In dem ich Wunden sammelte, der Kampf,
Und würdigere Kräfte gab es nicht
Zum Streite gegen mich? o schrecklich ist's,
Zu hadern mit Verächtlichen! und weh!
In dieser heil'gen Stunde noch, wo schon
Zum Tone sich der allverzeihenden
Natur die Seele vorbereitend stimmt',
Da fällt die Rotte mich noch einmal an
Und mischt ihr wütend sinnenlos Geschrei
In meinen Schwanensang. Heran! es sei,
Ich will es euch verleiden! schont' ich doch
Von je zu viel des schlechten Volks und nahm
An Kindesstatt der falschen Bettler g'nug.
Habt ihr es mir noch immer nicht vergeben,
Daß ich euch wohlgetan? Ich will es nun
Auch nicht. O kommt, Elende! muß es sein,
So kann ich auch im Zorne zu den Göttern.

Pausanias. Wie wird das endigen?



4.
Die Vorigen. Hermokrates. Kritias. Volk.



Hermokrates. Befürchte nichts!
Und laß der Männer Stimme dich nicht schrecken,
Die dich vertrieben. Sie verzeihen dir.

Empedokles. Ihr Unverschämten! Anders wißt ihr's nicht?
O tut die Augen auf und seht, wie schlecht
Ihr seid, daß euch das Weh die närrische,
Verruchte Zunge lähme; könnt ihr nicht
Erröten? o ihr Armen! schamlos läßt
Den schlechten Mann mitleidig die Natur,
Daß ihn das Größre nicht zu Tode schrecke.
Wie könnt' er sonst vor Größerem bestehn?

Hermokrates. Was du verbrochen, büßest du, genug
Von Elend ist dein Angesicht gezeichnet.
Genes' und kehre nun zurück; dich nimmt
Das gute Volk in seine Heimat wieder.

Empedokles. Wahrhaftig, großes Glück verkündet mir
Der Fromme Friedensbote: Tag für Tag
Den schauerlichen Tanz mit anzusehen,
Wo ihr euch jagt und äfft, wo ruhelos
Und irr' und bang, wie unbegrabne Schatten,
Ihr umeinander rennt, ein ärmliches Gemeng',
In eurer Not ihr Gottverlaßnen!
Und eure lächerlichen Bettlerkünste,
Die nah zu haben, ist der Ehre wert!
Ha! wüßt' ich Bessres nicht, ich lebte lieber
Sprachlos und fremde mit des Berges Wild
In Regen und in Sonnenbrand und teilte
Die Nahrung mit dem Tier, als daß ich noch
In euer blindes Elend wiederkehrte.

Hermokrates. So dankst du uns?

Empedokles. O sprich es einmal noch
Und siehe, wenn du kannst, zu diesem Licht,
Dem allesschauenden empor! doch freilich
Sind Helios' Strahlen immer Blitze dem Heuchler!
. . . . . . . . . . warum bliebst
Du auch nicht fern und kamst mir frech vors Auge,
Und nötigst das letzte Wort mir ab,
Damit es dich zum Acheron geleite?
Weißt du, was du getan? Was tat ich dir?
Es warnte dich! und lange fesselte
Die Furcht die Hände dir, und lange grämt'
In seinen Banden sich dein Grimm; ihn hielt
Mein Geist gefangen; freilich mehr
Wie Durst und Hunger quält das Edlere
Den Schlechten; konntest du nicht ruhn und mußtest
Dich an mich wagen, Ungestalt, und wähntest,
Ich würde dir gleich, wenn mit deiner Schmach du
Das Angesicht mir übertünchtest?
Das war ein alberner Gedanke, Mann!
Und könntest du dein eigen Gift im Tranke
Mir reichen, dennoch paarte sich mit dir
Mein lieber Genius nicht und schüttete
Mit diesem Blut, das du entweiht, dich aus.
Es ist umsonst; wir gehn verschiedne Wege,
Stirb du gemeinen Tods, wie sich's gebührt,
Am seelenlosen Knechtgefühl! Mir ist
Ein ander Los beschieden, andern Weg
Weissagtet einst, da ich geboren ward,
Ihr Götter, mir, die gegenwärtig waren.
Was wundert sich der allerfahrne Mann?
Sein Werk ist aus, und seine Ränke reichen
An meine Freude nicht. Begreifest du das auch?

Hermokrates. Den Rasenden begreif' ich freilich nicht.

Kritias. Genug ist's nun, Hermokrates! du reizest
Zum Zorne nur den Schwerbeleidigten.

Pausanias. Was nehmt ihr auch den kalten Priester mit,
Ihr Toren, wenn um Gutes euch zu tun ist,
Und wählet zum Versöhner
Den Gottverlaßnen, der nicht lieben kann!
Zu Zwist und Tod ist der und seinesgleichen
Ins Leben ausgesät, zum Frieden nicht!
Jetzt seht ihr's ein, o hättet ihr's vor Jahren!
Es wäre manches nicht in Agrigent
Geschehen. Viel hast du getan, Hermokrates,
Solang du lebst, hast manche liebe Lust
Den Sterblichen hinweggeängstigt,
Hast manches Heldenkind in seiner Wieg'
Erstickt; und gleich der Blumenwiese fiel
Und starb die jugendkräftige Natur
Vor deiner Sense. Manches sah ich selbst,
Und manches hört' ich. – Soll ein Volk vergehn,
So schicken nur die Furien einen,
Der, täuschend überall, der Missetat
Die lebensreichen Menschen überführe!
Zuletzt, der Kunst erfahren, machte sich
An einen Mann der heiligschlaue Würger,
Und herzempörend glückt es ihm, damit
Das Göttergleiche durchs Gemeinste falle.
Mein Empedokles! – gehe du des Wegs,
Den du erwählt, ich kann's nicht hindern, brennt
Das Blut in meinen Adern gleich,
Doch diesen, der das Leben dir genommen,
Den Allverderber, such' ich auf, wenn ich
Allein gelassen bin von dir, und flöhe
Er zum Altar, es hilft ihm nichts, ich nehm' ihn
Mit mir, ich weiß sein elend Element,
Zum toten Sumpfe schlepp' ich ihn, und wenn
Er flehend wimmert, so erbarm' ich mich
Des grauen Haars, wie er der andern sich
Erbarmt; hinab! hörst du? ich halte Wort.

Erster. Es braucht des Wartens nicht, Pausanias!

Hermokrates. Ihr Bürger!

Zweiter. Regst du noch die Zunge? Du,
Du hast uns schlecht gemacht, hast den Sinn
Uns weggeschwatzt; hast uns des Halbgotts Liebe
Gestohlen, du! er ist's nicht mehr. Er kennt
Uns nicht; ach! ehmals sah mit sanften Augen
Auf uns der königliche Mann; nun kehrt
Sein Blick das Herz mir um.

Dritter. Weh! waren wir
Doch gleich den Alten zu Saturnus' Zeit,
Da freundlich unter uns der Hohe lebt',
Und jeder hatt' in seinem Hause Freude,
Und alles war genug. Was ludest du
Den Fluch auf uns, den unvergeßlichen,
Den er gesprochen? Ach! er mußte wohl,
Und sagen werden unsre Söhne, wenn
Sie groß geworden sind, ihr habt den Mann,
Den uns die Götter sandten, uns gemordet.

Zweiter. Er weint! – O größer noch und lieber,
Denn vormals, dünkt er mir. Und sträubst
Du noch dich gegen ihn und stehest da,
Als sähst du nicht, und brechen dir vor ihm
Die Kniee nicht? Zu Boden, Mensch!

Erster. Und spielst
Du noch den Götzen? Was? Und möchtest gern
So fort es treiben? Nieder mußt du mir!
Und auf den Nacken setz' ich dir den Fuß,
Bis du mir sagst, du habest endlich dich
Bis in den Tartarus hinabgelogen.

Dritter. Weißt du, was du getan? Dir wär' es besser,
Du hättest Tempelraub gegangen, ha!
Wir beteten ihn an, und billig war's;
Wir wären götterfrei mit ihm geworden,
Da wandelt unverhofft, wie eine Pest,
Dein böser Geist uns an, und uns verging
Das Herz und Wort und alle Freude, die
Er uns geschenkt, in widerwärt'gem Taumel.
O Schande! Schande! Wie die Rasenden
Frohlockten wir, da du zum Tode schmähtest
Den hochgeliebten Mann. Unheilbar ist's,
Und stürbst du siebenmal, du könntest doch
Was du an ihm und uns getan, nicht ändern.

Empedokles. Die Sonne neigt zum Untergange sich
Und weiter muß ich diese Nacht, ihr Kinder.
Laßt ab von ihm! Es ist zu lange schon,
Daß wir gestritten. Was geschehen ist,
Vergehet all, und künftig lassen wir
In Ruh' einander. –

Pausanias. Gilt denn alles gleich?

Dritter. O lieb uns wieder!

Zweiter. Komm und leb'
In Agrigent; es hat's ein Römer mir
Gesagt, durch ihren Numa wären sie
So groß geworden. Komme, Göttlicher!
Sei unser Numa! Lange dachten wir's
Du solltest König sein. O sei es! sei es!
Ich grüße dich zuerst, und alle wollen's.

Empedokles. Dies ist die Zeit der Könige nicht mehr.

Die Bürger (erschrocken)
Wer bist du, Mann?

Pausanias. So lehnt man Kronen ab,
Ihr Bürger.

Erster. Unbegreiflich ist das Wort,
So du gesprochen, Empedokles.

Empedokles. Hegt
Im Neste denn die Jungen immerdar
Der Adler? Für die blinden sorgt er wohl,
Und unter seinen Flügeln schlummern süß
Die ungefiederten ihr dämmernd Leben.
Doch haben sie das Sonnenlicht erblickt
Und sind die Schwingen ihnen reif geworden,
So wirft er aus der Wiege sie, damit
Sie eignen Flug beginnen. Schämet euch,
Daß ihr noch einen König wollt; ihr seid
Zu alt; zu eurer Väter Zeiten wär's
Ein anderes gewesen. Euch ist nicht
Zu helfen, wenn ihr selber euch nicht helft.

Kritias. Vergib! bei allen Himmlischen! du bist
Ein großer Mann, Verratener!

Empedokles. Es war
Ein böser Tag, der uns geschieden, Archon.

Zweiter. Vergib und komm mit uns! Dir scheinet doch
Die heimatliche Sonne freundlicher,
Denn anderswo, und willst du schon die Macht,
Die dir gebührte, nicht, so haben wir
Der Ehrengaben manche noch für dich,
Für Kränze grünes Laub, und schöne Namen,
Und für die Säule nimmer alternd Erz.
O komm! Es sollen unsre Jünglinge,
Die reinen, die dich nie beleidigten,
Dir dienen – wohnst du nahe nur, so ist's
Genug, und dulden müssen wir's, wenn du
Uns meid'st und einsam bleibst in deinen Gärten,
Bis du vergessen hast, was dir geschehn.

Empedokles. O einmal noch! Du heimatliches Licht,
Das mich erzog, ihr Gärten meiner Jugend
Und meines Glücks, noch soll ich eurer denken,
Ihr Tage meiner Ehre, wo ich rein
Und ungekränkt mit diesem Volke war.
Wir sind versöhnt, ihr Guten! – Laßt mich nun,
O schonet mein! vergebens ist es! still!
Und besser ist's, ihr seht das Angesicht,
Das ihr geschmäht, nicht mehr; so denkt ihr lieber
Des Manns, den ihr geliebt, und irre wird
Dann nicht an ihm der leichtgetrübte Sinn;
In ew'ger Jugend lebt mit euch mein Bild,
Und schöner tönen, wenn ich ferne bin,
Die Freudensänge, so ihr mir versprochen.
O laßt uns scheiden, ehe Torheit uns
Und Alter scheidet, sind wir doch gewarnt;
Und eines bleiben, die zu rechter Zeit
Aus eigner Kraft die Trennungsstunde wählten.

Dritter. So ratlos lässest du uns stehn?

Empedokles. Ihr botet
Mir eine Kron', ihr Männer, nehmt von mir
Dafür mein Heiligtum. Ich spart' es lang.
In heitern Nächten oft, wenn über mir
Die Welt sich öffnet', und die heil'ge Luft
Mit ihren Sternen allen als ein Geist
Voll freudiger Gedanken mich umfing,
Da wurd' es oft lebendiger in mir;
Und freudig ungeduldig rief ich schon
Vom Orient die goldne Morgenwolke
Zum neuen Fest, an dem mein einsam Lied
Mit euch zum Freudenchore würd', herauf.
Mit Tagesanbruch dacht' ich euch das Wort,
Das ernste, langverhaltene, zu sagen.
Doch immer schloß mein Herz sich wieder, hofft'
Auf seine Zeit und reifen sollte mir's.
Heut ist mein Herbsttag, und es fällt die Frucht
Von selbst.

Pausanias. O hätt' er früher nur gesprochen,
Vielleicht dies alles wär' ihm nicht geschehn.

Empedokles. Nicht ratlos stehen lass' ich euch,
Ihr Lieben! aber fürchtet nichts! Es scheun
Die Erdenkinder meist das Neu' und Fremde.
Daheim in sich zu bleiben, strebet nur
Der Pflanze Leben und das frohe Tier.
Beschränkt im Eigentume sorgen sie,
Wie sie bestehn, und weiter reicht ihr Sinn
Im Leben nicht; doch müssen sie zuletzt,
Die Ängstlichen, hinaus, und sterbend kehret
Ins Element ein jedes, daß es da
Zu neuer Jugend, wie im Bade, sich
Erfrische. Menschen ist die große Lust
Gegeben, daß sie selber sich verjüngen;
Und aus dem reinigenden Tode, den
Sie selber sich zur rechten Zeit gewählt,
Erstehn, wie aus dem Styx Achill, die Völker
Unüberwindlich . . .
O gebt euch der Natur, eh' sie euch nimmt! –
Ihr dürstet längst nach Ungewöhnlichem,
Und wie aus krankem Körper sehnt der Geist
Von Agrigent sich aus dem alten Gleise.
So wagt's! was ihr geerbt, was ihr erworben,
Was euch der Vater Mund erzählt, gelehrt,
Gesetz' und Bräuch', der alten Götter Namen,
Vergeßt es kühn und hebt, wie Neugeborne,
Die Augen auf zur göttlichen Natur!
Wenn dann der Geist sich an des Himmels Licht
Entzündet, süßer Lebensodem euch
Den Busen, wie zum ersten Male tränkt,
Und goldner Früchte voll die Wälder rauschen,
Und Quellen aus dem Fels, wenn euch das Leben
Der Welt ergreift, ihr Friedensgeist, und euch's
Wie heil'ger Wiegensang die Seele stillet;
Dann aus der Wonne schöner Dämmerung
Der Erde Grün von neuem euch erglänzt,
Und Berg und Meer und Wolken und Gestirn,
Die edeln Kräfte, Heldenbrüdern gleich,
Vor euer Auge kommen, daß die Brust,
Wie Waffenträgern, euch nach Taten klopft
Und eigner schöner Welt; dann reicht die Hände
Euch wieder, gebt das Wort und teilt das Gut,
O dann, ihr Lieben! teilet Tat und Ruhm,
Wie treue Dioskuren; jeder sei,
Wie alle, – wie auf schlanken Säulen ruh'
Auf richt'gen Ordnungen das neue Leben
Und euern Bund befest'ge das Gesetz.
Dann, o ihr Genien der wandelnden
Natur! dann ladet euch, ihr heiteren,
Das freie Volk zu seinen Festen ein,
Gastfreundlich! fromm! denn liebend gibt
Der Sterbliche vom Besten, schließt und engt
Den Busen ihm die Sorg' und Knechtschaft nicht.
Von Herzen nennt man, Erde, dann dich wieder,
Und, wie die Blum' aus deinem Dunkel sproßt,
Blüht Wangenrot der Dankenden für dich
Aus lebensreicher Brust und selig Lächeln.
Beschenkt mit Liebeskränzen rauschet dann
Der Quell hinab, wächst unter Segnungen
Zum Strom, und mit dem Echo der Gestade
Tönt deiner wert, o Vater Ozean,
Der Lobgesang aus reicher Wonne wieder.
Es fühlt sich neu in himmlischer Verwandtschaft,
O Sonnengott, der Menschengenius
Mit dir; und dein wie sein ist, was er bildet.
Aus Lust und Mut und Lebensfülle gehen
Die Taten leicht, wie deine Strahlen, ihm,
Und Schönes stirbt in traurigstummer Brust
Nicht mehr. Wie edles Samenkorn ist oft
Das Herz der Sterblichen in toter Schale,
Bis ihre Zeit gekommen ist; es atmet
Der Äther liebend immerdar um sie,
Und mit den Adlern trinkt
Ihr Auge Morgenlicht; doch Seegen gibt
Es nicht den Träumenden, und kärglich nährt
Vom Nektar, den die Götter der Natur
Alltäglich reichen, sich ihr schlummernd Wesen;
Bis sie des engen Treibens müde sind,
Und sich die Brust in ihrer kalten Fremde,
Wie Niobe, gefangen, und der Geist
Sich kräftiger denn seine Ruhe fühlt;
Und, seines Ursprungs eingedenk, das Leben
Lebend'ge Schöne sucht und gerne sich
Entfaltet an der Gegenwart des Reinen.
Dann glänzt ein neuer Tag herauf und staunend,
Ungläubig, wie nach hoffnungsloser Zeit
Beim heil'gen Wiedersehn Geliebtes hängt
Am totgeglaubten Lieben, hängt das Herz
An . . . . .
Sie sind's!
Die langentbehrten, die lebendigen,
Die guten Götter! –
Lebt wohl! es war das Wort des Sterblichen,
Der diese Stunde liebend zwischen euch
Und seinen Göttern zögert, die ihn rufen.
Am Scheidetage weissagt unser Geist
Und Wahres reden, die nicht wiederkehren.

Kritias. Wohin? o beim lebendigen Olymp,
Den du mir alten Manne noch zuletzt,
Mir Blinden aufgeschlossen, scheide nicht.
Nur wenn du nahe bist, gedeiht im Volk
Und wächst in Zweig und Frucht die neue Seele.

Empedokles. Es sprechen, wenn ich ferne bin, statt meiner
Des Himmels Blumen, blühendes Gestirn,
Und die der Erde tausendfach entkeimen.
Die göttlichgegenwärtige Natur
Bedarf der Rede nicht; und nimmer läßt
Sie einsam euch, wenn einmal sie genaht,
Denn unauslöschlich ist der Augenblick
Von ihr, und siegend wirkt durch alle Zeiten
Beseligend hinab sein himmlisch Feuer.
Wenn dann die glücklichen Saturnustage,
Die neuen männlichern gekommen sind,
Dann denkt vergangner Zeit, dann leb', erwärmt
Am Genius, der Väter Sage wieder!
Zum Feste komme, wie vom Frühlingslicht
Emporgesungen, die vergessene
Heroenwelt vom Schattenreich herauf,
Und mit der goldnen Trauerwolke lagre,
Ihr Freudigen, Erinnrung sich um euch!

Pausanias. Und du? und du? Ach! Nennen will ich's nicht
Vor diesen Glücklichen,
Daß sie nicht ahnden, was geschehen wird,
Nein, o nein! Du kannst es nicht!

Empedokles. O Wünsche! Kinder seid ihr, und doch wollt
Ihr wissen, was begreiflich ist und recht;
Du irrest! sprecht ihr Törichten zur Macht,
Die mächt'ger ist, denn ihr; doch hilft es nicht,
Und, wie die Sterne, geht unaufgehalten
Das Leben im Vollendungsgange weiter.
Kennt ihr der Götter Stimmen nicht? Noch eh'
Als ich der Eltern Sprache lauschend lernt',
Im ersten Odemzug, im ersten Blick
Vernahm ich jene schon, und immer hab'
Ich höher sie, denn Menschenwort geachtet.
Hinauf! sie riefen mich und jedes Lüftchen
Regt mächtiger die bange Sehnsucht auf,
Und wollt' ich hier noch länger weilen, wär's,
Wie wenn der Jüngling unbeholfen sich
Am Spiele seiner Kinderjahre letzte.
Ha! seellos, wie die Knechte, wandelt' ich
In Nacht und Schmach vor euch und meinen Göttern.
Gelebt hab' ich! wie aus der Bäume Wipfel
Die Blüte regnet und die goldne Frucht,
Und Blum' und Korn aus dunklem Boden quillt,
So kam aus Müh' und Not die Freude mir,
Und freundlich stiegen Himmelskräfte nieder;
Es sammeln in der Tiefe sich, Natur,
Die Quellen deiner Höh'n, und deine Freuden,
Sie kamen all, in meiner Brust zu ruhn,
Sie waren eine Wonne; wenn ich dann
Das schöne Leben übersann, da bat
Ich herzlich oft um eines nur die Götter:
Sobald ich einst mein heilig Glück nicht mehr
In Jugendstärke taumellos ertrüg',
Und wie des Himmels alten Lieblingen
Zur Torheit mir des Geistes Fülle würde,
Dann mich zu nehmen, dann nur schnell ins Herz
Ein unerwartet Schicksal mir zu senden,
Zum Zeichen, daß die Zeit der Läuterung
Gekommen sei, damit bei guter Stund'
Ich fort zu neuer Jugend noch mich rettet',
Und unter Menschen nicht der Götterfreund
Zum Spiel und Spott und Ärgernisse würde.
Sie haben mir's gehalten; mächtig warnt'
Es mich zwar einmal nur, doch einmal ist's
Dem freien Geiste g'nug!
Und so ich's nicht verstände, wär' ich gleich
Gemeinem Rosse, das den Sporn nicht ehrt
Und noch der nötigenden Geißel wartet.
Drum fordert nicht die Wiederkehr des Manns,
Der euch geliebt, doch wie ein Fremder war
Mit euch und nur für kurze Zeit geboren;
O fordert nicht, daß er an Sterbliche
Sein Heiliges und seine Seele wage!
Ward doch ein schöner Abschied uns gewährt,
Und konnt' ich noch mein Liebstes euch zuletzt,
Mein Herz hinweg aus meinem Herzen geben.
Drum vollends nicht! Was sollt' ich noch bei euch?

Erster. Wir brauchen deines Rats.

Empedokles. Fragt diesen Jüngling! schämet des euch nicht.
Aus frischem Geiste kommt das Weiseste,
Wenn ihr um Großes ihn im Ernste fraget.
Aus junger Quelle nahm die Priesterin,
Die alte Pythia, die Göttersprüche,
Und Jünglinge sind selber eure Götter. –
Mein Liebling! Gerne weich' ich, lebe du
Nach mir; ich war die Morgenwolke nur,
Geschäftslos und vergänglich! und es schlief,
Indes ich einsam blühte, noch die Welt,
Doch du, du bist zum klaren Tag geboren.

Pausanias. O! schweigen muß ich.

Kritias. Überrede dich
Nicht, bester Mann! und uns mit dir. Mir selbst
Ist's vor dem Auge dunkel, und ich kann
Nicht sehn, was du beginnst, und kann nicht sagen: bleibe!
Verschieb' es einen Tag. Der Augenblick
Faßt wunderbar uns oft, so gehen wir,
Die Flücht'gen mit den Flüchtigen, dahin.
Oft dünkt das wohlgefallen einer Stund'
Uns lange vorbedacht und doch ist's nur
Die Stunde, die uns blendet, daß wir sie
Nur sehen in Vergangenem. Vergib!
Ich will den Geist des Mächtigern nicht schmähn,
Nicht diesen Tag; ich seh' es wohl, ich muß
Dich lassen, kann nur zusehn, wenn es schon
Mich in der Seele kümmert –

Dritter. Nein! o nein!
Er gehet zu den Fremden nicht, nicht übers Meer,
Nach Hellas' Ufern oder nach Ägyptos
Zu seinen Brüdern, die ihn lange nicht
Gesehn, den Hohen, Weisen – bittet ihn,
O bittet, daß er bleib', es ahndet mir,
Und Schauer gehn von diesem stillen Mann,
Dem heiligfurchtbaren, mir durch das Leben,
Und heller wird's in mir und finstrer auch,
Denn in der vor'gen Zeit –
(Sich an Empedokles wendend)
. . . . .

Empedokles. O lieber Undank! gab ich doch genug,
Wovon ihr leben möget. Ihr dürft leben
Solang ihr Odem habt; ich nicht. Es muß
Beizeiten weg, durch wen der Geist geredet.
Es offenbart die göttliche Natur
Sich göttlich oft durch Menschen, so erkennt
Das vielversuchende Geschlecht sie wieder,
Doch hat der Sterbliche, dem sie das Herz
Mit ihrer Wonne füllten, sie verkündet,
O laßt sie dann zerbrechen das Gefäß,
Damit es nicht zu anderm Brauche dien'
Und Göttliches zum Menschenwerke werde.
Laßt diese Glücklichen doch sterben, laßt,
Eh' sie in Eigenmacht und Tand und Schmach
Vergehn, die Freien, sich bei guter Zeit
Den Göttern liebend opfern. Mein ist dies
Und wohl bewußt ist mir mein Los; und längst
Am jugendlichen Tage hab' ich mir's
Geweissagt; ehret mir's! Und wenn ihr morgen
Mich nimmer findet, sprecht: veralten sollt'
Er nicht und Tage zählen, dienen nicht
Der Sorge Krankheit, ungesehen ging
Er weg, und keines Menschen Hand begrub ihn,
Und keines Auge weiß von seiner Asche;
Denn anders ziemt es nicht für ihn, vor dem
In todesfroher Stund' am heil'gen Tage
Das Göttliche den Schleier abgeworfen,
Den Licht und Erde liebten, dem der Geist,
Der Geist der Welt, den eignen Geist erweckte,
In dem sie sind, zu dem ich sterbend kehre.

Kritias. Weh! unerbittlich ist er, und es schämt vor ihm
Das Herz sich selbst, ein Wort noch ihm zu sagen.

Empedokles. Komm, reiche mir die Hände, Kritias!
Und ihr, ihr all! – (Zu Pausanias) Du bleibest, Liebster, noch
Beim Freunde bis zum Abend,
Du immertreuer, guter Jüngling! – Trauert nicht!
Denn heilig ist mein End' und schön, – o Luft,
Luft, die den Neugeborenen umfängt,
Wenn droben er die neuen Pfade wandelt,
Dich ahnd' ich, wie der Schiffer, wenn er nah
Dem Blütenwald der Mutterinsel kommt,
Schon atmet liebender die Brust. Und sein
Gealtert Angesicht verklärt Erinnerung
Der ersten goldnen Jugendwonne wieder!
Und o Vergessenheit! Versöhnerin! –
Voll Segens ist die Seele mir, ihr Lieben!
Geht nur und grüßt die heimatliche Stadt
Und ihr Gefild! am schönen Tage, wenn,
Den Göttern der Natur ein Fest zu bringen,
Ihr einst heraus zum heil'gen Haine geht,
Und wie mit freundlichen Gesängen euch's
Empfängt aus heitern Höhn: dann wehet wohl
Ein Ton von mir im Liede;
Des Freundes Wort, verhüllt ins Liebeschor
Der schönen Welt, vernehmt ihr liebend wieder, –
Und herrlicher ist's so! Was ich gesagt,
Dieweil ich hie noch weile, wenig ist's.
Doch nimmt's der goldne Strom des Lichts vielleicht zu
Der stillen Quelle, die euch sehnen möchte,
Durch dämmerndes Gewölke mit hinab.
Und ihr gedenket meiner!

Kritias. Heiliger!
Du hast mich überwunden, heil'ger Mann!
Ich will es ehren, was mit dir geschieht,
Und einen Namen will ich ihm nicht geben.
O mußt' es sein? es ist so eilend all
Geworden. Da du noch in Agrigent
Stillherrschend lebtest, achteten wir's nicht,
Nun bist du uns genommen, eh' wir's denken;
Es kommt und geht die Freude, doch gehört
Sie Sterblichen nicht eigen, und der Geist
Geht ungefragt auf seinem Pfade weiter.
Ach, können wir denn sagen, daß du da
Gewesen?
. . . . . . . . . . . . . . .



5.
Empedokles. Pausanias.



Pausanias. Es ist geschehen, schicke nun auch mich
Hinweg! Dir wird es leicht!

Empedokles. O raste!

Pausanias. Ich weiß es wohl, ich sollte so nicht reden
Zum heil'gen Fremdlinge. Doch will ich nicht
Das Herz im Busen bändigen. Du hast's
Verwöhnt, du hast es selber dir erzogen –
Und meinesgleichen dünkte mir, da noch
Ein roher Knab' ich war, der Herrliche,
Wenn er mit Wohlgefallen sich zu mir
Im freundlichen Gespräche neigt' und mir
Wie längst bekannt des Mannes Worte waren.
Das ist vorbei! vorbei! O Empedokles!
Noch nenn' ich dich mit Namen, halte noch
Bei seiner treuen Hand den Fliehenden,
Und sieh! noch immer ist es mir
Als könntest du mich nicht lassen, Liebender!
Geist glücklicherer Jugend! hast du mich
Umsonst umfangen, hab' ich dir umsonst
Entfaltet dieses Herz in Wagelust
Und großen Hoffnungen? Ich kenne dich
Nicht mehr. Es ist ein Traum. Ich glaub' es nicht.

Empedokles. Verstandest du es nicht?

Pausanias. Mern Herz versteh' ich,
Das treu und stolz für deines zürnt und schlägt.

Empedokles. So gönn' ihm seine Ehre, doch dem meinen –

Pausanias. Ist Ehre nur im Tod?

Empedokles. Du hast's gehört,
Und deine Seele zeugt es mir, für mich
Gigt's andre nicht.

Pausanias. Ach! ist's denn wahr?

Empedokles (heimlich)
Wofür
Erkennst du mich?

Pausanias (innig)
O Sohn Uraniens!
Wie kannst du fragen?

Empedokles. Dennoch soll ich wie ein Knecht
Den Tag der Unehr' überleben?

Pausanias. Nein!
Bei deinem Zaubergeiste, Mann, ich will nicht,
Will nicht dich schmähn, geböt' es auch die Not
Der Liebe mir, du Lieber! Stirb denn nur
Und zeuge so von dir, wenn's sein muß.

Empedokles. Hab'
Ich's doch gewußt, daß du nicht ohne Freude
Mich gehen ließest, Heldenmütiger!

Pausanias. Wo ist das Leid? umwallt das Haupt
Dir doch ein Morgenrot, und einmal schenkt
Dein Auge noch mir seine kräft'gen Strahlen.

Empedokles. Und ich, ich küsse dir Verheißungen
Auf deine Lippen, größer wirst du sein
Denn ich! Wirst leuchten, jugendliche Flamme, mächtig wirst
Was sterblich ist, in Seel' und Flamme wandeln,
Daß es mit dir zum heil'gen Äther steigt.
Ja! Liebster! nicht umsonst hab' ich mit dir
Gelebt und unter mildem Himmel
Viel einzig Freudiges vom ersten goldnen
Gelungnen Augenblick uns aufgegangen,
Und oft wird dessen dich mein stiler Hain
Und meine Halle mahnen, wenn du dort
Vorüberkömmst des Frühlings, und der Geist,
Der zwischen mir und dir gewesen, dich
Umwaltet; dank' ihm dann und dank' ihm jetzt!
O Sohn! Sohn meiner Seele!

Pausanias. Vater! danken
Will ich, wenn wieder erst das Bitterste
Von mir genommen ist.

Empedokles. Doch Lieber, schön
Ist auch der Dank, solange noch die Freude,
Die Scheidende, bei Scheidenden verzögert.

Pausanias. O muß sie denn vergehn? ich fass' es nicht,
Und du? was hülf' es dir?

Empedokles. Bin ich durch Sterbliche doch nicht bezwungen
Und geh' in meiner Kraft furchtlos hinab
Den selbst erkornen Pfad; mein Glück ist dies,
Mein Vorrecht ist's.

Pausanias. Laß, o laß! und sprich nicht so
Das Schreckliche mir aus! Noch atmest du,
Noch hörst du Freundeswort und rege quillt
Das teure Lebensblut von Herzen dir,
Du stehst und blickst und hell ist rings die Welt,
Und klar ist dir dein Auge vor den Göttern,
Der Himmel ruht auf freier Stirne dir,
Und freundlich überglänzt,
Du Herrlicher! dein Genius die Erd' –
Und alles soll vergehn!

Empedokles. Vergehn? ist doch
Das Bleiben gleich dem Strome, den der Frost
Gefesselt. Töricht Wesen! schläft und hält
Der heil'ge Lebensgeist denn irgendwo,
Daß du ihn binden möchtest, du, den Reinen?
Es ängstiget der Immerfreudige
Dir niemals in Gefängnissen sich ab
Und zaudert hoffnungslos auf seiner Stelle!
Frägst du, wohin? die Wonnen einer Welt
Muß er durchwandern und er endet nicht. –
. . . . . . . . Gehe nun hinein,
Bereit' ein Mahl, daß ich des Halmes Frucht
Noch einmal koste und die Kraft der Rebe
Und dankesfroh mein Abschied sei, und wir
Den Musen auch, denHolden, die mich liebten,
Den Lobgesang noch singen – tu es, Sohn!

Pausanias. Mich meistert wunderbar dein Wort, ich muß
Dir, muß gehorchen, will's und will
Es nicht.

(Er geht.)

Empedokles. Ha! Jupiter, Befreier! näher tritt
Und näher mein Stund' und vom Geklüfte
Kommt schon der traute Bote meiner Nacht,
Der Abendwind zu mir, der Liebesbote.
Es wird! gereift ist's! o nun schlage, Herz,
Und rege deine Wellen, ist der Geist
Doch über dir, wie leuchtendes Gestirn,
Indes des Himmels heimatlos Gewölk,
Das immerflüchtige, vorüberwandelt.
Wie ist mir? staunen muß ich noch, als fing'
Ich erst zu leben an, denn all ist's anders,
Und jetzt erst bin ich, bin – und darum war's,
Daß in der frommen Ruhe dich so oft,
Du Müßiger, ein Sehnen überfiel?
O darum ward ein wirksam Leben dir
Versagt, daß du des Überwinders Freuden all
In einer vollen Tat am Ende fändest?
Ich komme. Sterben? nur ins Dunkel ist's
Ein Schritt und sehen möchtest du doch, mein Auge!
Du hast nun ausgediehnt, dienstfertiges!
Es muß die Nacht jetzt eine Weile mir
Das Haupt umschatten. Aber freudig quillt
Aus mut'ger Brust die Flamme. Schauderndes
Verlangen! Was? am Tod entzündet mir
Das Leben sich zuletzt, und reichest du
Den Schreckensbecher mir, den gärenden,
Natur! damit dein Priester noch aus ihm
Die letzte der Begeisterungen trinke!
Zufrieden bin ich, suche nun nichts mehr
Denn meine Opferstätte. Wohl ist mir.
O Iris Bogen! über stürzenden
Gewässern, wenn die Wog' in Silberwolken
Auffliegt, wie du bist, so ist meine Freude!
– – – – – – – – –



6.
Panthea. Delia.



Panthea. Nein! mich wundert nicht,
Daß er sich fort zu seinen Göttern sehnt.
Was gaben ihm die Sterblichen! hat ihm
Sein töricht Volk gereift den hohen Sinn?
Ihr unbedeutend Leben, hat ihm dies
Das Herz verwöhnt?
Nimm ihn, du gabst ihm alles, gabst
Ihn uns – O nimm ihn nur hinweg, Natur.
Vergänglicher sind deine Lieblinge,
Ich weiß es wohl!
Sie kommen und werden groß, und keiner weiß,
Wie sie's geworden; so entschwinden sie auch,
Die Glücklichen wieder, es hält sie nichts –
Ach! und laßt sie doch!

Delia. Ist's denn nicht schön,
Bei Menschen wohnen? sieh! es weiß
Mein Herz von anderm nicht.
Vor meinem Auge steht das Ende
Des Unbegreiflichen, und du heißest ihn auch
Hinweggehn, Panthea?

Panthea. Ich muß. Wer will ihn binden?
Ihm sagen, mein bist du,
Ist doch sein Eigen der Lebendige
Und nur sein Geist ihm Gesetz,
Und soll er die Ehre der Sterblichen
Zu retten, die ihn geschmäht,
Verweilen, wenn
Der Vater die Arme,
Der Äther, öffnet?

Delia. Sieh! herrlich auch
Und freundlich ist die Erde.

Panthea. Ja, herrlich und herrlicher jetzt.
Es darf nicht unbeschenkt
Von ihr ein Kühner scheiden.
Noch weilt er wohl
Auf deiner grünen Höhen einer,
Du Wechselnde!
Und sieht über die wogenden Hügel
Hinab ins freie Meer! und nimmt
Die letzte Freude sich. Vielleicht wir sehn
Ihn nimmer. Gutes Kind!
Mich trifft es freilich, und gerne möcht'
Ich's anders, doch ich schäme dessen mich.
Tut er es ja. Ist's so nicht heilig?

Delia. Wer ist der Jüngling, der
Vom Berge dort herabkömmt?

Panthea. Pausanias. Ach! müssen wir so
Uns wiederfinden, Vaterloser?

Pausanias. Panthea. Delia.

Pausanias. Wo ist er? o Panthea!
Du ehrst ihn, suchst ihn auch,
Willst einmal noch ihn sehn,
Den ernsten Wanderer, ihn, dem allein
Beschieden, den Pfade zu gehen mit Ruhm,
Den ohne Fluch betritt kein anderer.

Panthea. Ist's fromm von ihm und groß,
Das Allgefürchtete? Wo ist er?

Pausanias. Er sandte mich hinweg, indessen sah
Ich ihn nicht wieder. Droben rief
Ich im Gebirg' ihn, doch ich fand ihn nicht.
Er kehrt gewiß. Bis in die Nacht
Versprach er freundlich mir zu bleiben.
O käm' er! Es flieht geschwinder wie Pfeile
Die liebste Stunde vorüber ,
Denn freuen werden wir uns noch mit ihm,
Du wirst es, Panthea, und sie,
Die edle Fremdlingin, die ihn
Nur einmal sieht, ein herrlich Meteor.
Von seinem Tode habt ihr gehört,
Ihr Trauernden? o sehet ihn
In seiner Blüte, den Hohen,
Ob Trauriges nicht,
Und was den Sterblichen schrecklich düngt,
Zerrinne vor seligem Auge.

Delia. Wie liebst du ihn? und batest umsonst
Den Ernsten? Mächtiger ist, denn er,
Die Bitte, Jüngling! und ein schöner Sieg
Wär's dir gewesen!

Pausanias. Wie konnt' ich? trifft
Er doch die Seele mir, wenn er
Antwortet, was sein Will' ist.
Denn Freude nur gibt sein Versagen,
Und es tönt, je mehr auf Seinem
Der Wunderbare besteht,
Nur tiefer das Herz ihm wider. Es ist
Nicht eitel Überredung, glaub' es mir,
Wenn er des Lebens sich
Bemächtiget.
Oft wenn er stille war
In seiner Welt,
Der Hochgenügsame, sah ich ihn
Nur dunkelahnend, rege war
Und voll die Seele mir, doch konnt' ich nicht
Sie fühlen, und es ängstigte mich fast
Die Gegenwart des Unberührbaren.
Doch kam entscheidend von seiner Lippe das Wort,
Dann tönt' ein Freudenhimmel nach in ihm
Und mir, und ohne Widerred'
Ergriff es mich, doch fühlt' ich nur mich freier.
Ach! könnt' er irren, inniger
Erkennt' ich daran den unerschöpflich Wahren,
Und stirbt er, so flammt aus seiner Asche nur heller
Der Genius mir empor.

Delia. Dich entzündet, große Seele! der Tod
Des Großen, aber es sonnen
Die Herzen der Sterblichen auch
An mildem Lichte sich gern und heften
Die Augen an Bleibendes. O sage, was soll
Noch leben und dauern? Die Stillsten reißt
Das Schicksal doch hinaus, und haben
Sie ahnend sich gewagt, verstößt
Sie bald die Mutter wieder, und es stirbt
An ihren Hoffnungen die Jugend.
In seiner Blüte bleibt
Kein Lebendes – ach! und die Besten
Noch treten zur Seite der tilgenden
Todesgötter, auch sie, und gehen dahin
Mit Lust und machen zur Schmach es uns,
Bei Sterblichen zu weilen.

Pausanias. O bei den Seligen! verdamme nicht
Den Herrlichen, dem seine Ehre so
Zum Unglück ward, der sterben muß, weil er
Zu schön gelebt.
Denn wird ein anderer, denn er, geschmäht,
So ist's zu tilgen, aber er,
Was kann der Göttersohn?
Unendlich trifft es den Unendlichen.
Ach! niemals ward ein edler Angesicht
Empörender beleidigt! Ich mußt'
Es sehn.

Delia. O warum lässest du
Zu sterben deinen Helden
So leicht es werden, Natur?
Zu gern nur, Empedokles,
Zu gerne opferst du dich.
Die Schwachen wirft das Schicksal um, die andern,
Die Starken achten es gleich, zu fallen, zu stehn,
Und werden wie die Gebrechlichen.
Wohl bist du versucht, du Herrlicher!
Und ärmer denn die andern Bettler,
Durchwandertest du das Land.
Ja! nicht die Verworfensten
Sind elend, wie eure Lieben, wenn einmal
Schmähung sie berührt! ihr Götter!

Pausanias. So gönn' es ihnen, finden sie auch
Sich leichter heraus denn andre.

Panthea. O nicht wahr?
Wie sollt er auch nicht?
Muß immer und immer doch,
Was übermächtig ist,
Der Genius überleben – gedachtet ihr,
Es halte der Stachel ihn auf?
Es beschleunigten ihm
Die Schmerzen den Flug,
Und wie der Wagenlenker,
Wenn ihm in der Bahn
Das Rad zu rauchen beginnt, eilt
Der Gefährdete nur schneller zum Kranze!

Delia. So freudig bist du, Panthea?

Panthea. Nicht in der Blüt' und Purpurtraub'
Ist heilige Kraft allein, es nährt
Das Leben vom Leide sich, Schwester!
Und trinkt, wie mein Held, doch auch
Am Todeskelche sich glücklich!

Delia. Weh! mußt du so
Dich trösten, Kind?

Panthea. O nicht! es freuet mich nur,
Daß heilig, wenn es geschehen muß,
Das Gefürchtete, daß es herrlich geschieht.
Sind nicht, wie er, auch
Der Heroen einige zu den Göttern gegangen?
Erschrocken kam, lautweinend
Vom Berge das Volk, ich sah
Nicht einen, der's ihm hätte gelästert,
Denn nicht, wie die Verzweifelnden,
Entfliehet er heimlich, sie hörten es all,
Und ihnen glänzt' im Leide das Angesicht
Vom Worte, das er gesprochen!

Pausanias. So gehest du festlich hinab,
Du, das Gestirn! und trunken
Von deinem Lichte glänzen die Täler.

Panthea. Wohl geht er festlich hinab –
Warum denn traur' ich? leuchtet
Dämmernde Seele! doch auch
Der Untergehende dir,
Der Ernste, dein Liebster, Natur!
Dein Treuer, dein Opfer!
O, die Todesfürchtigen lieben dich nicht,
Täuschen fesselt ihnen die Sorge
Das Aug'; an deinem Herzen
Schlägt nicht mehr ihr Herz, sie veralten,
Gerissen von dir – o heilig All!
Lebendiges! inniges! Dir zum Dank
Und daß er zeuge von dir, du Todesloses!
Wirft lächelnd seine Perlen ins Meer,
Aus dem sie kamen, der Kühne.
So will es der Geist
Und die reifende Zeit,
Denn einmal bedurften
Wir Blinden des Wunders.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 29.07.2011

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