Draußen, am Ende der Welt, wo sie mit Brettern zugenagelt ist, lag eine große, schöne Wiese. Drei Knaben, die nicht weit davon wohnten, waren mit Armbrüsten hinausgegangen, um dort zu spielen.
»Kinder«, hatte die Mutter gesagt, »steigt mir nicht auf den Bretterzaun, ihr möchtet sonst hinunterfallen!« Und es ist kein Spaß, so in das ewige Nichts hinauszupurzeln, wo man viele Millionen Meilen fallen kann, ohne auch nur einem einzigen Stern zu begegnen. Das wollten sie denn auch nicht, aber durch die Astlöcher, meinten sie, dürften sie sehen, denn das sei nicht gefährlich. Es muß doch Etwas dort sein, dachten sie, und schauten jeder durch ein Loch hinaus ins Nichts, denn hinter dem Geländer war gleich das Nichts; wenn sie den Finger durchsteckten, konnten sie es anfühlen; aber sie fühlten nichts. Der Jüngste hatte es bald satt.
»Das ist langweilig«, sagte er, und ging fort. Die anderen beiden blieben aber noch dort; sie wollten durchaus etwas sehen und starrten so lange hinaus, bis ihnen das Wasser in die Augen kam. Dann sahen sie auch etwas, aber es war nur Einbildung.
»Wie schön«, sagte der eine, »welch schöne, grüne Wiese!«
»Wieso?« sagte der andere. »Ein Berg ist es, und es stehen lauter Nußbäume darauf.«
»Du hast wohl keine Augen! Es ist ja nur Gras da, und große Blumen, und Knaben spielen dort und schießen mit Armbrüsten!«
»Was Armbrüste!? Leitern haben sie und steigen damit in die Bäume und pflücken Walnüsse und Haselnüsse, und jede dritte knacken sie auf und essen sie – ach, dort ist es schön; so prachtvolle Nüsse sah ich noch nie!«
»Nüsse, sagst du? Wachsen die im Grase und sehen rot aus? Nein, Erdbeeren sind es, und die Knaben sitzen dort und essen sie! Ach, das ist herrlich, könnte ich doch auch dort sein! So große Erdbeeren sah ich noch nie!«
»Das ist alles nicht wahr, du lügst!«
»Du lügst, dummer Junge!«
»Dummer Junge, sagst du? Ich werde dir eine Ohrfeige geben, wenn du es noch einmal sagst!«
»Nur zu, ich bin nicht bange vor dir, dummer Junge!«
Und dann fielen sie übereinander her und rauften sich und wälzten sich auf der Erde. Bald lag der eine oben, bald der andere; es war eine richtige Prügelei, und zwar um etwas, das gar nicht da war. –
Unterdessen war der dritte Knabe zurückgegangen auf die wirkliche Wiese. Dort schien die Sonne so schön, und die Vögel sangen; es war eine wahre Lust.
In einem Baume saß ein Eichhörnchen und putzte sich. Er spannte seine Armbrust und legte an, um es zu schießen.
»Schieß nicht«, sagte das Eichhörnchen, »dann bringe ich dir Nüsse aus meiner Vorratskammer.«
»Das ist mir lieb«, sagte der Knabe, »die esse ich sehr gern.«
Und nun lief es den Baum auf und nieder und brachte prächtige große Nüsse, wie sie dort in den Wäldern wachsen.
Als sich der Knabe bückte, um einen Stein zu suchen zum Aufklopfen, sah er dort prachtvolle rote Erdbeeren stehen, so groß wie Hühnereier.
Das gefiel ihm, und nun saß er im Grase, klopfte auf einem Baumknorren die Nüsse auf und aß Erdbeeren dazu.
Als er satt war, hörte er das Geschrei der sich prügelnden Brüder und lief hinzu, um Frieden zu stiften.
»Nun, was habt ihr denn!« rief er. »Laßt euch doch einmal los!«
»Und es war doch eine Wiese!« schrie der eine.
»Und es war doch ein Berg!« brüllte der andere.
Und dann erzählten sie ihm, was sie gesehen zu haben glaubten.
Da lachte er und erzählte, was er erlebt hatte.
»Wo sind die Erdbeeren?« riefen beide.
»Ich habe sie aufgegessen!«
»Wo ist das Eichhörnchen?!«
»Eben ist es fortgelaufen!«
»Oh!« sagten beide und machten dumme Gesichter.
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