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Es war einmal ein Mann, der hatte drei Töchter. Die älteste hieß Armide und besaß ein stolzes, hochfahrendes Wesen. Ihr Haar war schwarz mit bläulichem Glanze wie ein Rabenflügel und ihre Haut weiß und glatt wie Elfenbein. Wenn sie schön und stattlich gekleidet durch die Straßen ging, da sahen die Leute ihr nach und nannten sie die schwarze Prinzessin. – Sylphide, die zweite, war braun von Haar und schaute mit lachenden Augen in die Welt wie ein junger Frühlingsmorgen. Sie tanzte mehr als sie ging, daß Zöpfe und Bänder an ihr flogen. – Die dritte, Elfriede, hatte ein stilles, bescheidenes Wesen und ward wenig bemerkt, wenn die anderen zugegen waren. Zwar war ihr Haar von seltener Farbe und leuchtete wie gesponnenes Gold, wenn die Sonne darauf schien; allein die zarte Haut ihres Antlitzes war wie ein Vogelei von Sommersprossen punktiert, und da sie stets einfach gekleidet, still und sinnig einherging, so kam es, daß sie von ihren glänzenderen Schwestern ganz verdunkelt ward und sich niemand viel um sie kümmerte. Indes jene ihrem Putze und ihren Vergnügungen nachgingen, besorgte sie das Hauswesen und war wie ein guter Geist in Küche und Kammer still und geräuschlos tätig.

Nun geschah es, daß der Vater in eine so schwere Krankheit verfiel, daß die geschicktesten Ärzte ihm nicht zu helfen vermochten, ob sie ihm gleich die künstlichste und teuerste Medizin verschrieben.

Wenn sie auch noch so oft die Elfenbeinknöpfe ihrer Stöcke an die Nase drückten und die Stirn in Falten zogen, so brachten sie doch nicht heraus, wie ihm zu helfen sei. Der Mann siechte dahin und ward immer schwächer, und wenn nicht bald Hilfe kam, mußte er sterben.

In einem benachbarten Walde nun trat in finsterer Bergschlucht ein Brunnen zutage, in dem ein Wassermann seinen Wohnsitz hatte. Es ging die Sage, daß Wasser aus diesem Felsenquell, an seinem Ursprung geschöpft, die Macht habe, auch die schlimmste Krankheit zu heilen. Daran erinnerte man sich in der höchsten Not, und die älteste Tochter machte sich auf, um davon zu holen. Sie nahm den schönen, silbernen Krug mit goldenen Zieraten, der ein altes Familienerbstück war, und schritt dem Walde zu. Sie war gar herrlich angetan mit Seide und Goldbrokat und köstlichem Geschmeide, also daß ein Rauschen der Gewänder und ein klingendes Klirren der metallenen Zierate von ihr ausging und die Vögel des Waldes verwundert von den Zweigen auf sie herabschauten. So gelangte sie in die finstere Felsschlucht zu dem Born des Wassermannes und trug ihm in stolzen Worten ihre Bitte vor.

Dieser blickte sie aus kleinen, grünen Äuglein gar seltsam an und sprach: »Das Wasser will ich dir geben, aber du mußt meine Frau werden. Im Felsen ist eine Höhle, dort sollst du auf weichem Moose ruhen, und ich will dich getreulich hüten und hegen.«

Fast erstarrt blickte Armide den Wassermann an, denn sie erachtete ein solches Begehren für eine große Frechheit. Allerdings, schön war er nicht, das mußte man sagen. Aus seinem breiten Munde schauten grüne, spitze Zähne hervor, und das verfilzte, blaugrüne Haar hing ihm wie Schilfblätter um das bronzefarbene Antlitz. Zudem war er am ganzen Leibe mit dichtem Pelz, wie ein Fischotter, bewachsen und trug zwischen seinen krallenbewehrten Fingern häßliche Schwimmhäute, so daß seine Hände großen Froschfüßen vergleichbar waren. Und weiter schweiften Armides Blicke über die Wände der finsteren Felsenschlucht, an denen das Wasser tropfte und feuchtgrüne Algen in langen Fäden und Streifen herabhingen. – Sie dachte nicht an den kranken Vater, der auf seinem Schmerzenslager dahinsiechte, sondern nur, daß sie wohnen sollte in diesem düsteren, feuchten Grunde, an der Seite eines Scheusals, fern von dem Sonnenschein und Glanz der Welt und den bewundernden Blicken der Menschen.

»Niemals!« sagte sie, indem sie den Wassermann stolz und feindlich anblickte.

»Ich dachte es mir wohl!« sagte dieser, indem er also grinste, daß sein Mund von einem Ohr zum anderen reichte und alle seine grünen, spitzen Zähne sichtbar wurden. »Aber«, fuhr er fort, »es schickt sich nicht, daß eine so stolze Dame zu Fuß geht, ich will dir ein Rößlein leihen, das dich nach Hause trägt.«

Damit langte er auf den Grund seines Borns, holte einen glatten schwarzen Kiesel hervor und warf ihn in die Luft. Bevor dieser aber den Boden berührte, stand ein blankes schwarzes Rößlein da, das gar fromm und sittsam tat und mit den Vorderhufen zierlich den Boden scharrte.

Armide leuchteten die Augen, denn Reiten war ihre größte Lust. Sie sah den Wassermann fast freundlich an und schenkte ihm ein gnädiges Lächeln, da er gleich einem höflichen Kavalier herzutrat und ihr in den Sattel half. Das schwarze Pferd trabte auch anfangs ganz sittsam mit ihr durch die Felsschlucht davon, bis auf einmal ein furchtbares Händeklatschen erscholl und die Stimme des Wassermannes gellend rief, daß es die Gründe rings widerhallten: »Hei, ho! Hetzjagd! Hei, ho!«

Da schien ein Teufel in das Pferd zu fahren. Zuvörderst stand es eine Weile auf den Hinterfüßen, und dann nahm es den Kopf zwischen die Beine und jagte davon, daß der Reiterin Hören und Sehen verging. »Hei, ho!« durch den Wald, durch Dickicht und wüstes Gestrüpp, so daß Seide und Goldbrokat und köstliches Geschmeide in Fetzen an den Dornen hingen und die Zweige dem Mädchen ins Gesicht klatschten und es blutig kratzten. Dann über ein sandiges Distelfeld, wo der Staub aufflog und wie ein langer Streifen hinterherzog, dann vom Uferabhang hinab in den Strom, daß das Wasser über den Köpfen zusammenschlug, und dann über Wiesen und Moorsumpf, bis endlich dieses satanische Roß mit plötzlichem Ruck vor dem Hause ihres Vaters auf den Vorderbeinen stand, seine Reiterin in den Sand warf und in demselben Augenblick spurlos verschwunden war. Der kleine Sohn des Nachbars fand kurz darauf an derselben Stelle einen glatten, schwarzen Kiesel. Als er ihn zum Brunnen trug, um den Staub abzuwaschen, glitt er ihm aus der Hand und konnte trotz alles Suchens nicht wiedergefunden werden.

Am folgenden Tage ging Sylphide, die zweite Tochter, hinaus, um bei dem Wassermann ihr Heil zu versuchen. Sie trug ein Kleid von Silberzindel, das mit tausend glänzenden Flittern und bunten, fliegenden Bändern verziert war, und nahm als Gefäß einen venezianischen Glaskrug, der sehr zierlich und kostbar war. So tänzelte sie dahin auf dem Wege, und ihre bebänderten Zöpfe schlugen im Rücken den Takt dazu. Als sie bei dem Brunnen des Wassermannes angelangt war, machte sie ihm behende einen Knicks und trug ihm ihr Anliegen vor. Da sie nun dieselbe Antwort erhielt wie ihre Schwester, so kam ihr ein solches Ansinnen so belachenswürdig vor, daß sie nicht vermochte, den geziemenden Ernst zu bewahren. Auch sie gedachte nicht ihres Vaters, der sich, hinsterbend auf dem Schmerzenslager, nach dem erlösenden Genesungstrunk sehnte, sondern lachte dem Wassermann gerade ins Gesicht. Dann faßte sie zierlich ihr Kleid mit den Fingerspitzen und drehte sich dreimal gar anmutig vor ihm herum, daß die Röckchen flogen, und sprach: »Das möchtest du wohl, du alter Mummelbär. Daraus wird nichts. Das möchte lustig aussehen, wenn ich mit einem solchen Patschefuß zu Tanze ginge!«

Der Wassermann grinste wieder, daß sich sein Mund von einem Ohr zum anderen zog, und sagte: »Ich dacht es wohl! Aber ich sehe, du liebst es zu tanzen. Ich will dir einen Tänzer mitgeben, den besten in der Welt, es ist der Wirbelwind selbst!«

»Ich mag nicht, ich will nicht!« rief Sylphide, allein schon hatte der Wassermann in die Luft geblasen und diesen Hauch mit den Fingern gewirbelt und gedreht, und plötzlich fühlte sich Sylphide von einem unsichtbaren Wesen ergriffen und umschlungen. Dann pfiff der Wassermann auf den Fingern, daß es durch die Lüfte gellte, und sprengte Wasser aus seinem Born empor: »Hei, ho! Tanz, mein Püppchen! Hei, ho!« rief er, und nun packte es Sylphiden fester und wirbelte mit ihr davon, daß Staub und trockene Blätter im Kreise flogen und die Wipfel brausten, wenn sie vorüberkamen. Hei, das war ein Tanzen durch Wald und Feld, über die Heide und den aufbrausenden Strom! Und mit dieser Wirbelsäule zogen Donner und Blitz und strömender Regen bis vor das Haus des Vaters, wo Sylphide atemlos und durchnäßt mit zerfetzten Kleidern liegenblieb und genug vom Tanzen hatte.

Am nächsten Tage um die Mittagszeit ging Elfriede als die letzte hinaus, um ihr Glück zu versuchen. Sie hatte ein reinliches weißes Kleid angetan und trug sorglich in den Händen ein braun glasiertes Töpfchen, dergleichen man in Bunzlau am besten bereitet. Es war aber eine heiße Mittagsglut, und alle Vögel schwiegen, und alle Blätter schliefen im Walde. Selbst das Bächlein, das aus der Felsenschlucht hervorlief und zwischen den Steinen im Grunde einherging, murmelte so schläfrig wie einer, der im Traume redet. Sie trat aus der Schwüle des Waldes in die feuchte Kühle der Schlucht ein und schritt über den bemoosten Boden dahin. In der Höhe reichten uralte, düstere Tannen einander ihre Zweige, so daß nur zuweilen ein Stücklein des blauen Himmels hindurchschien. Indes nun die Felsen zu beiden Seiten immer mächtiger anstiegen, gelangte sie an das Ende der Schlucht, an den Brunnen des Wassermannes. Dieser glich einer Steinschale, über deren Rand sich das klare Wasser ebenmäßig in ein zweites, flacheres Becken ergoß, das seinen Überfluß an ein schmales Rinnsal zwischen den am Boden zerstreuten Steinblöcken abgab. Sie hörte nichts als das murmelnde Rauschen der Quelle und das klingende Tropfen und Rieseln des Wassers an den feucht bemoosten Felswänden.

Plötzlich schrak sie zusammen, denn sie sah, daß eine menschenähnliche, zottige Gestalt hinter der Schale des Bornes an der Wand lag. Es war der Wassermann, der ruhig schlief und einen seiner Froschfüße über den Rand in das Wasser hängenließ. Ein Schauder lief durch ihre Glieder, als sie dies häßliche Ungetüm so nahe vor sich sah. Dann stand sie eine Weile und wartete, daß er aufwachen möchte. Da sich dieses aber nicht ereignen wollte, nahm sie ein Steinchen und warf es in den Brunnen. Wie erschrak sie aber, als er plötzlich emporfuhr und sie mit den gelbgrünen Äuglein anstierte.

»Schon wieder eine!« sagte er. »Was willst du von mir?«

Elfriede trug schüchtern ihre Bitte vor und erhielt dieselbe Antwort wie ihre Schwestern. Nun ergriff sie wohl ein neuer Schauder, allein sie dachte an den bleichen, sterbenden Vater und seine Todesnot und sprach: »Ich will gern dein Weib werden, wenn du meinen Vater gesund machst.«

Der Wassermann lachte still über das ganze Gesicht, und es war zum Verwundern, wie freundlich seine häßlichen Züge leuchten konnten.

»Ich dacht es wohl!« sagte er.

Dann langte er auf den Grund seines Bornes und holte ein smaragdenes Gefäß hervor, das mit dem Wasser des Lebens gefüllt war, und reichte es dem Mädchen hin. Als es nun mit vielem Danke gehen wollte, sagte er: »Wart ein Weilchen!«, tauchte die Hand in den Born und besprengte ihr Haar und ihre Kleider, und siehe da, alle diese Tropfen wurden zu schimmernden Perlen und funkelnden Diamanten, also daß Elfriede in dem glänzenden Schmucke einer Königstochter dastand. Dann fuhr er ihr sanft mit der Hand über das Gesicht und sprach: »Schau in den Born!«

In diesem klaren Spiegel sah nun das Mädchen zu seiner freudigen Verwunderung, daß sein Antlitz von den häßlichen Sommersprossen befreit und rein und glänzend war wie geläutertes Silber. Sodann nahm der Wassermann drei Kiesel hervor, legte sie auf den Boden, sprengte Wasser darüber hin und murmelte einige seltsame Worte, worauf sich diese Steine in zwei milchweiße Pferdchen verwandelten, die vor einen glänzenden Wagen aus Perlmutter und Elfenbein gespannt waren. Nachdem sich Elfriede hineingesetzt hatte, trabten die Tierchen fromm und sänftiglich mit ihr davon, während der Wassermann anmutig auf einer goldenen Harfe spielte und so schön sang, daß es schier zum Verwundern war, wie so herrliche Töne in einem so häßlichen Leibe wohnen mochten.

Armide und Sylphide lagen schon eine Weile im Fenster, denn in ihrem schadenfrohen Gemüt dachten sie sich daran zu erfreuen, wie nun auch die jüngste Schwester unverrichteter Sache und sehr geschädigt zurückkehren würde. Doch wie erstaunten sie, als plötzlich ein glänzendes Wunder um die Ecke bog, das in der Sonne silbern funkelte und blitzte. Mitten daraus hervor leuchtete es wie ein grüner Stern; das war das smaragdene Gefäß mit dem Wasser des Lebens, das Elfriede in ihren Händen trug. Als nun dies seltsame Gefährt vor der Haustüre hielt und das Mädchen sittsam aus dem Wagen stieg, waren Pferdchen und Gefährt plötzlich verschwunden, und nur noch drei glänzende Kiesel lagen im Sande.

Elfriede ging nun mit dem schönen Kruge in das Krankenzimmer des Vaters, wo sich, da sie eintrat, alsbald ein Duft wie von Frühlingsblumen und edlem Wein verbreitete. Der Kranke hob sich vom Lager empor, und über seine Wangen zog eine frische Röte, als ein Morgenschimmer der Genesung. Er griff mit beiden Händen nach dem smaragdenen Gefäß und trank in langen Zügen Gesundheit und Kraft und neues Leben, und alsobald wich die Krankheit von ihm.

Da nun die beiden älteren Schwestern solches sahen und ihnen das herrliche Geschmeide, das Elfriede trug, in die Augen stach und sie wohl bemerkten, daß sie nun so viel schöner war und anzuschauen wie eine Prinzessin, da erfüllte Neid und Mißgunst ihre Herzen, und sie spotteten ihrer und höhnten sie, daß sie nun des Wassermannes Weib werden müsse, und nannten sie Frau Froschkönigin. Elfriede aber ertrug alles mit stillem Gemüt und wehrte ihnen nicht. In der folgenden Nacht aber, als schon der Morgen graute und Elfriede in ihrem Kämmerlein auf dem Lager ruhte und vor mancherlei Gedanken des Schlafes entbehrte, da hörte sie plötzlich, wie es draußen an die Haustür pochte, und eine Stimme rief:


»Du schönes Mädchen, komm hervor!
Dein Bräutigam steht vor dem Tor!«



Elfriede aber grauete sich sehr und stellte sich, als hörte sie es nicht. Dann vernahm sie aber, wie sich die Haustür öffnete, und unten vom Flur herauf schallte es:


»Du schönes Mädchen, komm heraus!
Dein Bräutigam ist schon im Haus!«



Sie aber rührte sich noch immer nicht. Da hörte sie, wie es schweren Trittes die Treppe heraufpatschte, und alsbald pochte es an ihre Kammertür und rief:


»Du schönes Mädchen, komm herfür!
Dein Bräutigam steht vor der Tür!«



Da stand sie auf und öffnete. Draußen war der Wassermann in seiner ganzen Häßlichkeit.

»Ich mahne dich an dein Versprechen«, sagte er, »und bin gekommen, dich mitzunehmen.«

»Ich bin bereit«, sagte das Mädchen, obgleich sein Herz vor Schauder bebte.

Da lächelte der Wassermann, so freundlich er vermochte, und sprach: »Wasche mich zuvor!«

»Wie du befiehlst, Herr«, sagte Elfriede, holte Wasser herbei und begann ihn zu waschen. – Aber seltsam – wo sie ihn berührte, fiel das Otternfell wie Zunder von ihm ab, und bald stand er vor ihr als ein über die Maßen schöner Jüngling, gar herrlich in meergrüne Seide gekleidet und von so anmutigem Wesen, daß alsbald ihr Herz in Liebe gegen ihn entbrannte. Er führte sie die Treppe hinab vor die Haustür. Dort hielt eine goldglänzende Kutsche, mit silberweißen Pferden bespannt. Diener in wasserblauen Livreen rissen den Schlag auf, und fort fuhren sie in sausendem Trab.

Die finstere Felsschlucht hatte sich in einen herrlichen Garten verwandelt mit rauschenden Quellen und springenden Brunnen, und in seiner Mitte erhob sich ein Schloß, so kostbar und schön, daß es wohl kaum seinesgleichen geben mochte. Dort lebten sie einträchtiglich viele Jahre, bekamen schöne Kinder, und es war dort eitel Freude und Wohlgefallen.

Armide und Sylphide aber nahmen sich dies so zu Herzen, daß sie vor lauter Neid und Mißgunst die Gelbsucht bekamen und ihre Schönheit dahinging. Sie sind dann im Laufe der Zeit zwei recht häßliche alte Tanten geworden.

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Tag der Veröffentlichung: 25.06.2012

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