Hoch und erhaben steht des Lebens Baum
Und breitet in den Luftkreis seine Äste,
In Grün und Gold erglänzt der breite Raum,
Und singend freun sich ungebetne Gäste.
Von Blüt und Frucht sind seine Zweige schwer,
Er läßt den Überfluß zu Boden fallen,
Und alles lagert froh sich um ihn her,
Daß er Genuß und reiche Labung allen.
Doch nur die eine Hälfte glänzt im Licht,
Und gilt daher als Baum in jedem Munde,
Die zweite Hälfte sieht dein Auge nicht,
Weil sie sich birgt in tiefsten Bodens Grunde.
Dort saugt sie ein den erdgebornen Saft
Und treibt ihn in die lichte, bunte Höhe,
Sie gibt den Halt, des Widerstandes Kraft,
Damit dem Sturm das Laubdach widerstehe.
So schließt sich in sich selbst der stolze Bau,
Nach oben Fortschritt, Wechsel und das Neue,
Die Wurzel stätig, fest und altergrau,
Dasselbe, was beim Menschen heißt: die Treue.
Treu jedem Wort, das Mann dem Manne gab,
Treu jener Wahrheit, die mit uns geboren,
Dem Lande treu, das Wiege uns und Grab,
Dem Fürsten treu, dem wir den Eid geschworen.
Uns hat der Sturm geschüttelt letztes Jahr
Und abgestreift die Blüten und die Früchte,
An denen nichts als unser Dünkel wahr,
Nach kurzer Frist, so ging der Baum zunichte.
Allein die Wurzel hielt. Was Worte leer
Geraubt den weisheitstrunknen andern Ständen,
Das hielt ein einzger fest. Es war das Heer,
Im Herzen treu und stark in seinen Händen.
Sie riß nicht der Versuchung Stimme fort,
Die Pflicht entgegen setzten sie dem Wahne,
Sie hörten nur des Führers ernstes Wort
Und sahen nur die unbefleckte Fahne.
So steht der Baum in neuverjüngtem Saft,
Den sturmgebeugten Wipfel hoch erhoben,
Und halten wird ihn auch der Wurzel Kraft,
Beliebts dem Sturm, von anderwärts zu toben.
Tag der Veröffentlichung: 03.05.2011
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