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(Um 600 n. Chr.)



Durch die bunten Sklavenhaufen,
Ausgestellt am Markt zu Rom,
Wogt, zu schauen und zu kaufen,
Auf und ab der Menschenstrom,
Musternd schreitet durchs Gedränge
Selbst Gregor, der Stadtpräfekt,
Als er in der wüsten Menge
Staunend einen Schatz entdeckt.

Sag, woher die schönen Knaben?“
Spricht Gregor zum Sklavenvogt,
„Stehn wie Tauben zwischen Raben,
Rosenwangig, goldgelockt,
Welch ein Götterwuchs der Glieder,
Welch ein Marmorglanz der Haut,
Und wie stolz zur Erde nieder
Dieses blaue Auge schaut!“

Herr, vom Lande der Britannen
Bringt sie dein ergebner Knecht;
Dort schießt auf gleich Edeltannen
Schlank und frei ein blond Geschlecht;
Weiße Leiber, hochgewachsen,
Raue Sitten, stolzer Mut –
„Und sie heißen?“ – Angelsachsen –
Für germanisch gilt ihr Blut. –

„Angelsachsen, – Engelsöhne
Nennte man dies Volk mit Fug;
Wo ist eines, das gleich an Schöne,
Gottes Bild im Antlitz trug? –
Kennen sie des Heilands Namen?“ –
Herr, sind Heiden, blind und toll!
– „Schad um solchen edlen Samen,“
Spricht der Andre mitleidsvoll.

„Wo der Körper ohne Tadel,
Soll nicht auch die Seele rein,
Wo der Leib von solchem Adel,
Soll der Geist geknechtet sein?
Diese klaren, blauen Augen,
Solch ein Engelsangesicht,
Sollt es nicht zu schauen taugen,
Auf zu Christ Sonnenlicht?“

Und zum Papste drängt zur Stunde
Sich der heilige Gregor,
Bittet mit beredtem Munde,
Malt ihm Höll und Himmel vor,
Dass er in das Land der Angeln
Glaubensboten sende gleich,
Denn solch herrlich Volk, nicht mangeln
Darfs in Christi Königreich.

Starke nimmt er sich zum Raube,
Bald wie goldnes Sonnenlicht
Bricht der holde Christenglaube
Auch durch Englands Nebelschicht,
Und von da den deutschen Vettern
Nahe mit Apostelgruß,
Wodans Eiche zu zerschmettern,
Winfried Bonifacius.

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Tag der Veröffentlichung: 30.05.2011

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