Der Schnee zerrann, es schmolz das Eis,
Die blauen Glocken läuten,
Die Bäume stehen schleierweiß
Gleich festgeschmückten Bräuten,
Das Eichhorn springt und turnt gewandt
Auf maiengrünen Eichen.
Es zog der Frühling in das Land,
Die Wandervögel streichen.
Es zieht der Schuster seinen Draht,
Sobald der Morgen dämmert.
Beim Lämpchen hockt er Abends spat
Und sticht und picht und hämmert.
Was schafft die kluge Meisterhand?
Bergschuhe ohne Gleichen.
Es zog der Frühling in das Land,
Die Wandervögel streichen.
Die Gattin rauft ihr Haargelock
Und ruft in großem Jammer:
„Mein Mann holt seinen Alpenstock
Aus finst'rer Rumpelkammer,
Er sucht sein ledern Beingewand. —
das sind schlimme Zeichen!
Es zog der Frühling in das Land,
Die Wandervögel streichen.“
Zur Sennerin die Mutter spricht
Beim Klang der Herdenglocken:
„Bleib brav, mein Dirndel, lass dich nicht
Von bösen Buben locken,
Dass deine Wangen sonnverbrannt
Im Spätjahr nicht erbleichen.
Es zog der Frühling in das Land,
Die Wandervögel streichen.“
Sein Bäuchlein streicht der Wirth und ruft
Und lacht voll arger Listen:
„Ich wittre, wittre Frühlingsluft,
Grott gnad' euch, ihr Touristen!
Ja, ungerupft von meiner Hand
Soll keiner mir entweichen.
Es zog der Frühling in das Land,
Die Wandervögel streichen.“
Dem Dichter wird zu eng das Haus,
Drum schreibt er eilig: „Ende.“
Dann spritzt er seine Feder aus
Und gürtet sich die Lende.
Lass' dir zum Scheidegruß die Hand.
Geneigter Leser, reichen.
Es zog der Frühling in das Land,
Die Wandervögel streichen.
Tag der Veröffentlichung: 02.12.2010
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