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AUS DEM REISETAGEBUCH
DES FRÄULEIN ADELE BACKFISCH.




ALPENWANDERUNG.



Ach wie ist es so schön, im Hochgebirge zu wandern!
Freilich die Wege sind schlecht, öfters gefährlich sogar.
Ohne die doppelte Sohle des Schuh's und den länglichen Bergstock
Käme man schwerlich hinauf, schwerlich auch wieder herab.
Oft schon hab' ich bewundert des Esels sicheren Fußtritt,
Welcher trägt die Mama. Freilich er ist es gewohnt.



DIE SENNHÜTTE.



Grüßend winkt auf der Alm die trauliche Hütte der Senn'rin,
Namentlich dann, wenn man müd' oder auch hungerig ist.
Gerne dann nehm' ich vorlieb mit der einfachen Nahrung der Aelpler,
Mit der geronnenen Milch und dem bebutterten Brot.
Leider liebt der Papa und auch der rüstige Bruder
Wenig die ländliche Kost, spotten der Butter, der Milch.
Und kaum wag' ich's zu schreiben, was neulich ich musste erleben;
Wende, o Muse, dich ab! — Neulich da tranken sie Sehn — ps.


DIE FORELLE.



Kleine Forelle, wie bist du so hold, wenn du spielest im Wasser!
Seit ich dich lebend geseh'n, eß' ich Forellen nicht mehr.
Also schwur ich und schob am Abend die Schüssel bei Seite,
Welche Forellen enthielt, labte mich nur am Salat.
Dies bemerkte der liebende Bruder, er nickte mir Beifall,
Aß dann meine Portion. — Männer, ihr habt kein Gefühl!


EDELWEIß.



Alpenrosen sind schön, doch schöner das edele
Weiß noch, Conserviret sich gut, jene verwelken zu schnell.
Jetzo trag' ich ein Sträußchen am Hut, ein sinnig' Geschenk des
Jungen Touristen, der mir vis-ä-vis sass im Coupö.


DAS VOLK.



Ländlich, sittlich, so sagt ein altes, treffliches Sprichwort;
Manchesmal redet das Volk aber doch gar zu gemein.
Schamrot färbt sich die Wange mir oft ob ländlicher Rohheit,
Aber es lacht der Papa, und auch der Bruder lacht mit.


DAS LOB DES SCHÖNEN.



Das ist das Loos des Schönen auf Erden! So Sprech' ich mit Schiller,
Seh' ich die grasende Kuh, wie sie Gentianen verschlingt.


BILDUNG.



Lächeln muss ich gar oft, wenn unser biederer Führer
Spricht von der Sonn' Aufgang oder vom Untergang auch.
"Nein, die Sonne steht still, und unsere Erde bewegt sich,"
Sprach ich belehrend zu ihm; aber er lächelte stumm.
Ach, wie ist es so gut und so schön, wenn man Bildung besitzet.
Darum hoch die Physik, hoch auch die Geographie!


DAS GEFANGENE MURMELTIER.



Gestern war ein Savoyarde vor dem Pensionate hier,
Trug in einem Gitterkasten ein gefangenes Murmeltier.
Tanzen musst' es, Männchen machen, klettern gar an einem Stab.
Hungrig aß es, als ich ihm ein Semmelbrod mit Mitleid gab.

Sinnend sprach ich mit gesenktem Haupt im Stillen so zu mir:
Gleichest du nicht, o Adele, diesem armen Murmeltier?
Wie der Max im Freischütz zog ich durch die Welt. — Wie war mir wohl
Auf der letzten Ferienreise in der Schweiz und in Tirol!

Mit dem Bergstock in der Rechten schritt ich manchen Bergespfad.
Heut mit andern höhern Töchtern seufz' ich in dem Pensionat.
Holde Ferien, kehret wieder, führt mich in das Bergrevier!
Jubeln will ich dann und murmeln, ein befreites Murmeltier.

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Tag der Veröffentlichung: 01.12.2010

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