1.
Wir fuhren selbander
Im schaukelnden Kahn,
Vom Ruderschlag tönte
Die fluchende Bahn.
Ward etwa beim Schwanken
Des Kahnes mir bang,
Der Liebste mit Zuspruch
Mich fester umschlang.
Es kräuselten Wellen
Um's Schiffchen sich her,
Die Sonne sank nieder
So ruhig, so hehr.
Die Furcht war vorüber,
Doch hielt er mich fest,
Und stärker und fester
Ans Herz er mich preßt.
"Nun laß mich, es gleitet
Nun ruhig der Kahn,
O Liebster, es sehn ja
Die Schiffer uns an! — "
"Die Schiffer, das sind ja
Verständige Leut',
Die haben auch einmal
Um's Liebchen gefreit.
Der junge hat auf uns
So munter geschaut,
Gewißlich erwartet
Daheim ihn die Braut.
Der alte am Ruder
Sieht still vor sich hin,
Vergangenes ziehet
Wohl dem durch den Sinn.
Nun sieht er auf uns her,
Nun hin auf den Rhein, —
Sein Silberhaupt röthet
Des Abendlichts Schein." —
Ein zwiefaches Glänzen
Verklärt sein Gesicht. —
O Sonne, o liebe,
Wie strahlst du so licht!
2.
Sanft gleitet zwischen grünem Ufer
Von lauer Luft umweht der Kahn,
Mit Bildern reich an Licht und Farbe
Erscheint geschmückt die Silberbahn.
Es wirft auf Strom, auf Thal und Hügel
Die Sonne ihren letzten Schein,
Der grünen Berge kühne Häupter
Bespiegeln ihren Glanz im Rhein.
Hell von dem Thurm der Klosterkirche
Erschallt der Vesperglocke Klang,
Und unten in dem Thal ertönet
Der fleiß'gen Winzer Abendsang.
Wie traut und heimathlich erscheinet
Das Dörfchen an des Berges Fuß! —
Die Winzerin im Scheibenhute
Nickt freundlich zu den Abendgruß.
Die alte Burg dort aus der Höhe,
Ein kühnes Bild vergangner Zeit,
Blickt ernst und schroff auf uns hernieder,
Und träumt von alter Herrlichkeit.
Wir grüßen dich, du alter Riese!
Voll Ehrfurcht zu dir auf wir sehn,
Du kennst uns nicht, kannst unsre Zeiten
Und ihre Thaten nicht verstehn.
Es ist der Geist vergangner Größe,
Der trüb aus diesen Mauern bricht,
Es klingt wie Mährchen fast und Lieder,
Was dumpf und leis im Traum er spricht.
Die alten Augen sind geblendet
Vom hellern Lichte unsrer Zeit, —
O schlaf und träume ruhig weiter
Von deiner alten Herrlichkeit!
Dort zwischen grünen Rebenhügeln
Steht hell das Kreuz im Abendlicht. —
Wie um des Heilands Dornenkrone
Sich schön die junge Ranke sticht!
Von diesem Haupt wird ewig strahlen
Ein immer frischer Hoffnungsschein. —
Andächt'ge, die am Fuße kniest,
Schließ uns in dein Gebet mit ein!
3.
Finster blicken jene öden Mauern,
Drin ein wilder Ritter einst gehaust;
In den Räumen, die mit Regenschauern
Nun der Wind so ungestört durchsaust,
Saß der Räuber, sicher wie der Aar
Auf dem Fels, mit seiner wilden Schaar.
Aus dem Hinterhalt zu überfallen
Wüßt' er schlau den reichen Handelsmann;
Edle Jungfrau'n, die ihm baß gefallen,
Schleppt' er mit dem Raub den Berg hinan;
Niemand konnte sicher auf dem Rhein,
Auf den Straßen, in der Hütte seyn.
Endlich kam's dem Sünder ein zu freien,
Er erwählt' das allerschönste Kind;
Lieblich wie die Rose glänzt im Maien,
Edlen Stammes auch und zart gesinnt
War die Jungfrau, die er sich erkor,
Sie die Schönste von dem Mädchenflor.
Also ward in ihren Blüthentagen
Diese Maid des wilden Ritters Braut;
Schwer, ach, wurd's der Armen Ja zu sagen,
Ihr im Herzen sprach es Nein so laut,
Doch des harten Ohmes schnöder Sinn
Sah in Macht und Reichthum nur Gewinn.
Reich geschmückt war schon zum Hochzeitsfeste
In der Burg der weite Rittersaal,
Und geladen reich an Zahl die Gäste,
Und bestellt ein festlich glänzend Mahl.
Wo allnächtlich nun das Käuzchen schreit,
War man nur zu Lust und Tanz bereit.
Um die schöne Braut sich heimzuholen,
Fuhr er ihr entgegen auf dem Rhein;
Ach, sie bebte! bange und verstohlen
Rannen Thränen in den Strom hinein,
Als sie sah sich den Verhaßten nahn
Auf des Rheines Heller Wasserbahn.
Mit dem Oheim stieg zum Bräutigame
In den Kahn sie ein in wehem Muth,
Stille saß sie und in trübem Grame
Blickt sie in die sanft bewegte Fluth,
Taucht die Hand mit dem Verlobungsring
In den Strom, der spielend sie umfing.
„Hätt' ich doch," — so spricht sie leis' und trübe
In den klaren, tiefen Strom hinein —
Hätt' ich deine Gunst und deine Liebe,
Schöner Herrscher, Rebumkränzter Rhein!
O wie wohl, statt im verhaßten Bund,
Wäre mir auf deiner Fluthen Grund!"
"Du, ein Gott, du könntest mich erretten,
Bist du nicht an Macht und Stärke reich?
Komm, o Rhein, und löse meine Ketten,
Nimm mich auf in deinem Wasserreich!
Nimm von meiner Hand den Ring dahin
Dir zum Pfand, daß ich dein eigen bin!"
Zwischen weiß und gelben Blumenglocken,
Zwischen Kalmus, Schilf und hohem Rohr
Hebt, geschmückt mit Weinlaub in den Locken,
Schnell der Wassergott sein Haupt empor;
Voll Entzücken er die Jungfrau schaut,
Die ihm angelobet sich zur Braut.
Leicht durch seiner Wellen leises Walten
Streift er ab den Ring von ihrer Hand,
Und, umspielt von lieblichen Gewalten,
Ahnt sie frei sich vom verhaßten Band.
Eine Hand taucht aus der Tiefe, preßt
Ihre sanft und hält sie kosend fest.
Plötzlich wird ein Tönen und ein Klingen,
Ueberirdisch, auf den Wellen wach,
Unsichtbar die Silberstimmen singen,
Ziehn dem Kahne als Begleiter nach;
Süß befangend tönt der Zaubersang,
Daß ihr Herz erbebt so liebebang.
Nieder senken sich die Dämmerungen,
Und der Fährmann lenkt den Kahn an's Land;
Unsichtbar fühlt sich die Maid umschlungen,
Nieder zieht es sie mit starker Hand.
Bebend sinkt sie, kaum sich mehr bewußt,
In die Fluthen an des Gottes Brust.
Daß er die Entschwindende erreiche,
Springt der Ritter von dem Uferrand,
Ringt umsonst nach ihr, denn seine Leiche
Warf der Gott entrüstet an das Land,
Der die Jungfrau hält in sichrer Hut,
Die mit ihm verschwindet in der Fluth.
Wo noch jetzt die Reisenden erbeben,
Wo der Strudel schreckt den Schiffersmann,
Hart bei Bingen hat sich dies begeben,
Wie man's euch dort noch erzählen kann.
Wo die Woge ihr stets wirbelnd schaut,
Dort verschwand die schöne Rheinesbraut.
4.
Wir fuhren dem Strudel vorüber
Bei Bingen im wiegenden Kahn,
Er schwankt auf den Wellen, und fester
Schmiegt' ich dem Geliebten mich an.
Ich blickte voll Schauer zur Stelle,
Wo einst jene Jungfrau entschwand,
Die kühn mit den kräftigen Armen
Der Rhein in den Fluthen umwand.
Und weiter wir fuhren, und dunkler
Uns nächtliche Dämmrung umgab;
Unförmlich, wie Riesengestalten,
Sahn düster die Felsen herab.
"Was reget denn dort sich am Ufer,
Wie tanzend im neblichtem Flor?
Was treffen für seltsame Klänge
So zaubrisch befangend mein Ohr?"
"Sey ruhig, es singen die Nixen,
Und tanzen den fröhlichen Reihn;
Hoch oben herab von dem Felsen
Stimmt leise die Lurley mit ein." —
"O weh mir! die Nixen verlocken
Die Männer durch Tanz und Gesang,
Es will dich die Lurley gewinnen,
Drum macht mir ihr Singen so bang.
Sie wollen dich laden zum Tanze,
Dich ziehn in's kristallne Gezelt, —
Es rauschet, es hebt sich die Welle,
Am Fels unser Schiffchen zerschellt!
Ich Arme! dann liegt meine Leiche
Frühmorgens am Ufer im Sand, —
Dir reichet die schönste der Nixen
Im Wasserpalaste die Hand!"
"O halte mich fest nur umschlossen,
Und bleibe nur treu du und wahr!
Dann, Liebchen, dann bringen die Nixen
Der Lurley uns keine Gefahr!"
Und fester umschlang mit den Armen
Ich ihn als mein theuerstes Gut:
O schwankendes Schiffchen, vorüber
Fahr' glücklich in schützender Hut!"
Der Nebel zerrann, hinter Bergen
Erblickten den Mond wir so klar;
So führet herzinnige Liebe
Uns glücklich durch alle Gefahr!
Tag der Veröffentlichung: 23.11.2010
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