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Auf den Teppich gestreckt, die hingegoßenen Glieder
Kaum verhüllt, und die Brust hüpfend so heftig und schnell,
Glühend die Wangen vom Brand des Markdurchwühlenden Fiebers
Und den Saphir des Augs halb in den Deckel gekehrt,
Lag Themire. Der Artzt hatt' eben ihr Bette verlassen,
Und verkündet' gerührt, thränend, Philint ihren Tod.
Wie vom Blitze zermalmt, stürzt dieser am Rande des Lagers
Nieder, lautweinend, und bog über die Sterbende sich.
So, wie Eurydice einst vom Styx durch die Tone des Gatten
Wiedergerufen, Themir', kehrt auch dein fliehender Geist.
Nochmal blickt das gebrochene Aug, die halb schon erstarrten
Brennenden Lippen verziehn, himmlisch zu lächeln, sich noch.
Zärtlich beut sie dem Gatten, die Hand. "Du lächelst, Themire,
Und es streckt schon der Tod grinsend die Arme nach dir!
Eben hat es der Artzt — o thörichter Schmerz, was beginn ich?"
Ruft er, und schlägt sich geballt wild an die Stirne die Faust.
"O wie," spricht nun Themir' mit schwacher melodischer Stimme,
"O wie wähntest du denn, dafs dies Geheimniß mir sey?
Lange fühlt' ich den Tod die klopfenden Adern durch rollen,
Nur aus Liebe verheelt', Theurer, ich dir die Gefahr.
Doch warum dieser wütthende Schmerz, diese dumpfe Verzweiflung!
Für den Staub nur gebiehrt jegliche Mutter ihr Kind.
Mannigfalt ist Streben und Müh' auf der Wandrung durchs Leben,
Aber der Tod nur das Ziel, welches ein jeder erreicht.
Kurz und glücklich ward meines gesteckt; nur Kindheit und Jugend
Sollt' ich durchwandern, der Bahn reizendsten, lieblichsten Theil.
Drückst du mir tiefer ins Herz, schon der Verzweiflung geweiht,
Raubst mir den einzigen Balsam, der meine Wunden noch kühlte,
So, wie ich liebe, von dir gleich stark geliebet zu seyn.
Künftiger Leiden gedenkst du, und ich, ich fodre das Schiksal
Kühn zum Kampfe heraus, wenn es nur dich mir gewährt.
Was bekümmern den Mann, der alle Schätze der Krone
Sein nennt, wenn ihm ein Dieb gierig die Taschen durchsucht?
Du allein bist mein Glück, nur dein Verlust ist mein Unglück,
Raubt das Schiksal mir dich, bleibt keine Thräne mir mehr.
Wenn Minuten von dir mich getrennt, sie wurden der Liebe
Leidensjahre und nun ziehst du auf ewig dahin!
Nein, du liebtest mich nie, wenn dies dein Herz nicht zerreißet,
Wenn zur Verzweiflung nicht auch ewige Trennung dich bringt.
„Ewig, sprichst du Philint? Ja wohl, ich würde verzweifeln,
Wenn der Schreckensgedank', Furien gleich, mich befiel.
Aber macht dich dein Schmerz denn blind für des Wiedersehns Hoffnung,
Welche jenseit der Gruft, hold wie ein Cherub, uns winkt ?
Laß mich immer voran, Geliebter! Bricht dann der Tod einst
Deine ande, wie froh schweb ich auf ewig dir zu!" —
Ach der freundliche Wahn, der einst am Sarge der Eltern
Trocknet' des Jünglinges Zähr', lange verließ er den Mann!
Der Verstorbnen Gebiet umfließt der Strom des Vergessens;
Ueber die Ufer hinaus folgt unser Ich uns allein.
„Welche Schrecken erschafft dein leidend Gehirn sich! Wie flieht es
Jeden Glauben, der still ruhige Fassung gebeut!
Dauert auch jenseits dies Ich, wie kann es ohne Erinnrung
Ich seyn? Wer mir sie raubt, raubt mir mein itziges Selbst,
Bleibt mir kein Rükblick vergönnt in dieses Lebens Gefilde,
Ist dies Daseyn voll Müh ewig verlohren für mich;
Alle Früchte dahin, die sich der Weise gesammelt,
Keine Gerechtigkeit dort, wo sie der Dulder noch hofft.
Ohne lohnend Bewusstseyn der Edle, der Schuft ohne Reue,
Stünde Reinheit und Sünd' dort auf dem nehmlichen Punkt,
Nein! Eh sinket in Nacht und ewiges Nichts meine Seele,
Eh so verstümmelt sie dort wieder zur Dauer erwacht! " —
Nun so rette es dann hinüber, dein treues Gedächtniß,
Rufe dir jegliche Seen irdischer Freuden zurück!
Vor dir schwebe mein itziges Bild; was wird es dir frommen,
Wenn eine neue Gestalt fremd den Geliebten dir macht ?
Wenn dir dort kein Organ gestattet zu sagen: Ich liebe,
Ueber den Gräbern, auch noch, liebe Aeonen nun dich?
„O Philint, keine Form kann dich meinem Auge verkleiden!
Meine Seele erkennt üb'rall der deinen Gestalt,
Sympathie ist kein Wahn, kein Hirngespinnst Geisterverwandtschaft,
Durch den unendlichen Raum zieht sich das Aehnliche an.
Welch ein Organ uns auch wird, welch' neue Hülle,
vollkommner, Edleren Stoffs muß sie seyn, eines Unsterblichen werth.
Aufwärts nur steigt der Geist von Daseyn zu Daseyn; verniohten
Was, wie Schwanengesang, süß von der Lippe dir tönt.
Ueber der Erde schon steht dein Geist in den Wolken; des Himmels.
Hohe Begeisterung glüht, redet voll Klarheit aus dir.
„Zu den Sternen, da kann kein Wahn, kein Mangel uns folgen;
Wahrheit und Liebe allein führen den Lichtpfad hinauf.
Nur das Vollkommene ist der Dauer würdig; des Ird'schen
Schlacken vergehn in der Glut, welche den Leichnam verzehrt.
Ans der Flamme auf schwebt der Geist, und rein und geläutert
Fliegt er den Göttern entzückt, fliegt er den Seligen zu." —

Itzt verstummte Themir'. Ein Glanz flog über ihr Antlitz,
Als beleuchtet 's ein Strahl aus den Gefilden des Lichte,
Wie der Schiffer auf stürmender See, dem endlich ein Gipfel,
Mit des Morgenroths Gold herrlich begossen, erscheint,
Ueber der Wellen Gefahr, und über die schäumende Brandung
Hinblickt, und nur des Ziels seliger Nähe sich freut:
Also blickte verklärt und lächlend ihr strahlendes Auge,
Ueber die Schrecken des Tods, Über den Grabstein hinweg,
Ins paradiesische Land, das itzt vor ihr sich verbreitet,
Dessen neblichte Nacht glänzend vor ihr nun zerrann.
Krampfhafter drückte sie nur die Hand des noch horchenden Gatten,
Und mit tieferem Zug flog ihre Seele empor.
Bleicher harrte Philiat und stummer, mit stockendem Athem,
Der erwartenden Angst plötzlich versteinertes Bild,
Eines Seufzers nur noch und Eines Pulsschlags — vergebens!
Nimmermehr athmet' ihr Mund, nimmermehr kreiste ihr Blut.
Heftig warf er nunmehr sich auf den erkaltenden Leichnam,
Rief: "Themire, ja dort sehn wir uns, lieben uns noch!"

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Tag der Veröffentlichung: 22.11.2010

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