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Der Mond über der Zeit

1

Man könnte meinen, der Mond weine über die Gebrechen und Verfehlungen der Menschen. Das macht er aber nicht, er ist einfach nur. Die Zeit ist auch einfach nur, aber nicht so wirklich, denn Zeit gibt es eigentlich gar nicht. Aber es gibt den Abenteurer, der mit seinem Segelschiff alle Wasser befährt. Und zwar alle Sturzbäche von Raum, Zeit, Ewigkeit und Tod.

 

Der Mond schien klar und hell. Und der Abenteurer zog mit seinem Segelschiff hinaus, um die Nacht zu verbringen unter dem scheinenden Mond.

„Bist du wieder da?“, fragte der Mond den Abenteurer.

„Ja, du bist beruhigend im Sturzbach der Zeit.“

„Das freut mich, dass du mich besuchst und meine Gabe an die Menschen zu schätzen weißt.“

„Zu wenige schauen zu dir hinauf.“

„Und zu viele sind in den Sturzbach gestürzt.“

„Die Zeit ist ein rasendes Moment. Die Menschen spüren sie als eine jähe Geschwindigkeit ohne Halt.“

„Es ist ihr Empfinden.“

„Nehme sie nicht in Schutz. Sie hängen einem Irrglauben an und suchen verzweifelt nach der Bremse, die es nicht gibt.“

„Sie haben Angst.“

„Ja, Angst vor dem, was sie erwarten wird. Jeden Tag steht es in den Zeitungen geschrieben.“

„Dann sei ihnen ein Balsam.“

„Du bist gütig.“

„Das ist meine Aufgabe am Firmament der Zeitlosigkeit.“

„Ich sehe, ich habe noch viel zu lernen von dir.“

„Das ist gut, dass du so denkst.“

„Du bist mein Lehrer, natürlich. Ich hoffe, ich werde es nie vergessen.“

„Sei nicht so unnachgiebig mit dir.“

„Stelle ich wieder eine Forderung an mich?“

„Entspanne dich. Du kannst nur andere entspannen in ihrem Gemüt, wenn du selbst entspannt bist.“

„Gut, nehme ich dein Wort.“

Dann herrschte Schweigen zwischen Mond und Abenteurer, aber nicht wirklich. Es geschieht nicht nur immer dann etwas, wenn geredet wird.

 

2

Die Nacht war stolz, die Nacht war Schutz, und in der Nacht war es anders, als am Tag. Sie gab ein anderes Gefühl, sie gab ein anderes Beben. Es gab Leute, die schrieben in der Nacht Bücher. So auch ich. Am Tag konnte ich nicht schreiben, denn da gab es so viel Lärm und so viel Geschäftiges. Die Sonne war mir zu hell. Sie bestach mich mit ihrem Blick. Blinzeln musste ich, um nicht von ihren Lichtpfeilen erfasst zu werden. Und keine Ruhe war da. Busse fuhren, Autos, Züge. Überall ratterte es, und Geräusche erfassten meine Ohren. Beäugte ich das Treiben mit Misstrauen. Den Zug der Zeit, über den alle jammerten und den diesen doch die Menschen selbst erschufen. Und niemand schaute zum Mond.

 

3

Aber da, in einer Nacht, ich schrieb an einem meiner zahllosen Bücher, kam mir eine Idee. Ich wollte ein neues Schiff bauen, ein Schiff, das anders war als mein bisheriges Segelschiff. Es sollte ganz anders sein, und so wurde es auch. Betrieben wurde es durch eine Dampfmaschine, dem ewigen Konstrukt des Zugs der Zeit. Denn wollte ich die Menschen retten, so musste ich etwas von ihnen nehmen. Etwas, das die Hetze der Zeit ausgelöst hatte. Das war die Dampfmaschine, die das Zeitalter der industriellen Revolution eingeläutet hatte. Auch wenn es die Dampfmaschine nur noch im Museum und bei Liebhabern gibt, so gibt es doch überall noch ihren Takt. Unverkennbar zu vernehmen in Bussen, Autos und Zügen. Und im ganzen Takt der Woche, in der ganzen nach folgenden Zeit, die schuf und schuf. Sie schuf aus lieblichen Städten Zentren, sie schuf aus lieblichen Landschaften von Linien durchkreuzte Gegenden. Ihnen war der Stempel des berechnenden Rasters aufgedrückt. Und der Takt schuf Häuser, die nicht knapp über dem Boden endeten, sondern Häuser, die taktvoll bis an die Wolken ragten. Manchmal flog sogar ein Flugzeug in solch ein hohes Haus, manche Piloten passten nicht auf.

 

Die Dampfmaschine war nun der Antrieb meines neuen Schiffes. Aber deswegen war es kein Dampfschiff. Es war eher ein Lichtschiff. Denn ich schmiedete aus einem seltenem Metall eine flache Schüssel. Die verzierte ich beidseitig mit Ornamenten der gleichmäßigen Art. Und zwar so, dass sich das Ornamentale gegenseitig durchdrang. Ich ritze kunstvoll und mit Bedacht die Verzierung hinein. Das badete ich die flache Schüssel, sie maß im Durchmesser sieben Meter, in reinem Öl und ließ das Feuchte im Nachtwind trocknen. Dann kam das Letzte. Dazu musste ich mich auf die Reise begeben. Denn ich brauchte Sternenstaub.

 

4

Also löste ich eines Abends zur Zeit der Dämmerung die Leinen meines Segelschiffes, um hinaus in die Nacht zu driften. Einen Käscher hatte ich dabei, um den Sternenstaub aufzufangen, und eine Tonne aus Holz, um ihn darin zu sammeln. Das Segel, es gab nur eines, setzte ich noch nicht, denn ich wollte geruhsam in die Nacht über gleiten. Dann schlief ich ein. Und es wurde Nacht, und die Drachen der Nacht kamen und legten schützend ihre Schwingen um mich und mein Schiff.

„Was träumst du?“, fragte mich einer der Nachtdrachen.

„Ich träume den Traum der Ruhe und der Entspannung.“, antwortete ich.

„Nun denn, du hast ein gutes Herz. Dir wird diese Nacht viel Sternenstaub geschenkt werden.“

„Habt Dank.“

Ich erwachte und eröffnete die Fahrt, denn ich setzte das Segel. Und der Nachtwind erfasste das Segel und trug mein Schiff fort. Hinein in das lichterlohe Schwarz. In das Unergründliche und scheinbar Ewige.

„Hey, Fischer! Wohin des Wegs?!“, vernahm ich von Ferne ein Rufen.

Ich schaute mich um und entdeckte einen Mann auf seinem Surfbrett, das friedlich und geräuschlos daher dümpelte. Er saß auf seinem Brett und aß ein Sandwich mit Thunfisch. Das konnte ich auf diese Entfernung riechen. Ich bekam Appetit und nahm Kurs auf den Surfer.

„Hey ho, Kumpel!“, begrüßte ich ihn, als ich ihn erreichte.

„Ein schönes Schiff hast du da.“, sagte der Surfer, als ich das Segel einholte.

„Ja, ich habe es selbst geschnitzt und gewalgt und gehärtet und gegart.“

„Du drückst dich seltsam aus, Fischer.“

„Fischer? Ich bin Schriftsteller.“

„Hey ho, Schriftsteller. Ich bin Philosoph.“

„Welch eine Ehre.“

„Die Ehre wird mir zuteil, Schriftsteller.“

„Ich bin auf dem Weg, Sternenstaub einzufangen für mein Lichtschiff.“

„Es scheint, du bist ein Schiffsbauer noch obendrein.“

„Es war mir in die Wiege gelegt worden.“

„Ein Flaschenschiff?“

Ich lachte ein wenig, wegen dieses passenden Scherzes.

„Du hast Humor, Philosoph. Das gefällt mir.“

„Warte nur, wenn sich mein Humor in Ironie wandelt.“

„Ich habe von Exemplaren eurer Spezies gehört, die pflegen sogar den Zynismus.“

„Nun denn, hier im schwarzen Ewig entfleucht mir solcherlei.“

„Gehörst du dieser Gattung etwa an?“

„Auf der schönen, blauen Erde in jedem Fall.“

„Was meinst du mit dem Ewig?“

„Nun denn, du als Autor müsstest es wissen. Ihr habt einen Begriff dafür.“

„Mich dünkt, du meinst den Neologismus?“

„Du hast es erfasst, kluger Kopf. Magst du ein Sandwich?“

„Mit Freuden.“

Der Philosoph gab mir eines von seiner Sammlung von Sandwichs. Ich schnupperte zuerst daran, es roch wundervoll. Dann biss ich hinein. Es begann, dass mein Appetit gestillt wurde. So war es im Ewig, da wurde gesorgt.

„Was treibt dich ins Ewig, werter Philosoph, außer der Urgrund allen Seins, nämlich von der Erde zu flüchten?“, sprach ich mit teils gefülltem Mund.

„Ich suche den Wind.“

„Der Nachtwind, er ist da.“

„Nein, ich meine den anderen.“

„Du sprichst in Rätseln.“

„Sonst wäre ich kein Philosoph.“

„Gut, ich nehme die Herausforderung an.“, sagte ich und biss erneut in das Sandwich mit Thunfisch.

„Du meinst den Wind des Jupiter?“, fragte ich dann.

„Mitnichten. Ich habe eine Abhandlung darüber geschrieben, so was kommt mir nichts ins Haus.“

„Der Wind der Venus?“

„Sie war auch Schriftstellerin, aber sie wollte nicht.“

„Nun gut. Du suchst den maßgeblichen Wind eines schwarzen Loches, um für immer darin zu entschwinden.“

„Nicht schlecht, kluger Kopf.“

„Möge dein Kompliment mein inneres Segel zur Fahrt bewegen und das Ziel erlangen.“

„Deine Formulierungen sind prächtig.“

„Es ist der Sonnenwind.“

„Bist du darauf ganz alleine gekommen?“

„Deine respektvollen Aufmerksamkeiten haben mir dazu verholfen.“

„Du hast Recht, es ist der Sonnenwind, den ich suche.“

„Du willst dich dem Licht hingeben, Schwarzempfinder?“

„Das ist das Beste, was man in der Dunkelheit machen kann.“

„Du bist tatsächlich ein Freund der Weisheit.“

 

 

5

Wir verabschiedeten uns nicht, denn wir hatten uns gefunden und wussten, dass wir uns nie in dem Ewig verlieren würden. Es war, als sei mir eine gleich klingende Seele begegnet. Und beiderlei Seelen waren zuhause in dem Ewig.

 

Ich wählte den Weg, der östlich des mittleren Meridians der Weltraumkugel lag. Dort versprach ich mir gute Fischgründe. Und im gigantischen Sonnenschatten der riesigen Kathedrale von Baltar sah ich eine Unmenge an Sternenstaub. Ich nahm Kurs genau dorthin und nahm meinen Käscher. Im Vorbeigleiten entnahm ich eine große Menge, der Käscher war randvoll. Und leerte ich das pralle Netz in die Tonne aus Holz. Mehrfach fuhr ich durch die Fischgründe und schließlich war die Tonne gefüllt mit dem leuchtenden Staub der Sterne, mit der Gabe des Ewig.

 

Dann setzte ich zur Heimreise an, aber einiges zischte und rauschte heran und schlug in die unsichtbare Wasseroberfläche des kosmischen Meeres ein und explodierte dort. Ich schaute mich um. Ein Schiff mit Dampf getrieben schoss mit seinen Kanonen auf mich. Ich war empört und entsetzt, glaubte ich doch Frieden in dem Ewig. Ich holte das Segel ein. Und tat nichts. Waffen hatte ich keine, ich hatte nur meine Existenz, mit der ich mich wehrte. Das Schiff unter Dampf schoss nicht mehr und näherte sich. Dann ging es meinem Segelschiff längsseits, man band ein Seil an mein Schiff, und jemand sprang hinüber. Er kam auf mich zu.

„Du fischst in unseren Gewässern!“, redete der unfreundliche Fremde.

„Die Gewässer des Ewig sind für alle.“, sagte ich.

„Du siehst die Kathedrale von Baltar?“

„Ja, sie ist nicht zu übersehen.“

„Sei nicht frech!“

„Ist es unwahr, was ich gesagt habe?“

Der Fremde stockte. Dann fuhr er fort.

„Wir haben vor einiger Zeit die Kathedrale in Besitz genommen. Sie gehört jetzt uns, wir wohnen dort. Und die anliegenden Gewässer gehören ebenfalls uns. Das bedeutet, du hast dich an unserem Eigentum vergriffen. Gib den Sternenstaub heraus.“

„Nein.“, sagte ich bestimmt.

„Du weigerst dich?“

„Der Sternenstaub ist für alle.“

„Wir sehen das anders. Wenn es sein muss, nehmen wir das Unsrige mit Gewalt wieder zurück.“

„Dann seid ihr die Diebe.“

„Du wagst es, uns des Diebstahls zu bezichtigen?“

„Du hast meine Worte gehört.“

Da zog der unfreundliche Fremde eine alte Pistole und richtete sie auf mich. Aber das war noch nicht alles, denn ein Drache der Nacht flog heran mit seinen gewaltigen Schwingen. Er landete hinter mir und umschlang mich schützend mit seinen Flügeln.

„Ach so sieht das aus? Du stehst mit den Geistern im Bunde?“, fragte empört der Fremde.

„Es sind gute Geister.“, entgegnete ich.

Da schoss der Unfreundliche mit seiner alten Vorderlader-Pistole, und das Projektil prallte von dem schützenden Flügel des Drachen ab. Er sah, dass er nichts ausrichten konnte und verließ wortlos und mürrisch mein Segelschiff. Er band das Seil los und gab ein Kommando. Das Dampfschiff nahm Fahrt auf und entfernte sich.

 

„Ich danke dir, Drache der Nacht.“, sagte ich zu meinem Retter.

„Denke daran, wir sind immer da, um dich zu schützen.“, sagte der Drache und flog hinweg.

Ich schaute ihm noch lange nach und bewunderte dabei die Schönheit seines Fluges. Es war einzigartig, wie die Drachen mit ihren Schwingen in den Gezeitenströmungen des kosmischen Meeres ruderten. Und es war erhaben anzusehen.

 

Dann wollte ich das Segel setzen, aber ich bemerkte, wie ich am ganzen Körper zitterte. Denn man hatte auf mich geschossen. Ein Akt offener Feindseligkeit. Ein Nicht-Willkommen. Meine Seele schmerzte. Da sah ich das Leuchten des Sternenstaubs in dem offenen Fass und ging dorthin. Ich tauchte meine Hände in den hellen Staub, und bald erfuhr ich Linderung. Dann setzte ich das Segel und nahm Kurs auf meine Hütte.

 

6

Mein neues Schiff war ein Lichtgeschwindigkeitsdampfheuschreckenschiff. Denn das Antriebsgestänge, das die Dampfmaschine und die Schüssel verband, erinnerte an die Sprungbeine einer Heuschrecke. Das Gestänge war zudem nicht im Rumpf verborgen, sondern es befand sich aufgrund seiner Größe außerhalb. Sowohl an Backbord als auch an Steuerbord hatte ich solch ein großes Gestänge angebracht. Mit dieser mechanischen Übersetzung wollte ich eine größeres Drehmoment der Schüssel erreichen. Und beide Gestänge bewegten sich synchron.

 

Da verstreute ich den Sternenstaub gleichmäßig zunächst auf die eine Seite der Schüssel. Und es war, als hörte ich die verzierte Schüssel bei der Gabe auf sie sanft aufatmen. Als wäre der Sternenstaub ein wohltuendes Pulver für die Existenz des seltenen Metalls. Dann war die Prozedur des Auftragens fertig, und ich überlegte, wie ich den hellen Staub fixieren könnte. Den das Denn ich wollte die Schüssel mit dem kostbaren Staub nicht im Ofen brennen. Denn ich befürchtete, dass die Wirkung des Sternenstaubs durch die Hitze Schaden nehmen könnte. Während des Sinnierens über dieses Problem jedoch bemerkte ich, wie etwas auf der Schüssel geschah. Der Sternenstaub verschmolz mit dem Metall der Schüssel. Und sie leuchtete golden. So drehte ich die Schüssel um und verfuhr mit der anderen Seite der flachen Schüssel aus seltenem Metall. Schließlich befestigte ich dieses Geschenk des Himmels an die dafür vorgesehene Vorrichtung am Schiff, die befand sich achtern. Und bevor ich eine Lichtreise unternehmen wollte, driftete ich eines abends mit meinem Segelschiff wieder hinaus, um mit dem Mond zu reden.

 

„Du machst interessante Sachen.“, sagte der Mond.

„Du siehst nicht gut aus.“

„Was meinst du?“

„Du hast abgenommen.“

„Mal schlemme ich mich voll mit Licht, dann enthalte ich mich wieder.“

„Komisch, ich bin mein Leben lang schlank.“

„Vergiss nicht, ich bin kein Mensch.“

„Das leuchtet ein.“

„So habe ich dir von meinem Licht etwas abgegeben.“

„Interessant.“

„Ich finde es schön, dich immer zum Staunen zu bringen.“

„Und ich finde es schön, nachts dir zu begegnen, denn da ist die Ruhe.“

Der Mond schwieg. Aber das war nur der Auftakt für etwas Weiteres.

„Du sagst nichts.“, sagte ich.

„Du wurdest bedroht.“

„So war es.“

„Du hattest dich nicht mit Gewalt gewehrt, sondern nur mit deinen Worten.“

„Ja, das stimmt.“

„Du bist weise.“

„Ich danke dir.“

„Den Weisen gehört das Leben.“

„Ich liebe das Leben.“

„Das ist gut. Aber...“

„Ja?“

„Was um alles in der Welt hast du da nur gebaut?“

„Äh, ein Lichtgeschwindigkeitsdampfheuschreckenschiff.“

„Ein was?“

„Ein Lichtgeschwindigkeitsdampfheuschreckenschiff.“

„Ist das deiner Phantasie entsprungen?“

„Ich hatte gerade geschrieben, da kam mir die Idee.“

„Sieht lustig aus, dein neues Schiff.“

„Das ist wegen der mechanischen Übersetzung, es soll so viel wie möglich Drehung erzeugt werden.“

„Ich denke, mit dieser außergewöhnlichen Mechanik wird dir das Drehmoment gelingen.“

„Meinst du, meine Idee findet Anklang in den Weiten des kosmischen Meeres?“

„Das kosmische Meer freut sich schon auf dich. Und das mit dem Sternenstaub, das ist wirklich eine gute Idee.“

„Danke, lieber Mond.“

„Du überraschst mich immer wieder.“

„Vielleicht ist es meine Bestimmung, den Mond zu überraschen.“

„Und deine Bestimmung ist noch viel mehr.“

„Sage an.“

„Du wirst es herausfinden.“

Dann schwieg der Mond. Die Unterredung war beendet, aber die Begegnung war immer da.

 

7

Ich driftete weiter in der Nacht, sah die vielen Sterne, die immer da waren. Manchmal explodierte ein Stern. Ich sah dieses, auch wenn der Stern Millionen von Kilometern entfernt war. Es war, als würde sich das Licht beeilen, damit ich sehen konnte, was in den weiten Fernen des Alls geschah. Und da sah ich wieder eine solche kosmische Explosion. Ich lugte genauer hin, und ich dachte, dass möglicherweise nun viele Bewohner der dazugehörigen Planeten ohne ihre wärmende Sonne waren. Das war ein Hilferuf, und ich setzte den Kurs meines Segelschiffes auf mein Heim. Bald erreichte ich es und setzte mich um in mein Lichtgeschwindigkeitsdampfheuschreckenschiff. Ich hatte mir die Richtung des tragischen Ereignisses gemerkt und setzte den maritimen Kurs darauf. Dann tat ich die bereitgestellten Kohlen in den Kessel und entzündete das Feuer. Dampfdruck baute sich auf, und als genügend vorhanden war, kuppelte ich die Dampfmaschine an das Gestänge der Übertragung. Die Schüssel mit dem eingeschmolzenen Sternenstaub begann sich zu drehen. Sie wurde schneller und immer schneller. Und ab einer gewissen Drehzahl gab es einen Lichtsog, so war mir, und das Schiff brauste los. Überall war Licht, ein wenig vor mir, um mich und ganz viel im Kielwasser des Lichtgeschwindigkeitsdampfheuschreckenschiffes. Das Schiff war wie ein Komet, der durch das Ewig hindurch sauste. Flankiert wurde mein Flug von den Sternen, die an an meinen Seiten Pfeile bildeten. Da mein Sinn für das Licht geschärft, vermochte ich zu sehen, wann mein Ziel erreicht war. Die Reise dauerte nicht lange, so stark war das Licht als Träger. Ich entkuppelte Gestänge und Dampfmaschine und driftete in der Strömung des Nachtwindes. In der Ferne sah ich einen Planeten, der in einem fahlen Blaugrau erschien. An ihm war ein Konstrukt, das an der anderen Seite abgerissen zu sein schien. Ich suchte mit meinem Blick das Abgerissene, jedoch kam ich nicht weit mit meiner Suche, denn ein prächtiges Segelschiff, viel größer als meines, erschien an Steuerbord. An den drei Masten flatterten Fahnen, die Insignien aufwiesen. Mutmaßte ich das Schiff einer Herrscherdynastie.

„Hey!“, rief ein Matrose.

„Hey!“, rief ich.

„Was führt dich zu uns, Drifter?!“

„Es scheint, eure Sonne ist explodiert!“

„Wohl war! Wir sammeln ein, was unterwegs war und noch lebt!“

„Es tut mir leid, dass euch dieses Ungeschick widerfahren ist!“

„Folge uns, wir kehren um!“

Für die kleine Geschwindigkeit hatte ich auf meinem Lichtschiff einen Mast und ein Segel angebracht. Ich setzte es und folgte dem großen Schiff. Bald erreichten wir den Planeten und zogen in eine große Stadt ein. Überall gab es stattliche Bauten und Tempel und Säulen. Menschen waren nicht zu sehen, und allmählich bemerkte ich, dass ich fror.

 

8

Der Palast war mit Wärme gut genährt, so entledigte ich mich meiner Jacke aus warmem Fell.

„Man hat dich aufgegriffen, Fremder?“, fragte mich die wunderschöne Dame, die auf einem Thron saß.

Niemand hatte mich instruiert, wem ich begegnen werde. Es schien, dass nicht viele Absprachen getroffen wurden.

„So ist es. Mit wem habe ich die Ehre?“

„Ich bin die Prinzessin dieser Katastrophe. Viel zu früh hinein geworfen ins kalte Leben.“

„Vergebt meine Frage, was ist Euch geschehen?“

„Frage so viel du willst, Fremder. Es ist gut, Abwechslung zu haben. Wie du sicher schon weißt, ist unser kosmischer Ofen ausgefallen. Meine Eltern, der König und die Königin waren draußen fischen, als die Explosion geschah. Nichts von ihnen und von ihrem Schiff ist übrig geblieben.“

„Diese Nachricht bringt Trauer in meine Ohren.“

Die Prinzessin erhob sich von ihrem Thron und trat zu mir.

„Wie das? Du kanntest sie nicht.“

„Es ist immer ein trauriges Ereignis, wenn Menschen sterben.“

„So viel Interesse? So viel Mitgefühl? Wer bist du, Fremder?“

„Man bezeichnet mich gemeinhin als den Abenteurer.“

„Und dein Abenteuer hat dich zu uns verschlagen?“

„Ich habe die Explosion eurer Sonne gesehen.“

„Von wo?“

„Mein Heim liegt in südwestlicher Richtung unweit der Kathedrale von Baltar.“

„Das ist unmöglich. So schnell kann das Licht nicht sein, um unseren Hilferuf übermitteln zu können.“

„Bei mir beeilt sich das Licht immer ein wenig.“

„Bei dir? Nur bei dir?“

„Ich weiß es nicht, zumindest scheint es bei mir so zu sein.“

„Bist du ein Lichtmagier?“

„Das ist eine ferne Gilde, die man aus Legenden kennt.“

„Und doch behaupten viele Zungen, dass es sie gibt. Würde mich nicht wundern, dass du ein solcher bist.“

„In der Tat, das wäre mir neu.“

„Lichtmagier werden nicht ernannt, sie sind es von Geburt an.“

„Ich bin Schriftsteller.“

„Dann reitest auf dem unendlichen Lichtstrahl der Gedanken.“

„Das ist schön formuliert.“

„Ich danke dir, ich schreibe selbst Verse. Nichts Weltbewegendes. Doch sage mir, wie konntest du so schnell den weiten Weg nach hier kommen?“

„Ich habe ein Lichtschiff konstruiert.“

„Ach so? Schon zwei Indizien dafür, dass du ein Lichtmagier bist. Warum bist du hier?“

„Um Eurem Volk zu helfen.“

„Nun haben wir das dritte Indiz für deine Natur als Lichtmagier. Denn die Vertreter dieser Spezies sind außerordentlich hilfsbereit.“

„Ihr scheint über ein gewisses Quantum an Wissen über diese spezielle Gilde zu verfügen, Prinzessin.“

„Ich habe Schriften über sie in meiner königlichen Bibliothek.“

„Wie konnten diese Schriften Euch erreichen?“

„Es war vor langer Zeit, da strandete bei uns ein Drachenfänger...“

„Welch übler Gesell.“

„Wir fangen selbst Drachen.“

„Die Drachen sind meine Freunde.“

„Wie das? Die Drachen rauben und morden.“

„Mich schützen sie.“

„Sie schützen nur einen.“

„Und wen?“

„Den Meister der Gilde der Lichtmagier.“

„Dann machen sie bei mir eine Ausnahme.“

„Wie dem auch sei, der Drachenfänger war stark verletzt. Mit seinem letzten Atemzug gab er meinem Ahn die Schriftrollen. Dann verschied er. So erzählte man mir.“

„Und Euer Vater, der König, gab Euch diese Rollen zu lesen.“

„So hatte er getan. Friede seiner armen Seele.“

„Ihr trauert, ich lasse Euch allein.“

„Nein, Schriftsteller. Du bleibst bei mir. Der liebliche Duft deiner hilfsbereiten Seele hat schon diesen Palast und mein Inneres erfasst. Du kamst zur rechten Zeit.“

„So war mein Plan.“

„Folge mir, wir gehen in die königliche Bibliothek.“

 

9

Die Bibliothek war gigantisch. Es gab tausende von Schriftrollen. Sie waren gut sortiert und achtsam aufbewahrt. Die Prinzessin zog drei Rollen aus einem Regal und gab sie mir.

„Du bekommst eine Kammer, die du dein nennen darfst, Schriftsteller. Dort kannst du diese Schriften studieren.“

„Ihr seid sehr freundlich, Prinzessin. Ich danke Euch.“

Ein Diener führte mich zu meiner Kammer. Ich betrat sie in der Erwartung, eine Kammer zu betreten. Jedoch entpuppte sich die Kammer als ein großer Saal. Der Diener verschwand.

„Wenn das eine Kammer ist, wie mag dann ein Saal dieses Volkes aussehen?“, sprach ich zu mir.

Der Boden war aus ausgelegt wie Schachbrett. Weißer und schwarzes Marmor zierten ihn. Es gab ein Bett von ungeahnten Ausmaßen. Dazu ein Schreibtisch aus Elfenbein, verziert mit Nuancen von Gold. In einem Schrank fand ich standesgemäße Kleidung vor. Und

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Jörg Röske
Bildmaterialien: Jörg Röske
Lektorat: Jörg Röske
Tag der Veröffentlichung: 23.04.2016
ISBN: 978-3-7396-5009-8

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Gewidmet all denen, die Zeit haben.

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