1
„Hallo?“
„Hallo. Hier ist Bernd Kreuter.“
„Hallo, Herr Kreuter. Was kann ich für Sie tun?“
„Ich kann heute nicht zur Arbeit kommen.“
„Sind Sie krank?“
„Nicht direkt. Ich bin heute morgen an einem Herzinfarkt gestorben.“
„Oh, das tut mir leid.“
„Danke.“
„Gerne. Dann bräuchten wir eine Bescheinigung von Ihrem Hausarzt.“
„Ja klar, besorge ich.“
„Danke. Wie lange wird es dauern, bis Sie wieder arbeiten können?“
„Ich weiß das nicht. Das entscheidet wohl der Arzt.“
„Verstehe. Wenn Sie Genaueres wissen, sagen Sie uns bitte Bescheid.“
„Klar, mache ich.“
„Danke. Und gute Besserung, Herr Kreuter.“
„Vielen Dank.“
2
„Hallo, Herr Kreuter. Was kann ich für Sie tun?“
„Ich bin heute morgen an einem Herzinfarkt gestorben. Mein Arbeitgeber benötigt eine Bescheinigung. Und er möchte auch wissen, wann ich wieder arbeiten kann.“
„Sie sind gestorben?“
„Ja.“
„Moment, dass können Sie gar nicht einschätzen. Das kann nur ein Fachmann.“
„Deswegen bin ich ja zu Ihnen gekommen, Herr Doktor.“
„Gut. Wir machen dann einen Gesamtcheck. EKG, Blutbild, Sono und so.“
„Okay, Herr Doktor.“
„Gehen Sie bitte ins Wartezimmer, und warten Sie, bis Sie auf gerufen werden.“
„Ja, Herr Doktor.“
3
„Legen Sie sich bitte hin.“
„Okay.“
„Und Bauch bitte freimachen.“
Ich machte meinen Bauch frei. Dann tat der Arzt auf das Dingen von dem Ultraschallgerät Gel. Das Ultraschallgerät war schon eingeschaltet, und der Arzt fuhr vorsichtig mit dem Dingen über meinen Bauch.
„Was haben wir denn da? Bauchspeicheldrüse.“
Klein wenig Zeit verging.
„Bauchspeicheldrüse ist okay. Und jetzt der Magen. Ist auch okay.“
„Da bin aber schon mal beruhigt.“
„War nichts zu entdecken. Haben Sie da auch keine Schmerzen?“
„Nein.“
„Gut. Dann schauen wir uns mal den Darm an.“
„Ich hoffe, Sie müssen nicht eine Darmspiegelung machen.“
„Wenn, dann mache ich die nicht.“
„Ach so.“
„Aber Darm ist auch in Ordnung.“
„Okay.“
„So, noch die Leber. Gibt ja so 'n Spruch: zwischen Leber und Milz passt noch ein Pils.“
„Ja, den kenne ich.Aber ich trinke keinen Alkohol.“
„Leber und Milz sind okay. Also, im Bauchraum war nichts zu finden.“
„Das erleichtert mich schon etwas.“
„Noch ein Blick auf die Nieren. Bitte etwas zur Seite drehen.“
Ich tat also.
„Und bitte auf die andere Seite. Auch in Ordnung. So, bitte wieder ins Wartezimmer. Sie werden dann zum EKG aufgerufen.“
„Okay, Herr Doktor.“
„Hier haben Sie was, womit Sie das Gel abwischen können.“
„Danke, Herr Doktor.“
4
„Herr Kreuter, bitte.“, sagte die Sprechstundenhilfe.
Ich stand auf und folgte ihr. Wir erreichten einen Raum.
„Bitte einmal Oberkörper frei machen und hinlegen.“
Ich zog mein Hemd samt T-Shirt aus und legte mich hin. Dann befestigte die Sprechstundenhilfe an bestimmten Stellen meines Körpers die Dinger von dem EKG. Auch unten an den Beinen.
„So, ganz normal atmen.“
Das tat ich. Der Drucker des EKGs ratterte und spuckte Papier aus.
„So, jetzt können Sie sich wieder anziehen. Hatten Sie schon eine Urinprobe angeben?“
„Nein, noch nicht.“
„Wenn Sie wieder angezogen sind, kommen Sie nach vorne. Dort bekommen Sie einen Becher. Aber bitte nur den Mittelstrahl.“
5
„Was kann ich für Sie tun?“
„Ich soll noch eine Urinprobe angeben.“
„Herr Kreuter?“
„Ja.“
„Hier der Becher.“
Ich ging zum Klo und machte Pippi in den Becher. Dann stellte ich diesen in die Durchreiche. Und ging wieder zur Rezeption.
„Sie können jetzt in Raum 2 gehen.“
„Okay, danke.“
In Raum 2 wurde mir Blut abgenommen.
„So, dann sind Sie für heute fertig.“, sagte die Sprechstundenhilfe, die mir Blut abgenommen hatte, „Sie können sich dann einen Termin geben lassen für die Besprechung.“
„Okay.“
An der Rezeption.
„Mittwoch, der 20. Juni um 10.30 Uhr?“
„Ja, das passt.“
„Okay, schreibe ich Ihnen auf.“
Die Dame an der Rezeption gab mir den Zettel.
„Tschüs, Herr Kreuter.“
„Tschüs.“
6
„Die Blutwerte sind in Ordnung, der Urin auch, aber mit dem EKG stimmt was nicht.“, sagte der Arzt.
„Was stimmt denn da nicht?“, fragte ich.
„Ist nur eine Linie zu sehen. Könnte sein, dass Ihr Herz nicht mehr schlägt.“
„Und was mache ich jetzt?“
„Ich schreibe Sie für 14 Tage krank. Da kommen Sie bitte wieder rein, und wir schauen dann mal, ob es besser geworden ist.“
„Okay, Herr Doktor.“
„Die Krankmeldung bekommen Sie vorne an der Rezeption.“
„Danke, Herr Doktor.“
7
Ich klopfte an der Tür.
„Herein!“, kam es von drinnen.
Ich trat hinein. Man sah mich.
„Hallo, Herr Kreuter.“
„Hallo. Ich habe die Krankmeldung, um die Sie gebeten hatten.“
„Sehr gut. Bitte setzen Sie sich.“
Ich setzte mich vor den Schreibtisch des Personalchefs.
„Na, dann zeigen Sie mal.“
Ich reichte die Krankmeldung. Der Personalchef nahm sie und las.
„Ach, ist nur eine Krankmeldung. Ich habe schon Schlimmes befürchtet.“
„Ja, ist nur eine Krankmeldung.“
Ich lachte ein wenig.
„Wieso lachen Sie?“
„Ich dachte schon, ich bin gestorben.“
„Gut, dass Sie beim Arzt waren. Die können das genau einschätzen.“
„Ja.“
„Vierzehn Tage. Na gut, das kriegen wir hin. Wird wohl etwas eng, aber das schaffen wir schon.“
„Sind welche im Urlaub?“
„Ja, aber das sind nicht so viele. Ich darf eigentlich nicht drüber reden, aber Kohlmann hat einen Burnout.“
„Ouh!“
„Ja, sieht schlimm aus. Er ist stationär.“
„Für wie lange?“
„Schlecht abzuschätzen, kann sich um Monate handeln.“
„Ja, habe ich von gehört. Wer macht denn jetzt die Gehälter?“
„Eine Praktikantin, Frau Dresen.“
„Wieso macht das denn nicht Pelzer?“
„Der hat sich ein Bein gebrochen.“
„Was sagt man dazu?“
„Ja, war in der Schweiz, Ski fahren. Kommt zurück mit einem Gips.“
„Gibt 's denn so was?“
„Bleibt nur noch Frau Dresen.“
„Ist das die Blonde?“
„Nein, das ist Frau Niemöller. Ist neu und im Außendienst.“
„Ach, deswegen sehe ich die so selten.“
„Sieht gut aus, nicht wahr?“
„Ja, genau meine Kragenweite.“
„Das sehen viele Kollegen so, deswegen hatte ich sie direkt in den Außendienst gesteckt.“
„Aber als Neue?“
„Sie kommt frisch von der Uni.“
„Das war bei Frau Taler auch so.“
„Ja, und sie blieb nur sechs Monate. Erinnern Sie sich noch?“
„Hatten Sie ihr gekündigt?“
„Darf ich nicht drüber reden. Sie hatte gekündigt.“
„Wieso?“
„Weil alle sie stalkten.“
„Und Frau Dresen?“
„Sie war vorher Sprechstundenhilfe bei einem HNO.“
„Na ja, dann wird so das wohl hin kriegen.“
„Ja, denke ich auch. Dann schönen Tag noch, Herr Kreuter. Und gute Besserung.“
„Danke, Herr Meyer.“
8
Ich hatte früher immer gedacht, ein tödlicher Herzinfarkt sei etwas Schlimmes. Aber es ist eigentlich nur eine Linie. Gut, dass es Ärzte gibt.
Ich saß in meinem Wohnzimmer und überlegte, was ich machen könnte. Ich verspürte Hunger und dachte, ich könnte mir etwas zu essen machen. Mein Magen war noch in Ordnung. Also wollte ich mir zwei Spiegeleier und Bratkartoffeln machen. Normalerweise aß ich immer in der Kantine. Aber jetzt musste ich mir selbst etwas machen.
„Kreuter?“
„Hallo, Mama. Wie macht man Spiegeleier und Bratkartoffeln?“
„Wieso bist du nicht auf Arbeit?“
„Ich bin krank geschrieben.“
„Was hast du denn?“
„Der Arzt meinte, mein Herz schlägt nicht mehr.“
„Oh, ich hoffe, es ist nichts Schlimmes.“
„Ist nur eine Linie.“
„Das geht ja dann noch.“
„In 14 Tagen soll ich wieder zum Arzt. Er will dann sehen, ob es besser geworden ist.“
„Was wolltest du noch mal wissen?“
„Rezept für Spiegeleier und Bratkartoffeln.“
„Das hatte ich dir damals gezeigt.“
„Mama, ich esse jeden Tag in der Kantine.“
„Da gibt es aber auch nicht das beste Essen.“
„Wie soll ich das denn machen? Ich habe nur eine Stunde Mittagspause. Das ist viel zu knapp, um nach Hause zu fahren.“
„Nimm Brote mit und einen Joghurt, und abends isst du warm.“
„Du weißt genau, dass mein Job stressig ist. Wenn ich um 18 Uhr wieder zuhause bin, dann habe ich bestimmt keine Lust mehr, noch was zu kochen. Außerdem, wenn man abends noch was Großes isst, wird man dick.“
„Das könnte dir nicht schaden, du bist eh so dünn.“
„Sage mir bitte noch mal, wie das geht mit den Bratkartoffeln und den Spiegeleiern.“
„Wieso hast du keine Freundin?“
„Mama, das ist jetzt nicht das Thema.“
„Doch, das ist wohl das Thema. Und das schon seit 21 Jahren.“
„Ich finde halt keine.“
„Ich verstehe das nicht. Du siehst doch gut aus.“
„Ich hatte mal ein Date vor drei Jahren.“
„Was ist ein Date?“
„Das sagt man heutzutage so.“
„Was ist das denn?“
„Ich hatte mich mit einer Frau getroffen.“
„Davon hast du mir nie erzählt.“
„Ich wollte dich überraschen.“
„Überraschen?“
„Ja, wenn es klappt.“
„Und?“
„Sie sagte, ihr gefällt mein After shave nicht.“
„Das hat sie gesagt?“
„Ja.“
„Das gibt es doch nicht.“
„War aber so.“
„Du gibst etwas Öl in eine Pfanne und schlägst die Eier hinein. Bisschen Salz, bisschen Pfeffer. Und Bratkartoffeln, am besten, du nimmst schon fertig gekochte Kartoffeln. Bisschen Salz, bisschen Paprikagewürz.“
„Danke, Mama.“
„Kommst du morgen?“
„Was gibt es denn?“
„Erbsensuppe mit Mettwürstchen.“
„Wie viel Uhr?“
„Du weißt doch, dass wir immer um 13 Uhr essen.“
„Okay.“
9
„Du hast was mit deinem Herzen?“, fragte mich Papa an der Tür.
„Ist nur eine Linie.“, sagte ich.
„Das sagte Mama auch. Komm' rein.“
Ich ging hinein.
„Ist das Essen schon fertig?“
„Mama ist in der Küche.“
Ich ging in die Küche.
„Hallo Mama.“
„Hallo Junge. Noch zwei Minuten. Decke schon mal den Tisch.“
„Wieso macht Papa das nicht?“
„Kennst ihn doch.“
Also nahm ich drei Teller aus dem Küchenschrank und drei Löffel aus der Schublade für das Besteck.
„Brauchen wir Gabel und Messer?“
„Wofür?“
„Für das Würstchen.“
„Gabel reicht.“
„Okay.“
Also nahm ich noch drei Gabeln aus der Schublade für das Besteck. Dann saßen wir drei am Esstisch.
„Wir wünschen uns einen guten Appetit.“, sagten wir drei gemeinsam, wie früher.
Dann ging es los mit der Erbsensuppe. Sie war köstlich, Mama konnte gut kochen. Es war Hausmannskost. Viele meckerten darüber, was ich in den Medien so hörte. Das Essen sollte gesund und leicht sein. Ich fand an Erbsensuppe nichts auszusetzen. Und das Mettwürstchen war aus Fleisch. Daran hatte ich auch nichts auszusetzen. Ich mochte dieses Gericht.
„Holst du bitte
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: Jörg Röske
Bildmaterialien: Jörg Röske
Lektorat: Jörg Röske
Tag der Veröffentlichung: 18.04.2016
ISBN: 978-3-7396-4917-7
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Gewidmet denen, die für die Gerechtigkeit kämpfen.