Sehnsucht
Kapitel 1
„Es war der fünfte Januar, eines verschneiten morgens. Die Sonne strahlte auf den zarten Schnee, die kleinen Kristalle glitzerten und machten den weißen Puder zu einem Meer aus funkelnden Diamanten. Meine Schritte hatten mich zu dem Klassenzimmer getragen, meine Gedanken noch immer an mein kleines Bett in einem warmen Zimmer. Ich war einer der Ersten, immerhin kam mein Bus auch als erstes. Mit müden Augen setzte ich mich auf meinen Platz, legte meinen Kopf zurück und versuchte nicht sofort ein zu schlafen. Doch ich war nicht eingeschlafen, denn genau in diesem Moment, trat sie in den Raum. In ihren langen Locken hingen vereinzelte Schneeflocken, sie trug eine schwarze Mütze, schwarze Handschuhe, eine schwarze Jacke. Sie wirkte so düster, aber auch irgendwie anziehend. Ihre Lippen waren von der Kälte rötlich angelaufen, ihre eisblauen Augen strahlten mir entgegen. Sofort umspielte ihr sinnlicher Mund ein Lächeln, das mich leise aufschlucken ließ. Sie setzte ihre Tasche auf den Boden ab und setzte sich dann ebenfalls an ihren Platz.
Noch nie war sie mir aufgefallen, noch nie war mir aufgefallen wie unglaublich hübsch sie war, noch nie habe ich mir so sehnlich gewünscht sie würde mich noch einmal anlächeln, mir noch ein einziges Mal in die Augen sehen.
Es war der fünfte Januar, eines verschneiten morgens, an welchem ich mich unwiderruflich in ein Mädchen verliebte, das mich in eine Sehnsucht, in einen unaufhörlichen Wahnsinn treiben würde.“
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„Bitte seid ruhig. Ich teile euch jetzt, nach dem Alphabeth geordnet, in Gruppen ein. Ihr habt drei Stunden Zeit euch hier um zu sehen. Füllt die Bögen aus und gibt sie am Ende der Besichtigung wieder ab.“, erklärte Alaric Fitz, welcher der Klassenlehrer war und nun eine Liste mit den Namen der Schüler hervor holte und ab las. Marven umgriff den Riemen seiner Tasche und ging in seinem Kopf die Liste durch. Wenn er verdammt viel Glück hatte würde er mit ihr
in eine Gruppe kommen. Die grauen Augen Marvens huschten über die Schülermenge die sich laut tratschend vor ‚Seaworld‘ gefunden hatte. Er konnte die glätzenden Locken sofort in der Menge aus machen, er konnte ihr herzliches Lachen auch gleich aus der Menge heraus hören. Wie auf’s Stichwort, fing sein Herz, um einiges schneller, an laut zu schlagen.
„Lilly Callsen und Marven Calmbach.“, rief Herr Fitz und blätterte in seiner Liste rum. Marven schluckte und versuchte sein unnahbares Gesicht aufrecht zu erhalten. Lilly kam sofort auf ihn zu gelaufen, mit einem strahlenden Lächeln das sicher alle dahin schmelzen ließ. Marven wusste das sie viele Verehrer hatte, sie konnte sich jeden aus der Menge herraus suchen, warum sollte sie dann ausgerechnet ihn wählen? Bei solchen Gedanken hatte Marven sich geschworen einfach nur für sie zu schwärmen, vielleicht war es auch viel gesünder als sich Hals über Kopf in eine Beziehung zu stürzen. Marven war der Typ Junge der einfach nur schlechte Erfahrungen in Beziehungen gehabt hatte. Entweder sie gingen komplett falsch, oder seine Freundin langweilte sich so sehr, dass sie fremdging und sich schlicht und ergreifen dann gar nicht mehr meldete.
Marven sah zu wie Lilly sich noch die Fragebögen von Herr Fitz holte und sich dann mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen zu Marven stellte. „Also wo willst du zuerst hin?“, fragte sie und blätterte kurz durch die Blätter in ihrer Hand. „Ich weiß nicht. Was ist mit dir?“, fragte er und schlug sich gedanklich selber im nächsten Moment, das er nicht versuchte netter zu ihr zu sein. „Ich mag Schildkröten! Hier steht das sie ein ziemlich großes Schildkrötenbecken haben.“, sagte sie und blickte in Marvens graues Augenwunder. „Dann los.“, meinte er knapp gebunden und lächelte Lilly freundlich an.
Die Beiden liefen durch einen Tunnel vollkommen aus Glas, über die zwei Köpfe schwammen allerlei Fischarten hinweg. Marven erwischte sich dabei wie er einmal ein leises ‚Wow‘ von sich gab als ein ziemlich großer Fisch an der Glaswand entlang schwamm. Lilly hatte Marven bei der Hand genommen und ihn zu einer kleinen bunten Fischgruppe gezogen. Der Braunhaarige blickte in die kleine Gruppe und musste bei dem Kommentar Lillys anfangen zu lachen. „Das erinnert mich an ‚Findet Nemo‘, findest du nicht auch?“, sagte sie und war kurz davor ihr gesammtes Gesicht gegen die Glaswand zu drücken. Ja, irgendwie hatte Lilly recht. In der Gruppe schwamm ein Clownfisch und ein Paletten – Doktorfisch. Marven fing lauthals an zu lachen.
Nebenbei füllten sie den Fragebogen aus, während sie sich die verschiedensten Fischarten ansahen. Nach ungefähr dreißig Minuten waren sie bei dem Schildkrötenbecken angekommen. Lilly blickte mit großen Augen in das Becken und freute sich jedes Mal wenn eines der Giganten an ihnen vorbei schwamm. Marven jedoch, konnte seine Augen nicht von der Schönheit neben ihm lassen. Sie sah so faszinierend aus, mit ihren leuchtenden Augen, ihrem strahlenden Lächeln und den Locken die ihr Gesicht noch so viel schöner erscheinen ließ.
„Was fasziniert dich so an diesen Tieren?“, fragte Marven dann, um ein Gespräch auf zu bauen. Lilly legte den Kopf schief und blickte ihn dann nach einigen Sekunden an. „Weißt du, es mag dir jetzt vielleicht ein wenig verrückt klingen, aber, die Schildkröten lebten schon vor den Dinosaurier, bis jetzt haben sie Generationen durch gelebt. Manchmal frage ich mich, was mir eine Schildkröte antworten würde, wenn ich sie fragen würde, wie sie die Erde findet.“, sagte sie und kratzte sich an ihrer Wange. „Verrückt ich weiß. Aber es kann ja sein das Schildkröten mit einander reden!“, witzelte sie und strich sich eine Locke hinter ihr Ohr.
„Nein. So verrückt ist das gar nicht.“, meinte Marven und blickte auf das schwimmende Wesen vor ihm, welches wieder hinter einen Stein verschwand um kurze Zeit später wieder davor auf zu tauchen. „Schildkröten tragen also einen ganzen Duden der Geschichte der Welt mit sich rum.“, sagte Marven dann nach einigen Minuten des Schweigens. Lilly lächelte ihn nur an und holte die Zettel hervor um schnell einige Fragen zu beantworten. „Wir müssen los. Die Zeit ist um.“, sagte sie und lief vor Marven weg, zu dem Treffpunkt den Herr Fitz ihnen gegeben hatte. Marven lief hinter der jungen Frau her, blieb aber an einem Stand stehen, an welchem Anhänger verkauft wurden. Sein Blick glitt zu den kleinen Anhänger in Form von Schildkröten. Kurz wichen seine Augen wieder zu Lilly. Er hatte schon seine Hand nach einem der Plüschanhänger ausgestreckt, als er sie dann doch wieder zurück zog und den Abstand zwischen ihm und Lilly wieder aufholte. Es wäre dumm und kitschig wenn er ihr so etwas schenken würde. Vielleicht würde sie ihn auslachen und sagen wie naiv er doch war.
Nachdem sie sich bei Herr Fitz wieder gefunden hatten, hatte Marven kein Wort mehr mit dem Lockenschopf gewechselt, sie hatte sich zu ihren Freundinnen gesellt und er blieb alleine stehen um auf den Bus zu warten, der die Schülergruppe von ihrem Ausflug abholen würde.
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„Manchmal tun Menschen Dinge die sie bereuen, aber manchmal tun sie Dinge nicht, Dinge die sie hätten tun sollen und auch dann bereut man. Letzten Endes weiß man nicht was hätte passieren können, wenn man es doch getan hätte. Wenn man Worte los geworden wäre, Handlungen oder einfach nur eine Emotion. Es bringt einen dann nicht weiter daran zu denken ‚Was wäre wenn...‘ sondern viel mehr ‚Wie mach ich es besser?‘. Es bringt einem nichts sich selber zu hassen, dass man sich nicht getraut hat. Doch manchmal ergibt sich eine Chance, das was man versäumt hat, wieder gut zu machen oder nach zu holen.“
Tag der Veröffentlichung: 26.02.2011
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
An einen wundervollen Menschen, von dem ich nur träumen kann.