Memories that fade
.:Kapitel 1:.
In Gedanken blätterte ,die siebenundzwanzig jährige, Maria in einem Tratschheft. Es interessierte sie eigentlich nicht ob Paris Hilton nun einen Neuen hatte, welche Firsuren nun gerade am modernsten waren, welche Stiefel das ‚Besondere‘ hatten oder wie man am besten abnehmen konnte.
Maria hatte einige wenige Kilo mehr auf den Rippen, aber deswegen war sie noch lange nicht unakttraktiv. Im Gegenteil, die Lockenmähne auf ihrem Kopf war so rassisch, ihre Augen so giftig Grün, dass sie einen Ehemann und ein Kind hatte. Ja sie war verdammt jung für eine Mutter, aber sie war zufrieden so wie es war. Ein kleines Piepen riss die junge Frau aus den Gedanken, sie blickte auf ihre Digitaluhr und stellte fest das der Unterricht an der Gesamtschule in zehn Minuten anfing, an dieser war sie Mathematiklehrerin. Maria packte ihre Lesebrille ein und stand von dem kleinen Stuhl, an dem Bistro auf. Den letzten Schluck ihres morgentlichen Kaffees, den sie immer an diesem Bistro trank, schluckte sie schnell runter, ehe sie ihre Tasche schnappte und in ihr Auto einstieg. Es dauerte vielleicht fünf Minuten, in denen sie Bäume, lachende Schulkinder, rauchende Jugendliche und Menschen in Anzügen zu Fuß auf den Straßen erblickte und dann an der großen Schule ankam.
Der Lockenschopf verweilte einige Sekunden in dem Auto und sah zu wie die ganzen Schulkinder in Strömen durch den Haupteingang eindrangen. Ein kleines Seufzen entwich ihrer Kehle, als sie ihre Haare schnell zu einem Dutt zusammenband und in Richtung des Sekreteriats verschwand.
„Frau Estévez?“
Die Frage kam unerwartet, Maria, die spanischer Abstammung war, drehte sich zu dem Fragenden um, in ihrer Hand hielt sie eine Tasse Tee, in ihrer anderen, befand sich eine Mathearbeit. Die häufigste Farbe die darauf auf zu finden war, war rot.
„Wie kann ich Ihnen helfen?“, fragte Maria und sah über ihren Brillenrand hinweg zu der Person vor ihr, es war Frau Müller, die Deutschlehrerin an der Schule. „Wir haben hier einen Jungen der soeben in einen Mülleimer gebrochen hat. Ich kann nicht auf ihn aufpassen, da ich in den neuner Klassen eine Deutscharbeit schreiben muss. Könnten Sie solange auf ihn aufpassen, bis ein Familienangehöriger gekommen ist um ihn ab zu holen?“, richtete die ältere Frau ihre Bitte aus. Sie hatte lange graue Haare, die zu einem strengen Dutt gebunden waren. Auf ihren Schultern lag ein loses zusammengebundenes Tuch, es war grün Kariert und sah ein wenig ausgewaschen aus. Die Augen der Frau waren müde, und unter ihnen, waren tiefe Augenringe zu sehen, auf ihrer Stirn waren Denkfalten, die ihren hohen Wissensstand deutlich wiederspiegelten. Ihr Gesicht strahlte eine allgemeine Geistlichkeit auf, die nur Jemand besaß, der schon längere Zeit an einer Schule unterrichtete und so einiges dazu gelernt hatte.
Wenn man sich einen Lehrer an einer Schule vorstellte, dann sah man immer eine Frau mit grauen Haaren und Dutt, dieses Klischee bestätigte Frau Müller mit bravur. „Ich denke das dürfte kein Problem sein.“, meinte Maria und setzte ein herzliches Lächeln auf. „Ich danke Ihnen! Der Junge sitzt vor dem Sekreteriat.“, sagte Frau Müller und verschwand so schnell aus dem Sekreteriat wie sie herein gehuscht war.
Maria, die gerade eine Freistunde hatte und diese eigentlich dazu ausnutzen wollte um die Mathearbeiten der zehnten Klasse zukorrigieren, stand auf und lief aus dem Sekreteriat. Eigentlich war sie ziemlich froh nicht weiter korrigieren zu müssen, denn je länger sie sich diese Arbeiten ansah, desto mehr wollte sich die junge Frau die Haare raus reißen. In all den Jahren, es waren genau gezählt fünf, war ihr aufgefallen, dass die Zehntklässer von Jahr zu Jahr immer fauler wurden und die Wichtigkeit der Schule aus den Augen verloren.
„Ich hab sau Bauchschmerzen!“, jammerte ein Junge, der wohl die sechste Klasse besuchte. Er hielt sich seinen Bauch und sah Maria mit großen Augen an. Der Junge hatte kurze blonde Haare und trug einen roten Pullover, auf diesen war ein blaues Auto aufgedruckt, mit geschwungener Schrift stand unter dem Auto ‚Speed‘. Der Kleine hatte braune Rehaugen und strahle eine unheimliche Naivität aus, das er schon fast kindlich dumm wirkte. Maria musste Schmunzeln, sie hockte sich vor den Jungen und legte ihre Hände auf seine Oberschenkel. „Alles wir Gut. Dein Onkel ist schon unterwegs und holt dich ab. Dann wird er dich verwöhnen. Du wirst sehen mein Kleiner, dass es dir danach dann viel besser geht!“, ermutigte sie ihn und stupste ihn auf die Nase. „Sie dürfen mich Markus nennen.“, sagte der Kleine und grinste sie breit an.
Maria mochte den kleinen Knirps, er erzählte ihr von seinen Problemen in der Schule, von seinen Stärken in bestimmten Fächern. Als sie ihm einige Dinge erklärte und er es dann verstand, freute er sich und fing daraufhin an laut zu Lachen.
„Micky?“, fragte Jemand und trat in das Sekreteriat. Es war ein groß gewachsener Mann, mit längeren braunen Haaren. Er schien wohl der Onkel zu sein. Als Maria auf ihm zu lief und auf Markus deutete, starrte der Onkel sie eine Weile an. „Kann ich Ihnen sonst noch behilflich sein?“, fragte Maria und legte dabei eine ihrer Hände auf die Schultern des Jungen. „Mensch! Du bist doch Maria!“, rief er aus und zerrte sie in seine Arme.
Der Lockenschopf zog ihre Augenbrauen hoch und fragte sich woher sie den Mann kannte. Sie hatte noch nie One Night Stands gehabt, war immer brav gewesen und hatte vielleicht zwei ernste Beziehungen gehabt.
„Ich bin’s Phil! Ich hätte nie gedacht das du Lehrerin wirst! Mensch! Ich hatte dich noch mit kurzen, glatten Haaren in Erinnerung!“, sagte er und drückte sie weiterhin wie einen Teddybären an seinen Körper.
Maria konnte sich nach wie vor nicht daran erinnern wer der Mann war, der sie so in die Arme genommen hatte. „Ahh. Ja Phil!“, sagte sie dann gespielt überrascht und drückte ihn von sich weg. Natürlich konnte sie sich nach wie vor nicht daran erinnern wer er war. Aber ihr Herz fing merkwürdig schnell an zu schlagen als sie in die Meeresblauen Augen Phils sah. Sie waren vertraut, als hätte sie schon eine Ewigkeit in diese tiefblauen Kristalle gesehen. „Man. Das letzte Mal hab ich dich in der zehnten Klasse gesehen.“, sagte er und hielt eine lose Strähne von Marias Dutt in seinen Händen. „Die waren mal Glatt.“, murmelte er und grinste. Er ließ die Strähne fallen und sah zu Markus. „Das ist der kleine Micky. Er ist der Sohn von meinem Bruder, Josh. Den kennst du doch auch noch, oder?“, hackte Phil nach und sah Maria in die Augen. „So genau kann ich mich auch nicht erinnern.“, redete sie sich raus. Jedenfalls war ihr jetzt klar, das Phil einer aus ihrer alten Abschlussklasse gewesen war.
„Bist du verheiratet?“, fragte er und deutete auf den Ring an Marias langen Fingern, vielleicht bildete sich die junge Frau es auch nur ein, aber sie hörte deutlich eine Spur von Frust aus seiner Stimme mit schwingen.
„Oh, ja. Schon ein Jahr lang.“, sagte sie und sah auf den kleinen Goldring. „Wie heißt er? Schon Kinder?“, fragte er und grinste sie mit einem breiten Lächeln an. „Sein Name ist George und wir haben eine kleine Tochter, ihr Name ist Lucy.“, erklärte Maria und fragte sich warum sie ihm all das erzählte. Irgendwie verband sie mit ihm eine Tiefe verbundenheit, es war so eine Vertrautheit zwischen ihnen. Aber dennoch wollte ihr nicht einfallen wer er genau war. Es war wie ein schwarzes Loch das die Erinnerungen an Phil völlig verschlungen hatte. „Ich freue mich für ihn. Nun gut, komm Micky, ich bring dich nach Hause. Ah Maria-“, Phil stoppte und friemelte sein Portmonaie aus seiner Hosentasche, er reichte dem Lockenschopf eine Karte, auf diesem war seine Adresse, Telefonnummer und E-Mail Adresse auf zu finden. „Ruf mich an. Vielleicht kann ich dich ja auf einen Kaffee einladen und wir können in alten Zeiten leben.“, lachte er und hob den Kleinen Markus auf seine Schultern.
„Kaffee klingt gut.“, sagte Maria und lächelte ihn an. „Gut, bis dann!“, sagte er noch, ehe er aus dem Sekreteriat verschwand und sie alleine zurück ließ.
Die kleine Hand des zwölfjährigen griff sich in Phils, als die Beiden auf den kleinen Prius zu liefen. Dieses kleine Auto war für Phil wie ein Wohnwagen. Es war nicht gelogen das er schon mit einer Frau auf der Rückbank geschlafen hatte, oder das er gerne in seinem Auto schlief und aß. Für ihn war dieses Auto wie ein stätiger treuer Begleiter, und einen anderen Wagen außer einen grünen Prius, wollte er nicht.
„Du kennst Frau Estévez?“, fragte Micky und sah sich mit seiner kindlichen Neugierde um.
„Ja, schon sehr lange.“, antwortete der Ältere und seufzte daraufhin auf.
Maria.
Himmel, es war keine Lüge, wenn er sagte, dass er sie schon damals unbeschreiblich hübsch gefunden hatte. Als die Beiden sich in der fünften Klasse kennen lernten, verband sie eine tiefe Freundschaft. Sie hatten auf ihr Blut geschworen sich nie aus den Augen zu verlieren oder sich gar zu streiten. Im Laufe der Jahre, wurde aus dieser Freundschaft einfach mehr. Phil wurde ein erwachsener Mann, der sich in seine beste Freundin verliebte. Er hatte sie mehr als alles andere geliebt, er hatte es geliebt wie sie unbeschwert Lachte. Er liebte damals sogar ihren zwingenden Drang danach stets von ihm getröstet zu werden, wenn etwas trauriges in ihrem Leben passierte. Sie war die Einzige gewesen die ihm die unbeschreiblichsten Geschenke zum Geburstag gemacht hatte, die an ihm immer merkte wenn ihn etwas bedrückte.
Die Beiden brauchten keine Worte zu wechseln um sich zu verständigen. Zwischen ihnen war eine unheimliche Verbundenheit gewesen und der Braunhaarige hätte alles dafür getan diese Frau zu besitzen, sie zu küssen, sie zu lieben. Aber er wollte diese Freundschaft nicht zerstören. In seinen Jugendlichen Augen, war es eine Freundschaft auf höherem Niveau gewesen, irgendwie etwas, nun ja Geistliches.
Und in seiner Verzweiflung, die eine Frau, die er sein Leben lang kannte, die all ihre Verhaltensweisen kannte, suchte er sich andere Frauen. Als er diesen dummen Entschluss fest legte, war er sechzehn Jahre alt gewesen, er hatte das Abschlussjahr an seiner Schule erreicht.
Und erst, als er mit sämtlichen Mädchen schlief, dass Schuljahr sich dem Ende neigte, wurde ihm klar, dass er so die Freundschaft verloren hatte.
Von Woche zu Woche, hatten sie sich nichts mehr zu sagen. Maria lernte weiterhin wie Jemand der nichts anderes kannte und er vertat seine Zukunft, in dem er zu den ‚Angesagten der Schule‘ aufstieg und sich aus Marias Verhalten nichts machte. Erst später wurde ihm klar, dass er nicht Erselber war. Als er wieder mit dem Mädchen, welches als Streber galt, in Kontakt treten wollte, hielten ihn seine ‚Freunde‘ davon ab. Sie habe keine Ahnung von Spaß, würde ihn nicht verstehen. Dabei war sie die Einzige gewesen die ihn immer verstand und das ohne auch nur ein Wort mit ihm zu wechseln.
Phil ließ von Maria ab, ließ sie ihres stillen Weges gehen, sah zu wie sie Klassenbeste wurde und bekam am Rande mit wie seine Noten, die stets durch die Hilfe Marias, immer schlechter wurden.
Wie ein kleiner Fisch der sein Lebensende hervor sah, schwebte er dem Fluss einfach entlang. Er machte seine Augen nicht auf, wollte nicht wissen was um ihn herum geschah. Ab und zu, entschied er sich doch etwas zu tun, doch seine Freude daran, etwas zu erreichen, hatte ihn völlig verlassen. All seine Mühen, Maria ein vorbildlicher Kumpel zu sein, ihr auch einmal in der Schule helfen zu können, versanken in dem Strom der Gesellschaft dazu zu gehören.
Und der Abschlussball.
Ja er erinnerte sich noch genau daran. Phil war noch lange nicht der schlechteste Schüler gewesen, gehörte einfach nur zu dem Mittelding.
Er bekam das Gefühl, einfach nirgendwo dazu zu gehören.
Dann hatte er sie gesehen, Maria, wie sie durch die Tür der Sporthalle getreten war, mit einem Himmelblauen Kleid, ihre Haare hatte sie offen getragen –nicht sonst zu einem strengen Pferdeschwanz zusammen gebunden-, sie sah so umwerfend aus, dass es ihm fast weh tat wie sie mit einem Kerl nach dem Anderen tanzte. Selbst seine Freunde, die sie als Streberin beschimpft hatten, prügelten sich um einen Tanz mit ihr.
Phil hatte sich irgendwann dazu bewegen können, sie zu einem Tanz auf zu fordern.
Noch heute konnte er sich genau an ihre Bewegungen erinnern, sie waren so fordernd und elegant, ihre Arme hatten sie wie sanfte Seidentücher um seinen Hals gelegt.
Und dann, dann ging sie auf eine Weiterführendeschule, besuchte danach die Universität, der Kontakt brach ab. Phil, dessen Noten nicht ausgereicht hatten um weiter in die Schule zu gehen, suchte sich eine Ausbildungsstelle als ein Handwerker.
Tja, jetzt, jetzt verbrachte der Achtundzwanzigjährige damit irgendwelche Stühle und Tische zusammen zu schreinern und Kunden zu beraten welches Holz am stabilsten war. Maria und er hatten sich vorgenommen beide Lehrer zu werden, an der gleichen Schule. Sie hatten ihren Teil der Abmachung eingelöst, er hatte versagt.
Er hatte in seinem ganzen Leben versagt.
Und heute hatte er sie gesehen. Er wusste selbst jetzt nicht, als er mit seinem Auto Micky nach Hause fuhr, ob er wütend auf Maria sein , oder ihr tausend Liebesgeständnisse an den Kopf werfen sollte. Sie hatte geheiratet, sie hatte ihn vergessen. Maria hatte nie einen Gedanken an ihn verschwendet. Während er, Tag und Nacht an sie dachte. Es war zum Verfluchen. Lucy, sie war die Tochter Marias. Verdammt, er wusste nicht wie er auf diese Situation reagieren sollte.
Ein lautes Seufzen entwich seiner zugeschnürten Kehle. Seine blauen Augen schimmerten glasig, die leichten Augenringe, die sich im Verlauf des anstrengenden Tages gebildet hatten, wirkten nur noch tiefer und schwerer. Wie ein fern gesteuerter Roboter fuhr er durch die Straßen und blickte mit einem starren Blick auf diese, nicht fähig auf die vielen Fragen Mickys zu antworten.
Seine gesamte Jugend zog vor seinem Innerenauge vorbei.
„Das darf doch nicht war sein!“
Einige lockige Strähnen hingen in Marias verschwitzter Stirn, Schweißtropfen liefen ihre geröteten Wangen herrunter als sie sich durch die verstaubten Kartons und Komoden kämpfte. Maria krabbelte auf dem stickigen Dachboden rum, in der Hoffnung den einen Karton zu finden, in der ihre Tage- und Jahresbücher verstaut waren. In der ihre gesamte Jugend steckte. Von der fünften Klasse bis hin zu ihrem Abschluss.
„Schatz? Was suchst du dort oben?“, fragte eine tiefe, treue Stimme.
George, der liebe George, wenn er wüsste weswegen sie so aus dem Häusschen war, würde er sie für ein krankes Highschoolmädchen halten. „Ich suche ehm, Erinnerungen aus meiner Jugend.“, meinte sie und log dabei noch nicht mal. „Erinnerungen sind wichtig, ich mach das Essen, halte dich aber nicht zu lange da oben auf.“, rief er und in seiner Stimme, hörte sie deutlich herraus das ein amüsiertes Schmunzeln auf seinen Lippen abgebildet war. George mit seinen schwarzen Haaren und den braunen Augen, die sie immer voller Liebe angesehen hatten, sie war so dankbar jeden Abend in seinen Armen einschlafen zu können, dass es ihr weh tat, ihn wegen irgendeinen Phil zu versetzen.
Aber sie wollte, sie musste, herraus finden, welche Rolle dieser Kerl in ihrem Leben gespielt hatte, warum sie ihn vergessen hatte, obwohl es für ihn ausgesehen habe als hatten sie eine enge Beziehung gehabt.
Der Lockenschopf schob einen großen hochkantigen Karton beiseite, sie bekam Sicht auf einen etwas Kleineren, mit darauf gemalten Blumen und drangeklebten Bändchen. Das war er, sie hatte ihn extra so verziert um ihn sofort erkennen zu können. Erschöpft kroch Maria über den staubigen Boden auf den Karton zu. Zufrieden, dieses Kistchen des Wunders endlich gefunden zu haben, zog sie ihn etwas nach vorn zu sich und öffnete ihn gierig. Wie Jemand der seit Tagen nichts gegessen und nun endlich etwas Essbares gefunden hatte.
Einige rosane Bücher, unter ihnen waren auch schwarze oder welche mit einem Einband auf dem Muscheln abgebildet waren, stachen ihr in die Augen. Auf den Büchern waren Jahreszahlen mit einem Edding aufgeschrieben. Also suchte Maria das Tagebuch ihres Abschlussjahres. Es war ein Büchlein auf dem eine Stoffblume drauf geklebt worden war, als Maria das Buch durchblätterte, fiel ihr auf, das es nicht vollends voll geschrieben wurde.
‚Heute war mein Abschlussball gewesen. Ich habe ihn gesehen. Er hatte einen samtig schwarzen Anzug getragen, sah so wunderschön aus. In dem Licht wirkte er wie ein Engel, sein Blick hatte genau meinen getroffen. Doch schon am Anfang des Abends, hatte ich gewusst, dass einfach nichts passieren wurde.
Phil und ich...‘
Maria hörte auf zu lesen, sie lehnte sich gegen die kleine weiße Komode, die vor ein paar Jahren noch in ihrer kleinen Wohnung gestanden hatte. Diese Komode, fand sich sogar in einigen Fotos ihres Jugendzimmers bei ihren Eltern wieder, es war eben ein Schränckchen mit Geschichte.
‚Phil und ich hatten einmal getanzt. Er konnte so unheimlich toll tanzen, am liebsten wäre für mich dieser Abend nie zu Ende gegangen. Es war das letzte Mal, das wir etwas zusammen getan haben. Sein Abschied von mir, war ein Kuss auf die Wange. Ein Kuss auf die Wange, das war das Einzige was ich je von ihm bekommen habe...‘
Marias Hand fuhr auf ihre rechte Wange, diese hatte plötzlich angefangen zu kribbeln. Ihre Fingerspitzen, welche sich mit einem mal abgekühlten, fuhren ihre Wangen herab. Maria glaubte die weichen Lippen Phils auf ihrer Wange zu spüren, diese geschwungenen Lippen mit dem markanten Kinn, dem kleinen Grübchen an seiner Wange. Ja plötzlich konnte sie sich sogar an dem kleinen Leberfleck neben seinem Ohr erinnern, an seiner Narbe, die er durch einen Unfall mit einer Glasscheibe, am rechten Bein trug, seine Augenbrauen die sich, wenn er anfing zu Lachen, immer in die Höhen zogen.
Aber was war passiert? Was war passiert, das es ihr Gehirn so sehr versuchte zu verdrängen, das ihr Körper sich wie eine Blockade gegen das Wissen, was passiert war, wehrte. Warum hatte sie es verdrängt?
Hastig legte sie das Buch in den Karton und suchte nach früheren Einträgen. In welcher Jahrgangsstufe fing es an, das mit Phil? Irgendetwas war mit ihnen passiert, vielleicht war ihr Verhältnis nicht immer so gewesen.
Mit irren Augen, die hin und her huschten, riss sie alle Tagebücher aus dem Karton. Legte sie vor ihr in eine Reihe und fing an, jedes einzelne Tagebuch zu lesen.
Maria war von der fünften Klasse her, immer mit Phil zusammen gewesen, sie waren wie Pech und Schwefel, wie Wasser und Blumen. Sie konnten sich gegenseitig aufeinander verlassen, zwischen ihnen war stets ein Band des Vertrauens gewesen. Diese kindliche, aber doch recht reife, Freundschaft, wuchs mit der Zeit immer weiter. Maria hing an ihm und Phil hing an ihr. Beide waren von einander abhängig. Maria lernte die witzigen Seiten des Lebens kennen und Phil die Ernsten und wichtigen, sie ergänzten sich so gut, dass es irgendwann einmal dazu kam, dass sich Maria in ihn verliebte. Sie merkte wie Phil sich von ihr abwand, lieber ein anderes Leben, ohne zu viel Ernst, leben wollte. Diese vielen Mädchen mit denen er auf dem Schulhof rumknutschte, rissen ihr jedes Mal das Herz raus, während sie, irgendwie Phil noch immer treu, in ihrer ganzen Schulzeit, keinen einzigen Freund gehabt hatte. Die Beweggründe Phils, ihre Gefühle, die sich selbst ein Jahr nach der Schulzeit nicht veränderten, hatte sie nie verstanden.
Maria klappte ihr letztes Tagebuch, welches sie durchforstet hatte durch, Die Stimme Georges, die sie zum Essen herunter rief, vernahm sie nur wie wie ein leises Rauschen. Ihre Ohren dröhnten, sie hörte die lachenden Stimmen von ihrem kindlichen Ich und dem kindlichen Phil, die Themen, über die sie sich Jahre lang unterhaltern hatten.
Maria presste ihre Handflächen auf ihre Ohrmuscheln, in der Hoffnung das dieses Dröhnen endlich aufhörte. Ihr Kopf, senkte sich auf ihre Knie. Irgendwie, hatte Maria einfach keinen Hunger mehr...
.:Kapitel 2:.
->Fortsetzung folgt<-
Tag der Veröffentlichung: 12.11.2010
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Ich widme dieses Buch, meinem besten und treusten Freund. Der mich stets durch die dunkelsten Zeiten gebracht hat.
Darauf, dass ich Ihn hoffentlich niemals verlieren werde.
Philipp.