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Hey Lucy,
ich weiß noch wie du heißt.




Heute stand ich an deinem Grab. Meine Hand war über den kalten Grabstein gefahren.
Ich wusste nicht wie ich die geschehen Dinge je wieder gut machen konnte. Ein riesiger, schwarzer Graben war nun zwischen uns. Die Dinge die mein Dad mir jeden Tag versucht hatte ein zu trichtern, was es mit großen Streiten auf sich hatte, wurden mir irgendwie immer klarer. In einem Streit auseinander zu gehen und sich danach nie wieder zu sehen war das schlimmste was einem Menschen passieren konnte, das waren die Worte meines Alten wenn ich und mein Bruder uns schlugen.
Erst jetzt wurde mir klar wie Recht er mit diesen täglichen Weisheiten hatte.
Zittrig fährt mein Zeigefinger die eingemeißelten Buchstaben deines Namens nach. ‚L u c y‘. Meine Lippen, die von der kälte eine leicht bläuliche Farbe angenommen hatten, formten die Buchstaben deines Namens langsam nach. Als dann endlich dieses Wort, dieser Name, meine zugeschnürte Kehle hochkroch erschrack ich mich von meiner Selbst. Meine Stimme klang gebrochen, sie war zittrig und kaum wieder zu erkennen.
Wenn ich genau darüber nachdachte, es gab noch so vieles was ich dir erzählen wollte. Dinge die ich klarstellen wollte. Sachen die ich dir nie sagen konnte. Wie lange war es her seit ich dich das letzte mal sah?
Waren es zwei, drei Jahre?
Ich vermisse dein Lächeln. Deine atemberaubende Ausstrahlung. Ich vermisse deine Stimme, deine kristallklaren Augen. Deine Art, wie du dich bewegst.
Ich weiß noch ganz genau wie wir uns kennen lernten. Du hattest ein schwarzes Kleid angehabt, was deine schlanke Figur sehr gut betonte. Mit einer selbstbewussten Austrahlung und einem Gang den ich noch nie so attraktiv an einer Frau gefunden hatte wie an dir, kamst du auf mich zu. Du zeigtest einer deiner wundervollen Lächeln, dann hast du dich neben mich an die Bar gesetzt und ein Bier bestellt. Ich musste leicht anfangen zu lachen als ich bemerkte das du das selbe besetellt hast wie ich. Es war komisch warum ich genau deswegen anfing zu lächeln, denn es gab doch mit Sicherheit viele andere Frauen die genau dieses Bier bestellten wie ich, aber dies war der Grund warum wir uns kennen lernten.
Meine Hand verkrampft sich um den Rosenstrauß welchen ich für dich mitgebracht hatte. Die kleinen, noch so unschuldig wirkenden Dornen der Rosen, pieksen in meine Handfläche. Ich spühre nichts mehr. Wie gebannt starre ich auf deinen Grabstein. Die Hand, mit der ich zuvor deinen Namen nachgefahren hatte, nehme ich langsam zurück und unterdrücke das Gefühl auf die Knie zu fallen und zu weinen.
Sicher wäre es eine Genugtuung für dich wenn ich jetzt anfange zu weinen. Sicher glaubst du, ich stehe nur hier an deinem Grab, weil ich deinen Namen vergessen und deswegen ein schlechtes Gewissen hatte. Nein, ich weiß noch wie du heißt. Dein Name brannte sich mit unserem ersten Treffen in mein Herz, in meine Seele. Ich konnte dich in all den Jahren nie vergessen, auch wenn dieser Streit eine riesige Mauer zwischen uns gebaut hatte. Heute weiß ich nicht mehr worum es in diesem Streit ging, aber eines ist mir in dieser Zeit sicher klar geworden, könnte ich die Zeit zurück drehen, würde ich alles anders machen.
Waren es nicht Gedanken die jedem Mann, oder auch Frau, durch den Kopf gingen wenn sie Jemanden verloren hatten? Ehrlich gesagt wusste ich es nicht, ich fühlte mich mit meinen Gefühlen und Gedanken allein gelassen. Es gab keine Lucy die jetzt da war um mir zu helfen. Es gab keine Lucy die mir half meine Gefühle zu ordnen. Warum fühlte gerade ich mich verletzt? Eigentlich müsstest du diejenige sein, die sich verletzt gefühlt haben muss. Sicher gab es eine Zeit in der du dies tatest. Aber wie lange war das wohl wieder her?
Langsam lege ich die Rosen auf dein Grab. Viele Blumen liegen dort. Weiße Lilien, Mageriten und ein kleiner Blumentopf mit einer mir unbekannten Pflanze. Mir fällt auf das sie schon langsam anfangen zu welken. Diese Atmosphäre bedrückt mich. „Alles was ich dir nun noch geben kann sind diese roten Rosen.
Und die helfen mir nicht irgendetwas wieder gut zu machen.“, murmelte ich und ein kleines, schuldbewusstes Lächeln bildete sich auf meinen schmalen Lippen.
Es ist vorbei. Ich werde dich nie wieder in meinen Armen halten können. Ich habe keine Chance mehr dir zu sagen wie sehr es mir Leid tut. Das einzigste was ich nun noch tun konnte, war hier an deinem Grab zu stehen und mir Vorwürfe zu machen, aber auch das ist keine Entschuldigung.
Vielleicht ist es für dich eine Entschuldigung wenn ich dir sagen würde, das ich es nicht schaffe mit mir klar zu kommen. In den Monaten nach deinem Tod, sah ich mich als eine Art Monster. Ich blickte in den Spiegel und in meinen Gedanken schwirrte nur ein einziegs Wort herrum ‚Mörder‘. Ja, ich gebe mir die Schuld an deinem Tod, obwohl dieser Unfall drei Jahre nach unserem Streit passierte. Aber, hätten wir uns nie gestritten, wärst du nicht mit diesem anderen Mann zusammen gekommen, dann wärst du nicht mit ihm in diesem Auto mit gefahren, wärst nicht gegen einen Lastfahren gefahren weil der Mann betrunken war, du würdest noch leben...
Hätte ich die Chance, würde ich alles von neu starten. Wie eine CD die man sich schon so oft angehört hat und sie dennoch immer wieder von neu startet und dabei die Reihenfolge der Lieder immer anders hört. Wie ein Kartenspiel das man so oft gespielt hat und obwohl man immer verliert, startet man einfach von neu.
Ja, ich würde mein Leben gerne von neu starten, ich würde dieses Kartenspiel nicht verlieren.
Aber es gab ein anderes Leben, ein Leben im Himmel, in dem ich deine Hand halten konnte. Ich wusste ich konnte alles wieder gut machen, dir zeigen das ich diese Worte die ich dir an den Kopf geworfen hatte nicht ernst gemeint hatte. Ich konnte all diese Unklarheiten rein waschen, ich wollte das du in meinen Armen liegst und mir verzeihst. Aber vielleicht war dies auch eine zu hohe Anforderung an dich.
Ich spühre wie ich anfange zu weinen. Wie Tränen meine Wange hinterlaufen und obwohl sie noch so heiß sind, sie erkalten sofort in dem kalten Wintertag. Ich wollte es nicht wahr haben das ich anfing zu weinen.
Aber zeigte Verletzlichkeit nicht gerade das man eigentlich Stark war? Zeigten traurige Gefühle nicht eigentlich das was man für einen Menschen wirklich empfand?
„Es tut mir so Leid. Es tut mir Leid, es tut mir Leid.“, sagte ich als ob ich einen Zauberspruch tausendmal wiederholen musste damit er auch wirklich Wirkung zeigte. Meine Knie fingen an nach zu lassen und zum ersten mal in meinem Leben zeige ich das ich um Vergebung bitte. Um eine zweite Chance, die ich nicht mehr in diesem Leben bekommen würde. Meine Hände umgreifen deinen Grabstein aus kaltem Mamor und mein Kopf sinkt gegen deinen eingemeißelten Namen.
„Hey Lucy, ich weiß noch wie du heißt.“, murmelte ich und ein verbittertes Lächeln schlich sich auf meinen Namen. Sie sollte ja auf keinen Fall denken das ich ihn in den Jahren vergessen hatte, sie sollte nicht denken das ich sie vergessen hatte.
Obwohl ihr Name auf diesem Stein eingemeißelt war. Obwohl vor paar Monaten hunderte Menschen hier standen um ihren Namen zu denken.
Und obwohl ich einen Brief von deiner Mutter bekommen hatte in dem stand das du nicht mehr hier wärst. Das du nun deine Ruhe suchen würdest.
Aber ich war mir sicher, ich würde meine Ruhe in diesem jetzigen Leben, nicht mehr finden, nicht mehr mit dir und auch nicht ohne dich.

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Tag der Veröffentlichung: 21.05.2010

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