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Der Beginn einer Geschichte

Das ist meine Geschichte, die Geschichte von Madylin Joanne Lawrence, oder auch kurz Maddy. Sie begann im Jahre 1892 mit meiner Geburt im St. Pauls Hostipal.Meine Mutter sagte, es sei ein stürmischer Tag gewesen. Sie konnte sich noch genau an die klappernden Fensterläden im Krankenhaus und an das Laub, welches draußen durch Nacht wirbelte, erinnen. Es war die Nacht vom 18 zum 19 November, die den Anfang von meiner unglaublichen Geschichte bedeuten sollte.Nach stundenlangen Schreien meiner Mutter, kam ich endlich auf die Welt. Doch das Schicksal hielt nicht das für sie bereit, was sie sich erhofft hatte. Die Familie hatte sich einen gesunden Jungen erhofft, welcher die Firma und das Anwesend später erben und weiterführen sollte. Ich war jedoch genau das Gegenteil- ein Mädchen.Die späteren Jahre bekam ich an jeden nur bietenden Moment, genau das vorgehalten.Besonders schlimm war mein Vater, der kaum ein Wort mit mir wechselte und meine Großeltern, die mir jedes Jahr vorhielten, ein Junge könnte sie viel besser unterstützen.Zum Glück hielt meine Mutter zu mir und so überstand ich die ersten Jahre, meines noch so jungen Lebens. Doch wieder einmal hielt das Schicksal nichts Erfreuliches bereit.

 

Es war ein später Sommernachmittag im Jahre 1899 und es wehte eine kühle Brise, durch die grüne Wiese, hinter dem Grundstück. Ich saß verträumt im Graß und beobachte das Vorbeiziehen der Wolken. In mein Blickfeld trat ein Vogel. Er war riesig und lenkte meine gesamte Aufmerksamkeit auf sich. Völlig hingerissen von diesem Tier folgte ich ihm über die Felder, weiter bis zur Straße. Dort senkte ich meine Blick. Meine Mutter hatte mich ständig gewarnt, nicht weiter als bis zu dieser Kante zugehen und bis jetzt stand ich auch nicht unter dieser Versuchung, doch die Straße lag ruhig vor mir und der Vogel würde schon bald aus meinem Blickfeld verschwunden sein. So entschloss ich mich mutig weiter zu laufen. Ich setzte den ersten Fuß auf die Kieselstraße, dann noch einen Zweiten. Nun stand ich ganz auf der Straße. Suchend blickte ich mich nach dem Vogel um, doch ich konnte ihn nicht entdecken. Ich sah wieder nach unten. Vor mir erschien ein Auto, mit rasender Geschwindigkeit. Völlig geschockt blieb ich stehen. Der Wagen hupte noch einmal laut, bis mir bewusst wurde, das ich mich in Bewegung setzten muss. Ich machte einen Satz nach rechts, zurück auf den Bürgersteig. Der Wagen, so wie der Vogel waren verschwunden. Mit viel zu hohen Puls sah ich in Richtung Himmel. Die Sonne begann hinter dem Wald schon langsam unterzugehen. Ich beschloss nach Hause zu gehen. Ich ging meinen gewohnten Weg, durch die Blumenallee, vorbei an Mrs. Gilberts Haus und ihrem kleinen dazu gehörigen Garten, man traf sie oft arbeitend an ihrem Grundstück an, doch heute konnte ich sie nicht sehen. Ich lief den Weg, weiter entlang bis ich mein Haus erreicht hatte. Mein Vater saß wartet auf der Veranda. Als ich näher kam begann er zusprechen:

„ Wo warst du so lange? Deine Mutter hat sich Sorgen gemacht.“

Ich antwortete:

„ Ich war im Garten und dort habe ich dann diesen großen Vogel entdeckt und bin ihm gefolgt.“ Das mit der Straße behielt ich lieber für mich, da ich die Situation nicht unnötig verschlimmern wollte.

„ Einem Vogel? Kind was soll nur aus dir werden, immer nur am träumen. Vielleicht sollten wir dich langsam in die Schule schicken, damit wir vielleicht doch noch was mit dir anfangen können. Mach das du auf dein Zimmer kommst, es ist spät.“Ich lief mit gesenkten Blick die Stufen hinauf zum Haus hoch, um die Tränen zu verbergen, die mir über das Gesicht liefen. Als ich die letzte Stufe jedoch erklimmen wollte, gaben meine Beine nach und ich fiel mit immer noch tränenfeuchten auf den harten Boden zurück. Vater sah zu mir hinab:

„ Was machst du denn für einen Unsinn, mach das du wieder aufstehst!“Ich versuchte mich wieder aufzurichten, doch ich hatte jedes Gefühl in meinen Beinen verloren. Immer mehr Tränen schossen mir ins Gesicht.

„ Es geht, ich kann nicht aufstehen. Ich spüre meine Beine nicht mehr. Sind sie Tot?“, völlig verweint blickte ich ihn an.

„ Red keinen Unsinn. Beine sterben nicht einfach so.“, er lief die Veranda hinunter und zog mich auf meine Beine. Kurz darauf brach ich wieder zusammen. Er brachte mich auf mein Zimmer und verlies dann den Raum um zu telefonieren. Ich sah ihn an diesen Tag kein weiteres Mal. Diesen Tag werde ich wohl nie vergessen, da es der war, an dem ich die Fähigkeit verlor zu Laufen.

 

Das Ende eines Jahres oder der Beginn?

Das buntgefärbte Laub der Bäume war nun fast bis auf das letzte Blatt völlig verschwunden. Der Sommer und der Herbst vergingen wie in Trance, alles ging so schnell vorbei. Alles aber der Schmerz in meinem Herzen nicht. Ich verbrachte die gesamte Zeit im Haus und den einzigen Besuch den ich hatte waren die ständig wechselnden Ärzten und meine Mutter, die mir täglich Hoffnung schenkte.

Mein Vater sah noch nie großes Potential in mir und da ich nun auch nicht mehr laufen konnte, gab mein Vater mich komplett auf. In seinen Augen bin ich schlechtes Heiratsmaterial . Denn ehrlich gesagt, wer möchte schon einen Krüppel als Frau haben?

Meine Mutter sagte immer:

 „Denk nicht an das was dein Vater sagt, es gibt noch Leute dort draußen, die Menschen nach ihrem Herzen und nicht nach dem äußeren Schein beurteilen. Außerdem wer braucht schon Beine, wenn man Fliegen kann?“

Ihrer Meinung nach werde ich mal ein wunderschöner Schwan, der dem ganzen Wirrwarr einfach entflieht und an einen schöneren Ort zum Leben fliegt und dort verweilt. Ich solle aber bloß nicht vergessen ihr zu schreiben. Sonst fühle sie sich zu einsam, ganz ohne mich hat sie niemanden, der sie liebt und so schätzt wie ich.

Sie erzählt mir öfters von ihrer Trauer und einer inneren Leere, die ich damals noch nicht so verstand, wie ich es heute tuen würde. Abends hörte ich sie öfters weinen, aber immer wenn ich sie darauf ansprach stritt sie es ab, oder sagte es wären Tränen der Freude.

Jetzt in diesen Moment sieht sie mich mit diesen Lächeln an, wie sie es immer tut, dass ich nicht anders konnte, als zu Lachen. Ich vergaß für einen Moment meine Sorgen und war glücklich.

 

Es vergingen Wochen und mein Vater schickte jeden Arzt weg, denn sie alle waren der selben Meinung. Es gibt keine Behandlung für mich und ich werde mich wohl oder übel auf ein Leben im Rollstuhl einstellen müssen. Ich hatte mich damit abgefunden, aber mein Vater wollte das nicht einsehen, bis jetzt. 

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Tag der Veröffentlichung: 13.10.2013

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