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Telefon



Ein karger Raum nur durch eine kleine Stehlampe erhellt. Ein Tisch, ein Stuhl und ein Bett waren ihm geblieben. Alle anderen Möbel nach dem Tod der Frau weggeschafft oder zerstört in den Momenten des Zorns und der Wut über den viel zu frühen Verlust. In den einsamsten Stunden ihr Bild in der Hand haltend, um sich an die gemeinsame Zeit zu erinnern. Alt war er geworden, unzufrieden mit dem Lauf der Dinge. Verbittert und mit sich selbst allein gelassen verbrachte er seine Zeit mit dem Blick aus dem Fenster, mit zermürbendem Grübeln und der schmerzhaften Aussicht auf ein Leben in Aussichtslosigkeit. Mürbe nannte er den Zustand in den er sich selbst gebracht hatte und machte dafür die Welt verantwortlich. Es hätte nicht zu sein brauchen, dass er seine Frau verlor. Einen Neuanfang, wie man wohl nun sagte, traute er sich nicht mehr zu und er wollte, dass sich nichts veränderte. Die Veränderungen die sein Leben in neue Bahnen gelenkt hatten waren nicht gut gewesen und so wollte er in der Stellung verharren, in der er sich nun befand. Jede Änderung würde zwangsläufig eine Verschlechterung der Dinge bedeuten. Trübe Gedanken an einem trüben Tag. Es will keine Freude mehr aufkommen, das Leben bot ja auch keinen Grund mehr zur Freude. Der Einkauf, der Zwang sich ernähren zu müssen, die Behördengänge, all die alltäglichen Verrichtungen waren ihm zur lästigen Pflicht geworden und verdrossen ihn von Tag zu Tag mehr. Die Nachbarn mied er ebenso wie alle anderen Leute, die es wagten an seiner Tür zu klopfen. Er mochte sie allesamt einfach nicht sehen. Am schlimmsten waren jene frohgelaunten Menschen, die unter seinem Fenster vorbeigingen und lachten oder einfach spazierten, ihre Hunde auf den Gehweg ihre Geschäfte machen ließen. Er mochte all dies schon lang nicht mehr. Geschmeidig lief der Gurt für den Rollladen durch die kraftlosen Finger. Seine Freunde hat er auch einen nach dem anderen verloren. Sie waren über die Jahre hinweg ein kleiner Trost gewesen, hatten ihn so manche schwierige Zeit überstehen lassen. Er saß auf dem Stuhl, das Adressbuch in der Hand. Auf dem Einband standen der Name seiner Frau, den er durchgestrichen hatte, sowie sein eigener. Darunter Adresse und Telefonnummer. In dem Adressbuch standen die Namen der Freunde alphabetisch sortiert. Und auch diese Namen waren durchgestrichen. Auch seine Freunde hatten ihn im Laufe der Zeit verlassen. Sei es durch Tod oder Wegzug in eine andere Stadt. Oder einfaches Vergessen. Es war ihm nichts mehr geblieben. Nur dieses Büchlein mit den durchstrichenen Namen. Er klappte es zu, nahm einen Stift in die zittrige Hand und dann strich er ganz in Gedanken seinen eigenen Namen auf dem Einband, der unter dem der so schmerzlich vermissten Frau stand, ebenfalls aus.
Langsam, ganz langsam dämmerte es ihm, dass die Schusseligkeit leise zwar doch unüberhörbar an seine Türe klopfte nun. Er würde sie herein lassen müssen.
Ganz sicher.

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Texte: Alle Rechte liegen bei der Autorin
Tag der Veröffentlichung: 04.12.2011

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