Die Nacht ist bitterkalt. Millionen von Sternen funkeln am Winterhimmel um die Wette und der leuchtende Mond lacht auf die weisse Landschaft unter sich. Es hat den ganzen Tag geschneit.
Jetzt in der Nacht funkelt der Wald und der Hügel, wie ein grosser Eiskristall.
Im Bauernhaus auf dem Hügel ist alles ruhig. Alle schlafen tief und fest. Vor dem Haus steht ein grosser Schneemann. Kinder, die im Bauernhaus wohnen, haben ihn gebaut.
Seine Hände und Arme sind aus zwei kleinen Stöcken. Eine schmale, lange Karotte mitten im Gesicht, ist seine Nase. Drei Steine bilden die Augen und den Mund. Kohle-Stückchen zieren seinen Bauch. Sogar einen Hut hat er bekommen.
Neben dem Schneemann steht ein Schlitten, den die Kinder vergessen haben.
Aus der Ferne schlagen die Kirchenglocken im Dorf zwölf Mal.
Beim letzten Schlag verändert sich der Himmel über dem Bauernhaus.
Erst rot, dann blau, gelb und zum Schluss grün.
Über dem Hügel schimmert ein farbenfroher Regenbogen.
Aus dem Wald hoppelt ein kleiner Schneehase auf den Schneemann zu. Er rennt ein paar Mal um ihn herum. Dann bleibt er stehen und schaut neugierig hinauf zu dem Regenbogen.
„Ohh, dat it aber tön. Tade dat der Neemann dat nicht tehen kann. Der it ja ganz teif gefroren. It dat blöd wenn man die ganze Zeit hier tehen mut und tich nicht bewegen kann. Neemann, du tut mir leid,“ und klopft mit seiner Pfote auf den Bauch des weissen Mannes.
Plötzlich schüttelt sich der rechte Zweig am Schneemann.
Erschrocken hüpft der Hase zurück.
„He! Wat it dat? Et geht doch gar kein Wind!“ Der kleine Hase schaut sich ängstlich um.
Da, schon wieder! Ganz sachte schüttelt sich der Zweig. Jetzt bewegt sich auch der Linke. Die Arme bewegen sich auf und ab.
Da! Jetzt wackelt der Kopf. Der Schneemann öffnet seine beiden Stein-Augen. Er blinzelt und sein Mund beginnt zu lachen!
„Juhuui! Es hat geklappt! Ich lebe!“
Der kleine Hase setzt sich vor lauter Schreck in den Schnee.
„Aber sicher lebst du!“ Ruft ihm der Mond zu.
Das Häschen, immer noch stumm, schaut zwischen dem Schneemann und dem Mond hin und her.
„Du kannst deinen Mund wieder zumachen, Häschen.
Und schau nicht so verschreckt, ich tue dir nichts,“ beruhigt der Schneemann das Tierchen und zwinkert ihm zu.
„A..... ber, ab....... er, wie kannt du reden?“ Stottert der kleine Schneehase.
„Nach Mitternacht, in der Regenbogen-Nacht werden alle Schneemänner, Schneefrauen und Schneekinder zum Leben erweckt,“ erklärt Vater Mond dem überraschtem Häschen.
„Ja, die anderen im Schneemann-Land haben mir davon erzählt!“ sagt der Schneemann und schliddert vorsichtig über den Schnee.
„Dann werden alle Neemänner überall um Mitternacht lebendig? Warum habe ich dat noch nie getehen,“ wundert sich das Häschen.
„Aber Häschen, wie alt bist du?“ Der Mond schaut den Hasen wissend an.
„Ich werde im März ein Jahr alt,“ es streckt eine Kralle an seiner Pfote in die Höhe.
Der Schneemann lacht: „Na also, dann kannst du es ja noch gar nie gesehen haben. Die Regenbogen-Nacht gibt es nur in der Adventszeit.“
„Ach to! Dann toll mir Mami morgen von den anderen Neemännern erzählen.“
„Trau dich ruhig! Dir passiert nichts!“ Vater Mond nickt dem Schneemann zu der vorsichtig abwechselnd nach vorne und hinten rutscht.
Das Schneehäschen hüpft aufgeregt auf und ab.
Es hat jetzt gar keine Angst mehr. „Du kannt dich an mir fethalten,“ bietet es grosszügig an.
Vater Mond und der Schneemann müssen lachen. Nicht nur, das der Hase viel kleiner ist als der Schneemann, auch sein Sprachfehler ist so lustig und süss.
„Aber sicher doch, Danke.“
„Wat? - Warum lacht ihr? - Ich bin tark!“ Und zum Beweis, zeigt es seine starken Oberarme.
Schon zweimal sind die beiden um das Haus geschliddert. Immer schneller und schneller. Vater Mond hat ihnen den Weg geleuchtet.
„Buhh! - Einen Moment - ich brauche eine Pause!“ schnauft der Schneemann. Er lässt sich nach hinten plumpsen und landet auf dem Schlitten. Dieser rutscht unter ihm weg und er fällt rücklings in den Schnee.
„Huch, was ist denn das?“
„Haha, hihi, haha!“ Der kleine Hase hält sich den Bauch vor Lachen.
„Dat it ein Litten!“
Der Schneemann ist ganz erstaunt und schaut Vater Mond fragend an.
„Das Häschen meint, das sei ein Schlitten. Die Sonne erzählt lustige Geschichten von Kindern die Schlitten fahren. Es muss viel Spass machen,“ lacht der Mond.
„Das will ich auch versuchen,“ meint der Schneemann und steigt auf den Schlitten.
Nach ein paar Minuten, in denen gar nichts passiert, ruft er ungeduldig: „Da passiert ja gar nichts! Was soll daran lustig sein?“
Er wirft einen ärgerlichen Blick auf das Häschen, das sich inzwischen nicht mehr auf seinen Beinen halten kann und sich im Schnee kugelt vor Lachen.
Auch Vater Mond schmunzelt: „Aber Schneemann, du musst den Berg hinunter fahren. Ein Schlitten fährt doch nur bergab!“
„Woher soll ich das wissen. Das müsst ihr mir doch sagen.“ Brummelnd steigt er vom Schlitten und zieht den Schlitten zur Hügelkuppe. „So! Und jetzt?“
Der Mond schüttelt sich: „Ich glaube du solltest das lieber lassen.“
„Warum?“
„Du hast keine Beine und Füsse,“ erinnert ihn der Mond.
„Na und?“ Der Schneemann wird ungeduldig.
Vater Mond wünscht sich jetzt, er hätte lieber nicht gesagt, dass Schlitten fahren lustig ist.
„Die Kinder lenken und bremsen mit den Füssen.“
Der Schneemann schaut den Hügel hinunter.
„Aha, es ist nicht steil und es steht auch kein Baum in der Nähe. Also fahre ich schön geradeaus.“
Bevor der Mond noch etwas erwidern kann, steht der weisse Mann schon auf dem Schlitten.
„Los Häschen, schieb mich ein bisschen nach vorne!“
Das Häschen, jetzt doch unsicher geworden, schaut zum Mond.
Dieser schüttelt wieder den Kopf.
„Lat et lieber tein, et itt zu gefährlich.“ Versucht das Häschen den Mond zu überreden.
„Ihr seit Angsthasen! Dann mach ich es halt selber.“ Er bewegt seinen Körper nach vorne und nach hinten. So rutscht der Schlitten langsam über die Hügelkuppe.
„Juhuui! Jauchz! Das ist herrlich! Juhuuuiiiii!“
Der Schlitten wird schneller und immer schneller! Aber - irgendwie fährt er nicht mehr geradeaus!
„Oh! - Oh das geht nicht gut aus. - Achtung Schneemann! - Breemseeen!“ schreit der Mond!
Das Häschen macht die Augen zu.
„Ich kann gar nicht hindehen. Der Neemann it nachher dicher nur noch eine Neekugel.“
Es hört den Hilfeschrei vom Schneemann und hält sich die Ohren zu.
„Hilfe! So helft mir doch!“
Dann ist es plötzlich ganz still.
Kein Schürfen vom Schlitten über den Schnee ist zu hören - und auch kein Laut mehr vom Schneemann.
Vorsichtig öffnet das Häschen erst ein Auge, dann das Zweite. Es befürchtet das Schlimmste. Doch was ist das? Neben ihm steht der Schlitten und der Schneemann immer noch unversehrt obenauf. Beide sind heil geblieben.
„Hallo Neemann? - Hey! Wie kommt du mit dem Litten hierhin?“
„Was - Wo - Wie? Was ist passiert?“ Wie aus Trance schreckt der Schneemann auf.
Ungläubig schaut er an sich herunter.
„Ich bin noch ganz! Ich bin noch ein Schneemann!“
Vorsichtig steigt er vom Schlitten.
„Danke Vater Mond, dass du mir geholfen hast!“
„Ich war das nicht. Vor Schreck habe ich meine Augen geschlossen und als ich sie wieder öffnete warst du hier oben vor dem Haus.“ Vater Mond schüttelt ungläubig den Kopf.
Das Häschen zuckt mit den Schultern.
„Ich weit auch nicht wat patiert it. Meine Augen und Ohren hatte ich fet getloten.“
„Ja, aber, wer hat mich dann gerettet?“ Der Schneemann schaut sich um.
Da hören sie plötzlich von weitem ein tiefes: „Ho, Ho,Ho!“ und Glöckchen die hell klingen.
Ein silbriger Nebelstreifen zieht über den Nachthimmel und verschwindet wieder in der Ferne.
„Ähm, habt ihr dat auch getehen?“ Mit glänzenden Augen schaut das Häschen weiter zum Himmel.
„Ja! Glaubst du auch, dass ER dich gerettet hat?“ Vater Mond schaut den Schneemann an.
Dieser nickt nur, dann hebt er seine kurzen Arme und winkt in den leeren Nachthimmel hinauf: „Danke! Danke vielmals! In Zukunft werde ich besser aufpassen! Versprochen!“
Und leise zu sich selbst: “Schöne Weihnachten.“
Millionen von Sternen leuchten auf einmal noch ein bisschen heller als zuvor.
Was glaubt ihr, wer hat den Schneemann gerettet?
Tag der Veröffentlichung: 30.11.2011
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