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WO, bitte, ist das Pulkautal?
WER kennt schon das Pulkautal?
Man muss auf der Landkarte ganz im Norden von Niederösterreich suchen. Es ist ein sonderbares Tal, es gibt nämlich keine Höhen weit und breit, die das Pulkautal zu einem „wirklichen“ Tal machen würde. Gott hat vergessen, die Landschaft ringsum in 2000m hohe Falten zu legen, die man gemeinhin als Berge bezeichnet. Die Gegend ist aber auch nicht ganz bügelglatt, sie ist sanft zerknittert.
Ein Wanderer der sich ins Pulkautal verirrt, kann sich nicht leicht verirren, denn da und dort wachsen, wenn die Perspektive stimmt, allerhand Kirchtürmchen aus den hügeligen Feldern, die sich dann beim Weitergehen als ausgewachsene Dorfkirchen entpuppen. Man findet hier keine Berghütten, kein Edelweiß, keinen Wildbach, der da rauschen könnte, keine Alm und daher auch keine Sünd`, keine Seilbahnen und im Winter weder Skipisten noch Skihasen.
Feldhasen gibt’s allerdings so zahlreich, wie es dem Ruf der Hasen entspricht. Kurz gesagt, dieses Pulkautal hat auf den ersten Blick nichts als Gegend zu bieten und mag demjenigen, der sich von einer Landschaft Großartigkeiten erwartet, fad erscheinen. Aber gerade weil sich dieses Land nicht gleich jedem öffnet, gibt es hier – von ein paar Radwanderern abgesehen – keinen Tourismus.

Wie gesagt, findet man Rund um das Pulkautal keinen einzigen Berg und was daran ein „Tal“ sein soll, ist also unklar. Vielleicht wäre Pulkaustrand treffender. Viele der, für die Gegend typischen, Weinkeller sind in besten, feinsten und echten Meeressand hinein gebaut.
Vor Urzeiten war hier nämlich das Meer. Warum es dem Meer hier nicht mehr gefallen hat und es sich bis nach Italien zurückzog, weiß man nicht genau. Zurück blieben in Kalkstein verewigte Meerstiere und es kann leicht sein, dass man einen solchen Stein einfach so auf einem Feldweg findet und durch die fossilen Abdrücke Eindrücke aus der Urgeschichte bekommt.
Die Häuser hier, wurden, wie überall in Österreich, aus dem Material gebaut, dass die unmittelbare Natur „hergibt“. Was in Tirol das Holzblockhaus und im Mühlviertel der Granitbauernhof ist, das sind im Pulkautal - nein, nicht gerade der Urzeitmeersand, aber so etwas Ähnliches, nämlich der ungebrannte (!) Lehmziegel, vermischt mit Strohhäcksel. Sowas heißt hier „Quaderstock“ und wurde dann auch mit Lehm verputzt. Solche Quaderstockhäuser sind im Sommer kühl und im Winter auch nicht warm. Heute wird dieses Baumaterial nur mehr von „Gesünder-wohnen-Anhängern“ geschätzt.
Das typische Pulkautaler Bauernhaus ist L-förmig, hat einen idyllischen, kleinen Innenhof und ist in geschlossener Bauweise im Ortsverband gebaut. Es sind Straßendörfer und die hintere Häuserzeile nennt sich „Hintaus“. Hinter dem Hintaus erstrecken sich dazugehörige Felder.
Das Pulkautal ist ein überaus trockener, sonnendurchwärmter Landstrich, allerdings ist es an geschätzten 350 Tagen im Jahr windig – aber die erwähnten Innenhöfe schirmen den Wind meist recht gut ab - und es gibt äußerst wenig Niederschlag. Saftige Wiesen und Wälder wird man daher vergeblich suchen.
Trotzdem ist es nicht furchtbar, sondern sogar ein sehr fruchtbares Land: Im Frühjahr gibt es viele gelb blühende Rapsfelder. Die ausgedehnten Getreidefelder werden oft schon Mitte Juli erntereif, dann folgen Sonnenblumen und Öldisteln. Im Herbst sind die Winzer mit ihrer Traubenernte an der Reihe und es geht fast so romantisch dabei zu, wie man es in den einschlägigen Fernseh-Serien zu sehen bekommt.
Die einladenden Kellergassen und die mystischen, dunklen Weinkeller gibt es wirklich und Most und Wein fließen zur Lesezeit tatsächlich in Strömen, was die eher verschlossenen Pulkautaler dann ziemlich „aufschließt“.
Sie laden gern zu einer Weinverkostung in ihre Keller ein, wo man in gemütlichen Nischen um einen Tisch bei schummrigen Licht sitzen kann. Die Winzer sind mit gefüllten Weinhebern bewaffnet und lauern darauf, ihren Besuchern stets nachschenken zu können.
Dabei nehmen sie es biblisch: Sie „füllen reichlich den Becher“.
Und wenn der Weinbauer keine leeren Gläser mag und die Gäste keine vollen, dann kann die Verkostung schon recht ausführlich werden und es kommt zu geistreichen Weinkeller-Philosophien. Die Pulkautaler werden nämlich nicht lustig, wenn sie zu viel Wein „verkosten“, sie kommen meist ins Philosophieren, was ihren eher schwermütigen Wesen mehr entspricht.
Sofern alle zu vorgerückter Stunde die Kellertreppe hinauf geschafft haben, wird mit einem riesigen Kellerschlüssel zugesperrt.
Weil Land und Leute so philosophisch sind, zieht es auch so manchen Künstler und alle, die mit diesem Land seelenverwandt sind, in diese Gegend.

Die letzten Feldfrüchte im Jahr sind dann die Kürbisse. Die freundlichen Kugeln kugeln in allen gelb bis rot-Schattierungen auf den herbstlich gewordenen Feldern herum.
Zu dieser Zeit gibt es dann – wegen der fehlenden Möglichkeit eines Almabtriebs, aber genauso stimmungsvoll, mit dieser hintergründig mitschwingenden Melancholie des verlorengegangenen Sommers – die beliebten Kürbisfeste. In den Dörfern sieht man überall ausgehöhlte Kürbisköpfe mit brennenden Kerzen darin, was in den Abendstunden die schon sehr reduzierte Tageslänge heimelig macht. Es ist auch Brauch, ganze Figuren-Gruppen mit Kürbisköpfen und Vogelscheuchen-Gewand aufzustellen, das ist bei Jung und Alt sehr beliebt. Außerdem gibt es auch eine ideenreiche, schmackhafte „Kürbiskulinarik“.

Natürlich braucht jedes Tal auch ein Gewässer. Im Pulkautal ist das die Pulkau und sie entspringt in Pulkau. Ihre Quelle gilt als wundertätig – wahrscheinlich, weil es ein Wunder ist, dass es in dieser regenarmen Gegend überhaupt eine Quelle gibt – und so hat man auch eine kleine Kapelle errichtet.
Die Pulkau wurde in den 60er Jahren zwecks Hochwasserschutz in ein Betonbett gezwängt, denn ihr Benehmen wurde bei heftigen Gewitterregen recht ausufernd und sie konnte durchaus Dörfer überschwemmen. Heute lässt man die Natur wieder näher an sie heran, sodass Notwendigkeit und Natürlichkeit einen guten Kompromiss gefunden haben.

Was auf den Bergen die Gipfelkreuze sind, ist im Pulkautal und überhaupt im Weinvietel der Hl. Nepomuk. Man findet ihn bei fast jeder Brücke, bei jedem noch so kleinen Flüsschen, so häufig, dass es in einem Mundartgedicht aus der Gegend heißt:
„Auf allen Wegn, Stegn, Bruckn,
stengan häuliche Sankt Nepomukn.“

Die Pulkau - und somit auch das Pulkautal - enden nach ca. 50 km, wo sie sich nördlich von Laa, aber noch in Österreich, in der Thaya verliert und bald darauf, sozusagen durch Vermählung, tschechisch wird.


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Tag der Veröffentlichung: 28.01.2009

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