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Was ist nur los mit mir?

Hi, ich bin Lilly. Um es hier mal kurz zu fassen: Ich bin 13 Jahre alt, 1,67m groß und habe rot-blonde Haare die mir inzwischen lockig um die Schultern hängen. Ich bin ganz gut in der Schule, schreibe meistens Zweien oder Einsen, aber auch mal Dreien oder Vieren. Da ich weiß, dass dieses ganze Geblaber euch überhaupt nichts angeht, will ich nur noch sagen, dass ich meine Freundinnen über alles liebe und mich nie im Leben von ihnen trennen könnte. Ihr könnt euch jetzt selber zusammenreimen, warum ich euch das noch mitteilen musste.
Um eine Sache noch klar zu machen - ich werde euch hier hauptsächlich meine Gedanken und Gefühle ausschütten, sowie mein halbes Tagebuch zu veröffentlichen (ja, ich schreibe Tagebuch!!!).


Samstag, 13.3.2003
Liebe Lilly!
Heute bin ich 13 geworden (wie du sicherlich schon weißt, da du tief in mir steckst). Wusstest du wie viel ein Geburtstag verändern kann? Natürlich wusstest du das, da du das Gute in mir bist, auf das ich öfter hören sollte. Auf jeden Fall habe ich heute viel nachgedacht. Ich war mal wieder an meinem Lieblingsplatz, da am Strand, der mit dem weißen Sand und dem türkisen Wasser. Bei dem Rauschen der leichten Wellen, die verzweifelt versuchten immer mehr von dem weichen Sand zu erklimmen, ist mir einiges klar geworden. Ich habe jetzt erst bemerkt, wie ich mich in den letzten Jahren verändert habe. Meine Vergangenheit ist mit jetzt schon fast PEINLICH, und das muss man auch erst mal schaffen. Früher war ich so… so… eben anders. Und jetzt? Was bin ich jetzt? Ein Niemand, der sich an anderen Festklammert und nur durch sie bestehen kann? Bin ich das? Kann ich das Mädchen sein, was ich noch vor ein paar Jahren war? Kann ich das? Bin ich wirklich so? Muss alles so sein, wie es ist? Wann hab ich die Chance, mich und mein Leben zu dem zu machen, was es eigentlich ist? Wann? Jetzt ertönt wieder die Lena-Alice-Stimme: „Gott hat alles so gewollt. Geh deinen Weg, auch wenn du Umwege nehmen musst.“ Wenn ich ehrlich bin, ist das das einzige wirkliche, was mir immer Halt gegeben hat. Und das wird auch immer so bleiben. Irgendwann werde ich alles verstehen. Doch im Moment hab ich nich die Kraft dazu.
Ich hab dich lieb, Lilly. Und euch auch, Lena und Alice. Dafür, dass ihr immer da seid, wenn ich euch brauche.




Ich denke an meine beiden besten Freunde, Lena und Alice, die schon immer so gut und lieb waren wie jetzt. Ich hatte sie schon immer lieb, sie waren schon immer die Besten. Und ich? Was war ich? Ich war nie gut – und ich werde es auch nie sein. Ach, Lena, wo bist du nur! Ich bräuchte deine Aufheiterung, mit der du mich eigentlich immer runter machst. Und Alice, deine Umarmungen, die jeden Schmerz im Keim ersticken. Ich bin am Boden zerstört. Die Lena-Alice-Stimme verkündete mir, dass ich mich nicht im Mitleid suhlen sollte. „Tu ich gar nicht!“ schickte ich ihnen zurück, obwohl ich ganz genau wusste, dass die Beiden Recht hatten. Als ich aus meiner Verzweiflung heraus mich in meinem Bett aufsetzte, um mein Handy oder mein Telefon zu finden, vibrierte es unter meinem Kopfkissen. Schnell krallte ich mir mein Handy, welches unter dem Kissen lag. „1 neue Nachricht – Lena“ Ich öffnete Lenas Sms:

Hi meine Süße! Alles klar bei dir, Lillylein?
Mein Instinkt sagt mir, dass du mal wieder Probleme hast.
Ist alles okay??? Meld dich doch mal bei mir – ich mach mir Sorgen um dich.
Hab dich lieb deine Lenny

Von: Lena
22:13



Es dauerte keine Sekunde bis ich auf „Antworten“ geklickt und Lenas Nummer gewählt hatte.

Bin am Boden zerstört. Hatte gerade vor dich anzurufen.
Bis gleich
Hab dich doch auch lieb deine Lilly

An: Lena
22:14


„Was ist los?“, hallte Lenas besorgte Stimme durch die Leitung. Es tat so gut, jemanden bei sich zu haben.
„Krise“, sagte ich nur.
„Soll ich vorbeikommen? Du weißt ja, meine Tasche ist immer gepackt.“
„Hmm, weiß nicht.“
„Okay, ich komme vorbei. Du hast ein großes Problem, das merke ich. Bis gleich.“
Noch bevor ich etwas erwidern konnte hatte Lena das Gespräch beendet. Sie ist viel zu gut für mich, dachte ich. Sie gibt mir so viel und nimmt nichts zurück. Sie weiß immer, wann ich was oder wen brauche.
Nach fünf Minuten vibrierte mein Handy:

Stehen vor deiner Tür. Können wir reinkommen?

Von: Lena
22:26



Das war typisch Lena. Schon vor langer Zeit hatten sie ihre Schlüssel untereinander ausgetauscht, da sie sich bei Problemen auch noch um ein Uhr morgens trafen, und da nicht unbedingt klingeln wollten. Trotzdem fand Lena es für nötig, immer eine Sms zu simsen, wenn sie da war und rein wollte.

Klar, was denkst du denn?!

An: Lena
22:26



Schon war Lena in der Tür, und sie hatte Alice mitgebracht! Sie kann einfach am besten Gedanken lesen, da sie wusste, dass ich sie und Alice brauche.
Als die beiden sich zu mir auf mein Bett gekuschelt hatten, und ich mich ordentlich ausgeweint hatte, gab ich ihnen wortlos mein Tagebuch. Sie waren die einzigen, mit denen ich all meine Geheimnisse – einbezogen meinem Tagebuch – teilte. Irgendwann brachte ich heraus: „Kann noch nicht drüber reden.“ Alice und Lena nahmen dies einfach hin und hielten mich nur in den Armen, bis Alice, die Vorsorglichste von uns, fragt: „Sollen wir hier übernachten?“ Ich nicke nur stumm, und Alice macht sich daran meine Couch zur Schlafcouch auszuziehen, während Lena mich weiterhin in den Armen hält. Nachdem die Couch an mein Bett geschoben wurde, liegen wir drei nebeneinander und denken nach. Irgendwann nimmt Alice mich wieder in ihre Arme und ich war ihr sehr dankbar dafür.

Am nächsten Morgen war ich als erste von uns dreien wach. Daher liege ich jetzt zwischen den beiden und schreibe Tagebuch:

Sonntag, 14.03.03
Liebes Ich!
Du weißt genau wie scheiße es mir geht und du könntest es ändern, wenn du wolltest. Warum machst du es dann nicht? Weil du nicht willst, schon klar, aber wieso?
Das was ich jetzt schreibe, muss einfach mal raus, sonst werde ich es nie los.
Früher, als ich noch ein halber Junge war, war das Leben noch einfach. Morgens aufstehen, frühstücken, anziehen und einen Zopf machen. Ja, früher habe ich nur Zöpfe getragen! Außerdem hatte ich immer Jungenklamotten an, da war es mir noch egal wie ich aussah. Schlabber-Hosen, weite Pullis, Zopf. Kein Besuch beim Friseur, wenn durfte nur meine Mutter schneiden. Und Jungs?! In der Grundschule war ich mit mehr Jungs als Mädchen befreundet, und habe fast nur Sachen mit Jungen gemacht. Auf dem Gymnasium änderte sich meine Einstellung drapide: Jungs sind zum Kotzen! Fast alle waren in diesen einen Typen verknallt, Carlos. Und ich? -Für mich war er der letzte Arsch. Vielleicht kannst du dir vorstellen, wie ich früher war – eben ein Junge. Doch dann begann die Wendung – ich wurde zum Mädchen. Alles begann mit einem türkisen Longpulli, der einen roten Apfel zeigt. Ich fand ihn recht süß und probierte ihn an. Natürlich passte er noch nicht so gut zu mir, so ein Mädchenpulli zu Jungenklamotten. Da fragte ich mich das allererste Mal, ob ich diesen Pulli haben möchte, und ob die anderen finden dass er mir steht. Schließlich hab ich ihn doch gekauft – und im Nachhinein bin ich sehr froh darüber. Was wäre nur aus mir geworden, wenn ich ihn nicht gekauft hätte? Auf jeden Fall kam ich damit ihn die Schule, und alle anderen fanden ihn toll. Das machte mich richtig glücklich – noch eine Eigenschaft eines Mädchens. Irgendwann kam ich mit einem engen T-Shirt an, was ein nicht sonderlich tolles Motiv hatte. Ich fand es nicht wirklich schön, aber auch nicht hässlich. Bis die anderen es gesehen haben und es schrecklich fanden. Schnell hab ich den Reißverschluss meiner Sweatshirtjacke zugemacht, so dass niemand das T-Shirt sehen konnte. Übrigens – Ich habe dieses Shirt nie wieder angezogen. Später wollte ich dann eine neue Frisur, aber ich hatte Angst, dass es scheiße aussähe. Warum ich diese Frisur wollte? Weil ich fand, dass meine Frisur einfach nicht zu meinen inzwischen ganz Mädchenklamotten passte. Irgendwann hab ich es dann gemacht und bin zum Friseur gegangen. Danach hatte ich einen Seitenscheitel, ein bisschen Pony und schulterlange Haare. Erst trug ich sie häufiger noch zum Zopf und steckte mir den Pony mit einer Haarspange zurück, bis mir jemand klar ins Gesicht sagte, dass ich nicht hätte zum Friseur gehen brauchen, wenn ich meine Haare sowieso zum Zopf trage. Ich habe nicht direkt darauf gehört, doch mit der Zeit trug ich meine Haare immer öfter offen, bis ich schließlich eigentlich gar keine Zöpfe mehr trug. Doch irgendwann kam der schlechte Teil eines Mädchen-Werdens: Die Pickel – für jeden einzelnen schämte ich mich. Da bin ich dann auch heute bei geblieben, bei coolen Mädchenklamotten, offenen, lockigen Haaren mit Pony und – leider – auch bei Pickeln. Außerdem habe ich mir noch andere Eigenschaften eines Mädchens angewöhnt – massig viele Sms schreiben, stundenlang telefonieren, ewig duschen, sich föhnen etc.
Hab dich lieb

Jetzt wachten auch Lena und Alice auf. „Morgen“, sagte ich. „Morgen. Geht’s dir wieder besser?“
„Ja, ich hab alle meine Gefühle zwischen die Seiten gequetscht, ich glaube, es geht wieder.“
„Gut“, sagte Lena, „was haltet ihr davon wenn wir an den Strand gehen? Es ist jetzt schon richtig warm draußen.“
Beim Thema Strand waren wir uns alle einig – wir gingen bei jeder Gelegenheit hin, so auch jetzt.
Schnell waren unsere Taschen gepackt, und wir am Strand. Nachdem wir unsere Badetücher ausgepackt haben, gingen wir schwimmen. „Das Wasser ist hier immer sooo schön warm… ich könnte ewig hier bleiben!“, rufe ich. „Dann würdest du aber ganz schön schrumpelig werden!“, neckt mich Lena – und heitert mich damit noch ein bisschen auf. Als wir genug geschwommen sind, legten wir uns auf unsere Badetücher. Langsam wurde mir das Musik hören zu langweilig, also richte ich mich auf und lasse meinen Blick durch die Gegend schweifen – und da sehe ich ihn. Irgendwas hat er, aber ich kann dieses Gefühl in meinem Bauch nicht beschreiben – vielleicht weil ich es noch nie gefühlt habe. Hektisch stupse ich Lena an, bis auch sie sich hinsetzt und die Musik ausmacht. „Was ist?“, fragte sie ihn ihrer typischen Art.
„Du, Lena, wer ist der Typ dahinten? Kennst du den?“
„Du meinst den mit der roten Badehose?“
„Ja, genau den. Wer ist das?“
„Oh Lilly! In welcher Welt lebst du? Das ist Carlos! Ach… Carlos…“ Lena geriet beim Thema Carlos leicht ins schwärmen.
„Doch nicht etwa der Carlos aus unserer Klasse, oder?“
„Doch Lilly! Genau der!“ Freudig winkt Lena ihm zu, und er kommt hierher.
„Hey Girls! Was macht ihr so?“
„Wir sitzen hier, hören Musik, waren schwimmen, reden… Und du?“
„Ich spiel hier Beachvolleyball und hab grad ne Pause. Könnt ihr vielleicht ein Stückchen rücken?“
„Klar doch“, rief ich schnell, da ich mich bisher noch nicht zu Wort gemeldet hatte. Erstaunt blickt Lena mich an, macht dann mit Alice aber doch Platz, so dass ich an sie heranrücken kann.
„Danke“, sagte Carlos und setzt sich neben mich. Jetzt redeten wir eine ganze Weile mit Carlos, und immer wenn er lachte oder mit mir sprach, wurde ich glücklicher.
„Na dann – mein Spiel geht weiter. Wenn ihr wollt könnt ihr nachher ja mal vorbeikommen. Ciao Bella!“
„Okay, dann bis nachher!“ Als er weg war, rücke ich wieder und lasse mich überglücklich auf mein Handtuch fallen. „Was ist denn mit dir los?“, fragt Alice neugierig. Ich brauche nicht lange zu überlegen: „Ich glaube, ich bin verknallt.“



Impressum

Tag der Veröffentlichung: 28.01.2012

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