Kapitel 14 Alex
Ich packte Lia an der Hand und zog sie schweigend in die Cafeteria. Die Jungs trotteten mir einfach hinterher. In der Mensa fingen auch schon alle an zu tuscheln: „ Schau mal, is die nich süß?“ „Ist das seine Schwester?“
Lia fing an zu kichern und sagte: „Die Zicken von Tussenhausen haben wieder was zum Tratschen.“
Ihr müsst wissen, Lia hat sich als Kind schon mit den verwöhnten Gören in ihrer Krabbelgruppe duelliert. Außerdem spielte Lia als Kind ziemlich oft, viel und vor allem Jeden einen Streich. Die Erzieherinnen konnten von Glück reden, wenn es nur eine Wasserüberschwemmung und man 2 Wochen den Kindergarten schließen musste, war. Bis zu Lia's 3. Lebensjahr haben Mary und Mark beschlossen, dass es das Beste für Lia und den Kindergarten – aber vor allem für den Kindergarten – war, dass Lia zu Hause blieb.Und so prüfte Lia unsere Standhaftigkeit.
Wir gingen gerade an Sophie vorbei, als Lia plötzlich stehen blieb und sie ansprach.
„Wow, du hast ja tolle blonde Haare!!“, sagte sie bewundernd und staunend.
Verwirrt blieb ich stehen.
„Ja, findest du nicht? Ich war erst kürzlich beim Friseur.“, antwortete Sophie um einen Zuhörer begeistert.
Lia's Augen glänzten. „Toll, und welches Färbemittel hast du benutzt? Nuttenblond oder doch lieber Schlampenblond?“, fragte Lia und begutachtete eine Strähne von Sophies' Haaren.
Sophie hingegen erstarrte mitten in ihrer Bewegung und starrte Lia ungläubig an. Ich atmete erleichtert auf. Für einen klitzekleinen Moment dachte ich, Lia wäre zu einer Sophie 2.0 mutiert. Zum Glück ist sie immer noch die Alte, ob jetzt 10 Jahre jünger oder nicht.
„Du bist doch auch blond, du kleine Hure!!“, keifte Sophie Lia an.
Stimmt ja, Lia's Haarfarbe war als Kind ein leicht dunkles Blond, doch als sie älter wurde, wurden sie immer dunkler.
Lia schaute Sophie mit großen Augen an und langsam füllten sich die dunkelblauen Augen mit Tränen.
Schon fing sie an zu schreien: „Wääähhh Alex. Ich wollte... doch nur wissen... mit welcher Farbe... sie ihre Haare gefärbt hat.... und dann hat sie mich angeschrien!!!“, und schmiss sich in meine Arme.
Etwas irritiert fing ich an sie zu trösten.
„Äääh... schon gut...nicht weinen...“, murmelte ich und strich ihr über den Rücken.
Genauso wie ich, waren Matt, Jan und Sam mit dieser Situation sichtlich überfordert. Doch zum Glück eilte Luna zu unserer Rettung herbei. Lia klammerte sich an mich und schluchzte unaufhörlich.
„Sophie, sieh nur was du angerichtet hast!! Was denkst du dir eigentlich ein Kind derart zu beschimpfen? Schämst du dich nicht?“, schimpfte Luna auf Sophie ein.
Ihr könnt euch nicht vorstellen wie dankbar ich Luna war. Schnell schob ich sie, mit den Jungs im Schlepptau, in die Küche, damit wir unsere Ruhe hatten. In der Küche angekommen, hörte Lia abrupt auf zu weinen.
„Sophie ist ganz schön doof.“, sagte sie und wischte sich die restlichen Tränen aus dem Gesicht. Langsam regte sich in mir der Verdacht, dass Lia nur eine Show abgezogen hatte, um Sophie eins auszuwischen. Sogleich verdüsterte sich mein Gesicht. Luna hingegen fand es amüsant und lachte fröhlich. Lia fing an auf meinen Armen umher zu zappeln, weswegen ich sie hinunter ließ, packte sie jedoch fest an der Hand. Nur für den Fall ,dass sie wieder etwas im Schilde führte. Sie sah zu Luna nach oben und fragte: „Wie heißt du denn überhaupt?“
„Luna und du? Du siehst Lia, aber ganz schön ähnlich. Bist du ihre Schwester?“, fragte Luna.
„So ein Quatsch. Ich bin doch nicht die Schwester von Lia!! Ich bin
Li.....“
Bevor sie auch nur einen Buchstaben mehr sagen konnte, stopfte ich ihr schnell eine handvoll Heidelbeeren in den Mund und schob sie zu Matt rüber.
„Oh.... dasch schmeckt schuper. Wasch isch dasch.?“, hörte ich noch wie Lia mit vollem Mund sprach, bevor ich mich wieder an Luna wandte.
„Das... das ist.. ääh.... äähm... die … Cou... sine...? von Lia.“, stotterte ich mir etwas zusammen.
„Ach, wie schön. Wie ist denn ihr Name?“, fragte mich Luna interessiert.
Oh nein!! Dank Lia musste ich mir jetzt einen Namen mit „Li...“ nehmen. Fieberhaft dachte ich an einen Namen. Lisa, Linda, Lyra, Lilien?
„Das sind Heidelbeeren, Lia.“, antwortete Matt ihr freundlich.
Wieso musste ich mich überhaupt mit dieser Frage herumschlagen, während Matt in aller Ruhe mit Lia über Heidelbeeren labert?
„Jan!! Du, ich hab den Namen von der Kleinen vergessen. Luna würde ihn gern wissen. Du weißt ihn doch noch, oder?“, schleuste ich Jan in unser Gespräch ein.
„Es muss was mit Li.. sein. Also streng dich an.“, flüsterte ich ihm noch zu.
„Was? Äähm... ääh... ich … ich hab …. ihn auch vergessen.“, schälte sich Jan ebenfalls aus dieser schweißtreibenden Situation.
Erwartungsvoll schaute Luna zu Sam, der noch kein Wort von sich gegeben hatte. Jan und ich gaben ihm zu verstehen, dass es etwas mit Li sein musste. Dieser schaute hilfesuchend zu Matt, doch der gab vor mit Lia ganz besonders doll beschäftigt zu sein, indem er ihr erklärte, was für Beeren es noch gab.
„Also... ähm... ihr Name ist.... Li...lly.“, presste Sam mühsam heraus.
Luna drehte sich zu Lia um und sagte: „Lilly, was für ein schöner Name für ein Mädchen!!“
Sam hingegen wischte sich den Schweiß von der Stirn.
Lilly, eigentlich kein schlechter Name...
Lia hörte anscheinend wie Luna sie Lilly nannte und setzte an: „Aber ich...“
Ich eilte schnell zu ihr hin und stopfte ihr wieder eine handvoll Heidelbeeren in den Mund.
Luna schaute uns verwundert an, während Lia genüsslich ihre Heidelbeeren aß und mit sich und der Welt zufrieden war.
„Wollte Lilly nicht noch etwas sagen?“, fragte Luna verwirrt.
„Nein, nein. Sie wollte sicher nur frühstücken. Du weißt ja, Kinder denken nur ans Essen.“, sagte Jan nervös.
„Ja, genau. Wir sollten dann auch mal los. Wir sehen uns sicher später noch.“, stimmte Matt ihm zu, nahm Lia auf den Arm und war drauf und dran abzuhauen, als Sam jedoch seine Stimme erhob: „Aber...“
„Was???!!!!“, fuhren wir drei ihn an.
Lia war jetzt die Cousine von Lia und sie hieß jetzt Lilly. Warum verdammt nochmal dann ein Aber??
„Wollen wir Li...lly nicht noch etwas Ordentliches zum Anziehen holen?“, fragte Sam ruhig.
Verdutzt schauten wir ihn an und mussten uns eingestehen, dass er Recht hatte.
„Luna, hast du vielleicht, was für... Lilly zum Anziehen?“, erkundigte er sich bei ihr.
Verärgert musste ich einsehen, dass Sam die Situation besser im Griff hatte als ich. Obwohl ich derjenige war der Lia seit ihrer Geburt kennt!!
„Oh.. Da muss ich erst noch schauen. Wartet kurz.“, antwortete Luna und verschwand daraufhin aus der Küche. Als sie die Küche verließ, atmeten wir erst mal alle auf. Lia hatte jedoch ihre Schüssel mit Heidelbeeren, die ich ihr gegeben hatte, damit sie eine Zeit lang nichts mehr sagte, aufgegessen und hielt es für nötig uns mitzuteilen, dass...
„Aber ich heiß doch gar nicht Lilly. Ich find Lia ist ein schöner Name.“, ließ sie uns wissen und reckte uns trotzig ihr Kinn vor.
Wir schauten uns verzweifelt an. Wie um Himmels Willen soll man einem Kind erklären, dass es jetzt einen anderen Namen hat?
Wir hockten uns alle drei vor Lia und Jan begann: „Weißt du, es gibt so ein tolles Spiel. Und es heißt... ähm... change you names. ...Und da muss man... einen anderen Namen... als sonst nehmen. Und du hast jetzt den Namen Lilly.“
Nicht schlecht. Zumindest ist es eine plausible(?) Erklärung. Man könnte jetzt meinen, damit wäre die Sache geritzt, doch Lia/Lilly wollte nicht ganz mitmachen.
„Und wie heißt ihr dann?“
Gute Frage!! Und sie ist so gut, dass ich sie nicht beantworten will. Trotzdem gab Matt ihr eine Antwort.
„Alsooooo.... ich heiße gar nicht Matthew... sondern... ähm Lucas. Ja, genau! Alle tragen einen falschen Namen.“
„Und wie ist dann euer richtiger Name?“
„Öööhm.... Meiner ist nicht Samuel... sondern... David.“, antwortete Sam ihr geschickt.
Lia schaute Jan an, der sich fieberhaft einen Namen ausdachte.
„A.. also ich heiße nicht Jan... sondern Kaaarl?“, stotterte er und hoffte, dass man mit seiner Antwort zufrieden sei.
Lia nickte und sagte vergnügt: „Na gut, dann heiße ich Lilly.“
Matt, Sam und ich mussten uns zurückhalten um keinen Lachflash zu kriegen.
„Karl, ist das dein Ernst?“, flüsterte Sam fragend, damit Lia es nicht hörte und biss sich auf die Lippe um nicht laut los zu brüllen vor Lachen.
„Karl, wie Karl der Große?“, fragte Matt grinsend.
„Oder doch Karl, der bei Jimmy Neutron mitspielt und der alles und jeden frisst?“, fragte ich ihn, mir den Bauch haltend.
„Nein!! Karl, wie Karl May, der berühmte Schriftsteller!!“, zischte uns Jan zu.
„Und wie gewinnt man das Spiel?“, unterbrach uns Lia bei unserem Gespräch.
„Ja, genau Jan. Wie gewinnt man das Spiel?“, fragte Sam ihn herausfordernd.
„Ja, also... der Gewinner ist derjenige, der am längsten seinen Namen geheim hält.“ , antwortete Jan schnell.
Kurz nachdem er den Satz beendet hatte, trat Luna auch schon in die Küche ein.
„Du hast Glück, Lilly! Ich hab meine alte Schuluniform wiedergefunden.
Die kannst du haben. Außerdem hab ich noch einen Teddybär. Vielleicht willst du ihn ja haben. Na?“, fragte Luna lächelnd.
„Oki.“, erwiderte Lia und streckte schon die Hände nach Teddy aus. Luna reichte ihn ihr und wollte mir die Kleidung aushändigen, doch ich wehrte ab.
„Kannst du sie nicht umziehen? Bitte?“
Immerhin war es Lia! Wer weiß, ob sie sich an das hier erinnert, wenn sie wieder normal ist!! Sie würde mich lebendig in Beton ertränken, mich trocknen lassen, dann eine Abrissbirne auf mich niedersausen lassen und mich in Pulver zermalmen. Dann heißt es: Ade, du schöne Welt. Luna rettete mein – für mich kostbares – Leben, indem sie nur einen Satz sagte. Nämlich:
„Klar, kann ich machen.“
Luna zog sie mit nach draußen und Lia ließ es über sich ergehen. Nach nur ein paar Minuten kam eine kleine süße in Schuluniform gepackte Lia rein, im Arm einen Teddybären.
„So, das wär's. Ihr solltet euch beeilen. Immerhin muss Lilly noch ordentlich frühstücken. Was wollt ihr eigentlich mit ihr machen, wenn ihr ihm Unterricht seid?“, fragte Luna und übergab uns Lia.
Ach ja, richtig. Genau, was machen wir mit ihr? Wir können sie ja schlecht alleine lassen. Wer weiß, ob die Schule danach noch steht!! Und sie bei Luna zu lassen, wäre auch keine so gute Idee, da Luna wahrscheinlich die meiste Zeit in der Küche rumhing und in der Küche gab es Messer mit denen sie schlimme Sachen machen konnte... oder sie könnte in einen Topf mit kochendem Wasser fallen. Also können wir Luna definitiv ausschließen. Blieb nur noch sie mit in den Unterricht mitzunehmen. Theoretisch könnte es gehen. Immerhin ist sie eine Watson. Lilly hin oder her. Sam riss mich aus meinen Gedanken.
„Ist doch erst mal egal. Ich hab riesen Hunger und du auch oder?“, wendete Sam sich an Lia. Diese nickte zustimmend.
„Gut. Wir sehen uns später. Auf Wiedersehen, Lilly!“, verabschiedete sich Luna und strich Lia über den Kopf.
„Bye bye, Luna.“, erwiderte Lia und hob zum Abschied die Hand.
Matt nahm sie an die Hand und schon verschwanden wir durch die Tür. Draußen angekommen tuschelten alle wieder, wir ignorierten es jedoch gut. Außerdem traute sich nach dem Vorfall von vorhin niemand mehr uns anzusprechen, was wir mit Erleichterung hinnahmen.
„Schnell!! Der Unterricht fängt gleich an.“, drängte uns Jan.
„Ich will aber noch Bonbons und Heidelbeeren und Lollis!!“, meckerte Lia und zappelte auf ihrem Stuhl hin und her.
„Sonst noch wünsche, Prinzessin?!“, zischte Jan wütend.
Abrupt hörte Lia auf zu zappeln und beugte zu sich zu Jan.
„Oh, Karl. Du weißt nicht, was für Möglichkeiten ich habe, deine Existenz ungeschehen zu machen.“, antwortete Lia herablassend und betonte Karl besonders dolle.
Jan schluckte. Ja, als Kind war Lia schon ein bisschen Angst einflößend... Aber nur ein klitzekleines bisschen eben.
Sam lachte.
„Du gefällst mir Lilly!“, gluckste er und klopfte ihr auf die Schulter.
Da wir diesen Vorfall nicht wiederholen wollten, besorgten wir ihr das Gewünschte und Lia gab endlich Ruhe. Matt nahm sie auf die Arme und wir rasten die Gängen entlang, da wir nur noch 2 Minuten hatten. Auf dem halben Weg kreischte Lia plötzlich: „Waaah!!! Wir haben meinen Teddy vergessen!! Ich will meinen Teeeeeddyyyyy!!!“
Jan setzte an, um eine wütende Bemerkung los zu lassen. Ich flüsterte ihm jedoch schnell zu, dass er das lieber lassen sollte. Also rannte Sam schnell zur Mensa und kehrte binnen Sekunden wieder mit dem Teddybären zurück. Lia war glücklich und wir waren fertig mit den Nerven, obwohl das erst der Anfang des Tages war.
Texte: Wer Rechtschreibfehler findet, der darf sie behalten.
Tag der Veröffentlichung: 13.07.2011
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