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Prolog:

 

Tot - sagte ich? Es gibt keinen Tod. Nur einen Wechsel der Welten!

(aus der Rede des Häuptlings Seattle)

 

Sie hatten daran geglaubt, dass die Ahnen und die Büffel wiederkommen würden. Stundenlang, Tagelang hatten sie getanzt, hunderte Brüder, Hand in Hand. Sie hatten sich links herum gedreht, da der neue Morgen immer von Osten kam.

Und einen neuen Morgen hatten sie so dringend herbeigesehnt!

Immer mehr Gleichgesinnte hatten sich ihnen angeschlossen und der Kreis der Geistertänzer war groß und größer geworden. Hoffnung war eine starke Macht!

Vielleicht hätten sie die Zeichen besser deuten müssen? Hätten erkennen müssen, dass der neue Morgen nicht auf den Prärien dieser Welt erwachen würde? Hätten mehr Wachsamkeit gegenüber ihrem Feind aufbringen müssen, gegenüber der weißen Regierung, die sich vor dieser neuen, spirituellen Macht ängstigte?

Angst macht klein. Angst lässt zu den Waffen greifen. Das hatten sie doch gewusst!

Mühsam schleppte sich der alte Mann weiter hinauf in die Berge. Er wusste, dass er den höchsten Gipfel unmöglich erklimmen konnte, doch das wollte er auch gar nicht mehr. Nur noch ein wenig höher, ein wenig näher zum Himmel! Er würde nicht mehr zurückkehren.

Keiner seiner Ahnen war zurückgekehrt! Die Büffel nicht und auch nicht die wilden Mustangs.

Müde stützte sich Wahsicksapa[1] auf seinen Stab. Einst hatte dieses knorrige Stück Ahorn zu seiner Medizin gehört. Nie war er ohne dieses Zeichen seiner Schamanenwürde zu einer Zeremonie erschienen. Heute nun war der abgegriffene Stock seine letzte Stütze. Keine Hand konnte sich mehr ausstrecken, um ihm zu helfen.

Tot waren sie, tot oder verloren in der Unwirklichkeit ihrer Reservationsgefangenschaft.

Nachdenklich fuhr sich der Alte über das lederne Hemd, auf dem die Medizinräder aufgestickt waren. Ein bitteres Lachen entfuhr seiner Kehle. Hatten sie wirklich geglaubt, dass diese lederne Schicht sie vor den Kugeln der zielsicheren Gewehre schützen würde?

Nichts hatte sie geschützt! Nichts hatte die Büffel geschützt! Sie würden nicht wiederkommen.

Doch er musste nun nicht mehr weit gehen, um zu ihnen zu gelangen.

Wahsicksapa näherte sich der grasbedeckten Kuppe eines halbhohen Hügels. Seine Kraft war fast verbraucht. dieser Ort musste ihm genügen.

Still und versunken in eine hoffnungslose Meditation des über sie hereingebrochenen Unglücks starrte er nach Südosten, dorthin, wo irgendwo im Dunst des anbrechenden Winters Chankpe Opi Wakpala[2] liegen musste. Dort hatte er sie zurückgelassen, seine Toten. Weggelaufen war er, weggelaufen wie alle, die Angst vor dem Sterben gehabt hatten.

Doch nun hatte auch sein letzter Lauf ein Ende.

Wahsicksapa ließ sich auf dem gefrorenen Boden nieder. Er spürte die eisige Kälte nicht mehr, die an seinen Beinen hinauf kroch.

Immer tiefer versank der alte Schamane in seine Meditation. Immer weiter fort wanderte sein Geist, wanderte seine Seele auf der Suche nach den Ahnen, nach den Büffeln, nach dem unschuldigen, unbeschwerten Leben seiner Jugend.

Die Welt war aus dem Gleichgewicht geraten und es war ihnen nicht gelungen, die Ausgeglichenheit wieder herzustellen. Er, Wahsicksapa, war alt, gebrechlich und müde. Er hatte nicht die Kraft, eine erneute Anstrengung zu wagen. Sein Weg würde hier und heute enden.

Doch es gab etwas, das er für seinen Nachfolger zurücklassen konnte, für jenen Mann seines Volkes, der die Stärke hätte, die ihm fehlte und der seinen Weg fortsetzen würde.

Mit der letzten ihm verbliebenen Kraft rammte der alte Schamane der Lakota seinen Medizinstab in den harten Boden. Dann faltete er seine Hände im Schoß. Es gab niemanden mehr, dem er sie zu einem letzten, sich schließenden Kreis hätte reichen können.

Doch auch so spürte Wahsicksapa, wie sich für ihn der Kreis schloss. In einem abschließenden Aufbäumen seines Geistes glaubte er, den Schrei eines Adlers zu vernehmen und den stärksten aller Raubvögel über sich kreisen zu sehen. Was für eine mächtige, tröstliche Vision!

Dann schloss der alte Mann die Augen und kehrte von seiner letzten Reise ins Innere seiner Seele nicht mehr zurück.

Später, viel später hatten Witterung und Wind auch das letzte Stäubchen von Wahsicksapas Leichnam davon getragen. Nur sein Stab ragte zwischen den Felsen auf einem kleinen Hügel am Fuße der Black Hills nach wie vor auf. Und obwohl er nur aus Ahorn war, verrottete das Symbol des Schamanen über die kommenden Generationen nicht.

Die Einheimischen mieden den Hügel und sprachen davon, dass dort ein unruhiger Geist umginge. Es sei die Seele eines Kriegers, der kurz nach dem Kampf am Wounded Knee auf der Flucht dort oben erfroren sei.

Doch was wussten sie schon …

 

 

 

[1] Wahchicksapa – weise – Sioux

[2] Chankpe Opi Wakpala: Lakota für den Ort Wounded Knee

Kapitel 1: Leben zwischen den Welten

 

„ Irgendein grimmiges Schicksal unserer Rasse ist auf des Roten Mannes Fährte.

Und wo immer er Zuflucht sucht, wird er noch die unausweichlich näherkommenden Tritte des Fallenstellers hören, so wie das wunde Tier die herannahenden Schritte des Jägers hört, und wird sich darauf vorbereiten, seinem tödlichen Schicksal gefasst entgegen zu sehen.

Einige wenige Monde mehr, einige wenige Winter mehr - und kein einziger all der mächtigen Stämme, die einst das weite Land füllten oder in glücklichen Heimstätten, beschützt durch den Großen Geist, lebten, und die nun in versprengten Gruppen durch diese weiten Einsamkeiten umherstreifen, wird übrigbleiben, um über den Gräbern unseres Volkes zu weinen, das einst so mächtig und hoffnungsvoll war wie euer eigenes!“ (Häuptling Seattle)

 

Eagle zog sich fluchend die dünne Decke über den Kopf, als der Wecker ihn unsanft aus seinen Träumen riss.

Brummend rieb er sich den Schlaf aus den Augen und fuhr sich dabei auch zwei-, dreimal über die schmerzende Stirn. Gestern Abend hatte er es eindeutig wieder einmal übertrieben. Das dritte Glas Whiskey hätte er besser stehen lassen sollen.

Der großgewachsene junge Mann mit der bronzefarbenen Haut und dem tiefschwarzen Kurzhaar verschwand schließlich in seinem kleinen Bad und bald darauf rauschte die Dusche und trieb ihm den Schlaf aus den Augen.

Zwei Tassen Kaffee und ein Glas mit Alka Selzer später war der jungen Bauarbeiter wach genug, um zu realisieren, dass heute tatsächlich Samstag und damit der erste Tag seines wohlverdienten Urlaubs angebrochen war.

Jeden anderen hätte der Gedanke an drei freie Wochen in eine Hochstimmung versetzt, doch Eagle, wie ihn seinen Freunde liebevoll nannten, da er einfach in jeder Höhe schwindelfrei war, dachte an die bevorstehende Zeit mit gemischten Gefühlen.

Wie jedes Jahr, würde er nach Pine Ridge fahren, um seine Großeltern zu besuchen und vielleicht seine Mutter zu sehen.

Doch eigentlich lag ihm nicht viel daran, sich jene von ihm ungeliebten Wurzeln erneut vor Augen zu führen.

Hier in New York hatte er sich eine eigenen Existenz aufgebaut, bescheiden vielleicht im Vergleich zu den tausenden Anderen, die hier lebten, doch weit mehr als das, was er im Hinterland im Reservat hätte erreichen können.

Dort gab es nur zwei Möglichkeiten. Wie seine Großeltern spärlich von den eigenen Landwirtschaftserzeugnissen zu leben und sich zu bescheiden, oder wie seine Mutter von der Wohltätigkeit und der Gier der Weißen zu leben.

Manchmal fragte sich Eagle, wie sie es aushielt, Nacht für Nacht ihren Körper an bedeutungslose Fremde zu verkaufen. Ob sie wohl manchmal noch an seinen Vater dachte?

Sein Vater! Als Kind hatte er zu dem großen schweigsamen Mann respektvoll aufgesehen. Doch dann hatten Freunde den Alkohol ins Haus gebracht und aus dem geduldigen, stillen Mann war ein raubeiniger Säufer geworden, der ihn und seine Geschwister oft grundlos schlug und betrunken durch das kleine Haus grölte, dass es auch noch die Nachbarn im übernächsten Gebäude problemlos verstanden.

Wären da nicht seine Großeltern gewesen, die hartnäckig an dem traditionellen Weg der Alten festhielten und ihm immer wieder Mut machten, wer weiß, ob er nicht auch ein ähnliches Ende gefunden hätte wie sein Vater, den man eines Morgens erschlagen im Straßengraben aufgefunden hatte.

Sein Großvater nannte ihn immer noch Wamblee, nach seinen Ahnen. Egal wie oft er ihn schon verbessert und ihm ein „Eagle“ entgegengeknurrt hatte.

Doch es waren die beiden Alten, die ihn immer wieder dazu brachten, im Sommer die lange Fahrt auf sich zu nehmen und sich seiner Vergangenheit und seiner Herkunft zu stellen.

 

 

Rebellion und Neugier sind Privilegien der Jugend. Die Weisheit des Alters mag diese Charakterzüge vermeiden, doch dem jungen Menschen können diese Eigenschaften dienen.

 

 

Eagle warf seine Sporttasche auf das schmale Bett und begann, wahllos Shirts und Jeans einzupacken. Seine Gedanken waren nicht auf das gerichtet, was er gerade tat, sondern auf das, was ihn in den kommenden Tagen erwarten mochte.

Ein unbewusstes Lächeln verschönte sein Gesicht, als er sich die beiden Alten vorstellte, die fest mit seinem Kommen rechneten. Sein Großvater Frank Chesum[2] Red Feather würde ein Tipi aufgebaut haben, um mit ihm darin die warmen Sommernächte verbringen zu können und seine Großmutter Sophia Ehawee[3] würde genau das tun, was ihr Name schon verriet: sie würde die drei Wochen, die er in Pine Ridge verbrachte, mit einem strahlenden Lächeln herumlaufen.

Sie würden glücklich sein, weil er gekommen war.

Nachdenklich fuhr sich Eagle über das Gesicht.

Die Freude der beiden Alten über seine alljährliche Rückkehr in das Reservat war eigentlich etwas, was er hasste und liebte zugleich.

Er liebte es, weil sie ihn anerkannten und achteten und er hasste es, weil ihre Zuneigung ihn Jahr für Jahr zurück rief an die Wurzeln, die er in den anderen elf Monaten so hartnäckig zu verleugnen suchte. Nur während jener drei Wochen konnte er seine Herkunft nicht verdrängen.

Und doch fuhr er nicht unvorbereitet zurück.

Aus einer Schublade seiner Küchenzeile zog er ein Päckchen in braunem Packpapier heraus. Nachdenklich wickelte er das Buch aus, das er bestellt hatte. Sherman Alexies "Tagebuch eines Teilzeitindianers".

Eagle lächelte.

Schon allein der Titel würde seinem Großvater gefallen.

Zusammen mit einem Sortiment Blumensamen für Großmutter Sophia landete das Buch zu oberst in der abgewetzten Sporttasche. Dann wurde der Reißverschluss zugezogen und Eagle warf sich das wenige Gepäck über die Schulter.

Noch einmal versicherte er sich, dass er die Jalousien geschlossen und die Lichter gelöscht hatte, dann zog er die Tür ins Schloss und nahm den Fahrstuhl in den Eingangsbereich.

Drei Stunden später war er in der Luft und auf dem Weg nach Denver, von wo aus er am kommenden Morgen weiter nach Rapid City fliegen würde.

Die lange Vorbuchung hatte ihm einen Fensterplatz gesichert und auch, wenn er nun an der Tragfläche vorbei schielen musste, um einen Blick auf das Land unter ihm werfen zu können, betrachtete er wie bei jedem Schönwetterflug das Vorbeiziehen der Großen Seen und der immer karger werdenden Landschaft mit Faszination.

Dann, als sich nach guten zwei Stunden am Horizont die Felsenberge zu erkennen gaben, richtete Eagle sich auf und musterte das Näherkommen des gewaltigen Faltengebirges konzentriert. Weit mehr als die Stewardess, die den immer gleichen Orangensaft servierte, interessierte ihn nun der Blick auf Felsen, Gletscher und Schnee.

Mit einem verlegenen Grinsen auf dem Gesicht fiel ihm die Textzeile eines alten Pete-Seeger-Liedes ein: "The mountain stream pleases me more than the sea.[4]"

Auch, wenn der Dichter wohl Recht hatte mit dem, was er auszusagen gewünscht hatte, erinnerte sich Eagle nach wie vor mit einem Gefühl von Peinlichkeit an seine ersten Ausflüge in die weit verzweigte Kultur der Weißen. Es war wohl mehr der rotblonde Lockenkopf seiner damaligen Freundin Jane, als ernsthaftes Interesse, dass er ausgerechnet mit ihr zu einem Literaturzirkel gegangen war.

Viele der Werke und Theaterstücke waren ihm nach wie vor unverständlich. Manchen amerikanischen Dichtern, wie Walt Whitman stand er sogar eher ablehnend gegenüber. Wie konnte man den Präsidenten der Vereinigten Staaten mit "O Captain!"[5] ansprechen?

Andere, wie Thoreau, konnte er verstehen. In die Wälder zu gehen, um Leben zu finden, das mochte angehen, auch wenn es ihn eher in die Stadt verschlagen hatte.

Jane hatte damals nicht verstanden, warum er aus seinen Möglichkeiten nicht mehr gemacht hatte, als Bauarbeiter zu werden.

Für sie war es völlig unverständlich, warum er keinen Collegeabschluss anstrebte. Doch für Eagle war sein Erfolg in der kleinen Baufirma gerade genug. Sich zu weit über das Dasein zu erheben, das ihn im Reservat erwartet hätte, schien ihm unrealistisch und wirklichkeitsfern.

Vielleicht fehlte ihm auch der Ehrgeiz?

Nachdenklich starrte der junge Mann auf die näher kommenden Berge und gab es schließlich auf, über sich selbst nachzudenken.

Jane war weggegangen und hatte ihn mit Thoreau und José Martí im Regal zurückgelassen. Wie hätte ein Bauarbeiter letztlich auch für eine Künstlerin wie sie genug sein können? Vor einem halben Jahr hatte sie ihren ersten Gedichtband veröffentlicht und in sein Postfach war eine gedruckte Einladung zur Lesung geflattert, der er natürlich nicht gefolgt war.

Eagle wollte realistisch bleiben. Jane und er waren Geschichte und es machte keinen Sinn, etwas erhalten zu wollen, was es nie wirklich gegeben hatte.

Erneut konzentrierte er sich auf die Rocky Mountains und bald darauf setzte der Flieger zur Landung an.

Den ganzen Nachmittag über bummelte der junge Mann durch die Großstadt und am kommenden Morgen war er bereit, die letzte Etappe in seine Vergangenheit zurückzulegen.

Dieses Mal nahm ihn eine kleine Propellermaschine auf und kurze Zeit später hatte sich die Landschaft ein letztes Mal gewandelt und sie näherten sich über die trockene Wüste der Bad Lands ihrem Ziel: Rapid City.

Auf Eagles Gesicht machte sich ein unbewusstes, erwartungsvolles Lächeln breit. Hier würde ihn sein Großvater erwarten und sie würden gemeinsam die letzten 100 Meilen in dessen altem Dodge zurücklegen, bis sie schließlich Großmutter Sophia vor dem alten Häuschen antreffen würden. Gewiss hätte sie den Lärm des altersschwachen Motors schon Minuten vor ihrem Eintreffen erlauscht und käme ihm strahlend entgegen. So war es bisher immer gewesen und so würde es auch heute wieder sein.

Eagle hob seine Sporttasche vom Band und trat in die Flughafenhalle. Gespannt hielt er Ausschau nach seinem Großvater, doch der alte Mann war nirgends zu sehen.

Schließlich blieben nur noch wenige Passagiere in der Halle zurück und endlich fiel ihm einen ältere Dame auf, die ein Schild vor ihrem Oberkörper hielt.

"Mr. Red Feather"

Überrascht betrachtete Eagle seinen akkurat geschriebenen Namen. Warum um alles in Welt stand hier eine ihm unbekannte Weiße und erwartete ihn?

Nicht gut!

Ein solcher Empfang konnte nicht gut sein.

Doch Eagle blieb keine Zeit zum Nachdenken, denn die Frau hatte ihn nun auch entdeckt und ihr musste klar sein, dass er jener war, den sie hier empfangen wollte. Trotz der Nähe zum Reservat war er der einzige Native, der das Flugzeug aus Denver verlassen hatte.

Es war jedoch nicht die Tatsache, dass sie ihn nun entdeckt hatte und auf ihn zu kam, sondern jene unverhohlene Neugier, mit der sie ihn betrachtete, die Eagle aus dem Konzept brachte.

Grüne Augen starrten ihm aus einem faltigen, sommersprossigen Gesicht entgegen. Dann nickte die Lady mit einem Mal und lächelte.

„Willkommen zuhause, Mr. Red Feather!“, begrüßte sie ihn, weiterhin breit lächelnd. „Es ist ganz unverkennbar, dass Sie derjenige sein müssen, den Frank erwartet. Sie sind ihm wie aus dem Gesicht geschnitten …“

Erstaunt erwiderte Eagle die seltsame Begrüßung. Gab es tatsächlich eine Weiße, die in der Lage war, ihn und seine Stammesangehörigen auf den ersten Blick zu unterscheiden? Normalerweise war es doch eher so, dass für einen Außenstehenden alle Natives gleich aussahen. Wer also war die merkwürdige Frau vor ihm?

Er fragte nach und erhielt ein kleines Auflachen zur Antwort.

„Verzeihen Sie, wie unhöflich von mir!“[7]

Die sommersprossige Dame mit dem leicht rötlich schimmernden Lockenhaar schüttelte über sich selber den Kopf. „Das alles war so kurzfristig. Sie müssen wissen, ich wohne derzeit bei Ihren Großeltern.“

Erneut lächelte sie. Das schien sie oft zu tun.

„Gráinne Fitzpatrick. Ich bin die neue Lehrerin für Sprache und Literatur an der Reservatsschule.“

Zögernd ergriff Eagle die ihm dargebotene Hand. Eigentlich lagen ihm eine ganze Anzahl von Fragen auf den Lippen, doch zunächst war es nur eine Sache, die er unbedingt wissen musste.

„Was ist mit meinem Großvater?“, forschte er nach. „Er hat mich sonst immer selbst abgeholt.“

Gráinne Fitzpatrick nickte nachdenklich.

„Das glaube ich Ihnen gern. Ihr Großvater erzählt sehr viel und liebevoll von Ihnen. Dass er heute einen anderen wichtigen Termin hatte, gefiel ihm gar nicht.“

„Von welchem Termin reden Sie?“

Die Frau vor ihm schüttelte den Kopf.

„Das sollte er Ihnen besser selber sagen.“ Sie sah auf die Uhr. „Kommen Sie! Wenn ich mich nicht sehr irre, sollte Frank ebenfalls zurück sein, wenn wir in Pine Ridge sind.“

Sie wendete sich ohne weitere Worte dem Ausgang der Flughafenhalle zu und lotste Eagle zu einem alten Chevrolet Truck, den sie souverän startete und dann Richtung Interstate lenkte.

Nach den ersten Meilen begann Eagle still vor sich hin zu grinsen. Die Lady fuhr ihr altes Automobil so forsch, als würde sie ein Volblutpferd über die Prärie jagen. Nicht, dass sie sonderlich über dem Tempolimit lag. Doch sie ging die Kurven rasant an und ihr Fuß fand nur selten einmal den Weg zur Bremse. Es machte Spaß, ihr beim Fahren zuzusehen.

„Was hat Sie eigentlich ins Res verschlagen?“, begann Eagle schließlich ein Gespräch.

Gráinne Fitzpatrick warf ihm einen aufmerksamen Blick zu. Sie ließ sich Zeit mit einer Antwort und er bedrängte sie nicht.

„Wissen Sie“, gab sie schließlich Auskunft, „wenn man so alt ist, wie ich, wird es für eine Lehrerin Zeit, Schüler zu finden, denen man noch richtiges Wissen vermitteln kann.“

Sie dachte einen Augenblick nach.

„Ich habe mehrere Jahrzehnte am Trinity in Dublin Kunstgeschichte und Literatur unterrichtet und irgendwann kam ich an einen Punkt, an dem ich den Eindruck hatte, dass ich meinen Studenten nichts mehr vermittelte, was sie im richtigen Leben nutzen konnten. An diesem Punkt habe ich begonnen, nach einer Alternative zu suchen und so bin ich schließlich hier gelandet und ich muss sagen, dass ich es bisher nicht bereut habe. Es scheint mir, als würde ich endlich etwas Nützliches tun.“

„Den rückständigen Wilden etwas Kultur beibringen …“ murmelte Eagle missmutig. Warum glaubten diese Europäer immer, dass sie als große Helfer und Retter auftreten mussten?

„Oder sehen Sie uns eher als edel und unschuldig denn als wild?“, forschte er spöttisch nach.

Doch anstatt auf seinen sarkastischen Kommentar verärgert zu reagieren, lachte die Lady neben ihm laut auf.

„Was glauben Sie, was man von uns Iren sagt?“, stellte sie eine Gegenfrage. „Wir glauben an Wunschbrunnen und Elfenhügel, an Fruchtbarkeitsgöttinnen und die Kraft einer mit goldener Sichel geschnittenen Mistel. So zumindest wird es von den Anderen behauptet. Oder man sieht in uns liebenswerte Säufer, die alle irgendwann Brendan Behan zitieren“

Ernst sah sie einen Moment vom Lenkrad auf. „Bless you, Sister. May all your sons be bishops." [6]

Verwirrt starrte Eagle sie an, dann brach er in ein schallendes Gelächter aus. „Wenn Sie das so sehen … Der Punkt geht eindeutig an Sie. Keine liebenswerten, rückständigen Wilden also … Was sind wir dann für Sie?“

Gráinne Fitzpatrick löste eine Hand vom Lenkrad und fuhr sich durch die recht ungebändigte Lockenfrisur.

„Wissen Sie, Eagle, für mich sind es nicht ihre Landsleute als Ganzes, die mich faszinieren. Auch, wenn ich Ihre Geschichte durchaus interessant finde“, gab sie zu.

„Aber die Kinder, die ich unterrichte, sind, jedes für sich, ganz eigenständige Persönlichkeiten. Da hat jedes seine eigenen Stärken und Schwächen, seine Vorlieben und seine Abneigungen. Das zu erkennen und zu nutzen ist die Kunst des Lehrens. Und wenn am Ende des Jahres alle meine Schüler ihr Ziel erreicht haben, so kommt mir das als eine gute Belohnung meiner Arbeit vor. Das, was die Kinder im Reservat allenfalls von anderen Kindern unterscheidet, ist die Dringlichkeit, mit der sie Erfolge benötigen.“

Sie sah erneut einen Moment zu ihm.

„Tut mir leid, wenn ich zu viel rede. Das ist eine meiner Schwächen. Ihr Großvater belächelt mich dann immer …“

Eagle fand nicht, dass sie zu viel geredet hatte. Obwohl er immer noch den Eindruck hatte, dass sie viel zu idealistisch in die Welt sah, verbot es ihm die Höflichkeit, die Diskussion fortzusetzen. Auch wollte er eine gute Lehrerin, die sie ganz bestimmt war, nicht mit unbedachten Worten verscheuchen. Dazu hatten die Kinder im Res Bildung viel zu nötig.

„Was genau unterrichten Sie denn nun?“, lenkte er das Gespräch auf ein voraussichtlich unverfänglicheres Thema. Wieder traf ihn ein aufmerksamer Blick.

„Sprache und Literatur“, wiederholte sie noch einmal. „Vom Alphabet für die Kleinsten bis hin zu den großen amerikanischen Dichtern für den Abschlussjahrgang.“

Sie zögerte einen Moment lang.

„Und glauben Sie nicht, dass mir nicht bewusst dabei ist, was man derzeit zu amerikanischer Literatur zählt. Doch ich habe das Spektrum ein wenig erweitert und Sie können mir glauben, dass ich keine Probleme habe, mit den jungen Leuten auch über Leslie Silko zu diskutieren.“

Eagle sah, dass sie bei dem Monolog ein wenig rot geworden war.

„Schon gut!“, murmelte er. „Sie müssen sich vor mir nicht rechtfertigen. Letzten Endes versuchen Sie doch nur das zu tun, wozu ich und unsere eigenen Leute nicht den Mut und die Kraft aufbringen konnten …“

Gráinne Fitzpatrick schwieg zu dieser Aussage und als sie schließlich vor dem kleinen Farmhäuschen seiner Großeltern ankamen und Ehawee ihnen strahlend entgegenkam, war für Eagle die Diskussion zunächst vergessen.

Erst später würde er auf das zurückkommen, worüber er an jenem Tag mit der irischen Lehrerin gesprochen hatte.

Jetzt aber, kaum dass der Truck vor dem kleinen Häuschen der Ranch seiner Großeltern gestoppt hatte, sprang der junge Mann ins Freie, um seiner Großmutter Ehawee, die vor der windschiefen Veranda stand, stürmisch um den Hals zu fallen.

“ "Lila tanyan wacin yanke”[8], raunte die so Begrüßte ihm leise zu.

Eagle nickte. „Und ich auch, Großmutter.“

Die kleine Frau mit den schon fast weißen Haaren führte ihren Enkel an der Hand ins Haus und Gráinne Fitzpatrick folgte ihnen langsam mit einem breiten Lächeln im Gesicht.

Kaum hatten sie die enge, aber helle Küche betreten, kam ihnen auch schon der Herr des Hauses, Chesum, entgegen.

„Du siehst gut aus, Wamblee!“, begrüßte auch er den lange erwarteten Gast liebevoll.

Eagle jedoch konnte nur schwer verbergen, wie sehr er über den unerwarteten Anblick seines Großvaters erschrak.

Noch im vergangenen Jahr war der Alte ihm lebensfroh und kerngesund erschienen. Lebensfreude strahlte Chesum noch immer aus. Doch seine Wangen waren eingefallen und sein Körper so abgemagert, dass wohl nur noch der breite Silbergürtel die ausgeblichene Jeans an ihrem Bestimmungsort hielt.

Als Eagle ihn nun umarmte, spürte er dabei Schulterblatt und Rippen unter seinen Händen. Mühsam zwang er sich ein wenig Beherrschung ab, um nicht sofort mit Fragen über den alten Mann seinen Armen herzufallen.

Doch selbst der Geruch seines Großvaters hatte sich verändert. Chesum war krank. Das konnte selbst sein breitestes Lächeln nicht verbergen.

Ehawee warf ihrem Enkel einen warnenden Blick zu. ‚Warte, bis er selbst bereit ist, darüber zu sprechen’, signalisierte ihm dieser. ‚Lass ihm ein bisschen Zeit!’

Eagle wusste, dass sie recht hatte. Nicht jede Zeit war richtig, um über ernste Dinge zu sprechen. Und sein Großvater würde wissen, wann er bereit wäre, sich seinem Enkel anzuvertrauen.

Nachdenklich löste er sich aus der Umarmung und wandte sich seiner Großmutter zu. Mit einem kleinen Nicken bestätigte er, dass er sie verstanden hätte.

„Weißt du, wie immer duftet es hier unheimlich lecker bei meiner Ankunft. Ich habe einen Riesenhunger. Hast du Pfannenbrot[9] gemacht?“

Ehawee lachte. Sie wusste genau, dass sie ihrem Enkel mit dieser kleinen Leckerei eine Freude machen konnte. Schon als Kind hatte Wamblee die einfache Speise immer gemocht.

Sie setzten sich und Ehawee tischte auf.

Erst viel später, als sich die Sonne schon dem Horizont näherte, traten Chesum und Eagle auf die Veranda hinaus. Beide wussten vermutlich, dass ihnen zwei nachdenkliche Augenpaare folgten.

Ehawee hatte die Hand vor den Mund erhoben und betete still zu Wakonda, dem Großen Geheimnis.

Das, was Chesum nun seinem Enkel zu sagen hatte und worum er ihn bitten wollte, benötigte aber auch alle Hilfe, die man bekommen konnte.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Anhang zu Kapitel 1:

 

[1] Koyaansiqatsi: Wort aus der Hopi-Sprache, in etwa „Leben im Ungleichgewicht“

[2] Chesum - Sioux "Er ist tapfer"

[3] Ehawee - Sioux "lachendes Mädchen"

[4] Original:" El arroyo de la sierra me complace más que el mar." Textzeile aus "Guantanamera" von José Martí.

[5] "O Captain! My Captain!" ist dem ermordeten Präsidenten Abraham Lincoln gewidmet. In dessen Regierungszeit fällt die Abschaffung der Sklaverei und der damit verbundene Sezessionskrieg. Er gilt als einer der bedeutendsten Präsidenten der USA, seine Indianerpolitik war aber alles andere als gerecht. Mit dem Homestead Act förderte er maßgeblich die Vertreibung der nomadischen Stämme aus ihren angestammten Gebieten und die Begründung der Reservationen. Für die Natives muss es sich schon wie Hohn anfühlen, dass sein Portrait ausgerechnet am Mount Rushmore in Stein gehauen wurde.

[6] Bless you, Sister. May all your sons be bishops." - angeblich die letzten Worte Behans an die Nonne, die ihn pflegte.

[7] Anmerkung der Autorin:

Natürlich ist mir klar, dass es im Englischen keinen Unterschied zwischen "du" und "Sie" gibt. Dennoch habe ich diese Unterscheidung verwendet, um zu zeigen, wie das Verhältnis zwischen den einzelnen Protagonisten gerade ist oder sich entwickelt. Ich hoffe, das passt so für euch! Sophie

[8] "Lila tanyan wacin yanke". – lakota – ich bin sehr froh, dich zu sehen.

[9] Geröstetes Brot

Zutaten:

4 Tassen Mehl, 1 Tasse Milch,2 Teelöffel Backpulver, 1/2 Tasse Zucker, Salz, Fett

Zubereitung: Bereite einen Brotteig aus Mehl, Backpulver und Milch, der dick genug ist, um ausgerollt zu werden. Schneide die Rolle in verschieden große Stücke und brate sie in heißem Fett in der Pfanne, bis sie braun sind.

(aus einem Rezeptbuch von Dorothy Cadotte Lentz (Yanktonai Sioux))

 

 

Kapitel 2: Gespräch am Feuer:

 

Wie in jedem Jahr stand auch in diesem Sommer das große Tipi der Familie auf der Wiese hinter dem Farmhaus.

Hierhin führte der Alte seinen Enkel, um ein wenig später mit ihm an einem kleinen Feuer zu sitzen und den Flug der Funken zu beobachteten, die zum Rauchabzug empor strebten

„Weißt du", begann Chesum, „einer unserer Vorfahren, Noah See-ahth, sagte einmal: ‚Es gibt keinen Tod, nur einen Wechsel der Welten!’"

Erschrocken atmete Eagle ein. Schon jetzt wusste er mehr, als er ahnte, was kommen würde.

Der Blick seines Großvaters war liebevoll, während er seinen Enkel beobachtete.

„Man kann sich nicht aussuchen, wohin einen das Schicksal führt", fuhr er fort. „Und ich bin schon ein alter Mann."

Chesum nickte.

„Ja, ich bin ein alter Mann, Eagle", nahm er den Faden noch einmal neu auf.  Und dem Angesprochenen fiel auf, dass ihn sein Großvater zum ersten Mal bei jenem Namen genannt hatte, den er bisher gemieden hatte. ‚Eagle’, nicht mehr ‚Wamblee’.

„Doch ich habe mich entschlossen, noch ein Weilchen leben zu wollen und so musste ich auch den Kampf gegen diesen Magenkrebs aufnehmen, der in mir wächst."

Chesum lächelte. „Vielleicht werde ich am Ende verlieren, wer weiß? Doch ich werde nicht aufgeben."

Eine Weile schwiegen sie, dann ließ sich Eagle ganz genau berichten, was die Ärzte über die Krankheit herausgefunden hatten und wie sie sich die Behandlung vorstellten.

Chesums Schwäche und seine Magerheit stammten wohl nicht nur von der Krankheit selbst, sondern waren auch den Giften geschuldet, der Chemotherapie, der er sich  ausgesetzt hatte. Tagelang, so schilderte sein Großvater, habe er keinen Bissen zu sich nehmen können und sie hatten ihm nicht nur die Medikamente in die Venen gepumpt, sondern auch eine Art künstliche Nahrung. Nur so habe er ein wenig seiner Kraft behalten.

Doch die Tortur schien geholfen zu haben. So sagten es zumindest die Ärzte in Rapid City. Die letzte Untersuchung hatte ergeben, dass der Tumor kleiner geworden war und man ihn nun durch eine Operation endgültig würde entfernen können.

Erfolgssicher war man dabei nie, dass wussten sie beide und man musste es nicht aussprechen.

Aber es war eine Chance.

Bis es jedoch so weit war, sollte sich Chesum noch vier Wochen erholen. Dann würde man für ihn ein Bett bereit halten und er konnte den letzten Schritt gehen, der über Leben oder Tod entscheiden würde.

 

 

 

Fortsetzung folgt, falls ihr mögt!

Ein bisschen Hintergrundwissen:

Der Geistertanz und Wounded Knee:

 

Der Geistertanz, von dem Wahsiksapa im Prolog berichtet, ist ein Kult, mit dem die nordamerikanischen Stämme in einem Zeitraum von ca. 30 Jahren versuchten, gegen die Zerstörung ihrer Welt zu kämpfen.

Im Prinzip folgt das Ritual den traditionellen Riten und Tänzen dieser Völker, zum Beispiel dem legendären Büffeltanz, bei dem Jugendliche und Erwachsene über mehrere Tage bis zur völligen Erschöpfung die jährliche Wiederkehr der Herden beschworen.

Dennoch ist der Geistertanz auch etwas ganz Anderes. Initiiert von einem der Propheten, glaubten alle Beteiligten, dass der Tanz irgendwie die Zeit zurückdrehen oder umkehren könne und mit ihm die Ahnen, die Büffel und die Mustangs zurück kämen und sie alle ihr altes Leben wieder aufnehmen könnten.

Die Weißen würden verschwinden.

Der Kult selber verlief absolut friedlich. Er war ein einfacher Kreistanz, der den Weißen allerdings bedrohlich erschien, weil sich immer mehr Stämme dem Ritual anschlossen. Es soll Tänze gegeben haben, an denen 5000 bis 6000 Tänzer teilnahmen.

Einen Höhepunkt fand die Bewegung in den Lakotareservaten. Hier wurde die Idee um den Gedanken des Widerstands erweitert. Die Tänzer trugen oft stark verzierte Geistertanzhemden, denen Kugelsicherheit nachgesagt wurde. Befürworter der Bewegung waren u.a. der Häuptling und Medizinmann Tȟatȟáŋka Íyotake (Sitting Bull) und der Häuptling Unpan Glešká (Spotted Elk, abfällig auch als Si Tanka - Big Foot).

File:Chief sitting bull.JPG

(Sitting Bull, 1885 - GNU-Lizenz der wikipedia)

 

Die Weißen fürchteten einen Aufstand und Präsident Harrison ordnete eine Untersuchung an. Im Zuge dieser Maßnahmen versuchte man u.a. Sitting Bull zu verhaften, der dabei am 15.12.1890 zusammen mit seinem 14 jährigen Sohn und 13 weiteren Männern erschossen wurde.

Nach diesem Blutbad flüchteten viele Lakota, unter ihnen der Häuptling Si Tanka (Big Foot). Dessen Flüchtlingsgruppe wurde gestellt und sollte in die Pine-Ridge-Reservation überführt werden. Bei der Entwaffnung der Gefangenen löste sich ein Schuss.

 Danach schossen die Wachsoldaten wahllos auf Männer, Frauen und Kinder der Gruppe. Aussagen bestätigen, dass selbst Stunden später, als längst deutlich geworden sein musste, dass das Ganze aufgrund einer Kurzschlusshandlung eskaliert war, noch Verletzte erschossen wurden.

 Am 29.12.1890 starben am Wounded Knee 350 Menschen. Auch die weitere Behandlung der Gefangenen und Verletzten bestärkt die Vorstellung von einer willkürlichen Greueltat.

 An jenem Tag starben auch 25 Kavalleristen, zumeist durch verirrte eigene Kugeln.

 Der Schriftsteller Lyman Frank Baum hält die allgemeine Meinung dieser Zeit fest:

 „Die merkwürdige Politik der Regierung, eine so schwache und schwankende Person wie General Miles zur Überwachung der unruhigen Indianer einzusetzen, hat zu einem schrecklichen Blutvergießen unter unseren Soldaten geführt (...)

Es hat reichlich Zeit für schnelle und entschiedene Maßnahmen gegeben, die dieses Desaster verhindert hätten. (Diese Zeitung) hat zuvor erklärt, daß unsere Sicherheit von der totalen Auslöschung der Indianer abhängt. Nachdem wir ihnen jahrhundertelang Unrecht getan haben, sollten wir diesem noch ein weiteres Unrecht folgen lassen und diese ungezähmten und unzähmbaren Kreaturen vom Angesicht der Erde wischen (...)

Andernfalls können wir erwarten, dass die kommenden Jahre genau so voller Schwierigkeiten mit den Rothäuten sein werden wie die vergangenen.“[1]

 

Wounded Knee symbolisiert den letzten Akt des Genozids an den nativen Einwohnern der USA und das Ende der Indianerkriege. Nicht jedoch, weil von Seiten der Regierung Einsicht gezeigt wurde, sondern weil die nativen Völker schließlich aufgaben.

 [1] L. Frank Baum's Editorials on the Sioux Nation; Northern State University, Aberdeen, South Dakota, USA

 

 

Der tote Spotted Elk, Signal Corps Photographs of American Military Activity, 1754 - 1954 (GNU-Lizenz der wikipedia)

 

Impressum

Texte: Alle Rechte an Idee und Text liegen bei der Autorin.
Bildmaterialien: Cover Sophie André unter Verwendung der Flagge der USA und der Flagge der United Sioux Tribes
Tag der Veröffentlichung: 03.05.2013

Alle Rechte vorbehalten

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