Ein kurzes Wort im Voraus.
Wenn man lange und intensiv an einer Geschichte arbeitet, eröffnen sich hin und wieder neue Aspekte und Ideen, die sich manchmal nicht in die Erzählung einpassen lassen.
Das hier ist so eine kleine Geschichte, die in "Die Magier von Art-Arien" keine Platz findet.
Lange Zeit hat mich die praktische Machbarkeit jener bedingungslosen Gefährtenschaften der Dämonenkrieger beschäftigt.
Außerdem wollte ich nach den Diskussionen in unserer "Plauderecke" versuchen, einmal eine erotische Sequenz zu schreiben, die ohne jene besondere Sprache auskommt, der sich Schreiber erotischer Texte i.d.R. bedienen.
Was ich euch hier vorstellen möchte, ist eine kurze Momentaufnahme, die beides verbindet. Erlebt Abed und Ceylin, die Eltern von Darius und Atreus, zu Beginn ihrer Gefährtenschaft ...
Sophie
Traumzeit
Als sich der Wind in einer heftigen Bö in den Blättern der Bäume vor der geöffneten Tür verfing, erwachte sie.
Wie immer ließ sich ein feiner Algenduft in der Luft erahnen, die von dem nahen See aufstieg. Die Sommernacht war warm und selbst der frische Wind in den Birken vor der einsam gelegenen Hütte hätte ihr nicht diese Unruhe bereiten dürfen.
Dennoch fühlte sie sich plötzlich beobachtet und nicht allein.
Die unerwartete Anspannung ließ sie frösteln.
Eine Vorahnung machte sich in ihr breit und noch bevor sie sich umsah, zog sie die dünne Decke enger um ihren Körper und über ihre Schultern.
Dann sah sie auf. Eigentlich wusste sie es, noch bevor sie ihren Blick zur Tür gewandt hatte. Unter dem niedrigen Türstock stand eine große, reglose Gestalt, vom vollen Mond in einen düsteren Schatten gehüllt.
Er!
Bewegungslos ließ er ihren Blick über sich wandern und sie nahm die widersprüchlichen Emotionen wahr, die von ihm auszugehen schienen, Zorn, Wut, eine verhaltene Aggressivität und, ja, auch das, ein dunkles, wortloses Verlangen.
Er hatte sie gefunden.
Das Zittern kam vollkommen unkontrolliert. Es begann unauffällig mit einem feinen Tremor ihrer Hände, als sie sich auf einen Arm aufstützte und ihm entgegensah.
„Abed.“
Mehr als seinen Namen vermochte sie nicht auszusprechen und mehr schien er auch nicht zu erwarten, als er sich zu seiner vollen Größe aufrichtete und eine Hand an den Türstock stützte.
Der Mond schien ihm auf den Rücken und ließ kaum mehr als seine Silhouette erkennen, ein schlankes, durchtrainiertes Raubtier mit der Seele eines Kriegers, dunkel, bedrohlich, unbeherrschbar und dennoch für sie zutiefst anziehend.
Diese Anziehung war es auch gewesen, durch die sie ihm zu nahe gekommen war, viel zu nahe.
So nahe, dass er sie nun als sein Eigentum betrachtete.
Ein Besitzanspruch, der sie überrascht und überfordert hatte, und sie am Ende Hals über Kopf in eine Flucht trieb, die hier und jetzt ihr Ende finden würde. Nun, da er sie aufgestöbert hatte.
Das Wissen um seine überwältigende Stärke und seine Dominanz machte ihr Angst und ließ dennoch gleichzeitig eine innere Hitze in ihr aufwallen, deren Ursache sie sich nicht gestehen wollte.
Das feine Zittern ihrer Hände wurde stärker und nahm von ihrem ganzen Körper Besitz.
Die Wärme, die beim ersten Anblick ihres Kriegers in ihr aufgewallt war, machte einer inneren Kälte Platz. Sie zog fröstelnd ihre Beine an den Körper und umschlang ihre Knie mit den Armen.
Noch immer stand der dunkelhäutige, athletische Mann im Eingang, das in Zöpfchen geflochtene Haar mit einem Band am Hinterkopf fixiert, den Arm lässig an den Türstock gelehnt, abwartend, lauernd.
Und obwohl sie es in den milchigen Schatten des Mondlichtes nicht erkennen konnte, wusste sie, dass er lächelte.
Es war kein freundliches, gutmütiges Lächeln, das war ihr von Anfang an klar. Dieser Blick war siegesbewusst, triumphierend, animalisch. Es versprach dem Träger baldigen Genuss und ließ seine Beute zu Reglosigkeit erstarren.
Mehr als einmal war sie von ihm auf diese Weise betrachtet worden, hatte er auf sie herab gelächelt, und mit dem Versprechen, das in diesem besonderen Blick lag, hatte er immer Recht gehabt.
Es war das Versprechen gewesen, alles von ihr zu fordern, alles zu nehmen, sie sich zu Eigen zu machen und sie hatte gegeben, wonach er verlangte.
Doch ebenso hatte sie genommen, was er ihr geben konnte und sie hatte es genossen.
Das wurde ihr in diesem Augenblick erneut klar.
So, wie sie sich ihm bedingungslos hingegeben hatte, so hatte auch er sich ihr in diesen stillen Momenten vollkommen ausgeliefert, sich ihr anvertraut, und damit dachte sie nicht nur an seinen Körper.
Er hatte ihr gehört, vollkommen.
Doch diese Bedingungslosigkeit hatte sie auch bis in ihr Innerstes erschreckt, ihr Angst gemacht und sie schließlich dazu gebracht zu gehen, sich vor ihm in Sicherheit zu bringen.
Erfolglos, wie sie nun einsehen musste.
Graziös stieß sich der Krieger nun von seinem Standplatz ab und sie beobachtete mit rasendem Herzschlag, wie er langsam auf sie zukam.
„Ceylin!“
Seine Stimme klang rau und ein wenig heiser, als er sie ansprach und trieb ihr einen Schauer über den Rücken.
„Ceylin, du weißt, dass das nicht der Platz ist, an den du gehörst.“
Die dunkle Silhouette des Mannes ragte vor ihr auf und hätte ihr mehr als nur Angst einflößen sollen.
Doch es war etwas an dem duldsamen Ton in seiner Stimme, das sie beruhigte und etwas ganz anderes in ihr wachrief als Angst oder gar Grauen.
Vielleicht war es das Wissen um die Zeit, die sie bereits miteinander geteilt hatten, das ihr half, zu ihm aufzusehen und eine Hand von ihren Knien zu lösen, um ihm die geöffnete Handfläche zu zeigen.
Eine Geste der Resignation, der Aufgabe? Sie wusste es selber nicht.
In diesem Moment fand etwas in ihr zu seinem Ende und sie war mit einem Mal bereit, sich dem Krieger und der mit ihm verbundene Wahrheit zu stellen.
Doch war ihr Verstand auch bereit, sich den neuen Gegebenheiten zu stellen, so ließ ihr Körper diese Reaktion noch lange nicht zu.
Als sie nun versuchte,sich aufzurichten und eine Haltung einzunehmen, die ihre Stärke und ihre Würde widerspiegeln sollte, versagte sie jämmerlich.
Das Zittern ihrer Hände nahm erneut zu und ihre Kiefer schlugen hörbar aufeinander.
Die Angst vor dem, was er in seinem Zorn möglicherweise tun könnte, brach sich mit einem Mal unkontrolliert Bahn und anstelle der gewünschten aufrechten Haltung krümmte sie sich schutzsuchend zusammen, schlang beide Arme um den Oberkörper und begann sich still vor und zurück zu wiegen.
Die Furcht der Frau lag wie ein bitterer Geschmack in der Luft, wie ein brandiger Geruch, eine Disharmonie in einem vollen Klang und sie ließ nun auch den großgewachsenen Krieger inne halten und das Bild, das sich ihm bot, studieren.
Sie spürte, wie das Raubtier still über ihr verharrte und die Verzögerung dessen, was unaufhaltsam näher kam, ließ sie noch stärker erschauern.
Er musterte sie forschend und es kam ihr so vor, als ob er sie dabei auf eine unangenehme Art bis auf ihr Innerstes entblößte.
Dann wandte er seine Aufmerksamkeit dem Raum zu, in dem sie vor Kurzem untergekrochen war und sie hörte ihn tief einatmen und den Geruch der Behausung in sich aufnehmen.
Alle ihre Sinne waren bis aufs Äußerste gespannt und so entging ihr nicht, wie er für einen kurzen Moment den Atem anhielt.
Dann, als habe ihm seine Umgebung eine unerwartete Botschaft zugetragen, entspannte sich der Krieger und trat nun endgültig zu ihr.
„Du bist ganz alleine hier.“
Es war keine Feststellung, obwohl er natürlich wissen musste, dass niemand außer ihr diese Hütte benutzte.
Verwunderung lag in seiner Stimme, Erstaunen, als hätte er etwas anderes erwartet.
„Ist das so, Ceylin?“ hakte er nach.
„Bist du ganz allein hier herauf gekommen?“
Als sie still nickte, konnte sie spüren, wie sich seine Stimmung veränderte.
Die Aggressivität floss aus ihm heraus und ließ den Mann ruhiger und gefasster vor ihrem Lager zurück.
Glaubte er ihr, konnte er die Gründe für ihren Weggang wirklich erkennen?
Als er in die Hocke ging und ihr dabei näher kam, hatte sie das irrsinnige Bedürfnis, einfach aufzuspringen und wegzulaufen.
Dieser Mann war einfach viel zu übermächtig und präsent, als dass eine solche Bindung richtig sein konnte.
Obwohl er ihr nun so nahe war, konnte sie in der Dunkelheit sein Gesicht nicht erkennen. Eigentlich hätte sie gern seine Augen gesehen und den Ausdruck darin.
Zeigten sie noch immer die wilden Instinkte des magischen Jägers oder hatte er sich ihr in seinen Gefühlen bereits wieder zugewandt?
Sie wusste es nicht und sie konnte ihn auch nicht um mehr Helligkeit bitten.
Doch Abed schien zu wissen, was sie sich wünschte und so ließ er mit Hilfe eines gemurmelten Zauberspruchs die beiden Fackeln in den Wandhalterungen aufflammen.
Die Dunkelheit wehte zur Tür hinaus und in dem tanzenden Lichtschein gab es plötzlich nur noch sein Gesicht, auf das sie sich konzentrierte und die forschenden, ernsten Augen darin, die sie still musterten.
Blieb der Blick des Mannes gegenüber anderen meist verschlossen und unnahbar, so hatte er sie dennoch nie von dem ausgeschlossen, was er empfand, hatte ihr seine Gedanken offen gelegt. Und sie durfte seine Gefühle erkennen.
Er hatte ihr vertraut, in all den zurückliegenden Tagen, in denen er sie, so oft es nur ging, nahe bei sich bleiben ließ.
Am Anfang war ihr das Spiel mit diesem Feuer reizvoll erschienen und sie hatte das Kribbeln der Gefahr geliebt, die von ihm ausging.
Dann aber war eine Veränderung eingetreten und aus dem Spiel heraus hatte sie eine Bindung zu ihm entwickelt, die weit über jedes Gefühl hinausging, das sie jemals für einen Mann empfunden hatte.
Mehr und mehr verwob sie in ihren Gedanken sein Schicksal mit ihrem , überließ sie ihm immer mehr von sich selbst, bis es ihr schließlich so vorkam, als würde sie sich an den Krieger ganz und gar verlieren.
Doch diese Bedingungslosigkeit, die Aufgabe ihrer Freiheit, machten ihr auch immer mehr Angst und schließlich hatte sie die erste, sich bietende Chance genutzt und war vor ihm weggelaufen.
Zu groß war die Furcht geworden, dass er sie verletzen könnte.
Sie war sich sicher gewesen, dass ihr Zusammensein nicht von Dauer sein konnte, dass er ihrer bald überdrüssig sein und sich nach einem neuen Zeitvertreib, einer neuen Herausforderung umsehen würde.
Hatte sie wirklich nicht erwartet, dass er ihr bis hierher folgen würde?
Sie war sich nicht sicher.
Doch nun war er gekommen.
Sein Gesicht war ihrem erneut nahe und sie konnte sich nicht davon losreißen, ihn erneut intensiv zu betrachten.
Die Stille um sie beide schien sich zu verschieben und aus der Anspannung, die sie erfüllt hatte, wurde mehr und mehr Ruhe, bis sich schließlich auch jenes Band wieder einstellte, das sie so verunsichert hatte.
Zeit verging, über die beide nicht nachdachten, während sie einander musterten.
Ceylin betrachtete still die ruhigen, von schwarzen Wimpern umrahmten Augen des Mannes, deren Pupillen im Halbdunkel weit waren und die dadurch noch größer erschienen.
Er wich ihrem Blick nicht aus und schließlich war sie es, die beschämt zu Boden sah.
Eine dunkle Hand erschien vor ihren Augen und legte sich unter ihr Kinn.
Die Berührung nahm alle ihre Sinne in Anspruch.
Sie spürte, wie seine Finger entschlossen gegen ihren Kieferknochen drückten und ihr Gesicht anhoben.
Ohne ihr Zutun reagierte ihr Körper, ihr Herzschlag beschleunigte sich und ein brennendes Wärmegefühl verriet ihr, dass sie in Erwartung seines Blicks errötete.
Ein leises, tiefes Lachen verriet, dass es Abed nicht entgangen war, wie sie auf ihn reagierte, doch die Stimme des Kriegers war gefasst, als er endlich sprach.
„Wovor läufst du davon, Ceylin?“ wollte er wissen.
„Und vor allem, wo willst du hin?“
Er schluckte trocken. Dann brach es aus ihm hervor und die stockenden, fast nur geflüsterten Worte bewiesen ihr, dass er weit mehr sagte, als er es gewollt hatte.
„Ist es ein anderer Mann, der dich von mir forttreibt, einer, der dir mehr bedeutet als ich? Ist dir unser rastloses Leben zu viel geworden? Habe ich dir nicht genügend gegeben, dass du mich so abweist?“
Die Finger an ihrem Kinn schlossen sich fester um ihren Kiefer, als er ihren Kopf ein Stück näher zu sich heran zog.
„Warum also sind wir heute hier?“
Die Augen ihres Kriegers hielten sie fest, wie auch seine Hand und so musste sie sich schließlich dem stellen, was sie in seinem Blick erkannte, Zweifel, Enttäuschung … Niedergeschlagenheit.
Krieger baten um nichts, das hatte er ihr schon ganz zu Anfang einmal gesagt.
Sie nahmen, wonach ihnen der Sinn stand und töteten, wenn es erforderlich war.
Sie waren, was sie zu sein schienen, hart, unbeugsam, unbezwingbar.
Heute aber nahm sie eine Veränderung in seinem Wesen wahr, die sie bisher noch nie gesehen hatte, eine neue Duldsamkeit. Und mit einem Mal war sie sich sicher, dass er ihr nicht wehtun würde.
Sie beschloss, dass sie ehrlich sein wollte.
So viel Gerechtigkeit ihm gegenüber musste sein.
Also begann sie, leise von dem zu erzählen, was sie schließlich hierher getrieben hatte.
Je länger sie sprach, umso mehr schien der Raum um sie herum schrumpfen, schien sich die Distanz zwischen den beiden Wesen zu verringern.
Nie hätte sie gedacht, dass sie einmal in der Lage sein würde, ihm ihre Schwäche und ihre Ängste zu gestehen. Dass er ihr zuhören könnte, wenn sie von den Gefühlen sprach, die sie vollkommen überfordert hatten.
Doch genau das tat er nun.
Konzentriert verfolgte er, was sie zu sagen hatte und je länger sie sprach, umso weicher schienen seine Gesichtszüge zu werden, umso mehr Zuneigung schien sein Blick auszudrücken.
Dann, als sie zu Ende gekommen war, schwiegen sie beide.
Es war ein freundliches Schweigen, dessen Stille niemanden bedrückte und es ließ zu, dass sie für einen Moment dem Gefühl nachging, das seine Nähe bei ihr auslöste, ein feine Ahnung von Geborgenheit, von Zuneigung.
Wäre der Ort ein anderer gewesen, so hätte sie das Wort Liebe zugelassen. Aber auch so gestand sie sich zumindest ein, dass sie sich in seiner Nähe erneut wohl fühlte.
Seine Hand, die zu Beginn hart ihren Kiefer umschlossen hatte und dann herab gesunken war, kehrte nun zu ihrem Gesicht zurück.
Es war eine weiche, träge Berührung, mit der er ihr über die Wange und die tränennassen Augen strich.
Wieder und wieder betrachtete er ihr Gesicht mit seinen Fingerspitzen, fuhr die Linien ihrer Jochbögen und Augenbrauen nach, berührte die Lider.
„Ceylin!“
Der Klang ihres Namens verursachte ein Kribbeln, das geschäftig ihren Rücken hinunter lief.
Er starrte sie an.
„Dieses Gefühl, das dich so verunsichert …“
Er zögerte kurz.
„… es ist eines der Geheimnisse meiner Spezies.“
Wieder schluckte er trocken und sie sah, wie sich sein Kehlkopf unter der dunklen Haut bewegte.
Der Wunsch, ihn ebenfalls zu berühren, wurde fast übermächtig und nur mit großer Selbstbeherrschung drängte sie das Bedürfnis zurück.
„Wir nennen es schlicht ‚die Bindung’. Paare, die auf diese Weise zusammenfinden, trennen sich danach nie mehr.“
Als er sie erneut betrachtete, konnte sie die Liebe in seinem Blick nicht mehr übersehen.
Längst hatte der Krieger neben ihr Platz genommen und nun rückte er noch ein wenig näher und ergriff ihre Hand, deren kleine Finger zwischen seinen Handflächen verschwanden.
„Ich kann verstehen, dass dich die Bedingungslosigkeit einer solchen Partnerschaft abschrecken muss. Mir ging es nicht anders, als mich diese Empfindung zum ersten Mal überfiel.“
Er lachte leise auf.
„Und dabei wusste ich sofort, was da mit mir geschah …“
Erstaunt sah sie zu ihm auf und begegnete einem Blick voller Zärtlichkeit aus dunklen Augen.
„Wenn du es zulässt, Ceylin, wird es auch in hundert Jahren noch genauso sein wie heute.“
Seine Stimme war fest und entschieden, als er für sie in wenigen Worten die gemeinsame Zukunft beschwor.
Dann, als er der Meinung war, genug Argumente ausgesprochen zu haben, die sie zurückbringen konnten, schlug er einen weiteren Weg der Überzeugung ein.
So zumindest schien es ihr, als er seine Hand langsam zu ihrem Hinterkopf wandern ließ und sie zu sich heran zog.
„Ich will dich, Ceylin!“ verkündete er flüsternd.
„Daran werden auch ein paar Jahrhunderte nichts mehr ändern.“
Einen Moment lang hielt er inne, wie um ihr Zeit für einen Widerspruch zu geben, dann fuhr er ihr spielerisch mit der Zunge über die Lippen.
Es war ein kurze, fast flüchtige Berührung, doch sie reichte aus, um ihr Herz zu einem schnelleren Rhythmus zu treiben und ihre Sinne weit, weit weg von aller Vernunft zu führen.
„Abed!“
Sie konnte noch seinen Namen flüstern.
Das leise Lachen, das ihr antwortete, enthielt eine Spur männlichen Triumphes.
Doch blieb ihr keine Zeit, darüber nachzudenken, als sich weich und fordernd seine Lippen auf ihre legten.
Zu der Hand am Hinterkopf gesellte sich eine zweite zwischen ihren Schulterblättern, was gut war. Denn als sich mit einem Schlag all die Anspannung löste, die ihren Körper beherrscht hatte, wäre sie ohne seinen Halt vermutlich einfach auf die Felle gesunken.
Erst nach und nach drang es bis in ihren Verstand vor, was er ihr da eigentlich gesagt hatte. Er wollte sie, für eine kleine Ewigkeit! Sie war mit ihren Gefühlen nicht alleine …
Das Erstaunen über das Gehörte ließ sie schließlich die Lippen öffnen.
Übergangslos nahm der Krieger die Einladung an, neigte seinen Kopf etwas zur Seite und nahm ihren Mund in Besitz. Ein wohliges Knurren verkündete, wie sehr er es genoss, auf diese Weise in ihr zu sein.
Er drängte sich an sie, so dass sich ihr Oberkörper völlig an seinen schmiegte und gab ihr dann noch mehr von seiner Kraft zu kosten, bis sie sich von ihm auf die Felle betten ließ. Dabei ließ er ihre Lippen nicht los, erkundete ihren Mund und sie tat es ihm gleich und gab zurück, was er ihr schenkte.
Unter ihren Händen spürte sie die feste Muskulatur des Mannes tanzen, als er ihr auf das Lager nachsetzte und diese gebändigte Kraft und die Last seines halb auf ihr ruhenden Körpers ließen sie aufseufzen.
Noch hatte er nicht viel mehr getan, als sie zu küssen, da spürte sie bereits, wie sich ihr Körper öffnete und ihr Innerstes für ihn erblühte.
Ceylin warf den Kopf in den Nacken und lud Abed ein, mehr von ihrem Körper zu erkunden.
Sie streckte ihren Hals und entblößte damit ihre Verletzlichkeit vor dem raubtierhaften Wesen ihres Kriegers.
Anders als in den ersten Tagen ihres Zusammenseins ging es ihr heute nicht mehr um den Kitzel der Gefahr, der in dieser Geste lag. Viel mehr wollte sie ihm damit ihr Vertrauen beweisen, an dem er nach dem Geschehenen zu Recht zweifeln mochte.
Das Herz schlug ihr fast schmerzhaft gegen die Rippen, als sich der Mann neben ihr aufrichtete und sie betrachtete.
Hatte sie wirklich geglaubt, dass sie sich von ihm würde abwenden können?
Als der Krieger nun mit den Fingerspitzen dem Lauf der Venen an ihren Hals folgte, um seine Hand dann auf ihrem Schlüsselbein ruhen zu lassen, ergab sie sich ihm.
Abed war offenbar nicht entgangen, was mit ihr passierte, denn noch einmal traf sie ein stiller, forschender Blick, bevor er begann, die Bänder ihres einfachen Gewandes zu lösen.
Sie kam ihm entgegen, ließ sich willig entkleiden, und wäre zu allem bereit gewesen, als auch er Gambeson, Beinlinge und Bruche wortlos abgelegt hatte.
Er aber nahm seinen Platz neben ihr noch nicht ein, sondern ließ sich betrachtend am Rand ihres Lagers nieder.
Als er sie kurz nach seiner Ankunft so gemustert hatte, war sie sich entblößt vorgekommen.
Nun, da sie tatsächlich nackt vor ihm lag und der flackernde Fackelschein ihm einen guten Ausblick auf ihren Körper erlaubte, zählte nur noch die Bewunderung, mit der er sie studierte.
Unter diesem Blick fühlte sie sich schön, und so zog sie einen Arm unter ihren Kopf und legte eines ihrer Knie leicht zur Seite, um ihm noch mehr Anreiz für seine Betrachtung zu geben.
„Ceylin!“
Das Knurren des Kriegers war voller erotischer Kraft.
„Wenn du das tust, kann ich dir keine Beherrschung mehr versprechen…“
Mit einem Lächeln betrachtete sie ihn und sah, was er meinte.
In Erwartung des Kommenden waren seine Bauchmuskeln angespannt und seine Männlichkeit war für sie hart und kraftvoll geworden.
Versonnen fuhr sie über die weiche Haut, die den harten Kern bedeckte und entlockte ihm ein erneutes, kaum noch beherrschtes Fauchen.
Dann ließ sie ihre Hand weiter wandern, durch das dunkle Haar seines Unterleibs, über die leicht vorstehenden Hüftknochen und den Bauch bis zu der ausgeprägten Muskulatur eines Brustkorbs.
Hier ließ sie sich Zeit und fuhr die Konturen jedes einzelnen Muskels nach, die sich unter ihrer Berührung wie wirkliche Lebewesen bewegten. Sie erforschte die Samtigkeit der dunklen Haut und bewunderte seine animalische Schönheit.
Wie erstarrt hielt der Krieger unter ihrer Hand still und genoss mit geschlossenen Augen jede ihrer Berührungen. Schließlich richtete sie sich auf und schmiegte ihren Körper vollkommen an seinen.
Ihr Kopf ruhte auf seiner Schulter, ihre Brüste lagen an seinem Brustkorb und ihre Scham streichelte seine Männlichkeit.
Diese sanfte Berührung weckte den Mann aus seinem stillen Verharren. Ein angedeuteter Stoß seines Beckens führte ihn noch dichter zu ihr und ließ sie leise aufstöhnen.
Doch erneut spielte der Krieger auf Zeit und brachte etwas Raum zwischen ihre Körper.
Als die Kälte dort auf ihre Haut traf, wo sie gerade noch seine herrliche Körperwärme genossen hatte, stöhnte Ceylin enttäuscht auf. Ein belustigtes Brummen quittierte ihre Unmutsbekundung und Abed kehrte tröstend für einen Moment dorthin zurück, wo sein Körper vermisst wurde.
Dann, als sie sich unter ihm erneut anbot, machte er sich daran, nun seinerseits ihren Körper zu erkunden und ihre Lust anzustacheln.
Schon als sie sich still seiner Betrachtung dargeboten hatte, war Abed von der Schönheit Ceylins gefesselt gewesen.
Dann, als sie ihm zärtlich nahe kam, fasste der Krieger den Entschluss, sie in dieser Nacht endgültig an sich zu binden. Es lag in der Natur der dämonischen Krieger, feste, unumkehrbare Gefährtenschaften einzugehen und Abed hatte sich auf Art seiner Spezies längst an Ceylin gebunden.
Bis vor wenigen Tagen hatte er angenommen, dass diese Bindung auch für sie selbstverständlich wäre.
Dann, als sie nach seiner Rückkehr von den Gerichtstagen plötzlich verschwunden war, gab er sich dem Zorn und dem Unverständnis hin, die ihn beherrschten.
Doch nun hatten seine Emotionen nochmals eine Wende erlebt und er war bereit, Ceylin für sich zurück zu erobern.
Genießerisch ließ er die dicken, dunkelblonden Strähnen ihres langen Haares durch seine Finger gleiten. Weich und seidig floss die Fülle aus seiner Hand und kam auf der elfenbeinfarbenen, makellosen Haut der Frau zu ruhen.
Mit beherrschter Sanftheit folgte sein Handrücken dem Fluss der Flechten und strich Ceylin träge über Schulter und Brustbein. Als ihr Körper seinen Bewegungen entgegen kam, gab er dem Drängen seiner Gefährtin nach und umschloss deren Brüste mit beiden Händen. Die warme Haut unter seinen Fingern ließ ihn wünschen, mehr von ihr zu fühlen.
Hatte er bisher noch neben ihr gekniet, so nahm er nun seinen Platz an ihrer Seite ein. Während er weiter streichelte und Genuss gab, rückte der Krieger nahe zu ihr. Ein Bein kam auf ihren Oberschenkeln zu ruhen und der Mann rieb sich verlangend an ihrer Hüfte.
Ein leises Lachen antwortete diesem wortlosen Wunsch und ihre kleinen Hände nahmen nun ebenfalls ihren Weg über seinen Körper, erkundeten ihn und schenkten ihm Lust.
Ihre Zärtlichkeit erschütterte die Selbstbeherrschung des Mannes und ließ ihn für einen Moment seine Ziele vergessen. Er senkte den Mund auf sie herab und nahm eine ihrer Brustspitzen zwischen die Lippen. Genießend spürte er den Reaktionen nach, die seine Lippen ihrem Körper entlockten.
Immer mehr erfasste auch Abed das Verlangen, sich mit der Frau zu vereinen, die sich sehnsuchtsvoll in seine Arme schmiegte.
Doch der Krieger ließ sich nicht drängen.
Stattdessen nahmen seine Hände ihre Erkundung wieder auf. Träge erspürten sie die Schenkel und Hüften seiner Gefährtin, bis er mit einem Seufzen seine große Handfläche auf ihre Mitte legte und sie dort ruhen ließ.
Noch nie hatte Abed einen Gedanken daran verschwendet, doch in jener Nacht wünschte er sich nichts mehr, als dass er für immer der Einzige bliebe, der sie auf diese vertrauliche Weise berühren und ihr Lust schenken dürfte.
Sie sollte ihm gehören und niemals auch nur einen Blick an einen anderen Mann verschwenden. Abed löste sich von ihren Brüsten und näherte seinen Mund ihrem Ohr, um ihr das Gedachte zuzuflüstern.
Womöglich brachte sie das leise Raunen des Kriegers noch näher an den Rand der Ekstase, denn Ceylin gelang es nicht mehr, eine sinnvolle Antwort zu finden. Stattdessen erwiderte sie ihm durch die Reaktion ihres Körpers, wie sehr auch sie sich die Vertrautheit zu ihm wünschte.
Als sie sich unter ihm aufbäumte und ihr Schoß erneut über seine Männlichkeit strich, überließ sich der Krieger diesem Rausch an Empfindungen. Ohne darüber nachzudenken, fand er seinen Platz zwischen ihren Beinen. Mit festem Griff fixierte er ihre Hüften und vereinte dann ihre beiden Körper mit einem kraftvollen, tiefen Stoß.
Als sich die weiche Wärme ihrer Mitte um ihn schloss, nahm der Krieger einen ruhigen Rhythmus auf, dem sie sofort folgte. Wohlig schlang Ceylin ihre Beine um seine Mitte und gab sich seinen Bewegungen hin. Ihr ganzes Fühlen konzentrierte sich mehr und mehr auf jenen Punkt, an dem ihre Körper miteinander verbunden waren. Die Gedanken an die Welt um sie herum verschwammen.
Ihre ganze Aufmerksamkeit und Hingabe galt nur noch jener machtvollen, tiefen Berührung ihrer Vereinigung, die sie immer schneller auf den Höhepunkt der Ekstase zutrieb. Auch Abed gab sich ganz seinen Empfindungen hin, doch erschien ihm die Nähe zu seiner Partnerin noch nicht genug, auch wenn er sie mit seiner Männlichkeit ausfüllte.
Scheinbar mühelos ergriff er den leichten Körper seiner Gefährtin, erhob sich zusammen mit ihr in eine kniende Position und zog nun auch ihren Oberkörper dicht an seine Brust, während er sich weiter tief in ihr bewegte.
Nun, da er ihr alles geben konnte, was er sich wünschte, Leidenschaft, Geborgenheit und Schutz, ließ sich Abed einfach davontragen. Seine Bewegungen nahmen an Kraft und Rhythmus zu und kurz bevor er sich in der Gefährtin seiner Wünsche verströmte, nahm er noch wahr, wie auch sie vom Rausch der Ekstase ganz erfasst wurde.
Später, als ihre Körper langsam wieder zur Ruhe kamen, atmete er zufrieden den Duft ein, der von ihrem erhitzten Körper ausging und lauschte dem schnellen Pochen ihres Herzens und ihren tiefen, schweren Atemzügen.
Einen Arm ließ er um ihre Hüften geschlungen, während er mit der anderen Hand träumerisch immer wieder über ihr Haar und ihren Rücken streichelte. Ceylin aber hatte ihren Kopf an seine Schulter gebettet und gab sich ganz der Nähe und Geborgenheit hin, die er ihr schenkte.
So saßen sie lange still beieinander und genossen ihre Zweisamkeit.
Abed aber war sich nun vollkommen sicher, dass es Ceylin war, mit der er sein weiteres Leben verbringen wollte, sie und keine andere. Er stieß ein ergebendes Seufzen aus und schob die Frau in seinen Armen leicht von sich. Dann vollzog er mit einer fließenden Bewegung die legendäre Verwandlung der Dämonenkrieger.
Seine schon beeindruckende Körpergröße nahm noch um eine Handbreit zu und die riesigen, nachtschwarzen Schwingen erschienen.
Vielleicht hätte die dunkle Bedrohlichkeit ihres Kriegers Ceylin zurückschrecken lassen müssen, doch inzwischen kannte sie Abed gut genug, um ihm zu vertrauen und so schmiegte sie sich erneut wärmesuchend an ihn, als die Verwandlung abgeschlossen war.
Ihre blauen Augen blickten in seine dunklen und mit einem Lächeln brach sie schließlich das Schweigen.
„Geht es dir gut, Abed?“
Der zufriedene Gesichtsausdruck des Kriegers hätte Antwort genug sein können.
„Doch, das tut es, Aimee. Wirklich, das tut es.“
Ein dumpfes Geräusch, gefolgt von einem kühlen Windhauch, verriet, dass er seine Schwingen ausschüttelte.
Dann wurde Ceylin von einer Decke aus seidigen, schwarzen Federn vollkommen eingehüllt.
Diese Geste, das wusste sie, war ein bindendes Zukunftsversprechen ihres Kriegers. Die Schwingen der Dämonenkrieger standen nur der einen Frau zu, die die dunklen Kämpfer als ihre Gefährtin betrachteten.
Mit klopfendem Herzen und einem leichten, überraschten Unglauben fuhr sie die Konturen seiner Armschwingen nach und bestaunte die seidige, weiche Beschaffenheit des Gefieders, dass in deutlichem Kontrast zu der Stärke stand, die die Flügel selber ausstrahlten.
Verwunderung lag in ihrer Stimme, als sie schließlich seinen Namen flüsterte.
„Abed!“
Ein wohliges Brummen antwortete ihr, als sie erneut über seine Schwingen strich.
„Abed! Ich glaube dir.“
Der Krieger brachte ein wenig Raum zwischen ihre Körper, um ernst ihr Gesicht zu betrachten.
„Du vertraust mir also wieder und wirst bei mir bleiben?“
Sie fühlte, wie sich seine Muskeln bei diesen Worten anspannten. Selbst sein Herzschlag schien sich bei seiner Frage zu beschleunigen. Beruhigend und tröstend strich Ceylin ihm über Stirn und Wange.
Sie nickte.
„Ich werde mit dir zurückkehren und bei dir sein, solange du es wünschst.“
Die Züge des Kriegers verschönten sich unter seinem Lächeln. Mit beiden Händen umfasste er ihr Gesicht und betrachtete sie liebevoll.
„Dann musst du für immer bleiben, Ceylin. Ich werde dich niemals fortschicken.“
Erneut sah sich Ceylin der Bedingungslosigkeit ihrer Bindung gegenüber.
Doch nun, da sie wusste, dass auch Abed sich auf die gleiche Weise an sie gebunden fühlte, machte ihr das Wissen um die Dauerhaftigkeit ihrer Liebe keine Angst mehr. Sie würde ihm vertrauen, sich ihm schenken und daran glauben, dass diese Gabe von ihm ebenso erwidert würde. Ceylin und Abed verbrachten den Rest der Nacht eng umschlungen in ihrer kleinen Hütte im Gebirge.
Als der Morgen sie mit den ersten Sonnenstrahlen weckte, traten sie Hand in Hand aus der Tür und begrüßten den neuen Tag. Später machten sie sich gemeinsam auf den Rückweg nach Smyrna, wo die Abenteuer ihrer Zukunft auf sie warteten. Sie konnten nicht wissen, was sie in jenen unsicheren Zeiten erwartete, doch waren beide voller Zuversicht und blickten nicht mehr zurück.
ENDE
Texte: Urheberrecht des Textes liegt bei der Autorin.
Bildmaterialien: Cover Sophie André unter Verwendung von 545495_R_K_by_Rita Thielen_pixelio.de
Tag der Veröffentlichung: 13.01.2012
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