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Kapitel 1 - Katerstimmung

Deutschland / Hamburg, Eppendorf

 

Den freundlichen Vormittag mit den kräftigen, wärmenden Sonnenstrahlen konnte Arne Fröhlich nicht genießen. Dafür war sein Leben in den letzten Tagen zu sehr auf den Kopf gestellt worden.

Zwei Wochen waren vergangen, seit der Landwirt aus dem Kreis Harburg auf einem seiner Felder ein gigantisch großes Objekt entdeckt hatte. Elliptisch, flach aus einem unbekannten, wahrscheinlich metallischen Material mit dem Durchmesser eines Fußballfeldes. Es hatte einfach so dort gestanden, aufgetaucht aus dem Nichts. Und es hatte Arne Fröhlich auf seltsame Art angezogen.

Ohne Angst hatte er sich auf das Objekt zubewegt, an dessen Boden sich eine Klappe geöffnet hatte. Und dann war er auch schon im Innern gewesen...

In diesem weißen, leeren Raum, ohne Formen und Konturen. Da waren diese... Leute. Sie sahen aus wie Menschen, bis auf ihre Augen, die nur eine flirrende, graue Kugel ohne Pupillen waren. Sie redeten in seiner Sprache und sie erzählten ihm die unglaublichsten Dinge. Über ihre Herkunft, die Ziele, die sie hatten und über den Planeten, auf dem er lebte und den die Menschen im Begriff waren zu zerstören.

Das Gefühl für Zeit hatte Arne Fröhlich während seines Aufenthalts im Innern des Objekts völlig verloren. Dann stand er wieder auf seinem Feld – eine Woche später. Genauso plötzlich, wie er von dort verschwunden war. Doch das Feld hatte sich verändert, war bevölkert von Soldaten und Personen in Schutzanzügen. Da waren Container und Zelte, ein richtiges kleines Dorf. Arne hatte erfahren, dass er nicht der einzige war, mit dem die Wesen gesprochen hatten. Fünf solcher Objekte waren zeitgleich aufgetaucht, in Deutschland, in Russland, in Amerika, in China und in Afrika. Und an jedem dieser Orte war ein Mensch verschwunden.

Jetzt waren sie zurück, nach einer Woche und erzählten die gleiche Geschichte. Arne war sicher, dass es eine wichtige Geschichte war, denn schließlich ging es darum, den Planeten mit Hilfe der Wesen zu retten. Doch niemand schien Interesse daran zu haben.

Arne wurde verunglimpft, seine Glaubwürdigkeit durch den Dreck gezogen und er wurde angefeindet. Er hasste die Wesen für das, was sie ihm angetan hatten und er wünschte sich, keiner der Menschen zu sein, denen die Aufgabe zukam, die Botschaften weiterzutragen. Er wollte zurück in sein altes Leben, zu seiner Frau Marion und seiner Tochter Hannah. Doch das Wiedersehen war nur von kurzer Dauer. Als er wutentbrannt auf das Feld gerannt war, um mit den Wesen abzurechnen, hatte ihn ein stechender Schmerz im Schädel umgeworfen. Dunkel erinnerte er sich, in eines der Lazarett-Zelte gebracht und untersucht worden zu sein. Saskia Gauers, die Einsatzleiterin, hatte versucht, ihn zu beruhigen, doch das schaffte sie nicht.

Panik hatte Arne Fröhlich erfasst. Er sah alles nur noch wie durch einen Schleier, hörte das Blut in seinen Ohren rauschen und die Bilder vor seinen Augen verschwammen. Dann hörte er Stimmen um sich herum und Saskia Gauers sprach von einem Krankenhaus. Danach hatte er das Bewusstsein verloren.

Er war wieder aufgewacht, in diesem Zimmer. Ein Arzt sagte, dass bereits Sonntag war. Einen Tag und zwei Nächte war er weg gewesen. Er sah Marion und Hannah, die bei ihm waren. Er lag im Universitätsklinikum, doch keiner wollte ihm sagen, weswegen. Sein Zustand hatte sich nur wenig gebessert. Noch immer lag über seinen Wahrnehmungen ein Schleier und er spürte den stechenden Schmerz in seinem Kopf.

Er war nicht lange wach geblieben. Es gab keine Träume und keine Erinnerungen.

Jetzt war er wieder da, wusste weder den Tag noch die Uhrzeit. Aber der Blick war wieder klar, das Rauschen hatte aufgehört und der Schmerz nachgelassen.

Arne Fröhlich fühlte eine tiefe Ruhe in sich, ohne zu wissen, woher sie kam. Sein Leben war aufregend und unerfreulich genug, seit seiner Entdeckung auf dem Acker. Der Beitrag im Fernsehen, wegen dem er am Freitag zum Feld gelaufen war, hatte ihn nicht nur bundesweit bekannt-, sondern auch zu einem unmöglichen Idioten gemacht. Dann dieser Aussetzer, die Ungewissheit seines Zustands...

Und doch fühlte er tiefen Gleichmut in sich, so als wüsste er genau, dass keines seiner Probleme eine Bedeutung hatte.

Er spürte die Sonne auf seinem Gesicht, empfand aber keine Freude. Das wäre angesichts seiner Situation zu viel verlangt. Er begnügte sich mit dieser Form der Erleichterung. Darüber, dass er sich im Moment wenigstens nicht unwohl fühlte.

Er hoffte, seine Familie zu sehen, als die Zimmertür geöffnet wurde. Doch stattdessen trat eine junge Frau in einem weißen Kittel, mit dichtem schwarzen Haar und südländischem Äußeren ein. Ihr Gesicht war schmal und freundlich.

„Guten Tag, Herr Fröhlich“, begrüßte sie ihn akzentfrei. „Wie geht es ihnen?“

Arne blinzelte und tastete auf dem ausklappbaren Rolltisch neben sich nach seiner runden, randlosen Brille.

„Ganz gut soweit...“, antwortete er unsicher.

Die Ärztin zog sich einen Stuhl heran.

„Mein Name ist Doktor Ebru Turan. Sicher haben sie eine Menge Fragen.“

Er nickte. „Bin ich immer noch im UKE?“

„Sind sie.“

„Und welcher Tag ist heute? Wie spät ist es? Und wo ist meine Familie?“

Die Ärztin lächelte. „Eins nach dem anderen, Herr Fröhlich. Also heute ist Montag, es ist kurz nach 11 Uhr und ihre Familie ist in der Kantine im Erdgeschoss. Ich werde sie holen, sobald wir hier fertig sind.“

„Und wann kann ich nach Hause?“

„Ich fürchte, das wird so bald nicht möglich sein.“

„Wieso? Was fehlt mir denn überhaupt? Was Schlimmes kann es doch gar nicht sein. Sonst würde ich doch an tausend Schläuchen hängen.“

Ebru Turan beugte sich ein Stück nach vorne und ein Schatten legte sich über ihr Gesicht. „Sie waren lange bewusstlos, Herr Fröhlich, und wir haben sie intensiv durchgecheckt. Mit verschiedenen Verfahren und haben manche Tests auch mehrmals gemacht...“

Er wurde ungeduldig. „Jetzt reden sie bitte nicht um den heißen Brei, Frau Doktor.“

Ihr Blick war fest und traurig, als sie ihm in die Augen sah.

„Sie haben einen Hirntumor, Herr Fröhlich.“

Sicher war er immer noch bewusstlos und träumte dieses Treffen nur. Bestimmt lag er noch in dem Lazarett-Zelt auf seinem Feld und es war Freitagabend.

Doch dann fühlte er ihre kühle Hand auf seinen Fingern. Und alles andere war auch real.

Arne schluckte und spürte die Trockenheit in seinem Hals. Er hatte gerade sein Todesurteil erhalten.

Er wollte etwas sagen, das schlimme Wort wiederholen. Doch nichts kam aus seinem Mund.

Ebru Turan senkte den Blick.

„Ich hätte ihnen gern eine andere Diagnose mitgeteilt, Herr Fröhlich. Aber ich fürchte, dass ein Irrtum ausgeschlossen ist.“

Seine Lippen zitterten, er kämpfte gegen die Tränen.

„Aber wieso?“, hörte er sich sagen. „Ich bin doch gerade 50 und war immer bei der Vorsorge. Die hätten doch was finden müssen...“

„Nicht notwendigerweise. So etwas kann sehr schnell gehen.“

„Aber als ich zurückgekommen bin, hat man mich doch auch untersucht. Die hätten es doch spätestens sehen müssen. So ein Tumor kommt doch nicht über Nacht.“

Die Ärztin hob die Schultern. „Für gewöhnlich nicht. Wir haben ehrlich gesagt auch keine Antwort darauf. Natürlich haben wir uns die Ergebnisse der medizinischen Untersuchungen geben lassen, die nach ihrer Rückkehr durchgeführt wurden. Und sie haben recht: Da war noch kein Tumor zu erkennen. Was nicht heißt, dass er nicht schon da war. Vielleicht ist er nicht aufgefallen, weil niemand danach gesucht hat. Wir hingegen sind in den letzten Tagen alle Möglichkeiten durchgegangen, um zu einer Diagnose zu kommen. Nach ihrer Rückkehr waren erstmal andere Dinge wichtiger. Die Untersuchungen waren also eher oberflächlich, was ich nicht kritisieren möchte. Aber so ist es nun mal...“

„Und woher kommt der Tumor? Ist es, weil ich... weg war? War da irgendwas in dem Ding? Eine Strahlung oder so?“

Ebru Turan seufzte hilflos. „Ich würde ihnen so gerne all die Antworten geben, die sie sich wünschen, aber ich kann es nicht. Wir wissen nicht, woher der Tumor kommt, wann er entstand und wieso er so schnell gewachsen ist.“

Arnes Augen weiteten sich. „Schnell gewachsen? Was meinen sie damit. Sie können doch operieren, oder?“

„Ich fürchte nicht, Herr Fröhlich.“

Für einen Moment stand die Zeit still und Arne hatte das Gefühl, immer tiefer in diesem Alptraum zu versinken. Konnte er nicht einfach auf der Stelle aufwachen?

„Wollen sie mir sagen, dass ich... sterben werde?“

Die Ärztin wollte keine Antwort auf diese Frage geben. Sie fühlte mit ihrem Patienten, auch wenn sie es nicht wollte. Dieser Mann hatte soviel durchgemacht in den vergangenen zwei Wochen, dass sie ihm nicht noch die letzte Hoffnung rauben wollte. Doch sie wusste auch, dass es sinnlos war zu lügen, oder ihm etwas vorzumachen.

„Ich fürchte, das werden sie, Herr Fröhlich.“

„Aber es geht mir doch wieder gut.“

Die Ärztin seufzte. „Das ist normal. Wir konnten den Druck des Tumors minimieren. Außerdem sind sie immer noch sediert.“

Seine Kehle schnürte sich zu und er spürte, wie die Tränen in ihm aufstiegen. „Und... wann... ist es soweit?“

„Das lässt sich schwer sagen. Wir wissen kaum etwas über den Tumor. Vielleicht Wochen. Vielleicht weniger.“

Er drehte das Gesicht von ihr weg und sah wieder aus dem Fenster in die helle Sonne. Der Frühling kam, die Felder mussten bestellt werden. Die Aussaat duldete kaum noch einen Aufschub. Er musste mit Marion reden. Und mit Hannah. Über all die Dinge, die jetzt zu tun waren, und bei denen er nicht mehr helfen konnte.

„Es tut mir leid“, hörte er Ebru Turan sagen.

„Ich wäre jetzt gerne allein.“

„Möchten sie, dass ich ihre Familie hole?“

„Nein“, antwortete Arne, ohne vorher darüber nachzudenken. „Ich möchte erst einen Moment für mich haben. Ich klingele dann.“

Wortlos erhob sich die Ärztin und verließ leise das Zimmer, wobei sie eine gewisse Erleichterung empfand.

Arne Fröhlich schloss die Augen und wünschte sich, wieder das Bewusstsein zu verlieren. Und damit alles zu vergessen, was er in den letzten Augenblicken erfahren hatte. Doch etwas sagte ihm, dass sich an den Tatsachen nichts ändern würde.

„Bitte gehen sie“, rief er ohne den Kopf zu drehen, als er die Tür erneut hörte.

Doch der Besucher machte keine Anstalten, das Zimmer zu verlassen. Er schloss die Tür und seine Schuhe quietschten auf dem Linoleum, als sie sich Arnes Bett näherten. Ruckartig wandte er den Kopf, um dem Eindringling seine Wut entgegenzubrüllen, doch er verstummte.

Im Zimmer stand ein Mann, mittelgroß, schlank, mit weißen Haaren und dunklen Augenbrauen, die es schwer machten, sein Alter zu bestimmen. Er hatte ein volles, freundliches Gesicht und dunkle Augen. Er trug einen Anzug und kam auf Arne zu, auf den Lippen ein Lächeln.

Dicht am Bett blieb er stehen und nahm Arnes Hand.

„Erkennst du mich?“

Arne schluckte. Seine Lippen zitterten. „Natürlich.“

Der Fremde nickte. „Das ist gut. Ich bin gekommen, um dir zu sagen, dass alles gut wird.“

Als die Farbe seiner Augen zu einem blassen blau-grau wurde, die Pupillen verschwanden und sich die Augäpfel hinter einem dünnen Film zu drehen begannen, wusste Arne Fröhlich, dass der Fremde die Wahrheit gesagt hatte.

Es würde alles wieder gut werden.

 

 

USA / Washington, DC

 

Um nichts in der Welt wollte er sich seine Nervosität anmerken lassen. Darum hatte er die Hände mit den schlanken, gepflegten Fingern auf die Tischplatte gelegt, sich auf dem Stuhl entspannt zurückgelehnt und auf seinen Lippen das lange einstudierte Lächeln eines Pokerspielers platziert. Doch innerlich war Preston Vale aufgewühlt.

Als Journalist für eine auflagenstarke, aggressive Tageszeitung, war er es gewohnt, unter Strom zu stehen und seinen Adrenalinspiegel hochzuhalten. Er liebte es, Perspektiven einzunehmen, die sich andere nicht trauten, genoss es, zu skandalisieren und zu polemisieren und stellte eine gute Geschichte jederzeit über moralische Bedenken. Darum hatte es für ihn auch kein Zögern gegeben, als ihm das Weiße Haus angeboten hatte, exklusiv über die Rückkehrerin Ruby Daniels zu schreiben, die Schülerin, die eine Woche in dem rätselhaften Objekt in Nebraska verschwunden war. Als einziger Journalist hatte er Zugang zu ihr bekommen und die öffentliche Meinung über das Mädchen mit einem Handstreich umgekehrt.

Von der Heilsverkünderin war sie zu einem verwirrten Teenager geworden, dessen Sehnsucht nach Aufmerksamkeit und Berühmtheit die wildesten Fantasien zutage gefördert hatte.

Preston hatte keine Lügen erzählt – er hatte Zweifel gesät und war dadurch selber zu einem der bekanntesten Gesichter Amerikas geworden. Denn was dieses Volk noch mehr liebte als Helden aus ihrer Mitte zu verehren, war, sie wieder zu stürzen. Genau das hatte er möglich gemacht. Natürlich wusste er, dass das Weiße Haus ein großes Interesse daran hatte, an der Glaubwürdigkeit des Mädchens zu kratzen, doch das scherte Preston nicht. Die Regierung durfte auch durchaus mal von einer seiner Storys profitieren – wenn er es auch tat.

Was ihm jedoch gegen den Strich ging, war das Gefühl bewusst manipuliert worden zu sein. Und das konnte er seit gestern nicht mehr loswerden.

Ein gefeuerter Mitarbeiter aus dem Pressestab des Präsidenten hatte ihm eine Tonaufnahme zukommen lassen, in der ein Minister dem Präsidenten offen mit einer Amtsenthebung drohte, wenn er das Auftauchen des UFOs nicht als Bedrohung und die Geschichte von Ruby Daniels als Lüge darstellte. Preston Vale war zum Erfüllungsgehilfen degradiert worden.

Er hatte sich nie eines besonders großen, ethischen Kodex‘ gerühmt, doch diese Sache war sogar für ihn zu schmutzig. Dennoch saß er in einer Zwickmühle: Schwieg er und spielte das Spiel weiter, wurde er ebenfalls zu einem korrupten Verräter. Prangerte er die Schweinerei an und machte sie öffentlich, würde seine Glaubwürdigkeit für immer zum Teufel sein, denn dann wurde auch seine Rolle bei den Machenschaften hinterfragt. Und die neidischen Kollegen würden ihn in der Luft zerreißen.

Er hatte noch keine Entscheidung getroffen und stattdessen den Stabschef des Präsidenten, Keith Embry, zu einem Frühstücks-Kaffee überredet. Er war es schließlich gewesen, der ihm die Geschichte eingebrockt hatte. Preston hatte nicht lange um den heißen Brei herumgeredet und dem hochgewachsenen Mann mit dem kurzen Haar und den tiefliegenden Augen direkt gesagt, was er wusste.

Jetzt durfte er sich nichts anmerken lassen.

Prestons Blick aus den grau-blauen Augen war direkt auf sein Gegenüber gerichtet. Auf den dünnen Lippen in dem schmalen Gesicht lag nur der Anflug eines Lächelns. Doch Embry beherrschte das Spiel mindestens genauso gut.

Entspannt legte er die langen Beine übereinander und nippte an seinem Kaffee.

„Was genau wollen sie jetzt von mir, Mr. Vale?“

Preston hob beiläufig die Schultern. „Sagen sie mir, was ich tun soll.“

„Das kommt darauf an, was sie wollen. Sie stehen vor einer schwierigen Entscheidung, vielleicht sogar einer richtungsweisenden in ihrem Leben und ihrer Karriere. Die können sie nur ganz allein treffen.“

„Ich habe Beweise für eine Erpressung auf der allerhöchsten Regierungsebene dieses Landes. Eine direkte Bedrohung des Präsidenten durch Mitglieder seines eigenen Kabinetts.“

Keith Embry nickte, ohne dass sein Gesicht besonderes Interesse an dem Gesagten zeigte. „Ja, haben sie. Vertrauliche Informationen, die als klassifiziert eingestuft werden und deren Quelle vermutlich wegen Hochverrats angeklagt wird.“

„Sie kriegen keinen Namen von mir.“

„Brauche ich auch nicht. Jackson Carlyle ist der einzige, der über diese Informationen verfügt. Sie werden ihn also auch ohne aktive Mitwirkung in Gefahr bringen. Und was kommt dann? Sie beschädigen das Ansehen des Präsidenten und zwingen Fallon und Renton zum Rücktritt. Bekommen sie dafür Lorbeeren? Mit Sicherheit nicht. Denn diese Enthüllung wird davon überschattet, dass sie Teil der Kampagne waren. Sie haben das Ansehen von Ruby Daniels durch den Kakao gezogen. Haben sich vielleicht sogar kaufen lassen. DAS ist es, was hängen bleiben wird.“

Preston versuchte weder die Zähne zusammen zu pressen, noch die Hände zu Fäusten zu ballen.

„SIE haben mich dazu gebracht.“

Keith Embry lächelte. „Ach ja? Nun, dann sind sie offenbar auch noch leicht zu manipulieren.“

„Sie wollen mir also drohen?“

Keith breitete die Arme aus. „Sie haben mich gefragt, was sie tun sollen. Ich entwerfe lediglich Szenarien. Der Schaden, den sie mit einer Enthüllung anrichten geht noch weiter. Alles, was sie über Ruby geschrieben und gesagt haben, wird in Frage gestellt. Die Meinung über sie könnte sich wieder ins Gegenteil verkehren. Und die Wahrheit bleibt auf der Strecke – wie auch immer sie aussieht.“

„Auf der anderen Seite würde ich die Manipulierung des Präsidenten decken.“

„Ganz genau. Sie würden Fallon und Renton durchkommen lassen. Und der Präsident würde zu ihrer Marionette. Fragen sie sich, was ihnen mehr wert ist, Mr. Vale. Ihre berufliche Zukunft und ihre Reputation oder diese Wahrheit. Und fragen sie sich, ob sie dem Kampf, der ihnen und Carlyle bei einer Veröffentlichung bevorsteht, gewachsen sind.“

Die Männer starrten sich lange in die Augen und Preston spürte, wie es ihm schwerer fiel, die Beherrschung zu behalten. Er hatte sich immer eingeredet, mit allen Wassern gewaschen zu sein, das Spiel zu kennen und über den Dingen zu stehen. Jetzt hatte er sich wie ein Amateur instrumentalisieren lassen, war der großen Exklusiv-Story hinterhergerannt und dabei blind in die Falle gelaufen.

Schon seine verletzte Eitelkeit diktierte es ihm, den Drecksäcken einen Denkzettel zu verpassen. Doch noch einmal durfte er sich nicht zu einer unüberlegten Reaktion hinreißen lassen. Diesmal musste er klüger sein.

„Und wo stehen sie bei diesem Spiel, Embry?“

Er hob die Schultern, als wäre das eine äußerst dumme Frage. „Wo schon? An der Seite des Präsidenten natürlich. Ich sorge dafür, dass er keinen Schaden nimmt. Deuten sie das, wie sie wollen, Vale.“

„Es macht mich stutzig, dass sie nicht mal den Versuch unternehmen, mich zu kaufen oder zum Schweigen zu bringen...“

„Warum sollte ich? Präsident Braden gewinnt in jedem Fall. Schlagen sie eine Welle, ist er Renton und Fallon los. Halten sie die Füße still, kann er ungestört weiterregieren. Sie sehen also, der einzige, der von ihrer Entscheidung betroffen sein wird, sind sie selbst.“

Er sah demonstrativ auf seine Uhr. „Wenn sie mich jetzt entschuldigen wollen? Wir haben gleich ein Briefing und ich hoffe, dass wir sie um 12 Uhr bei der Pressekonferenz begrüßen dürfen. Glauben sie mir, es wird einige interessante Dinge zu berichten geben. Bis später.“

Keith Embry stand auf, bezahlte am Tresen die gemeinsame Rechnung und verließ das Café in der Nähe des Capitols wieder.

Endlich konnte Preston es zulassen, dass seine Lippen vor Wut zitterten und sich seine Finger zu einer Faust zusammenschlossen. Er blieb noch einen Augenblick länger sitzen, sprang dann auf und verließ mit schnellen Schritten das Lokal. Er winkte sich ein Taxi und ließ sich zu dem Lokalsender fahren, in dem Rebecca Mars arbeitete.

Seit anderthalb Jahren waren sie ein Paar und verstanden es, ihre Beziehung auch für berufliche Vorteile zu nutzen – was immer auf Gegenseitigkeit beruhte. Er war kein Unbekannter in dem verglasten Hochhaus. Schon gar nicht seit er übers Wochenende praktisch zum Dauergast in sämtlichen Nachrichten-Magazinen des Hauses geworden war. Pförtner und Mitarbeiter grüßten ihn höflich, doch von Prestons sonst üblicher Jovialität bekamen sie nichts zu spüren. Mit finsterer Miene steuerte er einen der Fahrstühle an und ließ sich in die Etage der Programm-Verantwortlichen transportieren.

Das Büro von Rebecca Mars lag am Ende des Flurs, der rechts vom Fahrstuhl wegführte. Er öffnete die Tür, ohne anzuklopfen.

Der große Raum hatte einen Schreibtisch mit Monitor, aber auch einen Schminktisch mit Spiegel. Die Journalistin brauchte beides. Sie war Programmverantwortliche für ein lokales Boulevardmagazin, ließ es sich aber auch nicht nehmen, selber Gäste zu interviewen und Beiträge zu recherchieren und zu produzieren. Sie war aus dem gleichen Holz geschnitzt wie Preston: Ehrgeizig und mit einem untrüglichen Riecher für eine publikumswirksame Geschichte.

Als Preston die Tür aufriss, saß die Rothaarige vor dem Schminkspiegel und zog sich die Augenbrauen nach. Trotz des Überfalls zuckte ihre Hand keinen Millimeter. Sie warf Preston nur einen ungehaltenen Blick über den Spiegel zu.

„So früh schon so sauer?“

Er ließ sich in den Drehstuhl hinter ihrem Schreibtisch fallen und lockerte den Krawattenknoten, bevor er ihr von seinem Treffen mit Keith Embry erzählte.

Sie hörte aufmerksam zu, während sie sich weiter auf die Sendung vorbereitete. Natürlich kannte sie die Geschichte der Tonaufnahme aus dem Weißen Haus, hatte aber bisher vermieden, sich dazu zu äußern. Sie war sicher gewesen, dass Preston die richtige Entscheidung treffen würde. Dass er jedoch so stark zweifelte, überraschte sie.

„Dieser Dreckskerl hat mich einfach stehen gelassen, als wäre ihm die Angelegenheit scheißegal!“

Rebecca warf einen letzten kritischen Blick in den Spiegel und wandte sich dann auf dem Drehstuhl zu Preston um, der auf der anderen Seite des Büros hockte.

Sie lächelte und hob die Schultern. „Was hast du erwartet, Darling? Dass er ausrastet und sich dadurch erpressbar macht? Du weißt, dass ihm die Sache NICHT egal ist. Aber in einem hat er recht: Er kann dir die Entscheidung nicht abnehmen.“

Preston Vale senkte den Blick und sah auf die schlanken, manikürten Finger.

„Wäre aber schön, wenn es irgendjemand tun würde. Ich habe nämlich keine Ahnung, was ich jetzt machen soll.“

Mit einer gleitenden Bewegung erhob sich Rebecca, kam mit wiegenden Hüften auf Preston zu und setzte sich vor ihm auf die Schreibtischkante, die schlanken Beine übereinandergeschlagen.

„Oh doch, das weißt du. Und zwar ziemlich genau. Du hast einen Weg eingeschlagen, und von dem gibt es kein Zurück mehr.“

Er sah sie überrascht an. „Ach ja? Und wieso nicht?“

Sie lächelte und breitete die Arme aus. „Na, weil du dann alles verlieren würdest. Du hast es selber gesagt: Wenn du die Erpressung des Präsidenten öffentlich machst, ist deine eigene Glaubwürdigkeit in Sachen Ruby Daniels zum Teufel. Und nicht nur das: Mich würdest du auch mit hineinziehen.“

Er legte die Stirn in Falten. „Was hast du denn damit zu tun?“

„Alles, mein Schatz. Denn wenn du untergehst, nimmst du mich mit. Ich habe dich auf Sendung gebracht, habe dich all die Dinge über Ruby Daniels erzählen lassen, ohne sie zu hinterfragen. Man würde mich feuern für meine Schlampigkeit. Und hunderte andere Journalisten, die auf den fahrenden Zug aufgesprungen sind, wären ebenfalls dran. Alle, die deine Story abgedruckt oder für sich ausgeschlachtet haben. Du wärst das Hassobjekt der ganzen Branche, Preston. Davon erholt sich keiner.“

Er schluckte und musste sich eingestehen, dass er selber noch nicht so weit gedacht hatte.

„Also soll ich die Sache einfach auf sich beruhen lassen und Embry am besten noch den Original-Stick aushändigen?“

Rebecca seufzte und glitt mit einem Blick auf ihre Uhr von der Schreibtischkante. „Ich bin ein bisschen überrascht, dass du offenbar tatsächlich Zweifel hast. Was willst du denn, Preston? Du bist der Mann der Stunde, der Goldene Junge der Nation mit einem Stein im Brett des Weißen Hauses. Mehr offene Türen kann sich niemand wünschen.“

„Ich wurde benutzt!“

Rebecca konnte sich das Lachen nicht verkneifen. „Das werden wir alle jeden Tag. Genauso, wie wir andauernd Menschen für unsere Storys benutzen! Mit dem was du jetzt hast, bist du ein gemachter Mann, auch als Journalist. Auf dich warten mehr Exklusiv-Geschichten, als sich irgendein Kollege träumen lassen würde. Dir steht alles offen.“

„Und Ruby Daniels?“

Sie zog die Brauen zusammen.

„Kriegst du jetzt ein Gewissen? Ich bitte dich, du wusstest vorher, dass die Sache schmutzig werden würde. Und du hast nichts Falsches behauptet. Du hast Fragen aufgeworfen. Und niemand kann beweisen, dass du nicht doch recht hattest mit deinen Spekulationen über sie – ganz egal, was die im Weißen Haus gerne hören wollen. Aber wenn du mit den Aufnahmen an die Öffentlichkeit gehst, wird dir niemand jemals wieder ein Wort glauben. Es gibt keinen Gewinner dabei.“

Er hielt den Blick gesenkt und schwieg, bis Rebecca in die Hände klatschte. „Ich muss runter ins Studio. Wie du ja sicher mitbekommen hast, dreht sich die Welt seit gestern um ganz andere Probleme. Mach die Tür hinter dir zu. Wir sehen uns heute Abend.“

Sie hauchte ihm einen Kuss auf die Wange und verschwand.

Preston schwang mit dem Stuhl zum Fenster herum und sah auf die Großstadt hinab. Er fühlte sich noch immer unwohl in seiner Haut. Vielleicht auch, weil er gerade gelernt hatte, dass Rebecca noch skrupelloser war als er selbst.

Natürlich hatte sie mit jedem ihrer Worte recht.

Nur war er immer noch nicht davon überzeugt, dass ihr Weg auch seiner war.

 

 

Deutschland / Berlin, Tiergarten

 

Seit sie aufgestanden war, hoffte sie, dass die Kopfschmerzen weggehen würden. Doch so wie es aussah, würde das Druckgefühl im Kopf von Bundeskanzlerin Henriette Hartkamp noch eine ganze Weile ihr Begleiter sein.

Wenn sie an die Ereignisse des gestrigen Sonntags dachte, hatte sie noch immer das Gefühl, in einem unwirklichen Alptraum zu sein.

Seit dem Auftauchen der Objekte hatte Henriette Hartkamp versucht, zu deeskalieren und die anderen betroffenen Regierungen zur Vernunft zu bringen. Sie wusste, dass sie mit 48 nicht nur die Jüngste war, sie war auch die einzige Frau in der Runde. Und doch war sie der Ansicht gewesen, wenigstens für den Moment für Ruhe gesorgt zu haben. Mit dem Präsidenten von Sambia, Jonathan Keita, hatte sie keine Probleme. US-Präsident Braden war zu feige, um einen provokativen Schritt zu machen und Fjodor Kusmin aus Moskau würde sich auch nicht die Blöße einer kriegerischen Handlung geben.

Doch es war ihr nicht gelungen, Ning Sun zu überzeugen.

Nachdem die Lehrerin aus Lijiang bei ihrer Rückkehr getötet worden war und die Obduktion eine Krebserkrankung ergeben hatte, war der Chinesische Präsident nicht mehr von der Idee abzubringen, die Reisenden aus dem Objekt dafür verantwortlich zu machen. Natürlich hatte Henriette gewusst, dass Ning Sun nur nach einer Ausrede für einen militärischen Schlag gesucht hatte, aber sie zweifelte bis zuletzt daran, dass er seine Pläne in die Tat umsetzen würde.

Genau das war gestern geschehen.

China hatte seine schlagkräftigsten Waffen gegen das UFO eingesetzt: Langstrecken-Raketen, Präzisions-Torpedos, Bomben. Die Regierung hatte ein nie dagewesenes Feuerwerk gezündet – ohne sichtbare Wirkung...

Als der Rauch sich legte, stand das Objekt unbeeinflusst auf dem Acker in der Provinz Yunnan. Nur die unmittelbare Umgebung gab ein Bild der kompletten Zerstörung ab. Im Umkreis von mehreren Kilometern war die sonst so üppige Vegetation ausgelöscht und der Himmel von einer schwarzen Wolkendecke verhangen.

Ausländische Medien stürzten sich auf die durchgesickerten Gerüchte und kochten ihre eigenen Geschichten. Ning Sun selber verhängte eine Nachrichtensperre.

Die Standleitung nach Peking, über die er stolz seinen Vernichtungsschlag präsentiert hatte, wurde sofort gekappt. Seitdem war es Henriette unmöglich gewesen, ihn zu erreichen.

Auf den ersten Blick waren sie mit dem berühmten Blauen Auge davon gekommen. Die Kanzlerin wollte sich gar nicht die Folgen ausmalen, wenn der Militärschlag erfolgreich gewesen und das Schiff ausgelöscht worden wäre.

Dennoch war nicht abzusehen, wie die Fremden auf diesen aggressiven Akt reagieren würden. Irgendeine Reaktion musste es geben, davon war die Regierungs-Chefin überzeugt. Und mit jeder Stunde die verstrich, wünschte sie sich sehnlicher, dass endlich irgendetwas geschah.

Sie saß allein im Krisen-Konferenzsaal im vierten Stock des Kanzleramtes und wartete so geduldig wie möglich auf die Schaltung mit den übrigen Staatsoberhäuptern. Sie waren nicht verabredet und das Büro versuchte auf gut Glück, Kusmin, Braden und Keita zu erreichen.

Henriettes blasses Gesicht spiegelte sich auf der Tischplatte. Die schmalen, sonst funkelnden, dunklen Augen blickten stumpf, die dünnen Lippen zeigten kein Lächeln und das dichte, dunkelbraune Haar war nur nachlässig zusammengebunden. Sie wusste, dass noch heute von ihr eine Stellungnahme zu den Ereignissen in China erwartet wurde, aber sie verspürte keinen Impuls, sich vor die Kameras zu stellen. Oder auch nur, sich für sie zurechtzumachen.

Warum nicht einer der anderen? Die waren abgetaucht, und es war schon Nachmittag...

Wieso sollte sie immer die Erste sein und sich die Finger verbrennen? Es war noch nicht lange her, dass Kusmin ihr einen Alleingang vorgeworfen hatte, weil sie als Erste über die Rückkehr des verschwundenen Arne Fröhlich gesprochen hatte. Nein, sie würde hier sitzen bleiben und sich nicht eher wegbewegen, bis sie mit den übrigen Staatschefs gesprochen hatte. Dabei hätte gerade Fjodor Kusmin allen Grund, sich bei ihr zu melden – schließlich wusste sie, wo „sein“ Rückkehrer steckte. Noch mehr Zündstoff für Konflikte.

Henriette Hartkamp zuckte zusammen, als das Anrufsignal auf ihrem Monitor ertönte. Doch ihr Büro meldete kein Staatsoberhaupt in der Leitung, sondern Saskia Gauers, ihre Einsatzleiterin vor Ort in Harburg.

Kurz darauf erschien das schmale, strenge Gesicht von Saskias Gauers auf dem Monitor. Die dünnen Lippen lächelten verkniffen, die nackenlangen, dunkelblonden Haare hatte sie hinter die Ohren geschoben.

„Ich hoffe, sie haben gute Nachrichten für mich, Saskia“, seufzte Henriette mit einem gequälten Lächeln.

Die Einsatzleiterin räusperte sich. „Tut mir leid, Frau Bundeskanzlerin. Ich habe Meldung aus Hamburg. Bei Arne Fröhlich wurde tatsächlich ein Hirntumor diagnostiziert. Und Bauchspeichendrüsen-Krebs bei Semjon Lasarew.“

Henriette barg das Gesicht in den Händen. Jetzt würde sie Kusmin nicht nur sagen müssen, dass sein „Rückkehrer“ zu ihnen übergelaufen war, sie konnte ihm auch gleich eröffnen, dass der Mann nicht mehr lange zu leben hatte. Genau wie die chinesische Lehrerin.

Das war Wasser auf den Mühlen von Ning Sun und würde auch die Gewaltbereitschaft der Übrigen anstacheln. Von den Fremden ging also eine Gefahr aus. Und der mussten sie begegnen.

Henriette wischte sich über das Gesicht.

„Nachrichten von den anderen?“

Saskia Gauers schüttelte den Kopf. „Wir warten auf eine Rückmeldung aus Sambia. Im Weißen Haus ist niemand zu sprechen.“

„Für mich auch nicht.“ Sie beugte sich ein Stück vor. „Wieso haben wir nichts gefunden bei der Untersuchung? Ich meine, dieser Fröhlich wurde doch durchgecheckt bei seiner Rückkehr oder nicht?“

„Selbstverständlich. Und wir haben auch Semjon Lasarew untersucht, als er ankam. Zugegeben erstmal nur oberflächlich.“

Die Kanzlerin überlegte. „Bei der Lehrerin aus China muss der Krebs schon bei ihrer Rückkehr feststellbar gewesen sein. Schließlich wurde sie von Ning Suns Soldaten sofort erschossen. Aber wieso wurde bei den anderen nichts diagnostiziert? Haben wir etwas übersehen, Saskia?“

Die Einsatzleiterin rutschte nervös auf ihrer Stuhlfläche herum.

„Ich bin keine Medizinerin, Frau Kanzlerin. Unsere Möglichkeiten, hier in der mobilen Einsatzzentrale sind begrenzt. Ich habe die zuständigen Ärzte natürlich angewiesen, sich alles noch einmal genau anzusehen. Mehr kann ich nicht tun.“

Henriette nickte. „Ja, ich weiß. Und sie tun ihr Bestes, Saskia. Halten sie mich auf dem Laufenden.“

Sie beendete das Gespräch und kurz darauf meldete sich ihr Büro.

„Frau Kanzlerin, wir konnten mit Lusaka sprechen. Präsident Keita wird sich im Laufe des Nachmittags zurückmelden. Sie haben Probleme mit einer aufständischen Gruppe. Aber er hat bestätigt, dass Dr. Idrissa Okoye derzeit im Regierungspalast behandelt wird. Er hat einen Zusammenbruch erlitten und die ersten Untersuchungen lassen auf eine Krebserkrankung schließen.“

Henriette senkte den Blick. „Grundgütiger. Und sonst?“

„Das Weiße Haus lässt sich entschuldigen, Präsident Braden wird sich melden, sobald er Gelegenheit hat. Aber ich habe Präsident Kusmin in der Leitung.“

Henriettes Augen wurden groß. Ausgerechnet!

Aber so konnte sie das unangenehmste der anstehenden Gespräche wenigstens hinter sich bringen.

„Verbinden sie mich.“

Das Lächeln des Russen war gewohnt selbstgefällig. Er hatte ein breites Gesicht, mit stechenden, dunklen Augen. Das schwarze Haar über der hohen Stirn war zurück frisiert und auf seiner Oberlippe ruhte ein gut gestutzter, schmaler Bart, der sich am Kinn fortsetzte.

„Sie sehen müde aus, meine Liebe“, stellte er mit gespielter Anteilnahme fest.

Henriette lächelte schief. „Wundert sie das? Nach allem was gestern passiert ist?“

Kusmin machte eine wegwerfende Handbewegung.

„Ist doch nichts geschehen. Die Chinesen haben ein bisschen geballert und nichts hat sich geändert. Außer, dass der Stolz unseres großen Ning Sun einen erheblichen Knacks bekommen haben dürfte.“

„Ihre Gelassenheit möchte ich haben, Fjodor. Meinen sie, diese Besucher werden den Angriff auf sich beruhen lassen?“

Er hob die Schultern. „Sie sagen doch, wir dürfen sie nicht mit menschlichen Maßstäben messen. Vielleicht sind ihnen niedere Gefühle wie Vergeltung fremd...“

„Vielleicht. Aber ich bin sicher, sie werden in irgendeiner Form auf diesen Anschlag reagieren. Dass er ein feindliches Signal war, dürfte wohl auch für unsere Besucher außer Frage stehen. Ich hoffe nur, sie scheren die Menschheit nicht über einen Kamm.“

Kusmins Lächeln wurde ein bisschen breiter. „Wieso? Gibt es denn so große Unterschiede im menschlichen Wesen?“

Gute Frage, dachte Henriette, behielt es aber für sich.

„Wie kommt es eigentlich, dass sie so guter Dinge sind, Fjodor? Wo die Lage doch eher angespannt ist.“

Er wog gleichmütig den Kopf. „Vielleicht habe ich mir etwas von ihrer Gelassenheit abgeguckt, Frau Kanzlerin. Die Chinesen haben uns allen eine schwierige Entscheidung abgenommen. Sie haben einen Vorstoß gewagt, den wir uns nicht getraut haben. Damit sind wir übrigen aus der Schurken-Nummer vorerst raus. Ich finde, das ist schon eine Beruhigung.“

„Na, wenn sie meinen. Dann sind sie vielleicht empfänglich für eine nicht so gute Nachricht.“

Sein Blick bekam etwas Lauerndes. Auch wenn er überzeugt war, Henriette Hartkamp seine Meinung über die Führungsqualitäten einer Frau spüren lassen zu dürfen, hütete er sich doch davor, sie zu unterschätzen.

„Nur zu. Verhageln sie mir die gute Laune.“

Henriette richtete sich auf und versuchte, den Blick ihrer müden Augen so fest wie möglich wirken zu lassen. „Es geht um ihren Rückkehrer – Semjon Lasarew. Er ist bei uns.“

Das einzige Zeichen hochkochender Wut, das sich Fjodor Kusmin gönnte, war ein unkontrolliertes Zucken im Bereich der Mundwinkel und ein Funkeln in den Augen. Er holte kurz tief Luft und gewann sofort die Kontrolle über sein Poker-Face zurück.

„So so. Und was sollte Genosse Lasarew bei ihnen wollen?“

„Schutz“, antwortete Henriette ohne zu überlegen.

Kusmin breitete die Arme aus. „Wovor können sie ihn denn besser beschützen als wir?“

„Er hat Angst. Angst vor der Regierung, Angst vor ihnen, Fjodor. Er fürchtet um sein Leben und um das seiner Familie, wenn er sich in den Kreml begibt.“

Kusmin lächelte wie eine Raubkatze. „Seine Familie ist vollkommen sicher, sagen sie ihm das. Seine schwangere Frau ist hier bei uns in Moskau und steht unter meinem persönlichen Schutz. Wir lassen ihr die allerbeste, medizinische Versorgung angedeihen. Ich könnte mir vorstellen, dass er lieber bei ihr wäre, wenn sie seinen Sohn zur Welt bringt...“

„Ich werde es ausrichten.“

Fjodor Kusmin beugte sich ein Stück vor, seine Augen wurden finster.

„Ich will, dass der Mann augenblicklich nach Moskau zurückkehrt, haben sie das verstanden?“

„Ich kann ihn nicht zwingen und ich habe keinen Anlass für eine Ausweisung. Warum wollen sie ihn denn so dringend im Kreml haben?“

„Er ist russischer Staatsbürger und darum gehört er hierher. Außerdem habe ich ein Recht darauf, zu erfahren, was er in seiner... Gefangenschaft erlebt hat.“

„Es war keine Gefangenschaft. Er war eher ein... Gast. Und was er erlebt hat, können sie auch von mir erfahren. Es ist identisch mit dem, was unser Rückkehrer erzählt hat. Und auch identisch mit den Aussagen von Dr. Okoye aus Sambia und Miss Daniels aus den USA.“

„Ja, ja, ich kenne die Geschichten. Aber vielleicht stellen sie alle ja auch nicht die Fragen, die ich stellen würde. Wie dem auch sei. Ich will den Mann hier haben. Und sie sollten dafür sorgen, dass er sich schnellstmöglich auf den Weg macht.“

„Drohen sie mir, Fjodor? Wollen sie mich erschießen, so wie ihre Agentin, die Lasarew zur Flucht verholfen hat?“

Henriette genoss den Anblick der stärker bebenden Lippen. Sie verspürte eine plötzliche Lust, den Mann zu provozieren. Vielleicht wollte sie auch endlich irgendeine Reaktion von irgendwem spüren. Vielleicht war sie nicht besser als Ning Sun und suchte jetzt auch ihr Heil in der Eskalation.

Kusmin streckte einen Finger in Richtung Bildschirm.

„Überspannen sie den Bogen besser nicht, meine Liebe. Ihr behäbiges, kleines Land mit seinen zaudernden Politikern ist isoliert im alten Europa. Wenn es hart auf hart kommt, brauchen sie einen starken Partner an ihrer Seite. Und das kann nur Russland sein. Vergessen sie das nicht, Frau Kanzlerin.“

Sie seufzte. „Eine Entscheidung liegt sowieso nicht in meiner Hand, Fjodor. Leider ist Herr Lasarew nämlich nicht transportfähig. Er liegt in einer Klinik. Die Diagnose ist Krebs. Genau wie bei unserem Rückkehrer, und genau wie bei der Lehrerin aus Lijiang.“

Kusmin schlug mit der Faust auf die Tischplatte. „Diese verfluchten Aliens! Sie haben uns reingelegt! Ning Sun hatte also doch recht, der verdammte Hund! Sie infizieren uns. Diese fünf Menschen waren erst der Anfang. Sie werden eine Seuche über die gesamte Menschheit bringen!“

Henriette hob beschwichtigend die Hände.

„Bleiben sie ruhig, Fjodor. Noch wissen wir gar nichts. Diese Wesen haben schließlich auch gesagt, dass sie für die meisten Krankheiten eine Heilung haben.“

„Ja genau! Und dann bekommen wir die Rechnung dafür. Erst machen sie alle krank und dann wieder gesund. Aber zu welchem Preis?“

„Wir werden alles tun, um den Zustand von Semjon Lasarew zu stabilisieren. Ich kann ihnen anbieten, ein Video-Gespräch zu führen. Natürlich vollkommen abgeschirmt und gesichert.“

Der russische Präsident überlegte kurz. „Ich komme darauf zurück. So wie es aussieht, wird sich wohl niemand mehr in unser Gespräch einschalten. Wenn sich etwas tut, geben sie mir Bescheid. Und halten sie mich über Lasarew auf dem Laufenden. Meine Geduld in dieser Angelegenheit ist nicht unbegrenzt.“

Er verabschiedete sich knapp und beendete das Gespräch.

Henriette Hartkamp ließ sich auf ihrem Stuhl zurücksinken.

Was für ein verfluchter Montag...

 

 

Afrika / Sambia, Lusaka

 

Lustlos streifte sie durch die Straßen der Hauptstadt, ohne Ziel und ohne die Dinge wahrzunehmen, an denen sie vorbeilief.

Dabei hätte sich Tahiya Madaki so gerne abgelenkt. In der letzten Woche war sie jeden Tag mit Idrissa Okoye zusammen gewesen und ihre Beziehung war tiefer geworden, als in all den Jahren, in denen sie zusammengearbeitet hatten. Auf einer Wellenlänge waren sie schon immer gewesen. Idrissa war ein leidenschaftlicher Arzt, Tahiya eine leidenschaftliche Krankenschwester. Sie hatten ähnliche Auffassungen, wenn es darum ging, für die Patienten das Letzte zu geben und sich vor allem um jene zu kümmern, die vom System übersehen wurden.

Tahiya hatte Idrissa in allem unterstützt und sie waren ein gut aufeinander eingespieltes Team geworden. Als er nach seinem Verschwinden zurückkehrte, war sie die Erste, die er aufsuchte. Und gemeinsam waren sie im Regierungssitz von Lusaka aufgenommen worden. Ob sie nun die Gäste oder die Gefangenen von Präsident Jonathan Keita waren, konnte Tahiya nicht sagen. Sie wurden gut versorgt, durften aber keinen Kontakt zur Außenwelt unterhalten.

So waren sie der einzige Kontakt des anderen. Und wären die Umstände anders gewesen, wären sie sich sicher auch körperlich nähergekommen. Tahiya hatte daran gedacht und es sich ausgemalt, doch sie wäre niemals den ersten Schritt gegangen.

Jetzt bereute sie es, denn vielleicht würde sie keine Gelegenheit mehr bekommen, Idrissa nahe zu sein. Seit er am Freitag plötzlich Blut gehustet hatte und zusammengebrochen war, hatte sie ihn nicht mehr zu Gesicht bekommen. Und niemand hatte ihre Fragen nach ihm beantworten können – oder wollen.

Wenigstens hatte der junge Sicherheitsoffizier Enyama Solarin, der zu so etwas wie ihrem persönlichen Bewacher geworden war, zugestimmt, sie in die Stadt zu fahren. Natürlich nur unter strengen Sicherheitsauflagen.

Seit Idrissa zurückgekehrt war und sie beide im Regierungs-Palast lebten, waren sie im Fokus einer militanten Gruppe, die sich regelmäßig vor dem Gebäude versammelte, erst Gesänge anstimmte und dann aggressiver wurde. Zuletzt hatten die Mitglieder mit Steinen auf die Fenster geworfen. Niemand wusste, wer sie waren oder was sie wollten. Tahiya vermutete, dass es sich um dieselben Personen handelte, die sie in ihrer Wohnung in Solwezi überfallen hatten. Es musste sich um eine Gruppe religiöser Fanatiker handeln, die Idrissa zum Schweigen bringen wollten oder ihn für einen Besessenen hielten.

Vermutlich erreichten sie ihr Ziel, ohne etwas dafür tun zu müssen. Sie spürte, dass es nicht gut um den Arzt stand. Doch am schlimmsten war es, nichts für ihn tun zu können.

Tahiya schlenderte über den Markt, sah sich die angebotenen Waren an, nahm ein paar Dinge in die Hand, doch legte sie schnell wieder zurück, ohne sich einen Moment später noch daran erinnern zu können.

Irgendwann wurden ihre Beine müde und sie setzte sich an den freien Tisch eines Straßen-Cafés. Sie bestellte eine Limonade und einen Salat, stocherte aber nur lustlos im Essen herum. Sie wollte sich zwingen, ihre Aufmerksamkeit ins Hier und Jetzt zu lenken, weg von den düsteren Gedanken und Ängsten. Doch es gelang ihr nicht.

Darum bemerkte sie den Schatten zunächst auch nicht, der sich vor ihr aufgebaut hatte.

Irgendwann zuckte ihr Gesicht herum und ihre Augen glitten an der schlanken Gestalt nach oben, die vor ihr stand. Sie trug ein bodenlanges, enges, buntes Wickelkleid, das oberhalb der Brust endete.

Eine junge Schwarze mit schmaleren Lippen als ihre eigenen und ebenso schmalen, ungewöhnlich hellen Augen. Ein Mischling vielleicht, dachte Tahiya. Die Frau hatte ihre langen, schwarzen Locken zurückgebunden und lächelte Tahiya an.

„Kann ich ihnen helfen?“

Die Fremde hob eine Augenbraue. „Ich möchte IHNEN helfen.“

Tahiya erschrak und stand ruckartig auf. Diese Frau konnte zu der militanten Gruppe gehören, die ihnen nachstellte. Auch wenn sie wusste, dass Enyama Solarin in der Nähe war und ihr sofort zur Hilfe kommen würde, hatte sie Angst vor dieser Frau. Sie wollte schon weggehen, als sie die Hand der Fremden auf ihrem Arm spürte und sie ein seltsames Gefühl durchzuckte. Wie ein leichter Stromstoß, aber nicht unangenehm...

Tahiya blieb stehen und starrte die Fremde ängstlich an.

„Fürchten sie sich nicht“, sagte sie mit einer tiefen, melodiösen Stimme. „Ich will ihnen nichts tun.“

„Ich kenne sie aber nicht. Wer sind sie?“

Die Frau schien zu überlegen. „Mein Name ist Gasira Nenge.“

„Und was wollen sie von mir?“

„Ich möchte ihnen sagen, dass sie sich keine Sorgen machen sollen. Ihr Freund – Idrissa Okoye... Es wird alles gut.“

Tahiya spürte, wie sie zu zittern begann und sich ihre Kopfhaut zusammenzog.

„Wer sind sie wirklich? Und was wissen sie über Idrissa?“

Gasira Nenge lächelte geheimnisvoll. „Ich bin kein Feind, Tahiya. Ich bin eine Freundin. Ich sehe, dass sie sich große Sorgen machen und bin gekommen, um sie zu beruhigen.“

„Sind sie aus dem Präsidenten-Palast? Sind sie Idrissas Ärztin?“

Sie holte tief Luft und schüttelte den Kopf.

„Nein, aber ich kenne ihren Freund. Ich war bei ihm, als er... fort war.“

Bevor Tahiya etwas sagen konnte, geschah etwas mit den Augen der Fremden. Sie schienen noch heller zu werden, die Pupillen verschwanden und die Augen wurden zu zwei durchscheinenden, grauen Kugeln, die von dünnen Adern durchzogen waren und sich permanent drehten. Bevor Tahiya aufschreien und weglaufen konnte, wurden sie wieder normal.

Gasira Nenge legte einen Finger auf ihre Lippen. Das Lächeln blieb.

„Bitte – schweigen sie, Tahiya.“

„Sie... sind... sie sind eine... von denen“, stammelte die junge Krankenschwester.

„Die Zeit der Offenbarung ist nahe. Aber bis dahin bewahren sie bitte Stillschweigen. Vertrauen sie mir, Tahiya. Alles wird wieder gut. Es gibt große Pläne mit Idrissa. Wir werden gut auf ihn achten.“

Gasira Nenge strich ihr über den Arm, dann wandte sie sich ab und ging mit festen Schritten über die Straße, wo sie in der Menge verschwand.

„Miss Madaki?“

Zum zweiten Mal hätte Tahiya fast aufgeschrien, doch diesmal war sie erleichtert, als sie den Kopf drehte und in das vertraute Gesicht von Enyama Solarin sah. Der junge, drahtige Offizier trug eine Uniform und sah sie fragend an.

„Alles in Ordnung? Ich habe gesehen, wie sie gerade mit dieser Frau geredet haben. Tut mir leid, dass ich nicht rechtzeitig hier war. Hat sie sie erschreckt?“

Tahiya war verwirrt, glaubte für einen Moment, sich alles nur eingebildet zu haben. Aber dann hätte Solarin die Fremde nicht sehen können.

„Nein, nein“, stammelte sie schließlich. „Es ist alles in Ordnung.“

Doch der junge Soldat schien noch nicht überzeugt zu sein.

„Sind sie sicher? Was wollte sie?“

Tahiya überlegte fieberhaft, denn sie wusste, dass sie schnell eine Antwort brauchte. Und eine Entscheidung. Sie hätte ihm von ihren Beobachtungen erzählen können, ihm sagen, dass diese Frau eine der Außerirdischen war, die Idrissa entführt hatten, und die auch höchstwahrscheinlich dafür verantwortlich waren, dass er jetzt todkrank in einem Bett lag.

Doch etwas hielt sie davon ab.

Etwas sagte ihr, dass es wichtig war, das Geheimnis der Fremden zu bewahren. Einen Grund hätte sie nicht dafür nennen können.

Sie bemerkte, dass sie Enyama Solarin anstarrte und sein Blick misstrauischer wurde.

„Fühlen sie sich nicht gut? Hat diese Frau ihnen etwas angetan?“

Hastig schüttelte Tahiya die kurzen Haare. „Nein, nein, alles ist in Ordnung. Sie kannte mich mich aus dem Fernsehen. Sie hat gesagt, dass ich Idrissa grüßen und ihm alles Gute wünschen soll.“

Enyama Solarins Blick verfinsterte sich. „Sie sind zu bekannt, Miss Madaki. Das ist nicht gut. Wenn diese Frau sie erkannt hat, dann können das auch ihre Feinde. Sie sind hier nicht sicher. Wir sollten wieder zurückfahren.“

Tahiya nickte geistesabwesend. Sie nahm noch einen Schluck aus ihrem Glas und folgte dem Soldaten zurück zum Wagen.

Sie stand noch immer unter dem Einfluss des Erlebten. Sie fühlte die Berührung der fremden Frau auf ihrem Arm und konnte ihre Stimme nicht nur hören, sondern auch spüren. Und noch etwas war anders: Tahiya war von einer seltsamen Zuversicht erfasst, so als wären die Beteuerungen der Frau mehr gewesen, als nur Worte.

Sie wusste, dass Gasira Nenge die Wahrheit gesagt hatte. Was immer auch mit Idrissa nicht stimmte, er würde wieder gesund werden.

Und das war der größte Trost, den sie sich wünschen konnte.

 

Kapitel 2 - Plan B

 

Kapitel 2: Plan B

 

 

24 Personen mit menschlichem Äußeren befanden sich in dem virtuellen Raum, während ihre physischen Körper über den gesamten Globus verteilt waren.

Unter ihnen war ein Mann mit alterslosem, glatten Gesicht und weichen Zügen. Das weizenblonde Haar hatte er kurz geschnitten und seitlich gescheitelt. Er lebte unter dem Namen Lee Galveston in England. Und da er nicht zu den Kontinental-Beauftragten gehörte, wusste er nicht so recht, was er in dieser holografischen Konferenz zu suchen hatte. So wie er die Entwicklungen der letzten Wochen sowieso nicht verstand. Doch Lee war es gewohnt, geduldig zu sein, die Anweisungen des Missions-Administrators zu befolgen und darauf zu vertrauen, dass alles seine Richtigkeit hatte.

Auch die übrigen Konferenzteilnehmer waren im Dunkeln geblieben. Sowohl, was den Richtungswechsel der Mission anging, als auch über die Anwesenheit von Lee Galveston. Doch niemand fragte ihn danach und niemand stellte die Entscheidungen in Frage.

Die virtuellen Personen waren um einen kreisrunden Tisch angeordnet, in dessen Mitte eine weitere, verkleinerte Gestalt erschien.

Auch der Missions-Administrator hatte ein menschliches Äußeres. Es war schon seit jeher üblich, bei Missionen das Aussehen der führenden, heimischen Spezies anzunehmen, allein um auch körperlich bedingte Empfindungen wahrnehmen und verstehen zu können. Denn auf Verständnis fußte der gesamte Erfolg einer Mission. Es war wichtig, sich in die Verfassung und die seelische Konstitution der jeweils stärksten Spezies hineinzuversetzen, um zu begreifen, welche Wesenszüge sie in die jeweilige Krise gebracht hatten. Im Fall der Menschen dauerten diese intensiven Studien schon mehrere hundert Jahre und es hatte nie eine Zeit ohne eine beobachtende Begleitung gegeben.

„Ich begrüße euch zu unserer Zusammenkunft“, erklärte das Hologramm des Missions-Administrators in einer Sprache, die jeder der Anwesenden verstand.

Die 24 Personen neigten den Kopf und richteten dann ihre Augen wieder auf das Hologramm. Augen, die sie von normalen Menschen unterschieden, denn sie besaßen keine Pupille, sondern waren wie runde, graue Kugeln, die von einem Schleier und dünnen Adern überzogen waren, die sich permanent um sich selber drehten.

„Wir haben einen Neuzugang unter den Kontinental-Beauftragten. Lee Galveston war bisher Landes-Beauftragter für England und dort maßgeblich für die Vorbereitungen der geplanten Exterminierung der Menschen verantwortlich. Nach dem Ende des letzten Lebens-Zyklus von Niklas van Dyke, habe ich entschieden, ihn zum neuen Beauftragten für Westeuropa zu machen. Bitte unterstützt ihn so gut, wie seinen Vorgänger. Und nun möchte ich zum eigentlichen Grund unserer Zusammenkunft kommen.“

Da der Administrator niemanden direkt ansprach, drehte sich sein holografisches Bild in einem ruhigen, langsamen Rhythmus, um jeden einmal anzusehen.

Alle saßen wie bewegungslos auf ihren Stühlen und hörten aufmerksam zu.

„Ihr alle seid bis vor Kurzem noch davon ausgegangen, dass wir diesen Planeten durch die Exterminierung der Menschen retten werden. Dem waren umfangreiche Studien und Analysen des aktuellen menschlichen Wesens vorausgegangen. Und die kamen zu dem ersten Schluss, dass der Mensch als Spezies noch immer nicht weit genug entwickelt ist, um ein komplexes System wie die Erde zu erhalten und als Lebensraum weiter zu kultivieren. Daher sollte vor knapp drei Wochen Erdenzeit mit der sukzessiven Exterminierung und gleichzeitig mit der Konservierung vielversprechender Einzelexemplare begonnen werden. Die Territorial-Beauftragten sollten jene Menschen auswählen, deren geistiger Entwicklungsstand zu der Hoffnung berechtigt, mit ihnen einen neuen Bewusstseinszustand generieren zu können. Nach der Konservierungsphase und der Reinigung der Erde sollte ihnen der Planet zur Wiederbewirtschaftung übergeben werden. So weit, so bekannt.“

Der Administrator machte eine Pause, um Zwischenfragen zuzulassen, doch keiner der Anwesenden meldete sich zu Wort, so dass er fortfuhr.

„Die Auswertung der Studien und die hohe Zahl an Ausnahme-Individuen machten jedoch eine Neubewertung der ursprünglichen Pläne erforderlich. Ich kontaktierte die Heimat und nahm ebenso Verbindung zu anderen Missions-Administratoren auf. Wir kamen übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass ein Versuch der Reorganisation unter Beibehaltung der Menschheit durchaus Erfolgschancen haben könnte.

Da die Exterminierungs-Vorbereitungen bereits weitgehend abgeschlossen waren, handelte ich, ohne euch davon in Kenntnis zu setzen. Was ich sehr bedauere, aber die Zeit drängte. Ihr wisst, die Erhaltung des Lebens vor Ort hat immer höchste Priorität und eine Reduzierung der Lebewesen oder sogar die Exterminierung einer kompletten Spezies sollte nur durchgeführt werden, wenn alle anderen Lösungsansätze als nicht zielführend erkannt worden sind.“

Er machte erneut eine Pause, doch auch an dieser Stelle gab es keinen Widerspruch.

„Wie ihr mitbekommen habt, haben wir einige unserer Basisstationen enttarnt, um den Menschen einen ersten visuellen Eindruck zu vermitteln. Und wir haben jeweils ein lokales Exemplar zu uns geholt, um die Botschaft unserer Existenz und unserer Ziele weiter zu verbreiten.“

„Mit mäßigem Erfolg“, warf eine Frau mit hellblonden Locken, breiten Lippen und schmalen Augen ein.

Der Administrator seufzte. „Das ist in der Tat richtig, Merima. Die Reaktion aus China war vielleicht vorhersehbar, aber in dieser Kompromisslosigkeit hätten wir nicht damit gerechnet.“

Die blonde Frau hob eine gezupfte Augenbraue. „Aber sie ist bezeichnend für das Wesen der Menschen. Ihre ganze Geschichte spricht die Sprache von präventiver Gewalt und Imperialismus.“

„Auf globaler Ebene sicher“, räumte der Administrator ein. „Aber der Mensch als Individuum ist durchaus in der Lage, sein Verhalten selbstkritisch zu reflektieren und auch zu modifizieren.“

„Wenn ich mir die Konservierungs-Zahlen aus Osteuropa ansehe, glaube ich nicht, dass Merima diese Auffassung teilt.“

Die blonde Frau warf einen strafenden Blick zu einem rothaarigen Mann mit Sommersprossen, der ihr schräg gegenüber saß. Bryan Burgess war Kontinental-Beauftragter für Nord-Australien.

„Wer sich um Cowboys und Viehtreiber kümmern muss, hat natürlich keine Sorgen“, giftete sie zurück. „Aber zu meinem Gebiet gehört immerhin auch Russland. Und wir haben gesehen, wie die Regierung mit ihrem Botschafter umgegangen ist.“

„Bisher haben wir gar nichts gesehen“, schaltete sich der Administrator ein. „Der Botschafter ist in Deutschland und diese Entwicklung ist noch nicht abgeschlossen.“

„Dürfte ich etwas sagen?“

Die Augen richteten sich auf Lee Galveston. Er räusperte sich und lächelte. „Der Ansatz, die Menschen retten zu wollen, ist natürlich löblich. Auch ich konnte einige durchaus positive Erfahrungen mit Einzelexemplaren machen. Allerdings bezweifle ich auch, dass sie uns in Gänze zuhören werden – geschweige denn, annehmen, was wir zu sagen haben. In der menschlichen Evolution und auch in dem, was sie Glauben und Religion nennen, ist das Bild von der Krone der Schöpfung fest verankert. Einige Verfechter ethnologisch basierter Herrenrassen-Ideologien wurden zwar eliminiert, doch im Ganzen verfolgt die Menschheit genau diesen Ansatz: Sie sind die Herrscher über den Planeten, sie machen sich die Welt untertan und Mitmenschen am besten auch. Ich spreche nicht nur über die Amerikaner. Der Mensch an sich ist ein klar hierarchisch strukturiertes Wesen, mit sich selbst an der Spitze. Er wird es nicht hinnehmen, dass es eine Lebensform gibt, die ihm überlegen ist.“

Der Administrator seufzte. „Dann wird er sterben, auf die eine oder andere Weise. Entweder durch seine eigene Hand, wenn wir nicht eingreifen, oder durch unsere, um die Kollateralschäden gering zu halten.“

„Falls das überhaupt noch möglich ist“, warf die blonde Merima Zaric ein.

„Es erfordert Zeit, ist aber machbar“, hielt der Administrator dagegen. „Ich danke Lee für seine Einwände, aber sie werden die Pläne zum jetzigen Zeitpunkt nicht ändern. Wir haben den Botschaftern eine weitere... Botschaft in ihrem Körper mitgegeben, die bereits zum Tragen gekommen ist. In Vorbereitung dessen, bitte ich euch, eure Territorial- und Länderbeauftragten zu mobilisieren und geeignete Personen auszuwählen, die sich mit den Regierungen der sichtbaren Basis-Standorte in Verbindung setzen.“

Ein älterer Asiate hob die Augenbrauen. „Gilt das auch für China?“

„Ich fürchte, China bietet derzeit keinen Verhandlungs-Ansatz. Wir werden die Beziehungen nicht weiter ausbauen.“

„Und unsere Basis dort? Vielleicht sollten wir sie wieder tarnen, bevor die Umweltzerstörungen durch die Waffen noch größer werden.“

„Keine gute Idee“, warf Merima Zaric ein. „Das würde sie in der Annahme bestätigen, uns in die Flucht geschlagen zu haben. Und möglicherweise die übrigen Länder ermutigen. Zumindest Russland und Amerika. So lange wir aber Präsenz zeigen, sind wir ein ständiger Beweis ihrer Machtlosigkeit. Mit ein bisschen Glück zieht das eine Demoralisierung nach sich.“

Der Administrator nickte. „Ich stimme Merima zu. Wir werden die Basis sichtbar lassen. Und in den anderen Ländern gibt es genug zu tun. Ich habe die Entwicklungen rund um unsere Botschafter verfolgt. Und auch wenn wir nicht in die Geschicke der Länder eingreifen werden, sehe ich doch die Notwendigkeit einiger präventiver Maßnahmen, um für uns wichtige Individuen zu schützen. Natürlich ist das Ziel immer noch die freiwillige Anpassung der Menschheit. Darum müssen wir nützliche Vertreter vor Gefahr schützen. Selbst mit mit ihrer Hilfe wird es schwierig genug, die Menschen von der Notwendigkeit ihrer Rettung zu überzeugen.“

Die übrigen in der Runde nickten.

„Dann werde ich die Konferenz an dieser Stelle beenden und mich mit den Kontinental-Beauftragten wegen der Einzelheiten noch einmal persönlich in Verbindung setzen. Ich danke für eure Unterstützung.“

Der Raum verschwand und Lee Galveston war wieder in dem Pensions-Zimmer in der Kleinstadt an der Südost-Küste Englands.

Er hatte kein gutes Gefühl bei dem neuen Plan. Er hatte die Menschen in den letzten Jahren kennengelernt, und was er erfahren hatte, diente nicht seiner Zuversicht. Da dies sein erster Zyklus auf der Erde war, war er auch noch nicht so stark assimiliert, dass er den nötigen Abstand verloren hätte. Aber er stellte die Entscheidungen des Administrators nicht in Frage. Natürlich würde er alles tun, damit der Plan gelang. Als neuer Kontinental-Beauftragter für Westeuropa sah er es als seine Pflicht an, selber nach Deutschland zu reisen und sich der Kanzlerin vorzustellen. Das bedeutete auch, dass er einen Nachfolger für sich auf Landes-Ebene finden musste. Ein paar Erden-Tage blieben ihm dazu noch, denn der Administrator wollte die Antrittsbesuche in den vier Ländern sicher koordinieren.

Es gab jetzt also viel zu tun.

 

 

USA / Washington, DC

 

Wenn Edgar Braden aus dem Fenster des Oval Office sah, hatte er nicht mehr das Gefühl, von einer Art Thronsaal aus „sein Land“ zu betrachten. Es war vielmehr der Blick eines Häftlings aus seiner Zelle auf die verheißungsvolle Freiheit.

Er war nicht länger der „mächtigste Mann der Welt“ - er war nur noch die bekannteste Marionette. Der mittelgroße Mann mit dem schütteren, dunkelblondem Haar, den hängenden Wangen und den traurigen Augen hatte sich nie große Illusionen über seine Führungsstärke gemacht. Er wusste, dass die meisten „politischen Freunde“ ihn unterstützt hatten, weil sie ihn für optimal lenkbar hielten. Dass sie ihn damit sogar noch überschätzt hatten, hatte er in den letzten Wochen selber unter Beweis gestellt. Er hatte es zugelassen, dass sein Heimatschutzminister und die militärische Führung des Landes sich zusammenschlossen und ihm seinen politischen Kurs diktierten.

Natürlich immer unter dem Deckmantel der Nationalen Sicherheit. Sie wollten ein Feindbild der fremden Besucher zementieren, um weiterhin die Kontrolle über die Entwicklungen im Land zu behalten und ihre internationale Führungsposition zu festigen. Dafür musste die Bevölkerung „in Schach“ gehalten werden.

Aus einer gewissen, paranoiden Perspektive heraus, ergab dieses Vorgehen sogar einen Sinn... Kaum war das Auftauchen der UFOs bekannt geworden, brach eine Massenhysterie aus. Hamsterkäufe, Plünderungen und rassistische Überfälle breiteten sich im Land aus, ohne dass es einen erkennbaren Grund dafür gegeben hätte. Es schien, als sei dieses Verhalten zu einer Art Schlüssel-Reflex im amerikanischen Grundverhalten geworden – eine Universalreaktion auf alles Unbekannte. Das Militär hatte sich natürlich im Aufwind gesehen und Braden hatte den Fehler gemacht, die Befugnisse der Armee zu schnell auszuweiten, um die Ordnung wiederherzustellen. Nachdem das gelungen war, blieb das Militär in den meisten Ballungsgebieten weiterhin präsent.

General Alistair Renton nutzte diesen Zustand, um die Gefahren durch die Besucher weiter in den Fokus zu rücken. Selbst wenn es keine akute Bedrohung gab, so drohte doch der Kontrollverlust der Regierung durch das Auftauchen einer außerirdischen Lebensform. Renton hatte sich mit Heimatschutzminister Dwight Fallon zusammengetan, der das Feuer geschickt weiter schürte. Gemeinsam hatten sie einen Großteil der Gouverneure und Senatoren hinter sich gebracht, deren Zahl ausgereicht hätte, um Braden Amtsunfähigkeit zu attestieren. Es blieb ihm also nichts anderes übrig, als nach ihrer Pfeife zu tanzen.

Seine Hoffnung, die Kontrolle wieder zu erlangen, war seit dem Militärschlag Chinas vor zwei Tagen weiter gesunken. Er war sicher, dass die Besucher entsprechend reagieren würden und dann säßen Fallon und Renton noch fester im Sattel. Wahrscheinlich würden sie ihn stillschweigend aus dem Weißen Haus entfernen und durch einen willigeren Strohmann ersetzen. Sein Vize-Präsident wäre der optimale Kandidat. Schließlich hatte ihn Braden selber ausgewählt, weil er noch weniger Rückgrat besaß als er selbst.

Aber wäre es denn wirklich das Schlechteste, diesem Rattennest zu entkommen?

Er würde diese Krise mit all ihren globalen Veränderungen sowieso nicht überstehen. Dazu war er zu wenig entschlossen und gesundheitlich zu angeschlagen. Andererseits würde kein anderer Präsident in diesem Maß in die Geschichte eingehen, wie der jetzige...

Momentan war die Aussicht, weiter im Amt zu bleiben mehr eine Bedrohung und eine Belastung, als eine angenehme Herausforderung. Diese Erkenntnis hob zwar nicht seine Stimmung, machte ihn aber etwas gelassener, wenn er an seine Zukunft dachte.

Edgar Braden wandte sich um, als die Tür geöffnet wurde und Keith Embry eintrat. Natürlich hatte ihn sein Stabschef gestern eingehend über das Treffen mit Preston Vale informiert. Doch er hatte noch nicht genügend Informationen, um eine Strategie vorzuschlagen. Braden hatte kurz mit dem Gedanken gespielt, die Angelegenheit selber öffentlich zu machen. Das würde zwar seinem Ansehen schaden, aber Fallon und Renton ein für alle Mal in die Versenkung schicken. Keith Embry hatte davon abgeraten.

„Geben sie mir ein bisschen Zeit, Mr. President. Selbst wenn es sich als beste Option herausstellen sollte, wäre es doch schön, jemand anderen zu haben, der für uns an die Front geht. So ersparen sie sich den Vorwurf, ihr eigenes Kabinett an den Pranger gestellt zu haben.“

Weil er wusste, dass er sich uneingeschränkt auf ihn verlassen konnte, hatte er ihm die Bedenkzeit eingeräumt. Er war gespannt auf Embrys Plan.

Sie setzten sich auf die weißen Sofas, die vor dem Schreibtisch einander gegenüberstanden und Braden versuchte, in dem Gesicht seines Stabschefs zu lesen.

„Also, wie werden wir mit dieser Carlyle-Affäre umgehen?“

Embry gönnte sich ein seltenes Lächeln. „Die Carlyle-Affäre“, wiederholte er genüsslich. „Gefällt mir und es trifft den Nagel auf den Kopf. Darum werden wir genau dort den Hebel ansetzen – bei Jackson Carlyle.“

Braden schlug nervös die Beine übereinander. „Ich fürchte, ich kann ihnen nicht folgen, Keith. Werden wir nun die Publizierung der Geschichte unterstützen oder nicht?“

„Weder noch, jedenfalls nicht zum jetzigen Zeitpunkt.“

„Liegt es denn in unserer Hand?“

„In gewisser Weise schon. Ich habe bereits alles Notwendige in die Wege geleitet. Ich glaube nicht, dass wir uns um Preston Vale momentan sorgen müssen. Selbst wenn er sich entschließt, die Sache publik zu machen – was einem beruflichen Selbstmord gleichkäme – würde er zuerst versuchen, die Geschichte bei seiner Stammzeitung und dem Sender seiner Partnerin unterzubringen. Ich habe mit beiden Führungsebenen gesprochen. Die DC News wird uns umgehend informieren, wenn er die Story anbietet, und sie natürlich ablehnen. Das bringt ihn entweder zum Nachdenken oder er versucht es woanders. Doch dann haben wir immer noch Spielraum, um aktiv zu werden. Wir werden dann unsererseits eine Geschichte bringen, die seine Glaubwürdigkeit von vorn herein unterminiert. Auch der Sender bei dem Rebecca Mars beschäftigt ist, wird uns benachrichtigen, wenn er auf sie zukommt. Preston Vale ist also unter Kontrolle.“

Edgar Braden nickte. „Aber sie deuteten an, dass Vale sowieso nicht das primäre Problem ist.“

Keith Embry räusperte sich und warf einen Blick auf seine Hände. Für den Präsidenten ein sicheres Indiz, dass die nächsten Ausführungen unangenehm würden.

„Das ist richtig. Oberste Priorität sollte es haben, die Quelle zum Versiegen zu bringen. Jackson Carlyle hat die Original-Aufnahme des kompromittierenden Gesprächs. Und als ehemaliger Mitarbeiter des Weißen Hauses ist seine Glaubwürdigkeit um einiges größer, als die eines Revolverblatt-Schreiberlings. Wenn wir die Original-Datei in unseren Besitz und Carlyle zum Schweigen gebracht haben, ist es auch möglich, die Version von Vale als Fälschung darzustellen. Carlyle ist also der Schlüssel.“

„Aber wie wollen wir die Sache für uns nutzen, wenn wir uns später entscheiden, auf den Zug aufzuspringen, um Fallon und Renton loszuwerden?“

„Bis dahin hätten wir das Original. Sollten

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 01.08.2023
ISBN: 978-3-7554-4826-6

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