Cover

1. Kapitel

 

  1. Kapitel

 

"Anna? Anna bist du wach?" Ich öffnete ganz langsam die Augen und wusste, dass ich in Eliorns Gesicht blicken würde. Er weckte mich immer eine halbe Stunde zu früh auf. Mittlerweile hatte ich mich daran gewöhnt und lächelte ihn freundlich an, doch immer noch verschlafen. "Ja, Eliorn, jetzt bin ich wach." Ich erhob mich langsam aus meinem Bett und schaute in den Spiegel. Meine roten Haare, fielen in sanften Wellen Eliorn wartete geduldig mit dem Rücken zu mir gekehrt. Ich wusste nicht warum er dies tat, schließlich waren wir alle gleich. Vermutlich war das noch eine alte Gewohnheit, als er bei den Menschen lebte.
Vermutlich sollte ich dies erklären. Ich bin ein Engel, genauso wie Eliorn und alle mit denen ich zusammenwohnte. Ich lebe im Himmel schon seit tausenden von Jahren. Wir werden erschaffen um den Menschen zu dienen und sie zu beschützen, was ich jeden Tag mit größter Freude tue.

Eliorn und ich gingen den langen weißen Gang entlang, der zu den Zimmern der einzelnen Engel führte. Es gab Millionen von Engel in diesem Universum also auch dementsprechend viele Zimmer. Sie waren allerdings alle gleich eingerichtet. Ein Bett stand darin und ein Spiegel mit einem Waschbecken. Eliorn meinte er vermisste seine Dusche, die er in seinem Apartment auf der Erde hatte. Nicht weil er duschen musste, denn das mussten wir nicht, genauso wenig wie essen, trinken oder auf die Toilette gehen. Er vermisste einfach das Gefühl, wenn das heiße Wasser auf einen niederregnete.

 

Wir kamen am Ende an und traten in den großen Gemeinschaftsraum ein. Viele Engel waren hier schon beschäftigt und liefen hin und her. Eliorn und ich gingen zu Mel. Er war unser Aufpasser, könnte man sagen. Er gab uns unsere Aufgaben, die wir an diesem Tag erledigen sollten. Wir sorgten auf der Erde dafür, dass alles seinen gewohnten Weg ging. Wir brachten die Toten in den Himmel, nachdem sie von den Reapern geholt wurden. Wir sorgten dafür, dass die Dämonen und alle anderen Kreaturen der Hölle nicht zu viel Schaden anrichteten und wir erfüllten hier und da ein paar Gebete, die speziell ausgewählt wurden. Ich hatte keine Ahnung wer diese auswählte, aber es musste offenbar von ganz oben kommen, denn niemand kannte denjenigen der das Sagen bei diesen Dingen hatte. Eliorn kam vor mir an die Reihe und strahlte übers ganze Gesicht. "Ich darf wieder zur Erde. Ich muss ein paar Saver helfen." Saver waren Menschen, die dem Bösen auf der Erde Einhalt gebieten. Eine schräge Art von Ghostbusters. Nur, dass sie nicht nur Geister jagten, sondern auch Werwölfe, Vampire, Dämonen und andere Kreaturen. Ab und zu brauchten sie unsere Hilfe, die wir ihnen immer gern gaben, da es etwas spannender ist, als den ganzen Tag Tote durch die leeren Gänge zu ihrem selbst geschaffenen Himmel zu begleiten.

Ich ging auf Mel zu, der mir einen zutiefst mitleidigen Blick zuwarf. "Es tut mir so leid, Anna" Ich hatte keine Ahnung was er meinte, bis er mir einen roten Zettel überreichte. Ich fragte mich ob ihnen wohl die weißen Blätter ausgegangen waren, da unsere Befehle nur auf weißen Papier geschrieben standen. Doch als ich mich umsah, entdeckte ich, dass ich die einzige war mit einem roten Blatt in der Hand. Ich riskierte einen Blick darauf und mir wurde schlecht. Auf dem roten Papier stand große in schwarzer Schrift. TÖTE THOMAS PALMER, 1922 Piedmont Rd NE, Atlanta, GA 30324, USA.

Ich war wie erstarrt und konnte nicht aufhören auf dieses eine Wort zu sehen. TÖTE.TÖTE.TÖTE.

Wieso zum Himmel steht hier das Wort töte? "Ist das ein schlechter Scherz?" Eliorn wagte einen Blick über meine Schulter und schluckte lautstark. "Das ist nicht möglich! Sowas geht doch nicht." Er blickt ängstlich zu Mel hinüber. "Oder?" Er nickt langsam mit dem Kopf. "Ich befürchte doch. Es kommt selten vor, doch der oberste Boss verlangt es so. Es tut mir schrecklich leid, Anna, doch er hat dich dazu auserwählt." ich konnte nicht mehr sprechen. Meine Kehle war wie zugeschnürt. "Ich kann das nicht!" Ich presste die Worte hervor, darum waren sie kaum zu hören. Ich probierte es noch einmal mit etwas mehr Power. "Ich kann das nicht. Wie soll ich das bitte machen? Ich kann doch nicht einfach einen Menschen töten? Wer verlangt so etwas von mir?" Natürlich war mir klar, dass niemand wusste, wer genau dies verlangte, doch ich redete mich so in Rage, dass ich förmlich schrie. "Bitte, Anna. Zügle deine Stimme. Es ist ein Befehl und der muss ausgeführt werden." Mel sah mich immer noch mitleidig an, doch das half mir nicht im Geringsten um mich zu beruhigen. "Wieso ich? Ich war noch nie länger als eine Stunde auf der Erde und nur weil es wegen des 1. Weltkrieges so viele Opfer gab." Ich ging hinaus um mich etwas zu beruhigen, doch als ich aus dem Raum trat, fing ich an zu laufen. Ich lief und lief, bis ich vollkommen außer Atem war und hielt mir die Seite. Ich hörte Eliorn hinter mir schreien und wünschte mir, ich könnte noch weiterlaufen. "Anna? Da bist du ja. Alles ok? Wie geht's dir?" Ob alles ok war. Nein, nichts war ok. Ich war außer mir. "Was soll ich nur machen, Eliorn. Ich kann doch keinen Menschen töten. Das geht gegen meine Natur." Ich wusste, dass dies gegen das Engelgesetz geht. Ich habe mir diese Regeln über mein Bett gehängt um mich immer daran zu erinnern. "Du darfst Menschen keinen Schaden zufügen. Es steht genau zwischen Du darfst keinen deinesgleichen töten und du darfst die Erde nur mit einem Befehl, der dir dies erlaubt besuchen." er lächelte mich sanftmütig an. "Du kannst die Regeln auswendig?" ich war nicht dazu aufgelegt zurück zu lächeln. "Ja, Eliorn ich kann die Regeln auswendig und deshalb weiß ich auch, dass es gegen das Gesetz einen Menschen zu töten." Er wirkte wieder ernst. "Das erinnerst du dich sicher auch daran, dass es gegen das Gesetz ist, einen Befehl zu missachten. Das ist Regel Nummer eins Anna. Jeder Befehl muss ausgeführt werden. Ohne Ausnahme." Ja, das stimmte. Die wichtigste Regel von allen. Doch war es gerecht, eine andere Regel außer Kraft zu setzen, nur um diese auszuführen. "Ich weiß, was du jetzt denkst? Eine Regel bricht eine andere. Das macht keinen Sinn. Doch wir sind hier im Himmel. Was macht denn überhaupt Sinn? Wir sind Engel und wir sind hier um Befehle zu befolgen." Ich starrte ihn an. "Also ich bin hier um den Menschen zu helfen und ihnen zu dienen. Nicht um sie zu ermorden, nur weil es ein Befehl ist." Seine Augen wurden plötzlich groß. "Heißt das. Du willst den Auftrag nicht erfüllen?" Ich ging wieder Richtung Gemeinschaftsraum. "Genau das heißt es, Eliorn. Und das werde ich Mel nun klarmachen."

 

Nach einer weiteren Stunde, konnte ich mir immer noch keinen Reim darauf machen.

"Ich verstehe es nicht. Was hat er bitte getan, dass er den Tod verdient?" Ich lief im Gemeinschaftsraum auf und ab. Ich konnte einfach nicht verstehen, wie alle so ruhig blieben. Ich musste ein Menschenleben opfern. Warum ausgerechnet ich? Ich wusste ich galt zu den sanftmütigen Engeln hier oben. Ich hatte sogar Skrupel wenn ich eine Kreatur der Hölle töten sollte und die verdienten es zumindest. Mel kam hinter seinem Tresen hervor und sah mir tief in die Augen. "Jetzt hör mir mal zu Anna. Es ist ein Befehl. Hör auf ihn zu hinterfragen und tue es. Es ist deine einzige Möglichkeit. Du weißt was sonst passiert?" Ja ich wusste was passiert. Ein Befehlsmissachtung bedeutete entweder man würde für immer im Himmelsgefängnis verrotten oder aber man wurde zerstört. Was bedeutete man wurde nicht nur einfach getötet, sondern unsere Essenz wird ausgelöscht. Noch nie hat jemand das Gefängnis abgelehnt. Doch selbst dort war es schrecklich. Ich konnte mir keine schlimmere Strafe vorstellen. Doch was war weniger schlimm. Mit dem Gedanken leben zu müssen, dass ich einen Menschen getötet habe, für den Rest meines Daseins. Oder in einer Zelle eingesperrt zu werden, mit dem Wissen, dass ich nie etwas getan habe, wofür ich diese Strafe verdiente. Es gab keinen Ausweg. Ich ging in mein Zimmer und sagte Mel, ich würde ein paar Minuten brauchen um mich für die Erde fertig zu machen. Auf dem Weg dorthin, sah ich mir die Bilder an, die an den Wänden hingen. Eines fiel mir immer wieder auf, da es auf die verschiedensten Arten gezeichnet wurde. Lucifer wie er vom Himmel fiel. Ich wusste nicht wie verzweifelt man sein musste, um dies zu tun. Wenn man fiel, dann war es nicht als ob man einfach von einem Haus stürzte. Nein man fiel tatsächlich vom Himmel. Auf dem Weg nach unten, hatte man die schlimmsten Schmerzen. Nicht nur dass die Flügel verbrannten, da sie einem gefallenen Engel nicht mehr erlaubt waren. Außerdem wurde einem das wertvollste von allen entrissen. Unsere Essenz. Es war nicht wie zu sterben, denn unser Körper existierte noch, doch man war kein Engel mehr. Alles was einem ausmachte war verschwunden. Ich kannte diese Geschichte nur aus Erzählungen, doch sie war einleuchtend. Und Lucifer was der einzige Engel, der diesen Fall überlebte.

 

In meinem Zimmer versuchte mich etwas auszuruhen. Ich musste diesen Befehl heute noch erledigen. Wie sollte ich dies tun? In meinem Kopf war komplettes Chaos, doch das Bild von Lucifer kam immer wieder dazwischen. Wieso dachte ich daran. Es wäre Selbstmord. Aber war es denn so viel schlimmer, als hier oben im Gefängnis versauern. Ich schlug mir gegen die Stirn. Ich musste diesen Gedanken wieder loswerden. Es muss eine andere Möglichkeit geben. Nach einer Stunde herumliegen fasste ich einen Entschluss. Es war die einzige Möglichkeit. Ich schaute noch einmal in den Spiegel und strich mir gedankenverloren über die Hose. Ich würde das tun. ich ging hinaus in den Flur und stoppte erst als ich vor einem seltsamen kleinen Raum stand, der vor uns Engel normal verborgen lag, außer man suchte ganz speziell danach. Ich hatte ihn gesucht und auf Anhieb gefunden. Ich öffnete die Tür erblickte den Himmel. Man würde denken, der Himmel in dem ich lebte, wäre eine Art Festung, in der es keine Fenster gab, da es den Ort in Wirklichkeit gar nicht gibt. Doch es war der Himmel den ich anblickte. Der den jeder Mensch sieht, wenn er im freien nach oben blickte. Ich könnte noch lange darüber philosophiere, aber das wäre alles viel zu kompliziert. Ich betrat diesen von Gott erschaffenen Balkon und konnte nicht glauben, was ich da tat. "ANNA!" Ich hörte Eliorns Schreie, doch es war mir egal. Ich hatte meine Entscheidung getroffen. "Anna, tu das nicht!" Er kam immer näher, doch es war bereits zu spät. Ich stieg auf die Brüstung und setze einen Fuß ins Leere. Das Letzte was ich sah, war Eliorns besorgtes Gesicht, als er bemerkte, dass ich auf die Erde fiel.

 

 

 

 

 

2. Kapitel

 

2. Kapitel

 

Ich falle. Das ist alles woran ich denken kann. Ich hatte es wirklich getan. Ich konnte Eliorns Blick nicht vergessen. Es war als ob er stolz, besorgt und ängstlich zugleich aussah. Ich war nicht ängstlich. In dem Moment als ich mich nach vorne fallen ließ, fühlte ich mich endlich frei. Nach Jahrhunderten des Gehorchens und Unterdrückung konnte ich endlich aufatmen. Ich spürte den Wind, der meine Haare nach hinten blies, doch plötzlich spürte ich ein leichtes Ziehen an meinen Schulter blättern. Ich wagte einen kurzen Blick nach oben und sah, dass meine Flügel ausgebreitet waren. Ich konnte mich nicht erinnern, sie gerufen zu haben. Das Ziehen wurde immer stärker und ich fing an zu schreien. Meine Flügel fingen Feuer und der Schmerz war einfach unerträglich. Das Feuer breitete sich aus, bis nichts mehr übrig war. Ich weinte, da dass Gefühl nach verschmorter Haut plötzlich nachließ. Doch die Qual endete nicht. In meiner Brust breitete sich ebenfalls ein Feuer aus. Nur dass es von innen zu kommen schien. Ich wusste was jetzt kommen wird. Meine Gnade, sie wird mir entrissen. Es fühlte sich an, als ob man mir mein Herz entreißen würde. Doch es hörte nicht auf. Die Folter wurde immer unerträglicher. Tausend Messerstiche waren nichts im Vergleich zu dem hier. Ein letzter unerträglicher Riss und alles wurde schwarz. Wahrscheinlich würde ich es nicht mal bemerken, wenn ich starb. Leb wohl, schöne Welt. Ich konnte nicht einmal die Dusche genießen, von der mir Eliorn immer vorgeschwärmt hatte. Niemals würde ich einen Donut essen, oder den Genuss eines guten Weins probieren. Ich hoffe, dass mein nächstes Leben besser wird.


Ich schaukle. Bin ich auf einem Schiff? Nein, dafür war dieses Wippen zu unregelmäßig. Ich lag auf zwei Rohren. Meine Wirbelsäule war gebeugt. Wie zum Teufel bin ich hier gelandet? Sollte ich nicht tot sein? Ich versuchte mich etwas zu bewegen und plötzlich hörte das Schaukeln auf. Langsam versuchte ich zu erspähen, was sich vor mir abspielte und starrte in 2 eisblaue Augen. Ich ließ einen markerschütterten Schrei los und machte prompt Bekanntschaft mit dem Boden. Mein Hinterteil würde bestimmt einen blauen Fleck bekommen. Also war ich nicht tot. Ich blickte nach oben und sah wieder diese Augen vor mir. Sie gehörten einem Mann. Einem großen Mann. Er sah mich mit Verwirrung und Belustigung an. Sorge konnte ich ebenfalls in seinem Blick wahrnehmen, wenn auch sehr gering und fast nicht zu erkennen.

"Alles Ok?" Seine Stimme war wie Nebel. Man konnte spüren, wie sie kalt und düster über die Haut streifte. "Ähm...Was" Ich räusperte mich. "Was ist passiert?" Das war das erste was mir einfiel. Ich dachte ich wäre gestorben und jetzt liege ich hier vor einem Mann, der das Ebenbild eines Gottes war. Schwarze Haare, die ihm leicht über die Stirn fielen und knapp über den Ohren endeten. Seine Gesichtszüge waren makellos: Ein kantiges glattrasiertes Kinn, rosige volle Lippen und diese blauen Augen, die einem fast in die Seele schauen konnte. Außerdem konnte man unter seinem schwarzen Pullover seine trainierten Oberarme sehen. "Du bist vom Himmel gefallen, Kleines!" Kleines? Entschuldige mal. Ich stand auf und knickte sofort wieder ein. Doch bevor ich auf den Boden landete, hielten mich 2 starke Arme fest. "Vorsicht. Der Fall hat dich ganz schön ausgelaugt." Der Fall? Woher wusste er das? Wer war er? Wie konnte ich das überleben? "Wer bist du?" Meine Augen ruhten misstrauisch auf seinem Gesicht.

Als er bemerkte, dass er mich noch immer halb im Arm hielt, stellte er mich aufrecht hin, nicht ohne sich zu vergewissern, dass ich alleine stehen konnte. "Du weißt nicht wer ich bin?" Meine Geduld nahm langsam ihr Ende. "Nein. Ich hab keine Ahnung. Ich war noch nie auf der Erde. Bist du so etwas wie eine Berühmtheit?" Ich verstummte. Vielleicht war er wirklich berühmt und dieser Mann hat gerade einen Engel vom Himmel fallen sehen. Na toll. Wenn er es in der Zeitung preisgab, würde ich sicher bald sterben. Er lächelte verschmitzt. "Naja. So würde ich es nicht bezeichnen. Aber ich vermute mal, dass jede Person, jeder Engel und jedes andere Lebewesen, schon einmal von mir gehört hat." Nun war mein Blick sehr verwirrt. Wer war dieser Mann? Plötzlich veränderte sich die Atmosphäre. Alles um mich herum wurde schwarz .Der Mann der vor einer Sekunde noch vor mir stand verschwand und an seine stelle trat ein Wesen, dass ich überall wieder erkennen würde. Seine Haut wurde leichenblass und aus seiner Stirn wuchsen Hörner. Die stahlblauen Augen wurden blutrot und seine Hände formten sich zu merkwürdigen Klauen. Er breitete die Arme aus und ließ den Umhang, der wie aus dem Nichts erschien, hinter sich flattern. "Ich bin Lucifer" seine Stimme hallte meilenweit und ich war froh, dass weit und breit niemand in der Nähe war. Dann war alles wieder normal und Lucifer stand wieder als der atemberaubende Mann vor mir. "Du hast sicher schon von mir gehört!"

 

"Du bist... Wie? Was zum Teufel?" Ich trat langsam zurück, da ich nicht glauben konnte, wer da vor mir stand. Er lachte laut auf. "Nun ja. In deiner Frage steckt die Antwort. Ich habe viele Namen. Teufel, Beelzebub, mir persönlich gefällt Höllenfürst. Doch die meisten nennen mich nur bei meinem Engelsnamen unter den du mich vermutlich auch kennst. Lucifer." Ich ging noch ein paar Schritte weiter weg. Das war Lucifer? Der erste Engel der gefallen ist und der einzige, der es überlebt hat? Moment...
"Wieso bin ich nicht tot?" Lucifers Blick wirkte leicht verletzt. "Wärst du denn lieber tot?" Dann lächelte er. "Das können wir gerne ändern" Er hob die Hand und sie verwandelte sich vor meinen Augen wieder in diese schreckliche Klaue. "Nein. Bitte nicht!" Ich schrie laut auf und er stoppte, kurz bevor er meine Kehle traf. "Bitte! Ich wollte dich nicht verärgern. Ich dachte nur, dass noch niemand außer dir, den Fall überlebt hatte. Deshalb frage ich mich, wie ich am Leben sein kann. Mir wurden die Flügel geraubt und meine Gnade wurde mir entrissen, trotzdem scheine ich keinen körperlichen Schaden abbekommen zu haben. Wie ist das möglich?" Seine Schultern bewegten sich. Das war die einzige Regung seines Körpers. "Ich habe dich aufgefangen." Ich richtete mich auf und fragte nochmal, denn offenbar hatte ich mich gehört. "Du hast was?" Seine Augen blickten starr in meine. "Ich habe dich aufgefangen. Andernfalls wärst du genauso auf den Boden aufgeklatscht, wie alle anderen."

Mich durchfuhr ein Schauer. Das also hätte mich erwartet? Ich dachte wenn ich sterben würde, würde mein Körper sich in Luft auflösen. Doch offenbar war es wirklich wie ein Fall und mein Körper wäre zu Matsch geworden, wenn er mich nicht aufgefangen hatte. "Wieso hast du das gemacht? Offenbar waren dir alle anderen egal. Also warum hast du mich gerettet?" Er zuckte erneut mit den Achseln. "Ich hatte eben Lust drauf. Aber wie gesagt: Ich kann das schnell ändern." Er zeigte sein diabolisches Grinsen, doch irgendetwas war falsch an der ganzen Sache.

 

Er ging die Straße entlang und endlich konnte ich mich etwas umsehen. Ich war offenbar irgendwo im nirgendwo aufgekommen. Ich sah nichts außer einer endlos langen Straße und auf beiden Seiten waren Felder. Weit und breit war sonst gähnende Leere. "Kommst du jetzt?" Lucifer stand ungefähr 20 Meter von mir entfernt und wartete. "Ich..Was?" Ich deutete auf mich und konnte nicht glauben, dass er auf mich deutete? "Ja, du. Oder siehst du hier noch jemanden, der blöd in der Gegend herumsteht?" Ich sah mich unnötigerweise noch einmal um. "Wieso sollte ich mit dir mitgehen? Du bist der Teufel. Ich denke nicht, dass deine Gesellschaft mir sehr helfen würde." Er kam wieder auf mich zu und bohrte mir seinen Finger in die Brust. "Zum ersten: Ich habe dich verdammt nochmal gerettet. Zweitens: Wie denkst du, wirst du unten überleben? Du scheinst mir kein Engel zu sein, der öfter als 2 Mal hier unten war. Dies ist die Erde, Kleines. Kein Spaziergang im Garten Eden und drittens: Wenn ich jemanden etwas sage, hört man normalerweise auf mich, sonst kann ich ganz schön ungemütlich werden." Ich versuchte mich wieder aufrecht hinzustellen, da ich bei seiner Rede etwas eingeknickt war, doch seine Autorität schüchterte mich etwas ein. Er hatte Recht. Ich wusste nicht, wo ich hinsollte und was ich tun sollte. Ich war auf der Erde. Ich war kein Engel mehr. Eigentlich sollte ich froh darüber sein, jemanden zu haben, der mir half, auch wenn es der Teufel höchstpersönlich war. Doch alles in mir schrie, als ich ihm hinterging. Er sagte nicht, wohin wir gingen, oder wie lange es dauern würde. Doch ich war mir sicher, es wird ein langer Marsch werden.

 

3. Kapitel

 Ich war schon öfter auf der Erde, doch als Mensch zu Fuß zu gehen, war reine Qual. Meine Füße hatten Blasen und ich bekam kaum mehr Luft und außerdem war ich vollkommen ausgetrocknet. Ich hatte keine Ahnung, wie Lucifer das aushielt, ohne umzukippen. Ein paar Mal musste er mich festhalten, weil ich fast zusammenklappte, doch er verlangsamte seine Schritte nicht.
Wir gingen stundenlang. Ich wunderte mich warum wir nicht per Anhalter fuhren, da so viele Autos an uns vorbeifuhren. Andererseits hielt auch niemand an uns zu fragen, ob alles in Ordnung war. Auch wenn ich keinen Spiegel hatte, wusste ich, dass ich nicht aussah, als würde ich einen Morgenspaziergang machen. „Wo gehen wir hin?“ Meine Stimme war nur noch ein Röcheln, weil mein Mund so ausgetrocknet war, doch er stoppte und drehte sich langsam um. „Hast du Durst?“ Seine Stimme verursachte mir eine Gänsehaut und ich konnte nur mit dem Kopf nicken. „Warte hier.“ Ich konnte mich sowieso nicht mehr bewegen und so ließ ich mich einfach zu Boden fallen. Er verschwand vor meinen Augen und tauchte eine Sekunde später wieder vor mir auf. Ich konnte ihn nur mit offenem Mund anstarren. Er hielt mir eine große Flasche vors Gesicht „Trink“ Ohne zu zögern griff ich nach der Flasche und schüttete die wohltuende Flüssigkeit in meinen wunden Rachen. Ich spürte förmlich wie mein Körper wieder mit Wasser durchtränkt wurde. Als ich die Hälfte getrunken hatte, setzte ich die Öffnung ab und keuchte laut auf. „Danke“. Er nickte kaum merklich und ging einfach wieder weiter, ohne auf mich Acht zu geben. Ich stolperte hoch und lief ihm wieder hinterher. Durch das Wasser, konnte ich wieder etwas sprechen und so versuchte ich mich an einem Gespräch. „Also Lucifer…Wo genau sind wir hier?“ Ich konnte eine leichte Regung in seinen Schultern sehen als er antwortete. „Wir sind in Cheyenne und bitte hör auf mich Lucifer nu nennen. Es könnte dich jemand hören?“ Meine Beine stolperten über kleine Steine. „Wir sind in Wyoming? Wieso genau hier?“ Er drehte sich langsam zu mir und sah mich an als ob ich verrückt wäre. „Weil du hier runtergekommen bist!“ Du hattest echt Glück, dass ich zufällig in der Nähe war, sonst hätte ich dich vermutlich nicht gesehen.“ Er hatte Recht. Es war Glück. „Warum soll ich dich nicht Lucifer nennen? Das ist doch dein Name, oder?“ Er ging weiter und bog schließlich nach links ab und ging querfeldein auf ein kleines Wäldchen zu, dass man in der Ferne sehen konnte. „Wenn ich auf der Erde bin, habe ich einen menschlichen Namen. Was denkst du, wie die Leute schauen, wenn du sagst, dein Name wäre Lucifer?“ Ich nahm einen großen Schluck von meinem Wasser. „Das heißt du lebst hier unter den Menschen?“ Seine Schultern bebten, als würde er lachen. „Unter den Menschen leben? Bist du verrückt. Ich lebe doch nicht unter diesen minderwertigen Kreaturen. Ich bewege mich unter ihnen und um nicht aufzufallen, erfinde ich alle paar Jahrzehnte jemanden Anderen um mich unter das gemeine Volk zu mischen.“ Als ich den letzten Rest aus meiner Flasche leerte, warf ich den leeren Behälter in die Büsche, die mir am nächsten standen. Lucifer war auf der Stelle vor mir und blickte mit starrem Blick auf mich hinunter. Er hielt mir die Flasche direkt vors Gesicht. „Was denkst du dir dabei, einfach so deinen Müll hier rumliegen zu lassen? Du bist gerade mal 5 Minuten auf der Erde und machst schon Ärger?“ Ich konnte nicht aufhören in seine Augen zu starren. Sie wurden wieder rot und es sah aus, als ob ein Feuer in ihnen wütete. Ich konnte nur stotternd erwidern. „Es… Es tut mir leid.“ Er räusperte sich, ließ die Flasche in Flammen aufgehen und ging weiter, als ob nichts passiert wäre. Ich schüttelte den Kopf und versuchte wieder klar zu denken. Was war da gerade passiert? Ich lief ihm hinterher und redete einfach weiter. „Könntest du mir mal verraten wo genau wir hingehen?“ Er schwieg eine Zeit lang und ich glaubte, er hätte mich nicht gehört. Doch nach ein paar Minuten, blieb er stehen und zeigte auf ein Schild, das einen Friedhof ankündigte. In unheimlichen Großbuchstaben stand darauf MEMORIAL GARDENS. Mir kam der Name bekannt vor. Ich durchforstete mein Gehirn und stemmte meine Füße in den Boden. „Nein. Niemals. Das werde ich ganz sicher nicht machen!“ Lucifer machte eine Kehrtwende und stand wie ein Felsen vor mir. „Oh doch. Genau das wirst du machen. Glaubst du ich lasse dich einfach so hier herumlaufen. Du weißt ja gar nicht womit du es zu tun hast.“ Ich konnte mich an die Geschichten dieses Friedhofs erinnern. Er war einer von vielen Orten, an dem ein Höllentor versteckt war. Natürlich konnte es kein Mensch erkennen, da es durch einen mächtigen Zauber verborgen lag, doch jeder spürte die unheimliche Atmosphäre, die sich hier ausbreitete. „Du willst durch das Höllentor gehen, oder nicht?“ Lucifer verlangsamte seine Schritte nicht. „Ja genau, das habe ich vor. Und du wirst mit mir kommen.“ Ich bewegte mich in die entgegengesetzte Richtung versuchte mich zu entfernen. Doch da hatte ich nicht, mit den Instinkten des Teufels gerechnet. Innerhalb einen Augenblinzeln stand er hinter mir und warf mich über seine Schulter. „Nein, nein, Kleines. Du wirst schön mitkommen.“ Meine Fäuste trommelten unaufhörlich auf ihn ein, doch er schien es nicht mal zu bemerken. „Lucifer. Lass mich runter.“ Er drehte mich etwas, sodass ich ihm ins Gesicht sah und unsere Nasenspitzen sich fast berührten. „Hör auf mich Lucifer zu nennen.“ Am liebsten hätte ich ihm in die Nase gebissen. „Dann hör du auf mich Kleines zu nennen. Mein Name ist Anna.“ Er ging weiter, ohne auf das gesagte einzugehen. „Also gut. Wie soll ich dich dann nennen?“ Vor uns lag ein großes Gebüsch, dass über und über mit Efeu bedeckt war. Ich wusste, dass dies hier der Abstieg in die Unterwelt war, selbst wenn ich nichts davon sah. Ich wollte mich schon bereitmachen, dass er mich einfach durchwerfen würden, doch er stellte mich wieder auf die Füße, sah mir tief in die Augen und lächelte. „Ich heiße Thomas Palmer.“ Mit diesem Satz stieß er mich durch das Tor und ich fiel schon wieder.

 

Thomas Palmer. Thomas Palmer. Thomas Palmer. Der Name ging mir durch den Kopf. Wie konnte das möglich sein? Wie konnte er den Namen haben, von der Person, die ich töten sollte? Der Sturz war kurz und schmerlos. Es war, als würde man durch einen Wasserfall gehen, ohne nass zu werden. Was sich dahinter befand, war nicht im Geringsten das, was ich mir unter der Hölle vorstellte. Zu allererst war es hier ziemlich hell. Doch nicht tageslichthell, sondern als ob die Sonne gerade untergehen würde. Orange mit schwarzen Streifen am Himmel. Der Himmel? Warum gab es hier einen Himmel? „Schön oder?“ Lucifer...ähh Thomas stand hinter mir und stemmte die Hände in die Hüften und sah sich um. „Wie war dein Name nochmal?“ Er ging einfach an mir vorbei und schenkte mir keine Beachtung. Vielleicht hatte ich mir nur verhört und er hieß gar nicht Thomas Palmer. Oder er war ein anderer Thomas Palmer. Das alles könnte ein Riesenirrtum sein. Ich lief ihm hinterher und tippte ihm auf die Schulter. „Hallo? Könntest du mir antworten?“ Genervt drehte er sich um. „Ich bin Thomas Palmer. Der einzig Wahre. Zufrieden, Anni!“ Mein Fuß stampfte auf den Boden, wodurch sich eine kleine Rauchwolke bildete. „Mein Name ist Anna. ANNA! Geht das endlich in deinen Kopf?“ Seine blauen Augen durchbohrten mich. „Natürlich, Darling. Nur das sollte auch in deinen Kopf gehen.“ Er wurde mit jedem Wort lauter und am Schluss schrie er so laut, dass mir mein Kopf brummte. „Ich bin der verdammte Teufel und mich sollte man nicht erzürnen.“ Ich hielt seinem Blick stand und stach mit meinem Finger in seine Brust. „Man sollte eine Frau niemals anschreien, das würde ganz Böse enden.“ Seine Mundwinkel zuckten, doch bevor ich ein Lächeln erhaschen konnte, machte er am Absatz kehrt und lief vor mir her.

 

Ich hatte das Gefühl, man hätte mich ins Mittelalter zurückversetzt. Überall lag Müll und die Gebäude sahen aus, als ob sie nur mit ein paar Schrauben zusammengehalten wurden. Auf den Straßen war es komplett leer. Ich dachte die Hölle wäre zum Bersten voll mit Menschenseelen, doch seit über einer Stunde gingen wir nun hier entlang und uns begegnete niemand. Thomas ging ein paar Meter vor mir, doch durch den Wind und den roten Schein, den der Himmel abgab, konnte ich ihn schwer erkennen. Als ich über einen kleinen Stein stolperte, fingen mich seine Arme plötzlich auf. „Bist du immer so tollpatschig, oder willst du mir einfach nur auf die Nerven gehen?“ Ich entriss ihm meine Hände, die er sanft in seinen hielt. „Ich kann fast nichts sehen, du Fiesling“ Ich klopfte mir den Staub von der Hose und spürte seine Finger an meinem Kinn. Er drückte meinen Kopf nach oben, damit ich ihn ansehen musste. „An den Beleidigungen musst du noch arbeiten, Darling!“ Er kippte fast um, als ich ihm seine Hand wegschlug. „Fass mich nie wieder so an, hörst du?“ Thomas hob die Arme in einer abwehrenden Haltung und drehte sich um. „Das nächste Mal wenn du hinfällst, kannst du dir selbst helfen. Ich werde nicht auf dich warten und dann möchte ich sehen, wie du dich hier zurechtfindest.“ Sein Lachen hallte durch die gesamte Gegend. Wie konnte das sein, es gab hier keine Wände, an den seine Stimme abprallen konnte. Andererseits war er schließlich der Teufel. Auch wenn ich mir sicher war, dass er mich nicht einfach zurücklassen würde, ging ich vorsichtiger, um nicht erneut über meine eigenen Beine zu fliegen. Die Hölle war… nun ja… die Hölle. Ein endloslanger Fußmarsch, der dem Fürst der Finsternis offenbar nichts ausmachte, doch ich kam langsam an meine Grenzen. Er war der Teufel. Warum konnte er uns nicht einfach dorthin befördern, wo auch immer er hinwollte. „Wir gehen zu meinem Haus und nur zu deiner Information. Ich kann uns nirgends hinbefördern. Du bist ein Engel und wenn ich das täte, würde der große Boss mitbekommen, dass du hier bist und das wollen wir doch auf keinen Fall, oder?“ er zwinkerte mir zu. Konnte er etwa meine Gedanken lesen? „Nein, das wäre doch total unheimlich, oder?“ Sein Lachen kam wieder von allen Seiten. Na toll! Was sollte ich nun machen? Aufhören zu denken? „Das wäre echt eine tolle Abwechslung. Danke“ Meine Gedanken schweiften über zu einem Lied, dass ich vor sehr langer Zeit hörte. Es ist ein ziemlich nerviger Song, aber als er mich anstarrte und flehte, an etwas Anderes zu denken, empfand ich eine gewisse Genugtuung. „Hast du das schon die ganze Zeit gemacht?“ Es war schwer, zu reden und gleichzeitig an dieses nervige Lied zu denken, doch ich hatte so viele Fragen. „An der Oberfläche sind meine Kräfte etwas eingeschränkt, doch hier unten bin ich unbesiegbar.“ Sein rechter Mundwinkel glitt nach oben. Ich stieß Luft aus und war froh, dass er meine Gedanken auf der Erde noch nicht bekommen hatte. Ganz plötzlich blieb er stehen, drehte sich um und hielt sein Gesicht, direkt vor meines. „Was hast du denn gedacht?“ Seine Augen blitzen und ich begann das Alphabet aufzusagen. Zuerst in Deutsch und danach in Henochisch. Ich konzentrierte mich vollkommen darauf, sodass ich nicht mitbekam, wie Thomas sich wieder entfernte. „Zur Hölle. Kannst du dich mal beeilen. Ich möchte noch vor Sonnenaufgang zu Hause sein.“ Es sah so aus, als ob die Sonne hier ununterbrochen untergehen würde. Ich hatte keine Ahnung wie lange es noch bis zum Sonnenaufgang dauern würde, aber ich möchte ebenfalls nicht mehr lange hier herumirren. „Das ist nicht die Sonne.“ Ich wusste zuerst nicht, dass er mit mir redete, doch als er über die Schulter blickte, fragte ich nochmal nach. „Was ist es dann?“ Sein Kopf drehte sich wieder nach vorne und er zuckte mit den Schultern. „Es ist mein Mond.“ Sein Mond? Diese Welt war noch skurriler als ich dachte.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 20.03.2018

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /