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Titel

Francisca Dwaine

 

Liebe lieber ungebremst

 

Jurastudent Mick wird vom Pech verfolgt. Erst sagt sein Freund Toby genau die drei Worte, die er am wenigsten hören will, und setzt ihrer Beziehung damit ein jähes Ende, dann wird er auch noch von dem neuen Studenten Terry mit dem Fahrrad angefahren.

Der Unfall stellt sich jedoch als Glück heraus. Die beiden werden Freunde und Terry erfährt, dass Mick die Antwort auf eine Frage ist, die ihn schon seit Jahren quält. Doch wie gesteht man jemandem seine Liebe, der davon nichts hören will?

 

 

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Copyright ©2016 Francisca Dwaine

Alle Rechte vorbehalten.

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt und darf nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Autorin ganz oder in Auszügen vervielfältigt oder kommerziell genutzt werden.

Alle handelnden Personen wurden frei erfunden.

 

Korrektur: Marion Stollenwerk

 

Cover ©Francisca Dwaine

Bildmaterial © RyanMcGuire / pixabay.com

Liebe lieber ungebremst

 

»Jetzt mach mal langsam! Wir könnten erwischt werden«, flüsterte Mick Toby zu, als dieser unter seinen Pullover fasste. Die Wände seines kleinen Zimmers im Wohnheim waren dünn genug, um selbst den leisesten Ton nach außen zu tragen. Seine Beziehung mit den Studenten in den Nebenzimmern war daher intimer, als er es gerne hätte.

Toby rutschte noch etwas näher an ihn heran, sodass seine Brust nun Micks Rücken berührte. »Bisher hat dich das noch nie gestört. Jetzt komm schon! Hinterher willst du doch eh wieder, dass ich weitermache.«

Leider hatte Toby damit recht. Mick fiel es immer schwer, ihm zu widerstehen. Es reichte ein einfacher Kuss, um die kleinen Rädchen seines Körpers in Bewegung zu setzen und ihn zu Wachs in diesen Händen zu machen. Nur noch wenige Widerworte konnte er stammeln, bis er sich ihm endgültig hingab. Nicht einmal der Gedanke, jeden Moment könnte jemand gegen die Tür hämmern, konnte etwas daran ändern. Mick war Sekunden davon entfernt, alle Vorsicht zu vergessen. Diese heißen Hände auf seiner Brust, die forschen Finger, die langsam ihren Weg zu seiner Hose bahnten ... Scheiße, er wollte mehr!

»Und wenn es jemand herausfindet?«, fragte Mick halbherzig. Seine Hose stand inzwischen offen. Wie das so schnell passieren konnte, wusste er nicht.

»Wenn schon! Wir gehen aufs College. Da sind Experimente normal. Und jetzt konzentrier dich endlich.« Toby biss sanft in sein Ohrläppchen. Der leichte Schmerz durchfuhr seinen Körper wie ein gezielter Schuss und Mick konnte ein tiefes Stöhnen nicht unterdrücken. Tobys Hand verschwand endlich unter dem Stoff von Micks Jeans und als sie seinen Penis umfasste, war jede Zurückhaltung vergessen.

Mick biss die Zähne zusammen. Er hörte, wie sich einige Studenten vor seiner Tür über den Unterrichtsstoff und ihre Pläne für den kommenden Abend unterhielten. Sein Herz schlug schneller bei dem Gedanken, jeder von ihnen könnte sie hören und von ihrer Beziehung erfahren.

So ungern Mick es zugab, aber der Gedanke, jederzeit erwischt werden zu können, hatte etwas Erotisches.

»Ich bin so scharf auf dich«, flüsterte Toby und streichelte über Micks Glied, das hart in seiner Hand lag.

Die sanfte Berührung schickte ein Zucken durch Micks Körper. Er legte den Kopf zurück und stöhnte erneut. An seinem Hintern konnte er fühlen, wie sehr Toby ihn wollte. Dessen Erektion drückte sich verlangend gegen die Jeans, die Mick bereits über den halben Hintern gerutscht war. Auch er konnte kaum noch warten. Er wollte ihn in sich spüren, wollte endlich die störende Barriere loswerden und kommen!

Dieser Wunsch erfüllte ihn jedoch nur wenige Sekunden, denn Toby flüsterte auf einmal drei Worte in sein Ohr, die Micks Verlangen augenblicklich erstarben ließen: »Ich liebe dich.«

Mick erstarrte. Sein Herz klopfte jetzt nicht mehr vor Erregung, sondern Angst. Er sprang auf und zog seine Hose hoch, funkelte Toby wütend an, während ihm ein eiskalter Schauer über den Rücken lief. »Lass den Scheiß!«

Zunächst wirkte Toby verwirrt, doch dann verzog sich auch sein Gesicht in eine wütende Grimasse. Er stand auf, um in Micks Gesicht zu schauen. »Scheiß? Meine Gefühle sind also scheiße, ja? Ich habe dir gesagt, was ich für dich empfinde! Jeder andere würde sich darüber freuen.«

»Ja, andere vielleicht. Ich aber nicht. Ich habe dir von Anfang an gesagt, dass ich solche Dinge nicht hören will. Wir sind Fickfreunde, nichts weiter.«

»Vielleicht hat es so angefangen, aber inzwischen ist es anders. Ich habe mich in dich verliebt! Was ist daran so schlimm?«

Was daran schlimm war? Das würde er doch sowieso nicht verstehen. Mick sammelte Tobys Hemd vom Boden auf und warf es ihm zu. »Verschwinde! Ich will dich nicht mehr sehen.«

Toby rührte sich nicht. Er knirschte mit den Zähnen und sein Gesicht wurde vor Wut knallrot, als er sich anzog. »Das wird schwierig sein. Wir haben die gleichen Kurse.«

»Und wenn schon! Jetzt geh endlich. Raus hier!«

»Du bist total bekloppt, weißt du das? Du wirst noch bereuen, dass du weggeschmissen hast, was wir hatten. Selbst du kannst nicht ewig alleine leben.« Damit öffnete Toby die Tür und knallte sie hinter sich zu.

Mick ließ sich auf das Bett fallen und legte eine Hand über seine Augen. »Ich liebe dich«, wie sehr er diese Worte hasste. Noch nie war etwas Gutes geschehen, nachdem er sie gehört hatte. Warum konnten andere nicht einfach damit zufrieden sein, was er ihnen gab? Warum war Sex nie genug?

 

***

 

Die Woche endete genauso miserabel für Mick, wie sie begonnen hatte. Er bekam eine schlechte Note für seine Hausarbeit, verpasste eine wichtige Vorlesung über Wirtschaftsrecht und Toby warf ihm bei jeder Begegnung einen so giftigen Blick zu, dass selbst die anderen Studenten etwas merkten.

»Was ist denn mit dem los?«, fragte Joleen ihn nach der letzten Vorlesung. »Toby sieht dich ja an, als hättest du seinen Hund erschossen. Ihr wart doch sonst immer unzertrennlich.«

»Wir haben uns gestritten«, antwortete Mick knapp. Sie war so ziemlich die letzte Person auf der Welt, mit der er reden wollte. Entweder bemerkte sie seine Unlust nicht, oder es war ihr einfach egal.

»Das kann ich auch sehen. Hast du was angestellt?«

»Was geht dich das überhaupt an? Hast du nicht jemand anderen, in dessen Leben du dich einmischen kannst?« Mick wollte sie nicht so anfahren, aber Joleen besaß die blöde Angewohnheit, jedem mächtig auf die Nerven zu gehen. Er konnte ihre Kommentare nun wirklich nicht gebrauchen.

Joleen sah ihn jetzt ebenso wütend an wie Toby, machte auf dem Absatz kehrt und ging zurück zu ihren Freundinnen, die sofort ihre Köpfe zusammensteckten, um über ihn zu lästern.

»Die wird die übelsten Gerüchte über dich verbreiten, Alter«, sagte ein anderer Student aus seiner Übungsgruppe.

Mick zuckte mit den Achseln, aber ganz so gelassen, wie er sich gab, war er nicht. Er hasste es, im Mittelpunkt zu stehen. Alles, was er wollte, war ein ruhiges Unileben ohne den Stress, den Beziehungen mit sich brachten. Anstatt sich aus allem herauszuhalten, hatte er es jedoch innerhalb von einer Woche geschafft, den Zorn zweier Personen auf sich zu ziehen, die sein Leben mehr in Unruhe bringen konnten, als irgendwer sonst auf diesem Campus. Glanzleistung.

Mick warf Joleen noch einen wütenden Blick zu, bevor er sich in Richtung Auditorium davon machte. Eigentlich hätte er wissen müssen, dass dies noch nicht alles sein würde. Nein, diese Woche hatte noch etwas draufzusetzen.

Das Quietschen zweier Reifen ertönte auf einmal. Ein Schrei ließ Mick zusammenzucken. Er wollte sich umdrehen, machte bereits auf dem Absatz kehrt, als ...

»Vorsicht, ich kann nicht brem-!«

Knall!

Etwas traf Mick an der Seite. Er fiel nach hinten und kam hart auf dem Boden auf. Sein rechter Arm und die Hüfte, auf der er gelandet war, schmerzten. Mit einem leisen Stöhnen setzte er sich auf den Boden und erstarrte. Kälte umfing ihn, als Wasser seine Hose durchdrang und die bloße Haut seines Hinterns und der Oberschenkel berührte. Er hatte sich mitten in eine riesige Schlammpfütze gesetzt.

Fassungslos starrte er den Fremden an, der nur wenige Zentimeter vor ihm auf dem Boden lag. Vollkommen trocken und scheinbar unversehrt richtete der Mann sich auf und klopfte seine Klamotten ab. »Au, au, au! Verdammt ... ich wusste doch, dass ich meinen Bruder nicht an mein Fahrrad lassen darf.«

Das Fahrrad, von dem er redete, lag mit verbogenem Vorderreifen vor Mick, der nun eins und eins zusammenzählte. »Kannst du nicht aufpassen?«, fuhr er den Fremden an, als er aufstand. »Ich bin völlig durchnässt und meine Vorlesung beginnt in ein paar Minuten.«

»Tut mir echt leid«, sagte der junge Mann mit einem strahlenden Lächeln. Seine kastanienbraunen Haare fielen ihm wild ins Gesicht. Nicht nur, dass er scheinbar ohne einen Kratzer davon gekommen war, sogar die zerstörte Frisur sah ungewöhnlich gut an ihm aus. Das sorgte leider nur noch mehr dafür, dass Mick ihm am liebsten den Hals umdrehen wollte.

Er sah sich um und wie erwartet gackerte Joleen mit ihren Freundinnen wenige Meter von ihnen entfernt und zeigte mit dem Finger auf ihn. Mick konnte es ihnen nicht einmal verübeln. Durch den Schlamm musste er aussehen, als hätte er sich in die Hose gemacht.

Auch der Junge bemerkte das Lachen und sah ihn mit verschämter Miene an. »Oh, das sieht ja übel aus. Ähm, tut mir wirklich leid? Bist du wenigstens sonst in Ordnung? Alles noch dran?«

Mick ballte die Fäuste, sagte jedoch nichts, sondern drehte sich abrupt um und stürmte in Richtung Toiletten. Vielleicht konnte er noch etwas retten, wenn er vor der Vorlesung versuchte, etwas Schlamm abzuwischen. Unglücklicherweise folgte ihm der Tollpatsch.

»Hey, kann ich dir irgendwie helfen? Brauchst du vielleicht Taschentücher? Ich könnte auch schnell ins Wohnheim flitzen und dir eine andere Hose holen. Welche Zimmernummer hast du? Ich bin übrigens Terry und gerade erst hierhergezogen. Erst hab ich in Chicago studiert. Ich hab aber gewechselt, um näher bei meiner Mutter zu sein. Vorher hab ich bei meinem Vater gelebt. Studierst du auch Jura?«

»Hältst du irgendwann auch mal die Klappe?«, fragte Mick, als sie die Toiletten erreichten und Terry immer noch am Reden war. »Am meisten hilfst du mir, wenn du verschwindest. Ich habe nur noch fünf Minuten, bis die Vorlesung beginnt. Das schaffst du sowieso nicht.«

Mick drehte sich um, nahm zwei Blätter von dem Papier, mit dem man sich normalerweise die Hände abtrocknete, machte sie unter dem Wasserhahn nass und versuchte damit, seine Hose zu säubern. Es war jedoch vergebens. Der Schlamm trocknete bereits an einigen Stellen und war so dick, dass die dünnen Tücher kaum etwas bewirkten. »Scheiße! Und das ausgerechnet heute. Ich muss mit dem Professor über meine Arbeit sprechen. So kann ich ihm doch nicht unter die Augen treten.«

Terry sah ihn bestürzt an. Er schien über etwas nachzudenken und fragte schließlich: »Welche Größe hast du?«

»Ich hab dir doch gesagt, dass du es nicht schaffst, zum Wohnheim zurückzugehen.«

»Das meine ich doch gar nicht. Welche Größe? Wir müssten ungefähr gleich sein. M?«

»Ja, schon, aber-« Mick riss die Augen auf, als Terry auf einmal seine Hose öffnete und sie auszog. »Was zum Teufel tust du da?«

»Was schon? Ich ziehe meine Hose aus.«

»Ja, aber ...« Mick schluckte. Terry stand auf einmal nur noch in Boxershorts vor ihm.

»Wir tauschen. Hier.«

Wortlos starrte Mick auf die ihm angebotene Jeans. »Das kannst du nicht ernst meinen. Du willst freiwillig in diesem Ding auf dem Campus herumlaufen?«

»Klar. Es war doch schließlich meine Schuld, oder nicht? Wenn du nicht willst, dass ich deine Hose anziehe, kann ich auch in Boxershorts gehen. Mir ist das egal.«

Dieser Moment war so verrückt, dass Mick tatsächlich anfing zu lachen. »Weißt du nicht, wie die anderen Studenten ticken? Wenn du das bringst, hast du keine ruhige Minute mehr. Die werden dich ewig damit aufziehen. Außerdem bist du auch noch neu. Da hat man es sowieso schwerer als sonst. Und du willst dir das wirklich antun?«

»Mir ist egal, was andere von mir denken. Wenn es mir nicht peinlich ist, vergessen die das wieder ganz schnell. Außerdem sehe ich verdammt gut in Shorts aus.«

Da konnte Mick nicht widersprechen. Jetzt, da er die Chance bekam, Terry genauer zu betrachten, sah er tatsächlich ziemlich gut aus mit den muskulösen Beinen und dem strahlenden Lächeln, das auf einmal überhaupt nicht mehr nervig wirkte.

»Du bist wirklich verrückt. Auf deinen Shorts sind sogar Herzen.«

»Klar. Ist ja bald Valentinstag«, sagte Terry mit einem Grinsen.

Mick schüttelte den Kopf, aber auch er zog seine Hose aus und hielt sie Terry hin. »Also gut, dann tauschen wir eben. Du hast aber keine Vorlesung, oder?«

»Keine Wichtige. Ich gehe sofort ins Wohnheim, ziehe mich um und wasche deine Jeans. Deine Zimmernummer? Damit wir zurücktauschen können?«

»214.«

»Echt? Meine ist 215. Das ist ja ein Wahnsinnszufall. Hier. Ich hoffe, sie passt.«

 

***

 

Die Hose war nicht das Einzige, was passte. Nach diesem Tag wurden Mick und Terry unzertrennlich. Sie hatten kaum Vorlesungen zusammen, aber jede Pause verbrachten sie gemeinsam auf dem Campus oder in einem ihrer Zimmer.

Mick war überglücklich, einen so guten Freund gefunden zu haben. Nach dem Desaster mit Toby wollte er keine neue Beziehung und eine einfache Freundschaft kam ihm da gerade recht. Er war sich auch nicht sicher, ob Terry überhaupt interessiert wäre. Er redete kaum über etwas anderes als das Studium, seine Familie oder darüber, was es zu essen gab. Nie erwähnte er einen Freund oder eine Freundin und er schien auch nur wenig Interesse daran zu haben, sich mit anderen Studenten anzufreunden. Dabei war er unheimlich beliebt.

Bereits nach den ersten Tagen konnte er kaum zwei Schritte gehen, ohne von jemandem gegrüßt zu werden. Diese Beliebtheit war auf Terrys Aussehen zurückzuführen, denn er wirkte einfach nur nett. Er strahlte jeden an, den er traf, und machte dabei keinen Unterschied, ob es nun der Dekan, ein anderer Student oder ein Obdachloser war, der in der Fußgängerzone Geld sammelte. Terry war dieser nette Typ von nebenan, den man mögen musste.

Als Mick ihn darauf ansprach, schien Terry wenig glücklich darüber zu sein. »So komme ich rüber, was? Das kann aber auch ganz schön nervig sein.«

»Warum? Ist es nicht toll, wenn jeder dich mag? Ich wünschte, ich hätte deine Probleme. Ich sage ständig Sachen, die andere wütend machen, obwohl ich das gar nicht will. Mich mag deswegen kaum einer richtig.«

»Ist nicht wahr. Ich mag dich!«, sagte Terry mit einem strahlenden Lächeln. »Außerdem stellst du dir das zu einfach vor. Von mir wird immer erwartet, dass ich gut drauf bin, immer nett und fröhlich. Meistens bin ich das vielleicht, aber wenn ich dann mal einen schlechten Tag habe und mich anders verhalte, dann habe ich immer das Gefühl, ich würde jemanden enttäuschen.«

Daran hatte Mick noch gar nicht gedacht. Vielleicht war es immer schwierig, wenn die Leute ein gewisses Verhalten von einem erwarteten. Egal, ob es sich dabei um ein positives oder negatives handelte. »Ja, vielleicht hast du recht. Mir wäre es aber egal, wenn du deinen Frust an mir auslassen würdest. Du kannst mich ruhig anschreien, wenn du willst. Ich nehme dir das nicht übel.«

»Ich würde dich nie anschreien. Niemals.« Terry schüttelte den Kopf. »Ich mag dich so, wie du bist. Wenn du auch mal genervt bist, auf alles und jeden schimpfst. Mir ist das egal. Ich mag dich.«

Mick wollte etwas erwidern, aber was sagte man zu einem solchen Geständnis? Er sah ihn mit erhobenen Augenbrauen an, versuchte eine passende Antwort zu finden, doch nichts wollte ihm einfallen. Terry sprach oft aus, was er dachte und fühlte. Ein jedes Mal machte er Mick, der weniger offen war, damit sprachlos, doch diese Geständnisse schockten ihn weniger als das von Toby. Sie hatten die Grenze von Freundschaft zu Lover schließlich nie überschritten. Solange Terry ihn als Freund mochte, konnte er damit leben. Schließlich war er zu jedem nett. Er durfte nur nie die drei Worte aussprechen, die Mick so fürchtete.

»Hey, sollen wir morgen in die Stadt gehen?«, fragte Terry auf einmal. »Du wolltest dir doch eine neue Hose kaufen. Ich zahle auch die Hälfte.«

Mick nickte. Der Schlamm war zwar aus seiner Jeans komplett verschwunden, dafür hatte er aber einen Riss am Oberschenkel entdeckt. Terry meinte, er wäre wohl dafür verantwortlich und Mick war sich ziemlich sicher, dass er recht hatte. Seine Oberschenkel waren doch um einiges dicker als Micks und die Nähte hatten gefährlich geächzt über Terrys Muskeln.

»Okay. Ich brauche sowieso noch einige Sachen. Was ist eigentlich mit deinem Fahrrad?«

»Das musste ich wegschmeißen«, sagte Terry geknickt. »Das kommt davon, dass ich mal zur Abwechslung meinem Bruder vertraue. Er wollte die Bremsen reparieren und stattdessen verursacht er einen Vollschaden. Das hätte mich gar nicht überraschen dürfen. Frag mich nicht, wie er jemals Mechaniker geworden ist. Ein Auto würde ich ihm nie anvertrauen.«

 

***

 

Am folgenden Tag machten sie sich auf den Weg ins Einkaufszentrum. Abgesehen von einer neuen Hose brauchte Mick auch noch einige Sachen für das Studium, wie zum Beispiel etwas Papier, einen Ordner und neue Karteikarten, auf denen er sich die unzähligen Paragraphen notieren konnte, die er für seinen Kurs lernen musste.

In den brechend vollen Läden tummelten sich unzählige Studenten, die offenbar die gleiche Idee wie Mick und Terry hatten. Sie schnatterten in der breiten Einkaufsstraße über ihre Erlebnisse vom vorherigen Abend, lästerten über die strengen Professoren und streckten ihre müden Beine aus, während sie sich auf den Bänken ausruhten.

Die Schlangen an den Kassen waren so lang, dass es fast drei Stunden dauerte, bis Mick und Terry alles hatten. Sie waren bereits auf dem Weg zum Ausgang, als Mick noch etwas anderes einfiel. »Verdammt, ich wollte mir noch ein Buch besorgen. Kannst du kurz warten? Es dauert sicher nicht lange.«

»Ja klar, mach nur.«

Mick hetzte zurück zu den Geschäften und Terry ließ sich auf einer der Bänke vor dem Einkaufszentrum nieder. Im Gegensatz zu Mick hatte er sich nur ein neues T-Shirt und ein paar Sportschuhe gekauft. Er stellte seine Tüte auf der Bank ab, lehnte sich zurück und genoss die Frühjahrssonne, die auf sein Gesicht schien, bis ein Schatten sie verdeckte.

Als Terry die Augen öffnete, sah er einen jungen Mann vor sich stehen, den er vom Sehen her kannte. Es war einer der Studenten, die Mick ständig wütende Blicke zuwarfen. Er konnte ihn auf Anhieb nicht leiden. »Kann ich dir irgendwie helfen?«

»Du solltest es aufgeben. Er wird sich sowieso nicht in dich verlieben.«

Terry hörte die Worte, aber er verstand sie nicht. Hatte dieser Typ zu viel Sonne abbekommen? Ende Februar war das eher unwahrscheinlich. »Was soll das denn heißen? Wer wird sich nicht in mich verlieben?«, fragte Terry mit Ungeduld in seiner Stimme. Er war todmüde und hatte keine Lust, einem Verrückten zuzuhören. Insbesondere nicht jemandem, der Mick nicht leiden konnte.

»Du bist doch der Neue von Mick. Leugnen ist zwecklos. Ehrlich, Mann, gib es auf. Er wird dir nur das Herz brechen.«

Auf einmal machte etwas Klick in Terrys Kopf. »Moment mal. Du bist Micks Ex?« Ein Mann? Terry konnte nicht sagen, dass ihn diese Neuigkeit überraschte, aber er hatte auch noch nie über Micks Vorlieben nachgedacht. Warum sollte er auch?

»Wenn man das, was wir hatten, eine Beziehung nennen kann, dann ja. Ich wollte dich nur warnen, bevor es dir so ergeht wie mir.« Der junge Mann sah etwas hinter Terry und drehte sich schnell um. »Du solltest dir meine Worte lieber zu Herzen nehmen.«

»Was wollte der denn von dir?«, ertönte Micks besorgte Stimme, der um die Bank herumgekommen war und ihn nun mit zusammengezogenen Augenbrauen ansah. Sein »Ex« war längst in der Ferne verschwunden.

»Ich glaube, wir müssen mal über deinen zweifelhaften Männergeschmack reden.«

Micks Mund klappte auf, aber er schien nicht zu wissen, was er dazu sagen konnte. Stattdessen nickte er. »Ich wollte nicht, dass du es so erfährst. Sollen wir woanders hingehen? Hier sind mir zu viele Leute.«

Sie setzten sich in einen nahegelegenen Park, wo lediglich einige Kinder in der Ferne auf dem Spielplatz spielten und sie sicher sein konnten, nicht belauscht zu werden.

Mick sah zunächst nur wortlos den Kindern beim Spielen zu und Terry ließ ihm die Zeit. Er wusste schließlich nicht, wie schwer es Mick fiel, über diese Dinge zu sprechen, und was genau in der Vergangenheit vorgefallen war. Trotz allem konnte er jedoch auch einen Stich in seinem Herzen spüren. Hatte Mick ihm nicht genug vertraut, um alles von vorneherein zu erzählen? So sehr er auch eine Antwort auf diese Frage haben wollte, Terry wartete, bis Mick endlich zu sprechen begann.

»Dann weißt du es jetzt also. Ich wollte das nicht vor dir geheimhalten, aber ... Ich dachte nicht, dass es wichtig sein würde.«

»Ist es ja auch eigentlich nicht«, sagte Terry und scharrte mit den Füßen stark genug auf der Erde, dass eine kleine Furche entstand. Auf einmal war er nervös. Was, wenn er etwas Falsches sagte? Er wollte Mick nicht verletzen oder ihre Freundschaft gefährden. »Ehrlich gesagt, überrascht es mich nicht. Es erklärt sogar einiges.«

»Sag bloß, man sieht es mir an«, sagte Mick scherzhaft, aber Unsicherheit lag nun auch in seiner Stimme. Die Anspannung zwischen ihnen war nun so deutlich zu spüren, dass Terry meinte, sie mit einer Schere zerschneiden zu können.

»Das nicht, aber du bist mir ständig ausgewichen, wenn ich dich angefasst habe. Zum Beispiel, wenn ich meine Hand auf deine Schulter legen wollte und so. War es deswegen? Hast du gedacht, es könnte etwas bedeuten?«

»Nein, aber ich ... Das klingt jetzt bestimmt blöd, aber ich wollte kein Risiko eingehen. Mit Toby hat es damals auch so angefangen. Zuerst waren wir nur Freunde, dann haben wir uns gegenseitig angefasst und es wurde immer mehr daraus. Zu viel. Ich will das im Moment nicht und deshalb bin ich wahrscheinlich vor dir zurückgeschreckt. Du musst dir darüber aber keine Gedanken machen. Es ist nicht so, als würde ich irgendwann über dich herfallen. Ich will nur mit dir befreundet sein, das ist alles.«

»Ich mache mir gar keine Sorgen. Was mich betrifft, ändert das überhaupt nichts. Ich finde es nur etwas schade, dass du mir nicht früher davon erzählt hast.« Terry nahm einen tiefen Atemzug. »Außerdem muss ich dir auch etwas gestehen. Ich bin auch etwas ... anders.« Wie auch sonst in heiklen Situationen, sprudelten die Worte einfach so aus seinem Mund heraus. Schon als Kind konnte er kaum für sich behalten, was er dachte. Und doch, obwohl die Worte so einfach seinen Mund verließen, war Terry selten so nervös gewesen. Was er Mick gestehen wollte, hatte er bisher noch nie jemandem anvertraut. Es war sein gut gehütetes Geheimnis, für das er sich schämte. Ihm konnte er es jedoch sagen. Er vertraute Mick vollkommen.

»Du bist anders? Was meinst du denn damit?«, fragte Mick.

»Ich ... ich habe solche Gefühle überhaupt nicht. Weder für Männer noch für Frauen. Ich habe einfach nicht diesen Trieb.«

»So gar nicht?«, fragte Mick verblüfft. »Aber du holst dir doch bestimmt ab und zu einen runter, oder?«

Wenn sein Gefühl Terry nicht täuschte, war sein Gesicht nun knallrot. Mit einer so direkten Frage hatte er nicht gerechnet. »Ab und zu versuche ich es, ja. Es geht auch. Ich bin nicht impotent, aber wenn ich nackte Haut sehe, egal ob Mann oder Frau, dann werde ich nicht scharf. Da ist einfach nichts.«

»Dann hast du noch nie mit jemandem geschlafen? Du bist noch Jungfrau?«

Nun konnte Terry ihn nicht einmal mehr ansehen. Es war ihm immer peinlich gewesen. Jeder um ihn herum redete ständig von Sex und Beziehungen, während er kaum das Verlangen hatte, mit jemandem zu schlafen. »Ich bin komisch, oder?«

»Ganz normal ist das nicht, aber was ist schon normal?«

Terry vergrub sein Gesicht in den Händen. »Ich habe noch nie jemanden geküsst. Kannst du dir das vorstellen? 22 Jahre und ich hab nicht einmal das hinbekommen. Aber es war eben nie da, dieses Gefühl. Ich wollte es nie. Vielleicht will ich es auch jetzt nicht.«

»Das ist doch in Ordnung. Es sind ja nicht alle gleich. Außerdem bist du damit bestimmt nicht allein. Und sieh mich mal an! Ich bin schwul und absolut beziehungsunfähig. Mir kann kein Mensch sagen, dass er mich liebt, ohne dass ich die Beine in die Hand nehme und so weit weglaufe, wie ich nur kann.«

»Ist das der Grund, warum dein Ex so sauer auf dich ist?«

»Ja. Er hat mir gesagt, dass er sich in mich verliebt hat, und ich bin vor ihm davongelaufen. Als das mit uns angefangen hat, da waren wir uns einig. Es sollte nur um Sex gehen. Aber er wollte plötzlich mehr. Ich dachte eigentlich, Toby würde so langsam mal darüber hinwegkommen, aber er scheint immer noch wütend zu sein. Wahrscheinlich hätte ich etwas verständnisvoller sein müssen.« Mick zuckte mit den Achseln. »Dafür ist es jetzt eh zu spät.«

»Das ist nicht deine Schuld. Ich mag den Kerl nicht. Er schaut dich immer an, als wärst du der Teufel in Person.«

»Ein Engel bin ich aber auch nicht. Das alles ist mir inzwischen sowieso egal. Warum sollte es mich noch interessieren, was er denkt? Oder die anderen?« Mick schmunzelte. »Ich bin wirklich froh, dass ich mit dir darüber reden kann. Das gibt mir das Gefühl, dass ich sonst niemanden brauche.«

Terry wusste nicht recht, was er darauf erwidern sollte. Eine solche Ehrlichkeit hatte er von Mick nicht erwartet. Er wirkte sonst immer sehr verschlossen. Fast so als hätte er Angst, mit einem falschen Wort, alles zwischen ihnen zu zerstören. Wenn sein Geständnis diese Änderung mit sich brachte, dann war er froh, ihm davon erzählt zu haben. »Wir sind schon ein komisches Paar«, sagte Terry schließlich.

»Das kannst du laut sagen. Aber vielleicht verstehen wir uns deshalb so gut.«

 

***

 

Nach diesem Gespräch dachte Mick zunächst, sie könnten nicht so weitermachen wie bisher, doch seine Sorgen waren unbegründet. Terrys Beichte half Mick sogar, mit ihm umzugehen. Bei jedem anderen hätte er aufpassen müssen, wie er sich ihm gegenüber verhielt, doch da Terry kein Interesse an Sex zu haben schien, fiel es Mick leicht, sich in seiner Gegenwart zu entspannen. Er war mehr er selbst, wich nicht mehr vor Terry zurück und redete mit ihm sogar über Toby.

»Ich glaube, bei ihm war es zuerst nur Neugier«, sagte Mick und dachte an ihr erstes Mal zusammen. »Vor mir hatte er nur Freundinnen gehabt. Deswegen war ich mir so sicher, dass er sich nicht in mich verlieben würde.«

Wie so oft in letzter Zeit, saßen sie in Micks Zimmer. Terry hatte es sich auf dem Bett bequem gemacht, wo er zuvor eines von Micks Comicbüchern gelesen hatte. Nun stützte er sich mit den Ellenbogen ab, um Mick anzuschauen. »Du machst dir zu viele Gedanken darüber. Natürlich kann er nichts dafür, dass er Gefühle für dich entwickelt hat, aber du hast ihm doch klargemacht, dass er nur ein Freund für dich sein kann. Es ist unfair von ihm, dir das vorzuhalten.«

»Ja, vielleicht. Ich werde nur das Gefühl nicht los, dass ich ihm falsche Hoffnungen gemacht habe. Dabei kannte er meine Geschichte und wusste, wie ich ticke.«

»Was ist denn genau passiert?« Terry konnte offenbar die Neugier nicht aus seiner Stimme halten. Bisher hatte Mick immer einen Weg gefunden, diese Frage zu umgehen, doch er bekam so langsam das Gefühl, Terry würde dieses Mal nicht klein beigeben.

»Ich habe viele schlechte Erfahrungen gemacht. Mein Liebesleben war nie besonders toll. Am schlimmsten war es aber, als mir ein Ex seine Liebe gestanden hat und ich ihn einen Tag später im Bett mit einem anderen erwischt habe. Danach hatte ich die Nase voll von Beziehungen. Das wusste Toby eigentlich, aber dann hat er sich doch in mich verliebt. Als er mir das gesagt hat, bin ich ausgerastet. Es hat mich an damals erinnert. Ich war so unheimlich verletzt. So möchte ich mich nie wieder fühlen.«

»Und deshalb willst du gar keine Beziehung mehr?«

Mick schüttelte den Kopf. »Erst mal nicht. Vielleicht komme ich irgendwann darüber hinweg, aber die Wunden sind noch zu frisch. Ich könnte niemandem richtig vertrauen.«

»Mir kannst du vertrauen«, sagte Terry mit einer beeindruckenden Bestimmtheit, die Mick zum Lachen brachte.

»Bietest du dich jetzt doch an? Das wäre eigentlich schade, denn ich bin ganz froh darüber, wie es im Moment zwischen uns ist. Es ist befreiend, so mit dir reden zu können. Ohne diese Erwartungen, die ein Partner hätte. Wie ist es mit dir? Sex willst du ja nicht. Wie sieht es denn mit Liebe aus? Kannst du dich überhaupt verlieben?«

Terry schien länger darüber nachzudenken, als jemand für eine solche Frage normalerweise brauchen würde. »Ich war noch nie richtig verliebt. Klar, es gab einige Menschen, die ich mehr gemocht habe als andere, aber woher soll ich wissen, ob das wirklich Liebe war?«

»Das muss schwierig sein. Ohne jemanden anziehend zu finden, meine ich. Und wenn du dir Pornos ansiehst? Wirst du hart?« Mick musste grinsen, als Terry rot anlief. Das passierte ihm häufig, wenn Mick über Sex sprach. Er war wirklich noch unschuldig.

»Schon. Ich glaube, es ist eher der Akt, auf den mein Körper reagiert. Nicht die Schauspieler.«

»Wenn ich dir also einen runterhole, dann wirst du hart?« Als Terry daraufhin so heftig zurückwich, dass er fast mit Micks Schreibtischstuhl umfiel, lachte Mick. »Keine Angst. Ich frage nur aus Neugier. Von sowas hab ich noch nie gehört. Bist du dann asexuell?«

»Keine Ahnung, wie man das nennt. Vielleicht bin ich auch nur ein Spätzünder oder ich muss nur die richtige Person treffen. Bevor ich zur Uni gegangen bin, hatte ich jede Menge Hobbys und war im Fußballverein. Dadurch war ich immer beschäftigt und habe kaum über so etwas nachgedacht. Höchstens mal, wenn mich meine Freunde damit aufgezogen haben.«

»Mir ging es früher nicht anders.« Mick konnte sich noch genau daran erinnern, wie er in der Schule mit der Frage genervt worden war, wann er denn endlich eine Freundin hätte. Damals war er nicht mutig genug gewesen, sich zu outen. Die High School war schließlich ein grausamer Ort für jeden, der anders war. Terry musste das ebenfalls zu spüren bekommen haben. In der Uni ging es lockerer zu, aber auch hier gab es Leute wie Joleen, die Mick Angst machten, sich zu offenbaren. »Wenn du anders bist, spürst du das jeden Tag. Es gibt nur wenige, die das verstehen. Du hast es nie jemandem gesagt?«

»Nicht direkt. Wenn die Frage kam, meinte ich nur, es würde mich nicht interessieren. Sie haben mich mit der Fragerei aber ganz schön unter Druck gesetzt. Ich habe alles versucht, um wie sie zu sein, aber ich konnte einfach nicht. Niemand hätte das verstanden.«

»Ich bin das ewige Versteckspiel leid«, gab Mick zu. »Meine Eltern wissen es, aber hier habe ich mich noch nicht getraut.«

»Musst du ja auch nicht, wenn du nicht willst. Das geht schließlich niemanden etwas an.«

»Schon, aber es tut gut, so mit dir reden zu können. So offen wäre ich auch gerne mit anderen Menschen.«

»Vielleicht sollten wir das dann als den ersten Schritt ansehen. Erst sind wir ehrlich zueinander und vielleicht haben wir dann auch irgendwann den Mut, es jemand anderem zu sagen.«

Mick nickte und sprach weiter darüber, was ihm so alles in der Schule passiert war. Terry hörte meistens zu, stellte einige Fragen und redete dann über seine eigenen Erfahrungen. Als sie sich Stunden später verabschiedeten, hatte Mick das Gefühl, seinem Freund ein ganzes Stück näher gekommen zu sein.

 

***

 

In den nächsten Wochen verbrachten Terry und Mick jede freie Minute miteinander. Terry genoss diese Zeit besonders, denn Mick war die einzige Person, mit der er jemals über seine Probleme reden konnte.

»Das Gemeinste daran ist, dass ich mich verlieben will, aber ich weiß nicht einmal, ob das für mich möglich ist. Alle reden immer davon, wie toll es doch ist, jemanden zu haben. Ich will das auch, aber so ganz ohne Sex? Kann das funktionieren?«

»Da fragst du den falschen. Ich könnte nicht ohne Sex leben. Die letzten Wochen waren schon schlimm genug. Meine rechte Hand ist bald voller Blasen.« Mick fuchtelte mit dem entsprechenden Körperteil vor Terrys Nase herum, bis dieser die Hand lachend wegschlug.

»Das war eine ernst gemeinte Frage.«

»Schon klar. Ehrlich, Mann, ich glaube, wenn du dich verliebst, wird das kein Problem sein. Du bist ja nicht impotent. Das kommt bestimmt alles noch.«

»Aber wann?« Terry legte sich auf Micks Bett und starrte zur Decke. Er wollte nicht mehr warten. Was, wenn er nie jemanden fand, in den er sich verlieben konnte? Sollte er sein Leben lang alleine bleiben?

Mick rutschte mit dem Schreibtischstuhl näher an das Bett, legte die Arme auf die Matratze und bettete seinen Kopf darauf. »Du machst dir zu viele Sorgen. Nur weil andere ficken wie die Karnickel, musst du doch nicht genauso sein. Deine Zeit kommt.« Mick hielt einen Moment inne und fügte dann hinzu: »Die Zeit kommt, wenn du kommst. Bestimmt.«

»Du bist echt bescheuert. Aber wenn du das so sagst, glaube ich dir das sogar.« Terry lachte, bis sein Blick zu Mick huschte. Er lächelte ihn über seine Arme hinweg an und besaß dabei so ein gewisses Funkeln in den Augen. Auf einmal schlug Terrys Herz um einiges schneller. Er schluckte und drehte sich zu ihm um, damit er weiterhin in Micks Augen sehen konnte. »Was ist mit dir? Möchtest du etwas Neues anfangen, um deiner Hand eine Pause zu gönnen?«

»Ich bin im Moment ganz glücklich, so wie es ist. Erspart mir einige Probleme.«

»Verstehe ...«

Terry ahnte, was sein plötzliches Herzklopfen zu bedeuten hatte, doch er entschied sich, es zu ignorieren. Warum sollte er auch schlafende Hunde wecken, wenn es doch zu nichts führen würde?

 

***

 

Terrys Plan ging nicht auf. Je länger er mit Mick zusammen war, desto häufiger bekam er Herzrasen und musste sich so schließlich fragen, ob er tatsächlich mehr für seinen Freund empfand. Einerseits wäre das toll für ihn – schließlich hatte er sich immer gewünscht, sich zu verlieben –, aber andererseits wollte Mick keine Beziehung mit ihm haben.

So versuchte Terry weiterhin, diese Veränderungen nicht zu beachten. Aber so viel Mühe er sich auch gab, die Gefühle wurden immer stärker und eines Abends geschah etwas, das er nicht mehr ignorieren konnte.

Er hatte einen alten Horrorstreifen ausgeliehen, den sie sich in Micks Zimmer ansehen wollten. Es war mitten in der Nacht, sie hatten die Vorhänge zugezogen und sich auf Micks Bett gesetzt, von wo sie seinen Laptop aus sehen konnten.

An einer besonders blutigen Stelle griff Mick nach Terrys Arm und drückte sein Gesicht gegen dessen Schulter. »Scheiße! Sag mir, wenn es vorbei ist, ja? Ich hätte nicht auf dich hören sollen. Das ist ja widerlich!«

Grinsend sah Terry auf Micks dunkelbraunen Haarschopf hinunter. »Dabei hast du noch so große Töne gespuckt. Ich dachte, alte Horrorfilme können nicht gruselig sein? Die bekommen die Effekte nicht richtig hin?«

»Ist ja schon gut. Dann hattest du eben recht. Kann ich jetzt wieder hinschauen?«

Terry blickte zum Laptop, wo der Blondine soeben ein Arm abgesägt wurde. Er wägte seine Optionen ab und sagte schließlich: »Klar.«

Sobald Mick einen Blick riskierte, schrie er auf und stürzte sich auf Terry, der nach hinten kippte. Zwei Hände krallten sich in Terrys Pullover, Micks Gesicht war in Terrys Brust vergraben und ein Flüstern sagte: »Arschloch. Ich vertraue dir nie wieder.«

Terry wurde furchtbar warm unter Mick. Teilweise mochte Micks Körpertemperatur daran schuld sein, aber er saß auch auf Terrys Schoß, was einen Teil von ihm besonders begeisterte. Der Geruch von Micks Haaren kitzelte Terrys Nase und löste etwas in ihm aus, das er so noch nie erlebt hatte.

Mick sah auf einmal auf und blickte Terry verwundert an. Jede Angst schien plötzlich vergessen zu sein. »Du wirst ja hart.«

Am liebsten wäre Terry an Ort und Stelle im Boden versunken. »Tut mir leid. Körperliche Reaktion. Das hat nichts mit dir zu tun, sondern ist wegen dem Film. Adrenalin, Herzklopfen, dann plötzlich die Reibung durch dich. Mein Körper muss da irgendwie was verwechselt haben.« Er versuchte zu lächeln und betete, Mick würde ihm diese Lüge abkaufen. Zu seinem Glück nickte er.

»Klingt logisch. Dann ... dann gehe ich wohl besser mal von dir runter.« Umständlich kletterte Mick von Terrys Körper. Ein bedrückendes Schweigen trat ein. Der Film war vergessen.

»Willst du dich nicht darum kümmern?«, fragte Mick und zeigte auf die Beule in Terrys Hose, die offenbar nicht daran dachte, zu verschwinden.

»Das erledigt sich schon von selbst.«

»Ist das nicht unangenehm? Ich ... könnte dir auch dabei helfen.« Mick sah ihn nicht an, aber auch ohne seinen Gesichtsausdruck zu sehen, wusste Terry, dass ihm diese Frage bereits peinlich war.

»Du wolltest doch, dass wir nur Freunde bleiben.«

»Ja, nur ist es schon so ewig lange her und nun, wo ich dich so gesehen habe ... Es wäre ja nur die Hand«, sagte Mick schnell. »Nicht viel anders als zu masturbieren.«

Oh, Terry fielen eine Menge Unterschiede ein. Dinge, die er nun vor seinem inneren Auge sah. Er musste Mick antworten, aber sein Hals schien sich zusammenzuschnüren und kein Laut kam aus seiner Kehle. Das war alles zu viel! Er konnte noch nicht einmal diese neue Reaktion seines Körpers einordnen und jetzt schlug Mick auch noch etwas vor, das Terrys Fantasie in Hochtouren versetzte. »Mick, ich hab das noch nie gemacht. Dir würde es vielleicht nichts bedeuten, aber für mich ist das anders.«

»Du ... hast recht, ja. Tut mir leid. Das war wirklich eine bescheuerte Idee. Zwischen uns ist doch alles in Ordnung, oder? Es hat sich nichts geändert?« Mick hatte sich ihm wieder zugewendet und sah Terry so flehend an, dass dieser nur nicken konnte.

In den letzten Minuten hatte sich jedoch sehr viel zwischen ihnen geändert. Nun, da er wortwörtlich am eigenen Leib gespürt hatte, wie sehr er Mick mochte, konnte Terry seine Gefühle für ihn nicht mehr ignorieren. Er sah Mick mit völlig anderen Augen.

 

***

 

Während der nächsten Tage versuchte Terry, Mick aus dem Weg zu gehen. Er wollte verstehen, was genau er fühlte. Alles war noch so furchtbar verwirrend für ihn und je mehr Fragen er sich stellte, desto schlimmer wurde es. Reagierte er nur auf Mick oder fand er plötzlich Gefallen an Männern? War er schwul? Und wenn ja, warum war er dann ein so verdammter Spätzünder?

Nach einer stundenlangen Recherche im Internet lehnte sich Terry zurück und kam immerhin zu einem Schluss: Nackte Männer ließen ihn größtenteils kalt.

Dann lag es also doch an Mick? Hatte er sich in seinen besten Freund verliebt und sein Körper antwortete? Waren es diese Gefühle, die den Druck von damals genommen hatten?

Das käme einer Katastrophe gleich. Mick hielt nicht viel von Liebe. Wenn Terry es ihm sagen würde oder etwas tat, das ihn verriet, bedeutete dies das Ende ihrer Freundschaft und daran wollte Terry nicht einmal denken. Er mochte Mick wirklich sehr – etwas zu sehr – und er wollte ihn nicht verlieren.

Wie Terry da so auf seinem Bett saß und auf seinem Laptop ein nackter Mann lasziv ein Eis schleckte, wurde ihm schlagartig etwas bewusst. Er war wirklich in Mick verliebt. Zum ersten Mal in seinem Leben hatte er Gefühle, wie er sie sich immer gewünscht hatte. Nur leider wusste er nichts mit ihnen anzufangen. Was würde jemand anderes in dieser Situation tun? Mick zu gestehen, was er empfand, kam natürlich nicht in Frage, aber Terry wusste auch nicht, ob er einfach so weitermachen konnte.

Im Gegensatz zu ihm hatte Mick Erfahrung in diesen Dingen. Er war auch alles andere als blöd und würde bestimmt etwas merken. Davon abgesehen war Terry nicht der beste Schauspieler. Als seine Eltern einmal eine Überraschungsparty für seinen Bruder geplant hatten, verriet Terry sich innerhalb von Sekunden. Wenn er schon bei einer Kleinigkeit versagte, wie würde es erst bei einem so riesigen Geheimnis sein?

Es stand zu viel auf dem Spiel. Entweder er riss sich zusammen oder er würde Mick für immer verlieren. Unter diesen Umständen musste er es doch einfach schaffen ... oder nicht?

 

***

 

Offenbar nicht.

»Was ist heute eigentlich mit dir los? Du verhältst dich echt merkwürdig.« Mick sah Terry, der sich auf Micks Bettende zusammengekauerte, mit großen Augen an.

»Ich habe keine Ahnung, was du meinst.«

»Als ob. Du warst schon in den letzten Tagen so komisch. Erst gehst du mir aus dem Weg und jetzt scheinst du nicht näher als zwei Meter an mich herankommen zu wollen. Ist dir der Ständer vom letzten Mal so peinlich?«

Terry hätte beinahe erleichtert geseufzt, als Mick ihm diese wunderbare Entschuldigung geliefert hatte. Sein Kopf war so dermaßen leer, dass ihm keine bessere Ausrede einfiel. »Mir ist das eben zum ersten Mal passiert.«

»Aber das ist doch noch gar nichts. Du hättest mich in der Pubertät sehen sollen. Die kleinste Andeutung von Sex und mein Ding stand wie eine Eins. Wir hatten so’n süßen Typen in der achten Klasse. Damals musste ich mich regelmäßig auf die Toilette verziehen. Alle dachten, ich hätte Dünnpfiff oder so«, sagte Mick und verzog das Gesicht. »Ich habe die Schule gehasst.«

»Du hast dir ... auf der Toilette ...«, begann Terry und versuchte verzweifelt, die Bilder aus seinem Kopf zu bekommen.

Mick lachte. »Quatsch! Natürlich nicht. Ich brauchte nur immer einige Minuten für mich. Meistens war mir das so peinlich, dass sich die Sache innerhalb von kürzester Zeit von selbst erledigt hat. Und du hattest das nie?«

»Nein, ich hab nur von meinen Freunden mitbekommen, dass sie damit Probleme hatten.«

»Dann muss ich mich wohl geehrt fühlen. Vielleicht war es doch nicht wegen des Films, sondern ich habe etwas in dir geweckt.« Mick hatte dies zweifellos im Scherz gesagt, aber Terry rutschte unruhig auf dem Bett hin und her. Je länger er mit ihm in diesem Zimmer alleine war, desto heftiger konnte er sein Herz schlagen fühlen. Er bekam auf einmal das Verlangen, die Lücke zwischen ihnen zu verringern, wollte Mick berühren, ihn sogar küssen ... Diese Gedanken krachten so auf ihn ein, dass Terry unbeabsichtigt noch weiter von Mick wegrutschte und über die Bettkante auf den Boden fiel.

»Okay, jetzt reicht’s! Was zum Teufel ist mit dir los? Fühlst du dich plötzlich von mir angeekelt? Ist es das?« Mick starrte wütend auf ihn hinunter und Terry konnte es ihm nicht verübeln.

Was musste er nun von ihm denken? »Das ist es nicht. Wirklich! Ganz im Gegenteil. Ich ... ich ...« Er wollte ihm den wirklichen Grund verraten, aber die Worte kamen nicht über seine Lippen. Er hatte Angst. Was wenn Mick ihn fallen ließ?

Der schien jedoch seinen eigenen Gedanken nachzugehen. »Ganz im Gegenteil also. Wenn das so ist ...« Mick hockte sich auf einmal zu Terry auf den Boden, kroch auf ihn drauf und drückte seine Schultern flach auf die Dielen. Terry konnte ihn nur anstarren. Mick kam immer näher, er spürte seinen warmen Atem und schließlich – endlich! – berührten ihn Micks Lippen.

Vor lauter Überraschung und Schock konnte er nicht reagieren. Selbst wenn, Terry hätte keine Ahnung gehabt, was er tun sollte. Das war sein erster Kuss. Die Frage, wie dieses »Küssen« eigentlich ging und warum zum Teufel er sich in den 22 Jahren seines Lebens nicht wenigstens einmal darüber informiert hatte, schoss ihm durch den Kopf, doch da war es schon vorbei.

Mick trennte sich von ihm und sah ihn entschuldigend an. »Tut mir leid. Das war eine Kurzschlussreaktion. Ich war nur so wütend darüber, dass du vor mir zurückgewichen bist.« Als Terry nicht antwortete, runzelte Mick die Stirn. »Alles in Ordnung mit dir?«

»Wie is... ich«, begann Terry, doch er stolperte zunächst über seine Worte und räusperte sich. »Wie geht Küssen? Das gerade war mein Erster.«

Zunächst starrte Mick ihn nur an, doch dann begann er zu lachen. Auch Terry stimmte mit ein, als ihm bewusst wurde, wie absurd diese Situation eigentlich war.

»Du willst, dass ich es dir zeige?«, fragte Mick, sobald er sich etwas beruhigt hatte.

Obwohl Terrys Gesicht brannte, nickte er. »Ich bin wirklich nicht angeekelt von dir. Das könnte ich nie sein. Ich bin nur ...«

»Neugierig?«

»Schätze schon. Ich habe mich so viele Jahre gefragt, warum bloß alle so auf Sex fixiert sind. Jetzt, wo mein Körper plötzlich reagiert ...«

»Und du denkst, ich wäre der richtige Lehrer für dich?«

»Du bist der einzige, bei dem sich bei mir bisher etwas geregt hat. Wer sonst?« Terry war sich bewusst, was für ein Risiko er damit einging, aber er konnte nicht anders. Er wollte Mick so gerne berühren und dies schien die einzige Möglichkeit zu sein.

»Ohne Gefühle. Nur Sex?«, fragte Mick scharf und Terry nickte.

 

***

 

Als sie sich auf Micks Bett setzten, schoss Terry noch einmal durch den Kopf, wie riskant sein Vorhaben war, doch dann richtete er seinen Blick auf Micks Lippen.

»Du hast wirklich noch nie jemanden geküsst?«, fragte Mick voller Erstaunen.

Terry schüttelte den Kopf. Er wollte Mick fragen, ob das denn wirklich so ungewöhnlich war, da pressten sich schon wieder Micks Lippen auf seine. Terrys Augen weiteten sich, als diese Lippen auch noch anfingen, sich zu bewegen. Der leichte Druck sagte ihm, es Mick gleich zu tun, doch Terry konnte bereits fühlen, wie ihm die Luft ausging.

»Atme durch die Nase und denk nicht darüber nach, was du tust. Fühl einfach, was richtig ist und sich gut anfühlt«, flüsterte Mick ihm zu.

Terry nickte und versuchte es erneut. Micks Lippen waren weich und warm, aber er konnte winzige Stoppeln über seinem Mund fühlen. Terry dachte noch darüber nach, wie sie ihn kitzelten und sich das Küssen einer Frau sicher anders anfühlen würden, doch dann war sein Herzschlag zu stark, um dem Gedanken folgen zu können. Auf einmal wurde es ganz leicht, den Kopf abzuschalten und sich auf dieses Gefühl zu konzentrieren. Unbewusst fasste Terry in Micks Haar und zog seinen Kopf etwas näher zu sich.

Mick schien dies als eine Einladung zu betrachten, denn auf einmal schlüpfte seine Zunge in Terrys Mund. Diese neue Empfindung überraschte ihn so sehr, dass Terry aufstöhnte und zurückweichen wollte, doch auch Micks Hand hatte ihren Weg inzwischen zu seinem Kopf gefunden und hielt ihn an Ort und Stelle.

Terry konnte nicht mehr denken. Seine Zunge schmiegte sich an Micks und er fühlte auch an anderer Stelle eine Reaktion auf diese völlig neuen Erfahrungen. Er wollte nicht, dass es aufhörte. Sein Herz war dem Explodieren nahe. Niemals hätte er geglaubt, ein einfacher Kuss könnte so etwas in ihm auslösen. Terry drückte seine Zunge in Micks Mund, ließ seine Hand zu Micks Nacken hinuntergleiten und versuchte instinktiv, Mick auf das Bett zu pressen, doch der hielt ihn mit einer Hand auf seiner Brust auf.

»Hey, langsam! Ich dachte, du wolltest erst mal nur das Küssen lernen? Von Matratzengymnastik war noch nicht die Rede.«

»Wie ... was?«, fragte Terry verwirrt und blinzelte. Für einen Moment hatte er tatsächlich vergessen, wo sie waren. Er leckte seine Lippen, sah sich um und fühlte die Hitze in sein Gesicht steigen. Noch nie hatte er sich so gehen lassen.

»Ist schon gut. Ich will mir gar nicht vorstellen, wie du dich im Moment fühlst. Das muss eine völlig neue Welt sein.«

Eine Welt? Eher eine Galaxie! Terry hatte in den letzten Minuten das Gefühl bekommen, ein anderer Mensch geworden zu sein. Seine Lippen fühlten sich merkwürdig verlassen ohne diesen leichten Druck an, den Mick zuvor auf sie ausgeübt hatte. »Können wir weitermachen? Ich meine ... ich ...« Selbst in der Sahara wäre ihm nicht heißer gewesen. Er wollte nicht so verlangend klingen. Was musste Mick jetzt von ihm denken?

Sein Freund lachte jedoch nur und legte eine Hand auf Terrys Wange. Er ließ sie zu Terrys Hinterkopf gleiten und zog ihn zu sich, um abermals seine Lippen zu treffen.

Oh Gott, dieses Gefühl war zurück! War Terry das Atmen zuvor noch schwergefallen, meinte er nun, ohne Micks Lippen auf den seinen nie wieder genug Sauerstoff zu bekommen. Wenn es doch niemals enden würde ...

Mit diesem Gedanken drückte Terry Mick abermals in Richtung Matratze und diesmal ließ sein Freund es geschehen. Terry hörte nicht damit auf, Mick zu küssen, doch sobald er zur Hälfte auf ihm lag, begannen seine Hände ein Eigenleben zu entwickeln. Zunächst streichelte er nur Micks Wange, doch schnell wurde er mutiger und ließ seine Hände über den Rest von Micks Körper gleiten. Erst die Brust, noch unschuldig über seinen Pullover, bis zu der Hose, wo Terrys Finger Micks Schritt bloß streiften, aber diese flüchtige Berührung genug war, um zu bemerken, dass er Mick nicht kalt ließ.

»Wenn du nicht noch weiter gehen willst, sollten wir langsam aufhören«, flüsterte Mick ihm zu. Seine Pupillen waren leicht geweitet und sein Atem stockte beim Sprechen.

Terry wollte mehr davon sehen. Viel mehr. »Ich will nicht aufhören. Ich war noch nie in meinem Leben so nervös, aber ich will nicht, dass es endet. Niemals.«

»Sag so etwas noch mal und es endet, bevor es überhaupt richtig angefangen hat.«

Terry hätte ihm in diesem Moment genau das Gleiche sagen können. Bisher hatten sie nicht ein Kleidungsstück verloren, doch das spielte für Terrys Körper keine Rolle. Als er Mick berührte, als er sah, wie er dem anderen Mann die Luft zum Atmen nahm, nichts hätte ihn in diesem Moment mehr anmachen können. Nicht einmal die Berührung seines eigenen Körpers. Er sah in Micks Augen, wollte ihm ohne Worte vermitteln, was dieser Moment für ihn bedeutete.

»Halt! Das ist genug.«

Terry brauchte einen Moment, um den Sinn von Micks Worten zu verstehen. Wie konnte es genug sein? Es könnte niemals genug sein. »W-Was?«

»Wir sollten hier aufhören. Es reicht.« Mick stieß Terry auf einmal so stark gegen die Brust, dass er nach hinten fiel und mit dem Kopf gegen die Wand knallte. Für einen Moment sah er Sterne, aber nicht lange genug, um zu vergessen, was gerade passiert war. Mick hatte ihn zurückgewiesen.

»Was ist denn los? Es gefällt dir doch oder… oder nicht?« Terry war noch nie in seinem Leben so unsicher gewesen. Mick hatte eindeutig auf seine Berührungen reagiert! Hatte Terry etwas falsch gemacht? War er doch zu unerfahren?

»Es ist besser, wenn wir nicht weitergehen. Das Ganze war sowieso ein blöder Fehler. Ich habe mich hinreißen lassen, weil ... Scheiße, weil ich notgeil gewesen bin oder so. Das ist aber kein Grund, seinen besten Freund zu vögeln. Geh jetzt, bitte.« Mick stand auf und zog Terry zur Tür. Er öffnete sie, stieß Terry hinaus und knallte sie hinter ihm zu.

Terry konnte nichts anderes tun, als wortlos diese Tür anzustarren. Was hatte Mick für ein Problem?

 

***

 

Mick lief in den nächsten Tagen wie auf Eiern durch den Campus. Diesmal war er derjenige, der Terry aus dem Weg ging. Ein recht schwieriges Unterfangen, da dieser alles daran zu setzen schien, Mick irgendwo alleine zu erwischen.

Diese Hartnäckigkeit kam wenig überraschend. Terry musste nicht nur verwirrt von Micks Rausschmiss sein, sondern auch verletzt. Seine erste Erfahrung hätte nicht auf diese Weise enden sollen.

Er hatte jedoch keine andere Wahl gehabt. Es war eine Kurzschlussreaktion gewesen. Terry löste etwas in Mick aus, das er nicht fühlen wollte. Etwas, das ihm Angst machte.

Warum musste er es auch so weit kommen lassen? Er hatte doch am eigenen Leib erfahren, was passieren würde, wenn er sich zu diesen Gefühlen hinreißen ließ. Und doch war er im Begriff, es wieder zu tun.

Er war dabei, sich in Terry zu verlieben.

Es waren all diese Kleinigkeiten, die ihn um den Verstand brachten und ihn weiter und weiter über den schmalen Grat zwischen Freundschaft und Liebe drängten. Terrys Lächeln, dieses Zwinkern, das er ab und zu machte, wenn er einen Witz erzählte oder einfach die Zärtlichkeit, die in jeder seiner Berührungen lag.

Wie hätte Mick sich auch nicht in ihn verlieben können? Aber genau so hatte er sich bereits einmal gefühlt. Als Terry ihn angesehen hatte, als würde nur Mick in seiner Welt existieren, da war ihm alles wieder eingefallen. Die Liebe, die er damals empfunden hatte, ebenso wie die Enttäuschung, als er seinen Freund mit einem anderen erwischt hatte.

Abgesehen davon war es ohnehin keine gute Idee, gerade mit Terry etwas anzufangen. Im Gegensatz zu Mick war er noch vollkommen unschuldig. Er kannte nichts als das, was Mick ihm zeigte. Doch das konnte kaum der richtige Weg für ihn sein. Mick konnte nicht der Richtige sein. Nicht, wenn er bei dem kleinsten Anzeichen von wahren Gefühlen den Drang verspürte, so schnell wie möglich zu verschwinden. Terry hatte Besseres verdient.

Mit diesen Gedanken saß Mick in seinen Vorlesungen, ohne sich auch nur eine Sekunde auf den Unterrichtsstoff zu konzentrieren. Er musste sich Terry stellen und ihm erklären, was in ihm vorging. Er musste ihm sagen, warum er solche Angst vor diesen Gefühlen hatte.

Kaum war dieser Entschluss gefasst, stieß er am Ende der Vorlesung auch schon auf den besagten Mann, der mit verschränkten Armen vor der Tür des Saals auf ihn wartete.

»Wir müssen reden«, sagte er zu Mick und zog damit die Aufmerksamkeit einiger Studenten auf sich.

»Nicht hier.« Mick sichtete bereits Joleen, die in dem Meer von Köpfen die Ohren spitzte. »Lass uns auf mein Zimmer gehen.«

Die anderen Studenten sahen ihnen argwöhnisch nach, als sie das Gebäude verließen. Mick konnte es ihnen nicht verdenken. Terry sah aus, als würde er jeden Moment auf Mick einprügeln wollen.

Sobald sie in Micks Zimmer waren, setzte sich Terry auf das Bett. Mick nahm jedoch auf dem Schreibtischstuhl Platz. Er traute sich selbst nicht genug, um irgendwo in Terrys Nähe zu sitzen.

Als Mick nicht wusste, was er sagen sollte, schien Terry die Fäden in die Hand nehmen zu wollen. »Warum?«, fragte er schlicht.

Mick machte sich nicht die Mühe, Unwissen vorzutäuschen. Das würde ohnehin nicht funktionieren. »Du erinnerst dich doch daran, dass ich dir erzählt habe, wie unglücklich meine letzte richtige Beziehung aufgehört hat. Ich habe einfach Angst bekommen. Du hast mich angesehen, als wäre ich die wichtigste Person in deinem Leben.«

»Und was ist daran so schlimm? Du bist mir im Moment am wichtigsten!«

Mick schloss die Augen. Warum musste er auch so etwas sagen? »Aber genau davor habe ich Angst. Ich will nicht, dass mehr aus uns beiden wird. Ich will nicht wieder verletzt werden.«

»Glaubst du denn wirklich, ich würde dir so wehtun? Ich könnte dich niemals verletzen.«

»Ich glaube dir auch, dass du davon überzeugt bist, aber überleg doch mal! Du erlebst das gerade alles zum ersten Mal. Ich bin alles, was du kennst. Wenn jetzt jemand auftaucht, der ... der dir praktisch den Boden unter den Füßen wegzieht! Wenn du dich in denjenigen verliebst, dann ... dann würdest du mich sofort verlassen.«

Terry starrte ihn an, als wäre ihm soeben etwas klar geworden. »Du bist davon überzeugt, dass dich niemand lieben kann. Das ist es doch! Du hast diese eine schlechte Erfahrung gemacht und glaubst jetzt, dass es an dir liegt, aber jetzt hör mir mal genau zu. Der Kerl, der dich betrogen hat, war ein Arschloch. Er ist derjenige, mit dem etwas nicht stimmt, denn ... denn es kann gar nicht an dir liegen. Ich hätte mich doch nie in dich verliebt, wenn es anders wäre.« Terry legte die Hand auf seinen Mund, doch die Worte waren bereits heraus. Er sah zu Mick auf, der die Angst und Anspannung in seinen Augen sehen konnte.

Mick konnte es kaum glauben. Verliebt? Wirklich? Er hatte damit gerechnet, dass er Terry faszinierte, ihn neugierig machte, aber an Liebe hatte er dabei noch nicht gedacht. »Das meinst du doch nicht ernst. Bist du dir sicher?«

»Sonst hätte ich es kaum gesagt. Meine Erfahrungen gehen vielleicht gegen null, aber ich weiß, was Liebe ist.«

»Aber selbst, wenn es so wäre, dann muss das mit uns immer noch nicht funktionieren. Du weißt doch noch nicht einmal, ob du schwul, hetero, bi oder was auch immer bist! Ich will nicht, dass du plötzlich herausfindest, was für ein riesiger Fehler das war.«

Mit nur einem Blick in Terrys Gesicht wusste Mick, dass er zu weit gegangen war. »Du willst es einfach nicht verstehen.« Er packte Micks Schultern und schüttelte sie leicht, als könnte er es damit leichter für Mick machen, ihn zu verstehen. »Ich stehe wahnsinnig auf dich und brauche keinen Stempel, den ich mir aufdrücken kann. Für mich spielt das keine Rolle. Ich liebe dich und nicht dein Geschlecht oder was auch immer.«

»Du machst es dir ganz schön einfach.«

»Weil es so einfach ist! Du versuchst zwanghaft, Gründe dafür zu finden, warum es zwischen uns nicht funktionieren kann und siehst dabei nicht, dass es eigentlich keine gibt. Du hast nur Angst, uns eine Chance zu geben.«

Mick war sprachlos. Er versuchte tatsächlich, noch irgendwo einen Grund zu finden, warum sie nicht zusammen sein konnten, doch Terry hatte recht. Es gab eigentlich keinen. Er hatte nur unheimliche Angst, wieder enttäuscht zu werden. Es war so viel einfacher gewesen, als es nur um Sex gegangen war. »Du willst mich doch eigentlich gar nicht.«

Terry griff auf einmal nach Micks Kragen und zog ihn zu sich. Seine Küsse waren noch genauso unerfahren und tollpatschig wie zuvor, doch schaffte er es mit Leichtigkeit, Mick den Atem zu rauben. »Und ob ich dich will! Wenn es sein muss, werde ich dir das mit jedem Kuss, mit jeder Berührung zeigen. Solange, bis auch du es endlich begreifst.«

Mick starrte ihn an. Kein Funke eines Zweifels lag in Terrys Augen und obwohl sich in Mick immer noch alles dagegen sträubte, dieses Risiko einzugehen, begann er tatsächlich, ihm zu glauben. Terry erinnerte ihn ja nicht nur an die schlechten Gefühle. Auch die guten, die er damals empfunden hatte, brachte er wieder an die Oberfläche. Durch ihn erinnerte er sich an die Vorfreude, wenn er wusste, er würde seinen Freund bald wieder sehen können. An die Nervosität vor jeder Verabredung, das Kribbeln in seinem Bauch, wenn sie sich gegenseitig berührt hatten. Das alles war bisher durch den unglaublichen Schmerz überdeckt worden, doch nun bemerkte Mick, wie sehr er diese Gefühle vermisste. »Für jemanden, der wortwörtlich keine Ahnung von Tuten und Blasen hat, nimmst du den Mund ganz schön voll.«

Terry errötete wieder einmal. »Du kannst es mir ja zeigen. Alles. Hauptsache du läufst nicht wieder vor mir weg.«

Mick lächelte. Er konnte nicht weglaufen. Selbst dann nicht, wenn er es gewollt hätte. Terry sah mit seinem geröteten Gesicht, dem nervösen Blick und seinen zuckenden Mundwinkeln, die anscheinend nicht wussten, ob sie einen Grund zum Lächeln hatten, unwiderstehlich aus. In diesem Moment konnte Mick ihn nur küssen.

Er erreichte jedoch schnell den Punkt, an dem Lippen nicht genug waren. Bald ließ er auch seine Hände langsam über Terrys Brust gleiten. Seine Zunge drückte sich behutsam zwischen Terrys Lippen. Auch jetzt waren die Küsse seines Partners noch ungeschickt, doch Mick konnte Terrys Herzschlag unter der Handfläche spüren, die auf der Brust seines Partners lag.

»Du magst mich wirklich, was?« Mick lachte, als Terry stöhnte und anstatt zu antworten, wieder seine Lippen fand. Er schien in einer völlig anderen Welt zu sein.

Terrys Reaktionen auf seine Berührungen stellte Micks Zurückhaltung auf eine harte Probe. Jedem anderen hätte er längst die Hose vom Leib gerissen – oder es zumindest versucht –, doch Terry kannte nichts von dem, was Mick mit ihm anstellen wollte. Er wollte ihn nicht erschrecken, wollte ihn nicht bei seinem ersten Mal überfordern. Die Verantwortung war zu groß.

»Wir fangen langsam an, ja? Heute nur mit den Händen, morgen vielleicht mit dem Mund und dann ...« Mick ließ das Ende seines Satzes im Raum stehen.

Terry schien ohnehin kaum zu verstehen, was er ihm sagen wollte. Seine Pupillen waren geweitet, die von ihren Küssen leicht geschwollenen Lippen bildeten ein kleines »O« und er griff nach Micks Nacken, um ihn zu sich zurückzuziehen.

Mick schüttelte den Kopf, gab dann jedoch nach und küsste ihn ebenfalls. Die Situation allein schien Terry bereits zu überfordern, sodass kaum noch ein normaler Gedanke möglich war. Mick hatte jedoch das richtige Rezept dafür. Er öffnete Terrys Hose, befreite sein hartes Glied und begann ihn mit der Hand zu pumpen.

Terry verdrehte die Augen, seinem Mund entwich ein Stöhnen und er drückte sein Gesicht in Micks Hals. Mit seiner freien Hand öffnete Mick auch die eigene Hose und streichelte sie beide mit langsamen, kontrollierten Bewegungen.

»So ist es gut. Nur fühlen, nicht denken. So ist es gut«, flüsterte Mick in Terrys Ohr. Seine Worte besaßen nur wenig Sinn. Er wollte bloß, dass Terry seine Stimme hörte, wollte so eine noch tiefere Verbindung zwischen ihnen schaffen.

»Mick, ich ... ich ...« Terrys Stimme klang rau und er stolperte über seine Worte.

Mick rutschte näher an Terry heran, brachte ihre Glieder zusammen und pumpte sie nun mit einer Hand. Die plötzliche Hitze schien alles zu sein, was Terry noch brauchte. Er stöhnte in Micks Schulter und kam. Mick schlang einen Arm um Terrys Rücken und massierte nun nur noch seine eigene Erektion, bis auch er sich über seine Hand ergoss.

»Das war ... das war toll«, sagte Terry atemlos. »Können wir das noch einmal machen?«

»So oft du willst, wenn du mir nur eine kleine Pause gönnst. Wir sind ja nicht alle unerfahrene Jungfrauen, die bei der kleinsten Berührung explodieren«, sagte Mick lachend. Er konnte sich nicht erinnern, jemals glücklicher gewesen zu sein.

Terry versuchte offenbar, Mick böse anzusehen, doch er versagte auf ganzer Linie. Stattdessen umarmte er Mick und murmelte in dessen Ohr: »Du wirst diese Worte noch bereuen. Ich lerne schnell. Bald wirst du mich anflehen und ... und ... betteln.«

»Also an deinem Dirty Talk musst du auch noch arbeiten.« Mick nahm die Taschentücher von seinem Nachttisch und säuberte sie, so gut es ging.

Terry biss derweil die Zähne zusammen. »Mick, nicht so ... so feste.« Sein Gesicht war knallrot und noch während Mick ihn mit einem Tuch abwischte, zog ihn Terry wieder in seine Arme. »Noch mal, bitte!«

Micks Augen waren weit geöffnet, doch auch er wollte nichts lieber, als Terry erneut zu berühren. »Sieht aus, als würde unsere Beziehung so weitergehen, wie sie angefangen hat«, flüsterte er ihm zu. »Rasant und ungebremst.«

 

Ende

Impressum

 

Text ©Francisca Dwaine

 

Lisa Hagemann

Wicker Heck 17

44319 Dortmund

 

Kontakt:

francisca.dwaine@t-online.de

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Tag der Veröffentlichung: 07.03.2016

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