»Es ist nicht das, wonach es aussieht.«
Eine von Daniels Augenbrauen bewegte sich langsam nach oben. Hielt ihn dieser Typ für dumm? »Du stehst mit heruntergelassenen Hosen und einem Megaständer vor meinem Mitbewohner, dem du gerade fünfzig Euro in die Hand gedrückt hast. Es ist genau das, wonach es aussieht.« Daniel schüttelte den Kopf und sah zur Decke. »Übrigens wäre jetzt ein guter Zeitpunkt, die Hose wieder hochzuziehen.«
Mit hochrotem Gesicht bückte sich der Fremde und versuchte, sein Geschlecht wieder zu verpacken. Daniel wünschte sich, das Ding würde endlich kleiner werden. Der Mann offenbar auch.
Die einzige Person, die sichtlich Spaß an der Situation hatte, war Daniels Mitbewohner Andreas. Er hatte es sich auf der Couch gemütlich gemacht und grinste. »Sei doch nicht so hart zu ihm, Danny-Boy. Härte ist das Letzte, was er jetzt braucht«, sagte er glucksend.
Daniel versuchte nicht mit den Augen zu rollen, aber wie immer, wenn Andreas eines seiner dummen Wortspiele machte, verlor er gnadenlos die Kontrolle über seine Mimik. »Du bleibst mal ganz still. Wie oft habe ich dir gesagt, dass ich keine Freier in meiner Wohnung haben will?«
»Ach, so ist das doch gar nicht. Marek wollte mir nur etwas schenken. Ist doch so, oder?«
Marek nickte schnell und zog seine Jacke an. Andreas gab ihm einen Klaps auf den Hintern, als er an der Couch vorbeilief und mit einem geflüsterten Abschied aus der Wohnung rannte.
Daniel sah ihm nach. »Schüchterner Bursche im Vergleich zu denen, die du normalerweise abschleppst.«
»Bursche?« Andreas streckte sein Bein aus und strich mit den Zehen über Daniels Oberschenkel. »Warum redest du eigentlich immer, als wenn du zwanzig Jahre älter wärst, wenn du deine Uniform trägst?« Als sein Fuß beinahe Daniels Schritt erreichte, stieß Daniel ihn weg.
»Ich versuche einen kompetenten Eindruck zu machen. Und das ist nicht leicht, wenn der eigene Mitbewohner illegale Prostitution in meiner Wohnung betreibt.«
»In unserer Wohnung und wie gesagt, es war keine Prostitution. Zumindest nicht richtig. Marek hat mich dafür bezahlt, dass er mir einen blasen darf. Krass, oder?«
So langsam fragte sich Daniel, ob er von jedem für blöd gehalten wurde. »Er stand mit heruntergelassenen Hosen vor dir. Wie passt das bitte schön zusammen?«
»Er holt sich dabei immer einen runter. Das macht ihn total an. Und er ist nicht der einzige.« Auf einmal stieß Andreas seinen Fuß durch Daniels Beine und bewegte ihn nach oben, bis er gegen Daniels Schritt rieb.
Daniels Augenlider flatterten. Er stöhnte und legte eine Hand auf Andreas' Bein, konnte sich jedoch nicht dazu bringen, ihn erneut wegzustoßen. »Scheiße ... Lass das! Ich muss zur Arbeit.«
»Das hat dich bisher noch nie von einer schnellen Nummer abgehalten.« Andreas' Zunge lag zwischen seinen Lippen. Frech grinste er Daniel an und bewegte seinen Fuß immer schneller gegen dessen Härte.
»Wirklich, Andreas, ich muss ...« Daniel stürzte auf einmal nach vorne. Andreas hatte ihn mit seinem Fuß zu sich gezogen. Nun stand Daniel über ihn gebeugt und stützte sich mit beiden Händen von der Couch ab, um ihn nicht zu zerquetschen. »Lass die Spielchen«, sagte er atemlos.
»Du liebst es doch zu spielen, Herr Wachtmeister.« Andreas grinste und Daniel tat das Einzige, das dieses Grinsen fortwischen konnte. Er küsste ihn.
Sofort griff Andreas nach Daniels Kopf, hielt ihn an der Stelle und durchstieß Daniels Lippen mit seiner Zunge. Andreas' Bein lag immer noch zwischen Daniels und quälend langsam rieb er gegen dessen Beule. »Ich wusste doch, dass du mich willst«, flüsterte Andreas. »Du willst mich immer.«
Leider hatte er recht. Daniel war ihm vollkommen verfallen. Was auch immer Andreas von ihm wollte, er würde es ihm geben. »Lass dir schon mal eine gute Ausrede für deinen Chef einfallen. Ich lasse dich mit Sicherheit nicht gehen«, sagte Andreas und küsste ihn wieder.
***
Mit dem Gefühl, einen Marathon gelaufen zu haben, erschien Daniel etwa eine Stunde später auf der Wache. »Wie oft soll ich dir eigentlich noch den Arsch retten?«, zischte sein Partner Karl, sobald er ihn entdeckt und zur Seite gezogen hatte. »Ich habe Eichmann gesagt, du würdest einen potenziellen Taschendieb in der Stadt verfolgen und kommst deswegen zu spät. Er hätte mir das fast nicht abgekauft!«
»Danke, Mann. Ich war nur ...« Daniel suchte händeringend nach einer Erklärung, aber vor Karl konnte er ohnehin nichts verbergen.
»Du warst nur bis zu den Eiern in deinem Mitbewohner, ich weiß. Verdammt, wenn du wenigstens auf eine heiße Braut fliegen würdest ...«
»Würdest du bitte etwas leiser sprechen?«, zischte Daniel ihm zu. Auf dem Revier schien jeder beschäftigt zu sein, aber für Klatsch und Tratsch besaßen die Anwesenden ein Extrapaar Ohren. »Und das Thema hatten wir bereits. Ich verstehe ja selbst nicht, wie es dazu kommen konnte.«
»Du denkst mit deinem Schwanz, Alter. Ganz einfach. Wenn ihr wenigstens richtig zusammen wärt, aber dieser On-/Off-Mist ist doch dämlich.«
»Und was soll ich dann bitte tun?«, fragte Daniel. »Andreas will keine feste Beziehung.«
»Hat er dir das gesagt?«
»Nein, aber du solltest mal sehen, wie oft er Typen mit nach Hause bringt.«
Karl setzte sich an den freien Schreibtisch eines Kollegen und rieb sich nachdenklich das Kinn. »Weißt du, ich hatte mal so eine verrückte Schnalle. Wir waren sowas wie Fickfreunde und irgendwann hab ich sie ständig mit anderen Typen gesehen. Sie hat sie immer dorthin gebracht, wo ich auch war. Kannst du dir vorstellen, warum?«
»Weil du nur mit Verrückten ausgehst?«, fragte Daniel ungeduldig.
»Ja und Nein. Es hat sich herausgestellt, dass sie doch mehr von mir wollte und deshalb hat sie versucht, mich eifersüchtig zu machen. Das hat nur leider nicht funktioniert, weil ich nicht in sie verknallt war.« Karl schenkte ihm einen unmissverständlichen Blick.
»Willst du mir jetzt weiß machen, ich wäre eifersüchtig? Niemals!«
Karl stand auf, legte eine Hand auf Daniels Schulter und drückte sie. »Irgendwann trifft es jeden mal. Du musst es nur noch zugeben, Andreas deine Liebe gestehen und in Zukunft pünktlich zur Arbeit kommen, damit dein armer Partner nicht ständig für dich lügen muss.«
»Deshalb gibst du dir also so viel Mühe, uns zusammenzubringen.«
»Hast du jemals versucht, Eichmann zu belügen? Der hat Augen, mit denen er dich vollständig durchleuchten kann.« Karl schüttelte sich. »Wenn ich nicht so ein toller Typ wäre, hätte ich dich längst ins offene Messer laufen lassen.«
»Und deshalb bist du auch mein allerbester Freund«, sagte Daniel lächelnd. Er legte einen Arm um Karls Schulter. »Komm jetzt, wir sollten unsere Runde drehen. Vielleicht finde ich sogar noch einen Taschendieb, auf den ich meine Verspätung schieben kann ...«
***
Als Daniel am Abend zurück nach Hause kam, fand er Andreas auf der Couch vor. Er hielt einen Brief in den Händen, den er sich an die Nase hielt, um daran zu riechen.
»Ich weiß ja, dass dir Rechnungen stinken, aber so gut ist deine Nase bestimmt nicht«, sagte Daniel mit hochgezogener Augenbraue und hängte seine Jacke an die Garderobe.
Andreas rümpfte die Nase. »Das ist keine Rechnung, sondern ein Brief deiner Verehrerin. Das Ding stinkt, als hätte sie es in Parfüm getränkt. Ehrlich mal, kann sie keine E-Mail schreiben, wie das normale Leute tun?«
»Vielleicht findet sie es romantisch. Wer ist es denn? Sonja? Nadine?«, fragte Daniel. Er krempelte sich die Ärmel hoch und blieb vor Andreas stehen.
Ungläubig starrte sein Mitbewohner ihn an. »Stefanie. Wie viele Mädels hast du eigentlich?«
»Genau genommen gar keine. Das sind immer Frauen, die ich zusammen mit Karl in den Bars kennenlerne.« Daniel setzte sich neben Andreas und nahm ihm den Brief ab.
Augenblicklich schlang Andreas einen Arm um seine Mitte und legte den Kopf auf Daniels Schulter. »Du willst ihn lesen?«
Daniel warf ihm einen nachdenklichen Blick zu. War Andreas eifersüchtig? Er schien zumindest zu schmollen. »Ich sollte ihn wenigstens ansehen, wenn sie sich schon die Mühe gemacht hat. Erinnert mich an die Schulzeit.«
»Du hast bestimmt viele solcher Briefe bekommen ...«
»Es ging. Richtig beliebt bin ich erst ab der Oberstufe gewesen und da ging es schon direkter zu. Und was ist mit dir?«
Andreas schüttelte den Kopf. »Jeder wusste, dass ich schwul bin. Von den Mädchen hab ich nichts bekommen, und falls einer der Jungs auf mich stand, hat der sich nicht getraut.«
»Schade eigentlich. Das gehört doch zur Schulzeit dazu.«
»Nicht wirklich. Willst du nicht langsam den Brief öffnen?«
Daniel sah den Umschlag an, legte ihn dann jedoch auf den Couchtisch. Er drehte sich zu Andreas und küsste ihn langsam. Eine Wärme breitete sich in ihm aus, als sich seine Lippen auf Andreas' bewegten. Dieses Gefühl hatte er schon eine Weile gehabt, noch konnte sich Daniel jedoch nicht eingestehen, was es bedeutete.
Es dauerte Minuten, bis sie sich voneinander lösten. Andreas legte eine Hand auf Daniels Brust und sah ihn an. »Was sollte das denn? Normalerweise bin ich immer derjenige, der anfängt.«
»Mir war einfach danach. Kommst du mit unter die Dusche?« Daniel wartete nicht auf eine Antwort, sondern zog Andreas mit sich hoch und ging mit ihm in Richtung Badezimmer. Innerhalb weniger Sekunden fiel ihre Kleidung auf den Boden und der Dampf des heißen Wassers beschlug den Spiegel.
***
Die Nacht verbrachten sie in Daniels Bett. Normalerweise schliefen sie getrennt, doch dieses Mal hatte Daniel Andreas vorgeschlagen, bei ihm zu bleiben. Es war mehr eine instinktive Handlung als eine wohl überlegte Entscheidung gewesen. Genauso wie der Kuss oder die Einladung zur gemeinsamen Dusche.
Andreas legte den Kopf auf Daniels Brust. Sein feuchtes Haar kitzelte ihn. »Was ist nur los mit dir heute? Du scheuchst mich sonst immer aus deinem Zimmer.«
»Ich teste nur eine Theorie«, sagte Daniel und malte mit den Fingern Kreise auf Andreas' nacktem Rücken. »Karl hat da so etwas gesagt ...«
»Jetzt bin ich neugierig. Was denn?«
Daniel zog die Augenbrauen hoch und drückte Andreas' Kopf in seine Brust. Als Protest war von ihm nur noch ein gedämpftes »Hmm!« zu hören. Daniel lächelte. »Das sage ich dir erst, wenn ich weiß, ob er recht hat oder nicht.«
***
Am nächsten Tag verließ Andreas ausnahmsweise vor Daniel die Wohnung. Er hatte ein Vorstellungsgespräch ... oder zumindest behauptete er das. Daniel konnte es egal sein, was er tat, solange er sich nicht wieder mit diesem Marek traf und so sein Geld verdiente.
Als Daniel auf der Couch saß und seinen Kaffee trank, sah er den Liebesbrief auf dem Tisch liegen. Eigentlich hatte er überhaupt keine Lust, ihn zu lesen. Mit Stefanie hatte er gerade einmal eine Stunde in der Bar verbracht und selbst diese 60 Minuten gehörten nicht unbedingt zu den Highlights seines Lebens.
Er öffnete den Umschlag dennoch und begann den Brief zu lesen. Wie erwartet glich er denen, die er in seiner Schulzeit bekommen hatte. Die Hälfte des Papiers wurde genutzt, um ihm Komplimente zu machen. Der Rest des Briefes beschäftigte sich damit, wie gerne Stefanie doch mit ihm ausgehen würde. Darunter war noch ihre Telefonnummer gekritzelt.
Daniel schüttelte den Kopf und warf den Brief endlich in den Mülleimer. Er wollte gar nicht wissen, wie sie seine Adresse herausgefunden hatte. Von ihm garantiert nicht. Vermutlich hatte sie Karl gefragt. Der konnte dem Klimpern von unechten Wimpern noch nie widerstehen.
Während Daniel seinen Kaffee trank, musste er an seine Schulzeit zurückdenken. Seit der elften Klasse hatte er so einige Verehrerinnen gehabt. Von den anderen Jungs war er sogar beneidet worden. Daniel hatte es überwiegend als lästig empfunden, ständig so im Mittelpunkt zu stehen. Damals war es ihm wichtig gewesen, einen guten Abschluss zu machen, damit er sofort auf die Polizeischule gehen konnte. Für Mädchen hatte er sich kaum interessiert. Dennoch gab es einige Erinnerungen, die ihn zum Schmunzeln brachten. Zum Beispiel die Nervosität der Mädchen, wenn sie ihre Briefe überreichten.
Eigentlich ist es schade, dass es in Andreas' Erinnerungen keine ähnlichen Momente gibt, dachte Daniel noch, leerte anschließend seinen Kaffee und verließ die Wohnung.
***
»Kein Liebesbrief? Keiner? Wow«, sagte Karl zwei Stunden später, während sie von einer Ruhestörung zurück zur Wache fuhren. »Selbst ich hatte einen. Na gut, er war von der dicken Marie in der fünften Klasse, die mich immer durch die Gegend getragen hat, aber es war ein Liebesbrief.«
»Sie hat dich herumgetragen?« Daniel grinste so breit, dass es ihm schwerfiel, vernünftig auf die Straße zu achten.
»Oh, halt die Klappe! Sie hat das nur gemacht, damit ich nicht weglaufen kann. Ich frage mich, was aus ihr geworden ist ...« Karl schüttelte den Kopf. »Bestimmt sitzt sie irgendwo im Knast. Aber das ist jetzt auch nicht das Thema. Du musst Andreas einen Liebesbrief schreiben!«
Kurzzeitig fuhr Daniels Kopf herum, sodass ihr Auto schlingerte. »Verdammte Schei- ...!« Daniel riss das Lenkrad herum und brachte sie damit zurück auf ihre Fahrbahn. »Lass nicht so eine Bombe platzen, während ich am Steuer sitze!«
»Nicht meine Schuld, dass du deinen Führerschein in der Lotterie gewonnen hast. Was ist an der Idee denn so schlimm? Es ist romantisch, du hilfst Andreas, endlich diese Erfahrung zu machen und so kannst du ihm auch klarmachen, dass du eine Beziehung willst. Alles mit einem Streich.«
Daniel warf ihm einen flüchtigen Blick zu. »Mit dem winzigen Haken, dass ich mir immer noch nicht sicher bin, ob er eine Beziehung überhaupt will. Außerdem ist das bestimmt nichts für ihn. Er hatte noch nie etwas für Romantik übrig. Bei ihm gibt es immer nur rein, raus, abspritzen und einschlafen.«
Knall! Karl hatte die Stirn gegen das Armaturenbrett geschlagen. Wütend rieb er sich die gerötete Stelle. »Das nächste Mal bitte weniger grafisch. Ich muss mir noch mindestens fünfmal den Kopf anschlagen, um das zu vergessen.«
»Du bist zu empfindlich«, sagte Daniel achselzuckend. »Ich werde lieber gar nichts tun. Es ist doch gut so, wie es ist.«
»Wenn du das sagst ...«
***
Als Daniel am Abend nach Hause kam, lag das Wohnzimmer im Dunkeln. Er schaltete das Licht ein und rief nach Andreas, erhielt jedoch keine Antwort. Auf einer kleinen Tafel, wo sie normalerweise aufschrieben, was sie einkaufen mussten, fand er eine Nachricht von ihm: »Bin ausgegangen. Komme nicht vor morgen früh zurück.«
Ein sinkendes Gefühl entstand in Daniels Magen. Das bedeutete, Andreas traf jemanden und plante mit ihm ... Daniel schluckte hart und wendete die Augen von der Tafel ab. Eifersucht, wie er sie nie zuvor gespürt hatte, keimte in ihm auf. Rasend schnell wuchs sie zu einer riesigen Pflanze, die jedes andere Gefühl verdrängte.
Er trat in die Küche und füllte ein Glas mit kaltem Wasser. Mit einem Zug trank er es aus, stützte sich auf der Arbeitsplatte ab und schloss die Augen. Er war so ein verdammter Idiot. Warum bemerkte er erst jetzt, wie viel es ihm ausmachte, wenn Andreas mit anderen Männern zusammen war? Er musste etwas unternehmen! Sonst fand er noch jemand anderen und Daniel hätte seine Chance bei ihm endgültig verloren.
Daniel drehte sich um und ging ins Wohnzimmer zurück. Auf dem Couchtisch sah er einen Notizblock, auf dem er sich kürzlich eine Telefonnummer notiert hatte.
Einen Moment lang zögerte er, aber es war die einzige Möglichkeit, die ihm einfiel. Er konnte Andreas nicht einfach sagen, was er für ihn empfand. Einfache Worte waren niemals genug. Nein, er musste sich etwas einfallen lassen.
Daniel setzte sich auf die Couch, beugte sich über den Tisch und begann zu schreiben.
***
Als Andreas am nächsten Morgen nach Hause kam, saß Daniel immer noch dort. Er war umringt von zerknülltem Papier und sammelte dieses hastig zusammen, sobald er die Tür hörte. Erst vor einigen Minuten war er fertig geworden, hatte den Brief noch einmal durchgelesen und ihn schließlich in einen Umschlag getan.
Andreas sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an und ertappt hörte Daniel auf, die Papierknäuel unter dem Couchkissen zu verstecken. »Was ist denn mit dir los? Was soll der ganze Müll und warum trägst du deine Uniform? Ist heute nicht dein freier Tag?«
Daniel ringte nach Worten. Bereits jetzt lief nichts nach seinem Plan. Eigentlich wollte er Andreas mit einem Frühstück überraschen, sich bis dahin überlegen, was er sagen konnte und vielleicht sogar Blumen für ihn besorgen. »Du bist früh dran. Lief dein Date nicht gut?«
»Date? Es war nur eine Party. Ein alter Schulfreund hat seinen Geburtstag gefeiert und ich hab noch beim Aufräumen geholfen.« Andreas legte seine Jacke ab, zog sich die Schuhe aus und sah Daniel an. »Was ist denn mit dir los? Du siehst so nervös aus.«
»Nervös? Ich?« Daniel räusperte sich. »Ich hab nur ... etwas für dich vorbereitet. Oder ich wollte es vorbereiten. Eine Überraschung.«
»Ich liebe Überraschungen!«, sagte Andreas grinsend. »Was ist es denn?«
»Ich bin mir nicht sicher, ob sie dir gefallen wird.« Daniel stand auf, trat auf Andreas zu und drückte ihm zögernd den Brief in die Hand. »Ich wusste nicht, wie ich es sonst sagen kann.«
Stirnrunzelnd öffnete Andreas den Brief und begann zu lesen. Sein Gesichtsausdruck wandelte sich von einem Grinsen zu einem entsetzten Starren und wieder in ein Grinsen zurück. Mittlerweile konnte Daniel nur noch seinen eigenen Herzschlag hören.
Als er fertig war, faltete Andreas den Brief wieder zusammen und steckte ihn in den Umschlag zurück. »Das ist mit Abstand der kitschigste ...«
Daniels Magen drehte sich um.
»... peinlichste ...«
Hitze stieg in sein Gesicht.
»... und ... und liebste Brief, den ich je in meinem Leben bekommen habe«, sagte Andreas. »Meinst du das denn ernst? Du willst wirklich richtig mit mir zusammen sein?«
Erleichtert atmete Daniel auf. »Ja, das will ich. Ich weiß, dass es nicht leicht wird, aber wir schaffen das. Nur wenn du willst, natürlich«, sagte er hastig.
Andreas legte den Brief auf den Tisch, warf die Arme um Daniels Hals und küsste ihn. Dieses Mal war die Wärme, die Daniel bei dieser Berührung spürte, stärker als jemals zuvor.
»Ist das ein Ja?«, fragte er, nachdem sich ihre Lippen voneinander gelöst hatten.
Andreas lachte und schlug mit der flachen Hand gegen Daniels Schulter. »Das ist ein 'Auf jeden Fall!', du Schwachkopf. Natürlich will ich mit dir zusammen sein!«
Daniel lächelte. »Ich war mir nicht sicher, ob dir der Brief gefallen würde. Du hast nie Interesse an Romantik gezeigt.«
»Der Brief ist mir auch egal. Ob du es auf Papier schreibst, singst oder einfach nur sagst. Ich habe ewig darauf gewartet, diese Worte von dir zu hören. Auf welchem Weg spielt keine Rolle.«
»Dann hätte ich nichts falsch machen können? Und dir gefällt der Brief wirklich?«
»Na ja ...« Andreas klemmte seine Zunge zwischen die Zähne und grinste frech. »Das Gedicht war etwas übertrieben. Das nächste Mal reicht ein einfaches ’Willst du mit mir gehen? Ja, Nein oder vielleicht'. Aber egal, was du mich auch fragst, von mir bekommst du immer ein Ja.«
Ende
Texte: Francisca Dwaine
Bildmaterialien: Gadini @ Pixabay.com
Tag der Veröffentlichung: 30.05.2015
Alle Rechte vorbehalten
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