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Waikiki Beach Storys

 

Inhalt:

 

Sonne, Strand, Meer und ein verschwundener Koffer, das sind die Zutaten, aus denen zwölf Autoren elf Spin-offs zu ihren bekannten Charakteren gemixt haben. Mal spritzig, mal witzig, romantisch und erotisch, lassen sie Leser und Protagonisten einen unvergesslichen Urlaub im Waikiki Beach Resort erleben.

Für die jeweiligen Werke sind die einzelnen Autoren verantwortlich.

 

Alle Rechte vorbehalten.

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt und darf nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Autoren ganz oder in Auszügen vervielfältigt oder kommerziell genutzt werden.

Alle handelnden Personen wurden frei erfunden.

 

Cover © Francisca Dwaine

Unter Verwendung der Bilder von © Nemo - Pixabay.com und © PublicDomainPictures - Pixabay.com

 

 

Bianca Nias: Waikiki Beach Five - O

(Marc & Tajo, „Tajo@Bruns_LLC: Das Herz des Löwen“)

 

Vorwort

Marc und Tajo trafen erstmals in „Tajo@Bruns_LLC: Das Herz des Löwen“ aufeinander. Marc ist Computerexperte und erhielt den Auftrag, die Firmenzentrale der amerikanischen Sicherheitsfirma „Bruns LLC“, die sich im nordhessischen Reinhardswald niedergelassen hat, mit Hard- und Software auszustatten. Dabei verliebte er sich in den Firmenboss, Tajo Bruns (Alpha-Männchen, Marke: groß, ungeheuer attraktiv und unverschämt arrogant). Beide fühlten sich von Beginn an zueinander hingezogen. Doch erst, als Tajo in Gefahr gerät und Marcs Hilfe braucht, wird dem cleveren Informatiker offenbart, dass Tajo und seine Familie Gestaltwandler sind. Sie können zwischen ihrer menschlichen und einer tierischen Form wechseln. Tajo und seine Familie sind zu einem Teil auch Löwen und Marc wird in die fremdartige Welt der Gestaltwandler hineingezogen, die ihre eigenen Moralvorstellungen und Werte hat.

Die Kurzgeschichte „Waikiki Beach Five-O“ spielt zeitlich nach dem zweiten Teil der Buchreihe, „Jonathan@Bruns_LLC: Löwengebrüll“, der im November 2014 im Dead Soft Verlag erscheinen wird.

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„Das darf doch alles nicht wahr sein! Ein Hurrikan?“

 

Marc musste sich bremsen, um die arme Angestellte, die ihn noch immer angestrengt anlächelte, nicht frustriert anzuschreien.

Die junge Frau am Schalter der Fluglinie, die sie an ihr eigentliches Reiseziel, eine einsame und verträumte Insel bringen sollte, zuckte entschuldigend mit den Schultern und nickte gleichzeitig bestätigend mit dem Kopf. Eine höchst verwirrende Kombination, befand Marc. Bekamen das die Mitarbeiter von Fluglinien in ihrer Ausbildung beigebracht? „Es ist Hurrikan-Saison, Sir, da kann das vorkommen. Aber Ihr Reiseveranstalter hat bereits durchgegeben, dass er für Sie ein Zimmer in einem gleichwertigen Hotel am Waikiki Beach reserviert hat. Das wird Ihnen bestimmt gefallen!“

Irritiert sah Marc zu den großen Fenstern des Honolulu International Airport hinaus. Die bodentiefen Scheiben ermöglichten ihm einen Blick auf riesige Palmen, die sich leicht in einem sanften Wind wiegten. Die Sonne strahlte von einem wolkenlosen, babyblauen Himmel herab.

„Ja, mit John hat hier niemand gerechnet, aber er zieht zum Glück an Honolulu vorbei“, unterbrach die Angestellte seine nachdenkliche Betrachtung. Marc zuckte bei der Nennung des Namens unvermittelt zusammen.

„John?“, fragte er mit erstickter Stimme nach.

„Ja, Hurrikan John. Das ist sein Name“, wiederholte die Angestellte geduldig. Wahrscheinlich hielt sie ihn spätestens jetzt für ziemlich beschränkt.

Mit einem genervten Schnaufer zog Marc sich die Blumengirlande vom Hals, die ihm bei seiner Ankunft auf Hawaii von spärlich bekleideten Hula-Mädchen überreicht worden war, und warf sie in den nahestehenden Mülleimer. Er ignorierte die fragenden und abwertenden Blicke der anderen Reisenden, die hinter ihm bereits eine Schlange an dem Schalter gebildet hatten.

„Gibt´s Probleme?“, ertönte eine dunkle Stimme plötzlich neben ihm. Marc drehte sich zu seinem Partner um. „Wir können frühestens in drei Tagen weiterfliegen. Ein Hurrikan tobt nahe Maui, daher hat man uns auf Waikiki Beach umgebucht.“

Tajo zuckte gleichgültig mit den Schultern. „Macht doch nichts. Hauptsache ein Bett. Mehr brauche ich nicht.“ Er grinste anzüglich und griff mit einer Hand in Marcs Nacken, um ihn zu einem Kuss heranzuziehen. „Da macht es auch nichts, dass unsere Koffer weg sind. Ich wollte dich sowieso lieber die ganze Zeit nackt sehen“, raunte er ihm ins Ohr und platzierte einen Hauch von einem Kuss auf sein Kinn.

Marc stemmte augenblicklich seine Hände gegen Tajos breite Brust und drückte ihn von sich. „Unsere Koffer sind weg?“ Jetzt schrie er nun doch.

„Yepp. Irgendein Fehler von der automatischen Kofferabfertigung in Frankfurt. Was weiß ich. Ist doch egal. Sie werden sie uns noch irgendwie hinterher schicken. Sagte man mir jedenfalls.“ Tajo lächelte noch immer.

Marc starrte ihn ungläubig an. Hier folgte eine Katastrophe auf die andere, nichts klappte so, wie er es seit Wochen geplant hatte und sein Freund strahlte ihn mit einer Seelenruhe an, als wäre das alles nicht schlimm?

Ungehalten schnaubte er auf. „Wie kannst du bei alldem nur so ruhig bleiben?“, beschwerte er sich.

Tajo schmunzelte leise. „Warum nicht? Du bist bei mir, die Sonne scheint, wir haben ein Hotel und die restliche Familie ist weit, weit weg. Niemand stört uns. Warum sollte mir das nicht gefallen?“

„Deinen Sinn für Pragmatismus will ich haben“, murmelte Marc und schnappte sich sein Handgepäck. „Los komm, lass uns ein Taxi rufen. Nein, besser einen Limousinen-Service. Damit ich dem Reiseveranstalter wenigstens hinterher eine saftige Rechnung für diesen ganzen Mist präsentieren kann!“

 

***

 

Das gebuchte Hotel entpuppte sich als ein Hochhausklotz, der in direkter Strandnähe, dafür aber auch inmitten der belebten Uferpromenade des Waikiki Beach Resorts lag. Marc stieg aus dem Taxi und sah sich missmutig um. Diesem Massentourismus hatte er noch nie etwas abgewinnen können. Entlang des breiten Sandstrandes reihten sich hohe Hotelbunker dicht an dicht. Obwohl es erst gegen Mittag war, bevölkerten unzählige Touristen die Straße. Dickleibige Amerikaner, in schreiend bunte Hawaiihemden gekleidet, deren Füße vornehmlich in Sandalen und weißen Tennissocken steckten, prägten das Straßenbild. Tajo hatte bereits den Taxifahrer bezahlt und winkte einem Hotelboy zu, der ihr spärliches Handgepäck übernehmen sollte.

Marc seufzte innerlich auf, straffte sich dann aber und folgte Tajo zum Eingang des Hotels. Okay, es war ja nur für ein paar Tage. Mal sehen, vielleicht konnten sie einen Mietwagen organisieren und wenigstens die Insel erkunden, bis endlich der Flug zu ihrem eigentlichen Urlaubsziel starten konnte.

In der Hotelhalle angekommen, lehnte er sich erschöpft gegen den Tresen der Rezeption und sah Tajo zu, der die Anmeldeformulare in seiner großen, schwungvollen Handschrift ausfüllte und sie der Angestellten wieder zuschob. Diese reichte ihnen lächelnd zwei Schlüsselkarten. „Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Aufenthalt im Waikiki Beach Grand Hotel“, flötete sie. „Sie werden gleich zur Honeymoon-Suite hinaufbegleitet.“

Marc rollte mit den Augen. „Honeymoon-Suite?“, krächzte er entsetzt. Oh Mann, solchen Kitsch hatte er schon immer zutiefst verabscheut.

„Hey, Süßer, wo ist dein Sinn für Romantik geblieben?“ Tajo grinste ihm verschmitzt zu. Dann fiel sein Blick auf irgendetwas hinter Marc und seine Augen verengten sich. Überrascht über Tajos grimmige Miene, drehte Marc sich um. Seine Augen wanderten über die Menschenmenge in der Lobby, aber er konnte nichts Außergewöhnliches feststellen. „Was ist los?“, fragte er daher leise.

„Nichts“, antwortete Tajo schnell. Zu schnell, als dass Marc es ihm abkaufen würde. Er blickte sich daher erneut suchend um. In den Ruhesesseln der Lobby saßen einige ältere Männer und lasen Zeitung, manche Urlauber strömten nach draußen auf die Straße, andere hingegen suchten wohl zum Mittagessen das angeschlossene Hotelrestaurant auf. Eine einzelne Frau fiel ihm ins Auge, wahrscheinlich, weil sie mit ihrem feuerroten kurzen Haaren und ihrer schlanken, hochgewachsenen Gestalt wie ein Leuchtturm aus den übrigen Urlaubern herausragte. Die Frau trug lässig ein Surfboard unterm Arm und war gerade dabei, das Hotel zu verlassen, so dass Marc nur einen Blick auf ihren Rücken werfen konnte.

Marc sah Tajo forschend an. „War das eine … du weißt schon was?“, fragte er eindringlich. Tajo zuckte mit den Schultern.

„Ich denke schon“, erwiderte er verhalten, wandte sich dann aber ohne weitere Erklärung dem Hotelpagen zu, der sie zur Suite begleiten sollte.

Im Fahrstuhl, der sie in das oberste Stockwerk des Hotels brachte, konnte es sich Marc nicht verkneifen, das Thema erneut anzusprechen. „Kennst du sie?“

Tajo schüttelte lediglich den Kopf. Der Angestellte brachte sie zu einer großen, in weißlackierten Holz gehaltenen Flügeltür, schloss auf und bedankte sich mit einer Verbeugung artig für das saftige Trinkgeld, das Tajo ihm in die Hand drückte.

Müde schlurfte Marc hinter Tajo her, der mit großen Schritten den Wohnbereich der Suite durchquerte, die riesige Glastür zur Seite schob und auf den Balkon hinaus trat. Mit einem strahlenden Lächeln auf dem Gesicht drehte er sich zu Marc um. „Komm her, das musst du dir ansehen!“

Marc trat neben ihn, wurde aber sofort in eine heftige Umarmung gezogen. „Isch kann nisch gucken, wenn du misch nisch loslässt“, nuschelte er an Tajos breiter Brust.

„Äh – stimmt. Tschuldigung“, murmelte Tajo, senkte aber seinen Kopf und küsste ihn stürmisch, bevor er sich widerstrebend löste. Er packte Marc an seinen Schultern und drehte ihn zur Balkonbalustrade herum. „Ist das nicht fantastisch?“

Der Ausblick über den Strand und das tiefblaue Meer, das sich vor ihm auftat, war wirklich beeindruckend. Riesige Wellen türmten sich unaufhörlich auf, bevor sie kippten und mit ihren weißen Schaumkronen dem Strand entgegen rollten. Ihr pausenloses Donnern übertönte sogar den Verkehrslärm, der von der Straße zu ihnen hinauf schallte. In der Ferne ragten einige grünbewachsene Inseln aus dem Wasser, deren hohe Klippen ihren vulkanischen Ursprung erahnen ließen. Vereinzelt waren große Kreuzfahrtschiffe am Horizont erkennbar, daneben wirkten ein paar Yachten wie Spielzeuge.

„Oh, das ist echt schön.“ Marc atmete ein wenig auf und lehnte sich gegen seinen Mann, der sofort die Arme um ihn schlang und seinen Kopf auf seiner Schulter abstützte. Ein warmer Wind umschmeichelte sie beide und Marc war sich plötzlich wieder bewusst, wie zerknautscht und verschwitzt er sich nach der langen Reise fühlte. Nach 16 Stunden in einem Flugzeug war er alles andere als taufrisch.

„Ich muss mal kurz ins Bad“, murmelte er daher. Verdammt, er hatte außer den Sachen, die er am Leib trug, nichts anzuziehen. Bis ihre Koffer wieder auftauchten, musste er sich wohl noch Klamotten zum Wechseln besorgen. Schöner Mist. Hoffentlich gab es hier außer diesen fürchterlichen Hawaiihemden noch andere, normale Kleidung zu kaufen.

Tajo löste sich wieder von ihm. „Ich geh‘ als Erster ins Bad“, rief er fröhlich und war schneller im Zimmer verschwunden, als Marc es mit seinen menschlichen Augen wahrnehmen konnte.

Marc betrat mit einem tiefen Seufzer wieder die Suite und sah sich kurz in dem nobel ausgestatteten Wohnraum um, der – zu seinem Glück – nicht ganz so kitschig eingerichtet war, wie es der Name der Suite vermuten ließ. Mit schleppenden Schritten steuerte er die nächste Tür an, die wohl zum Schlafzimmer führte.

Lächelnd betrachtete Marc den Sektkübel mit einer Flasche Champagner, der auf einem kleinen Tisch vor dem Fenster stand. Nachlässig wischte er mit einer Handbewegung ein paar Rosenblätter von dem runden, mit unzähligen weißen Kissen bedeckten Monstrum von einem Bett, bevor er sich so, wie er war, darauf sinken ließ. Müde schloss er seine Lider. Im Bad hörte er Wasserrauschen, Tajo schien zu duschen. ‚Nur mal kurz die Augen zumachen‘, dachte er noch, bevor er umgehend einschlief.

 

***

 

Ein sanfter Kuss auf seinen Lippen weckte Marc, viel zu früh für seinen Geschmack. Unwillig knurrte er leise, drehte er sich um und kuschelte sich in die Kissen.

„Aufwachen, Dornröschen“, raunte eine tiefe Stimme an seinem Ohr und eine Hand streichelte langsam an seinem nackten Bauch hinab.

Moment mal. Stopp. Wann hatte er sich ausgezogen? Nur langsam kam Marc zu sich und öffnete die schweren Lider. Er blinzelte, es dauerte ein paar Sekunden, bis sich seine Augen an das dämmerige Licht im Zimmer gewöhnten.

„Wach auf, Schatz, sonst wirst du den Jetlag nie los“, murmelte Tajo hinter ihm und schmiegte sich an seinen bloßen Rücken. Etwas Hartes rieb sich eindeutig und auffordernd an seinem nackten Hintern. Verdammter Mistkerl. Hatte ihn einfach ausgezogen, ohne dass er etwas davon mitbekam. Verschlafen richtete sich Marc auf.

„Wie spät ist es?“ Seine Stimme klang noch rau vom Schlaf und er räusperte sich kurz.

„Halb acht. Du hast sechs Stunden geschlafen, das sollte fürs erste genügen.“ Tajo streckte sich neben ihm genüsslich. „Hast du Durst?“, fragte er nun lächelnd, langte auf den Nachttisch neben sich und reichte Marc ein Glas Champagner.

Dankend nahm Marc es ihm ab und trank vorsichtig einen Schluck. Der frische, herbe Champagner prickelte in seinem Mund und er bemerkte, wie gierige Augen den Weg seine Kehle hinab folgten, als er schluckte. Er grinste und trank das Glas genüsslich in einem Zug aus. „Champagner, ein Bett voll Rosenblätter … was kommt jetzt noch? Geigenspieler?“, frotzelte er gut gelaunt. Der Champagner war ihm anscheinend sofort ins Blut gegangen und hatte seinen Kreislauf auf Touren gebracht.

Tajo lachte vergnügt auf. „Nein, bloß nicht. Hier auf Hawaii würden es wahrscheinlich eher halbnackte Hula-Tänzerinnen sein. Auf die kann ich echt verzichten.“ Seine Miene änderte sich und wurde zu einem verschlagenen Grinsen, ohne, dass das Funkeln aus seinen Augen verschwand. „Aber habe ich dir nicht schon einmal gezeigt, was man mit Champagner alles anstellen kann?“ Tajo langte neben das Bett und holte die ganze Flasche hervor. Mit einer fließenden Bewegung schob er sich über Marc, nahm ihm das leere Glas aus der Hand, drückte ihn in die Kissen zurück und setzte sich auf seine Schenkel.

Ein glucksendes Lachen entkam Marc. „Nein, das war Bier. Berliner Weiße, wenn ich mich recht erinnere. Scheiße, was hat das Zeug geklebt!“

Er keuchte überrascht auf, als Tajo den kühlen Champagner auf seine Brust träufelte und interessiert zusah, wie sich die wenigen Tropfen ihren Weg hinab zu seinem Bauchnabel bahnten. Himmel, er spürte jeden einzelnen Zentimeter, den das prickelnde Zeug auf seiner Haut zurücklegte. Mit einem angeregten Knurren senkte Tajo seinen Kopf und begann, der Spur des Champagners mit seiner Zungenspitze zu folgen. Marc keuchte, ein unwillkürliches Stöhnen entkam seiner Kehle. Nun rutschte Tajo tiefer, setzte die raue Seite seiner Zunge ein und umspielte seinen Bauchnabel.

Erneut stöhnte Marc dunkel auf, seine Hände krallten sich automatisch in Tajos dichte Löwenmähne, sein Becken ruckte nach oben. Er spürte, wie sich sein Schwanz füllte und langsam aufrichtete, bis seine empfindliche Eichel an Tajos Kehle lag, der seinen Mund noch immer fest auf seinen Bauch presste.

„Mmmmmh, du schmeckst gut“, brummte Tajo. Die Vibrationen aus seiner Kehle übertrugen sich ungefiltert auf Marcs Schwanz. Verzweifelt schnappte Marc nach Luft. Scheiße! Tajo hatte sich nicht rasiert und die rauen Bartstoppeln reizten sein empfindliches Fleisch zusätzlich. „Schaaatz, hör auf zu spielen! Bitte!“, flehte er atemlos.

Ein glucksendes Lachen antwortete ihm. Tajo hob endlich den Kopf und hörte auf, ihn mit der Zunge in den Wahnsinn zu treiben. „Ts, ts, da will ich dich langsam und genüsslich verführen und was machst du? Betteln?“ Aufreizend gelassen zog sich Tajo ein Stück von ihm zurück. Sein Blick wanderte über Marcs Körper. Sonst tat er nichts. Aber allein sein liebevoller, gleichzeitig wissender Gesichtsausdruck, was gleich folgen würde, seine funkelnden gelben Löwenaugen, die durch ihre Verwandlung deutlich seine Erregung zeigten, fachten den Heißhunger in Marc noch weiter an. Oh Mann. Jetzt waren sie schon fast ein Jahr zusammen, waren mittlerweile ein eingespieltes Team, aber Tajo brachte ihn noch immer zum Kochen. Manchmal nur mit einem solchen, einzigen Blick.

„Wenn du warten willst, bis ich als wimmerndes Häufchen Lust vor dir auf die Knie sinke – dann sag es einfach“, keuchte Marc leise. „Aber das halte ich nicht länger aus!“

Tajo schmunzelte verhalten. „Auf die Knie – keine schlechte Idee.“ Blitzschnell packte er Marcs Schultern, drehte ihn erstaunlich sanft auf den Bauch und schob seine Arme unter seinen Körper. Marc konnte gar nicht anders, als dem leichten Druck nachzugeben und die Knie anzuziehen. Sein Oberkörper ruhte unvermindert in den weichen Kissen, sein Hintern presste sich nun aufreizend gegen Tajos Ständer. Starke Arme stützten sich neben seinem Kopf ab und Marc spürte, wie Tajos Zähne sich zärtlich in seine Halsbeuge gruben. Der leichte Schmerz schoss flammend in seine Eingeweide und er drückte stöhnend den Rücken durch. Plötzlich merkte er, wie Tajo nochmals sein Gewicht verlagerte und hörte ihn neben sich herumkramen.

„Was suchst du?“, raunte er leise.

„Gleitgel“, antwortete Tajo und stieß einen Fluch aus. „Sag bloß, das war auch im Koffer?“

„Was denkst du denn? Flüssigkeiten über 100 ml sind im Handgepäck verboten!“ Marc hätte gerne darüber gelacht, wenn die Situation nicht geradezu tragisch gewesen wäre.

Trotzdem hörte er Tajo neben sich leise auflachen. „Na dann – gibt es eben nur die gute alte Methode ...“

Marc spürte erneut, wie sich die Matratze unter Tajos Gewicht bewegte und keuchte erschrocken auf, als er dessen Lippen an seinem Hintern spürte. Tajos liebkosende Zunge leckte eine Spur hinunter bis zu seiner Rosette, befeuchtete ihn sanft und gefühlvoll. Ein schwaches Wimmern stieg in ihm hoch und er unterdrückte es mühsam. Marc krallte seine Hände in das Bettzeug und erstickte seinen Schrei in den Kissen, als die Zunge ihren Weg fand und in ihn eindrang.

Abermals ließ Tajo sich Zeit und strapazierte Marcs Geduld und Stehvermögen damit bis aufs Äußerste. Endlich nahm er auch seine Finger zu Hilfe, dehnte und weitete ihn behutsam. Marcs Atem ging stoßweise. „Jetzt … bitte …“, wimmerte er atemlos und spürte erleichtert, dass Tajo dieses Mal seiner Bitte umgehend nachkam. Der Druck auf seine Rosette wurde ungleich stärker und er biss die Zähne unwillkürlich zusammen. Wohl wissend, dass der erste Schmerz sich gleich in ein Feuerwerk der Lust verwandeln würde, schob er sich Tajo entgegen und spürte schließlich, wie sein Muskel nachgab. Das tiefe Stöhnen hinter ihm feuerte ihn an und er bog erneut den Rücken durch, um Tajo ein weiteres Stück in sich aufzunehmen.

Sein Löwenmann hinter ihm grollte dunkel. „Scheiße, bist du eng … mach langsam … ich kann sonst nicht … aaah!“

Mit einem festen Ruck schob sich Tajo ganz in ihn hinein, hielt dann aber wiederum inne. Marc hörte den keuchenden Atem seines Liebsten und merkte, wie sehr sich Tajo zurückhielt, um ihm nicht weh zu tun. Kurzentschlossen stemmte sich Marc auf seinen Armen in die Höhe, bis er aufrecht kniete und seinen Rücken an Tajos Brust schmiegen konnte. Oh, wow, die Stellung raubte ihm erst einmal fast den Atem. Schnell hob er beide Arme über seinen Kopf, umklammerte mit den Händen Tajos Nacken und zog ihn dicht an sich heran. Er drehte den Kopf ein wenig und sah in das angespannte Gesicht seines Mannes.

„Ich liebe dich“, raunte er leise. „Aber wenn du dich jetzt nicht bewegst … mache ich das eben!“ Langsam ließ Marc seine Hüfte kreisen und spießte sich genüsslich auf Tajos Schwanz auf. Gott, war das gut! Nicht nur der süße Schmerz in seinem Inneren, der heiße Schwanz, der nun stetig gegen seine Prostata drückte und ihn innerlich folterte, auch Tajos entrückter Gesichtsausdruck, der ihm zeigte, dass er sich kurz vor der Explosion befand, machte Marc wahnsinnig vor Lust. Sie bewegten sich nun beide äußerst behutsam gegeneinander, in einem aufeinander abgestimmten Rhythmus, ohne die Blicke voneinander zu lösen.

„Marc … ich liebe dich so sehr“, keuchte Tajo plötzlich, zog ihn noch ein weiteres Mal dicht an sich heran, bevor er die Augen schloss und sich mit einem heiseren Stöhnen in ihm entlud. Ruckartig fiel seinen Kopf in Marcs Halsbeuge und er biss unvermittelt zu. Marc schrie auf, der scharfe Schmerz durchzuckte ihn und er drückte sich fest Tajos Schwanz entgegen, der noch immer seinen heißen Saft in ihn pumpte. Augenblicklich ließ er los, die aufgestauten Gefühle stiegen nun ungebremst in ihm hoch, bis sie in einem erschütternden Orgasmus gipfelten und er nur noch Sternchen sah. Er spürte, wie Tajo ihn umklammerte, ihn stützte und hielt, als sein Körper kraftlos in die feste Umarmung sank.

Lange noch hielt Tajo ihn so in seinen Armen, bis ein lautes Knurren beide zum Lachen brachte.

„Ich hab‘ Hunger“, kommentierte Tajo vollkommen überflüssig.

 

***

 

Eine halbe Stunde später schlenderten sie die Uferpromenade entlang. Hier war es jetzt, am Abend, so voll, dass sie kaum nebeneinander laufen konnten. Tajo kaufte daher eine große Pizza, die sie problemlos mit hinunter an den Strand nehmen konnten.

Dort angekommen, zogen sie ihre Schuhe und Socken aus und suchten sich ein weniger belebtes Fleckchen. Marc ließ sich aufatmend in den weichen Sand sinken, der noch immer von der Sonne leicht gewärmt war. Tajo setzte sich hinter ihn und zog Marc an seine Brust heran. Beide schwiegen eine Weile und sahen den stetigen Wellen zu, die nun etwas ruhiger zu sein schienen, aber immer noch mit Kraft gegen den Strand wogten, bevor sie brachen und letztendlich sanft ausrollten.

Der Mond schien hell und das von der Uferpromenade herüber flutende Licht ermöglichte eine gute Sicht. Zahlreiche Menschen spazierten auch jetzt noch den Strand entlang.

„‘Sex on the Beach‘ können wir hier wohl vergessen“, flachste Marc.

Tajo schmunzelte leise und drückte ihm ein Stück Pizza in die Hand. „Ach, das war also deine Fantasie? Ich hatte mich schon gefragt, warum du ausgerechnet eine einsame tropische Insel als Urlaubsziel ausgesucht hast.“

„Ja, klar. Hat nicht jeder diese Fantasie? Wir zwei, die sanften Wellen des Meeres, ein einsamer weißer Sandstrand ...“

„... und jede Menge Sandflöhe, gefährliche Tiere im Wasser, auf die man treten kann, vom Sand, der einem in alle Ritzen dringt, ganz zu schweigen“, wehrte Tajo ab.

„Tja, vielleicht bin ich doch romantischer veranlagt, als ich dachte“, brummte Marc enttäuscht und biss genussvoll in seine Pizza. Mit keinem Wort hatte Tajo erwähnt, dass er mit dem Urlaubsziel nicht einverstanden war. „Sag schon: wie sieht deine Vorstellung von einem perfekten Urlaub aus?“

Tajo schwieg einen Moment, aß in aller Seelenruhe sein Pizzastück auf, bevor er die Hände im Sand abwischte und die Arme um Marc herum legte. „Ich weiß es nicht. Eigentlich ist es mir egal, solange du bei mir bist und wir ungestört sein können. Ein einsames Haus im Wald würde mir schon genügen. So einsam, dass ich mich auch mal verwandeln und vielleicht ein wenig jagen gehen kann.“ Er seufzte leise auf. „Manchmal vermisse ich Südafrika. Da fällt man nicht so auf, wenn man als Löwe durch die Wüste oder Savanne streift.“

Nachdenklich sah Marc zu ihm hinauf. Tajo schaute blicklos über das Meer und Marc spürte dessen Sehnsucht, sich in seine Löwengestalt zu verwandeln. Das letzte Mal, als ihm dies möglich war, lag bereits mehr als zwei Wochen zurück. Sie waren gemeinsam durch den hessischen Reinhardswald gewandert, immer darauf bedacht, keinem fremden Menschen über den Weg zu laufen. Dort hatte Marc bereits bemerkt, wie Tajo es genoss, seine andere Gestalt anzunehmen, wie sehr er dies brauchte, um sich wohl zu fühlen. Dann begann es in Deutschland, unaufhörlich zu regnen und sie hatten sich richtig auf ihren geplanten Urlaub in der tropischen Sonnenhitze gefreut. Und nun das. Missmutig malte Marc mit den Zehen einige Kreise in den Sand.

„Ich glaube, die rothaarige Frau ist eine Tigerin“, wechselte Tajo abrupt das Thema. „Genau kann ich das nur sagen, wenn ich vor ihr stehe und sie am Geruch erkennen kann.“

Marc sah ihn erstaunt an. An die Rothaarige hatte er nicht mehr gedacht. Man schien wirklich überall auf der Welt auf Gestaltwandler zu treffen.

„Wow. Tiger sind echt schöne Katzen. Da würde ich sie gerne mal in ihrer wirklichen Gestalt sehen“, überlegte Marc laut.

Mit einem gespielt entrüsteten Schrei warf Tajo ihn urplötzlich in den Sand, rollte sich auf ihn und fing an, ihn durchzukitzeln. „Du findest Tiger toll? Du Verräter! Na warte!“

Marc schrie auf, lachte und versuchte, sich gegen den Angriff zu wehren, war aber seinem Freund in dieser Hinsicht hoffnungslos unterlegen. Seine einzige Waffe gegen diesen Mann war sein Verstand. Er grinste schelmisch, hörte auf sich zu wehren und umschlang Tajo fest mit Armen und Beinen, um ihn zu einem Kuss herab zu ziehen. Tajo stöhnte sofort erregt auf und ging augenblicklich darauf ein. Stürmisch eroberte er Marcs Mund, ließ dann aber den Kuss langsam ausklingen.

„Gleich werden wir verhaftet“, murmelte er an Marcs Lippen.

„Wegen einem Kuss? Wohl kaum“, erwiderte Marc atemlos.

„Nein. Nicht wegen einem Kuss. Aber wenn wir so weitermachen, wird dein Traum vom ‚Sex on the beach‘ früher wahr, als es dir lieb ist!“

Marc schmunzelte leise, als er die Härte spürte, die sich auffordernd an seinen Schritt drückte. Frustriert stöhnte Tajo auf und löste sich von ihm. „Los komm. Wir müssen noch ein paar Klamotten einkaufen gehen, bevor die Geschäfte zumachen. Wie lange haben die hier eigentlich auf?“

 

***

 

Zum Glück schienen die Geschäfte an der Strandpromenade bis spät in die Nacht hinein für die Touristen geöffnet zu haben. Marc entdeckte schließlich einen Laden, in dem es nicht die typischen Hawaiihemden, sondern ganz normale Kleidung zu kaufen gab. Er durchsuchte gerade einen der Ständer nach einem passenden Hemd, als hinter ihm eine helle, angenehme Stimme ertönte.

„Nimm das blaue Hemd. Das passt hervorragend zu deinen Augen!“

Überrascht drehte sich Marc um. Die rothaarige Frau lehnte lässig an einer der verspiegelten Säulen des Ladens und schaute ihm interessiert zu.

„Ich habe aber braune Augen“, erwiderte er automatisch.

Die Frau lachte hell auf. „Sag ich doch! Da passt das blaue Hemd wirklich gut!“

„So eine blöde Anmache habe ich selten gehört“, entfuhr es Marc, aber er entspannte sich ein wenig und lächelte der Frau freundlich zu. Sie schien nicht älter als Keyla zu sein, vielleicht Anfang Zwanzig und ihre Aussprache hatte einen breiten, amerikanischen Slang.

Die Frau lachte vergnügt und streckte ihm ihre Hand entgegen. „Sarina Kaldeira. Ich habe euch heute in der Lobby des Grand Hotels gesehen und wollte mich kurz vorstellen. Es ist immer wieder schön, auf Seinesgleichen zu treffen.“

Marc nickte verhalten. „Marc Nowack“, erwiderte er, „mein Partner Tajo Bruns ist ...“

„ ...immer in deiner Nähe“, unterbrach ihn die tiefe Stimme seines Freundes. Tajo war unbemerkt hinter ihn getreten, aber Marc war sich bewusst, dass Sarina ihn längst hatte kommen sehen.

Tajo reichte der Tigerin nun ebenfalls seine Hand. „Freut mich, Sarina. Machst du hier Urlaub?“

„Ja. Meinem Onkel gehört das Grand Hotel und ich verbringe meistens einen Teil der Semesterferien hier auf Hawaii. Ich studiere in Oxford“, fügte sie erklärend hinzu.

„Oh, deinem Akzent nach stammst du aber aus den USA, nicht wahr?“, hakte Marc neugierig nach.

„Ich bin in Dallas, Texas, aufgewachsen, das stimmt. Hört man es immer noch so sehr?“ Sie grinste etwas verschämt.

„Nein, überhaupt nicht“, wehrte Tajo mit einem sarkastischen Unterton in seiner Stimme ab und lächelte freundlich.

„Also, hat mich gefreut, euch kennen zu lernen“, verabschiedete sich Sarina nun. „Vielleicht trifft man sich ja mal am Strand. Wir könnten zusammen surfen gehen!“

„Ich kann leider nicht surfen“, wehrte Marc verlegen ab.

„Das macht nichts. Ich kann es dir beibringen, wenn du möchtest, Marc“, bot sie höflich an.

„Mal sehen. Die Brandung scheint mir für Anfänger aber viel zu gefährlich zu sein“, gab Marc zu bedenken.

„Jetzt, Anfang September, ist sie gar nicht so wild. Die wahren Surfer warten auf den November oder Dezember, da sind die Wellen mehr als doppelt so hoch. In Strandnähe kann man jetzt trotzdem ein paar Moves üben, das macht viel Spaß. Also, man sieht sich!“

Tajo und Marc sahen der Tigerin nach, die das Geschäft wieder verließ und auf die Straße trat.

„Na, die scheint wirklich nett zu sein“, meinte Marc fröhlich. Plötzlich ertönte von draußen ein schrilles Quietschen und Marc sah, wie eine dunkle Limousine mit einer Vollbremsung vor dem Geschäft zum Stehen kam. Sarina war auf dem Bürgersteig wie angewurzelt stehen geblieben. Die Wagentüren öffneten sich und zwei stämmige Männer sprangen heraus, die zielgerichtet auf die Tigerin zustürzten und sie packten.

Sarina gelang es nicht einmal, zu schreien, so schnell wurde sie in den Wagen gezerrt. Die Reifen des Autos drehten durch, als der Fahrer den Wagen sofort anfuhr, wie wild beschleunigte und davon schoss. Die ganze Sache hatte nur wenige Sekunden gedauert und während Marc sich zunächst von seiner Schockstarre lösen musste, war Tajo bereits aus dem Laden und auf die Straße gesprintet. Doch auch er war zu spät und konnte dem davonbrausenden Wagen nur noch hinterher sehen.

Fluchend kehrte Tajo in das Geschäft zurück. „Die haben das Kennzeichen zugeklebt. Mann, da stehen hunderte Leute auf der Straße, aber alle gaffen bloß und keiner rührt sich!“, regte er sich auf.

Marc sah aus den Augenwinkeln, dass ein Angestellter des Ladens bereits dabei war, die Polizei zu rufen. Schnell packte er die ausgesuchten Kleidungsstücke zusammen. „Komm, lass uns zahlen und dann hier verschwinden. Ich habe keine Lust, die Nacht auf der Polizeiwache zu verbringen, um irgendeine Zeugenaussage zu machen, die sowieso nicht weiter hilft.“

„Äh, du willst Sarina nicht helfen? Egal, ob wir das Kennzeichen der Limousine gesehen haben, wir können doch zumindest die Männer beschreiben, die sie entführt haben!“, wandte Tajo sofort ein.

„Natürlich will ich ihr helfen“, entgegnete Marc. „Aber auf unsere Weise. Ich habe bereits eine Idee!“

Tajo gab brummend nach. Sie bezahlten ihre Einkäufe und verließen das Geschäft, noch bevor von der Polizei irgendetwas zu sehen war.

 

***

 

In ihrer Hotelsuite angekommen nahm Marc sofort seinen Laptop aus dem Handgepäck. Er verband sich mit dem WLAN-Netzwerk des Hotels, wählte sich dann aber über einen anderen Server in das Internet ein. Tajo hatte sich neben ihm auf der Couch des Wohnraumes niedergelassen und sah gespannt über seine Schulter.

„Was hast du vor?“, fragte er nach einer Weile, da Marc nichts weiter tat, als rasend schnell irgendwelche Zahlen und Zeichen auf einer leer anmutenden Internetseite einzugeben.

„Hast du die Kameras an den Gebäuden der Promenade gesehen? Die müssten doch etwas aufgezeichnet haben“, murmelte Marc geistesabwesend.

„Du hackst dich in die Überwachungskameras ein?“, fragte Tajo verwundert. Marc schaute nur kurz auf. Warum verblüffte seinen Freund noch immer, dass keine einzige Stelle des World Wide Web praktisch unangreifbar war? Man wusste nur verstanden haben, wie man Zugriff bekam. Bei manchen Hackerangriffen half es, zu wissen, wer das System programmiert hatte, in das man hinein wollte. Beim Verlassen des Geschäftes hatte er daher genau darauf geachtet, welche Kameras von welcher Firma dort installiert waren. Seitdem er mit Tajo zusammen war und in dessen Sicherheitsfirma, der Bruns LLC, mitarbeitete, waren ihm die gängigen Überwachungssysteme mehr als vertraut.

„Sie benutzen hier die ‚SX-Follower 1500‘, soweit ich es gesehen habe. Das System ist also mehr als drei Jahre alt. Dürfte kein Problem sein, dort hinein zu kommen“, erklärte Marc. Zufrieden schnaufte er auf. „Siehst du – ich bin drin!“

Auf dem Bildschirm erschienen mehrere, aneinandergereihte Bilder von Kameraeinstellungen. Marc ließ den Curser auf der Suche nach der Waikiki Strandpromenade über den Bildschirm gleiten. „Ah ja, da haben wir es.“ Er klickte auf die Kamera, die den Straßenbereich vor dem Bekleidungsgeschäft zeigte und erhielt deren Livebild. Danach gab er die gewünschte Uhrzeit ein und eine Aufzeichnung der Szene spulte sich ab, die sie aus dem Geschäft heraus beobachtet hatten, diesmal jedoch aus einem anderen Blickwinkel.

„Da! Der Wagen hat in der Parklücke auf sie gewartet! Also hatten sie es gezielt auf Sarina abgesehen!“ Sie verfolgten das Geschehen, bis der Wagen davonbrauste. „Am Ende der Straße sind sie rechts abgebogen.“ Marc rief zusätzlich einen Stadtplan auf. „Das ist der Waikiki Beach Drive. Mal sehen, ob es dort auch eine Verkehrsüberwachung gibt.“

In kürzester Zeit fand Marc heraus, dass der Wagen der Entführer die Stadt in Richtung der Waianae Range, der Gebirgskette im Nordwesten der Insel, verlassen hatte.

„Dort scheint es jede Menge einsamer Täler zu geben, kaum Tourismus“, murmelte er nachdenklich. „Wie sollen wir sie dort finden?“

Tajo zuckte mit den Schultern. „Das sehen wir, wenn wir vor Ort sind. Allerdings müssen wir bis morgen warten, bevor wir etwas unternehmen können“, meinte er. Als Marc protestieren wollte, gab er sofort zu bedenken: „Marc, wir werden einen Mietwagen brauchen, um dorthin zu kommen. Und den können wir nicht vor morgen früh buchen.“

Marc gab sich geschlagen. Auch wenn es ihn wurmte, jetzt nicht gleich nach Sarina suchen zu können, sah er doch ein, dass sie keine andere Möglichkeit hatten.

„Nun gut. Dann gehen wir jetzt am besten schlafen“, lenkte er widerwillig ein.

 

***

 

„Guten Morgen, Mr. Magnum“, wurde Marc geweckt, wiederum mit einem sanften Kuss auf seinen Lippen.

„Hä?“, murmelte er verschlafen. Verdammt, die morgendliche Munterkeit seines Liebsten würde ihn irgendwann einmal ins Grab bringen. Mann, Tajo wusste doch genau, dass er ohne einen Kaffee kaum ansprechbar, geschweige denn aufnahmefähig war. Der verheißungsvolle Duft nach Kaffee, der jetzt seine Nase umschmeichelte, weckte dann aber doch seine Lebensgeister. Schlaftrunken wühlte er sich unter der Decke hervor und setzte sich langsam auf. Tajo saß am Bettrand und hielt ihm bereits eine Tasse Kaffee entgegen.

„Danke“, murmelte Marc, nahm sie ihm ab und trank vorsichtig einen Schluck. Oh, super, für amerikanische Verhältnisse war das ein ziemlich starkes Gebräu, genau richtig für ihn.

„Wie hast du mich eben genannt?“, fragte Marc nach einem weiteren Schluck. Langsam fühlte er sich gesprächsbereit.

„Mr. Magnum. Thomas Magnum, um genau zu sein. Dein Ferrari steht unten vor der Tür. Du fährst.“ Tajo lächelte ihn verheißungsvoll an und hielt ihm einen Autoschlüssel entgegen.

„Du hast einen Ferrari gemietet? Auffälliger geht es wohl kaum. Und hast du vergessen, dass wir in die Berge fahren wollen?“, moserte Marc etwas ungehalten.

Sein Freund ließ sich von seiner Laune jedoch nicht aus der Ruhe bringen. „In die Berge fahren bedeutet hier, auf maximal 1.200 Höhenmeter zu kommen. Ich habe nachgefragt, die Straßen sind gut ausgebaut. Außerdem sind wir im Urlaub – wo bliebe denn da unser Spaß? Los, hör auf, hier rumzumotzen und geh duschen.“

Immer noch vor sich hin grummelnd, verschwand Marc gehorsam im Bad. Eine halbe Stunde später saßen beide in dem roten Flitzer und fuhren aus der Stadt hinaus. Marc genoss das Gefühl des PS-starken Motors unter der Haube nun doch und trat beschwingt aufs Gas, als sie die wenig befahrene Landstraße erreichten, die in die Berge führte. Ringsum schien es nichts als dichten Dschungel zu geben. Tajo hatte eine Landkarte auf sein Smartphone geladen und gab ihm die vermutete Richtung durch.

„Okay, gleich kommt der erste von drei größeren Parkplätzen in dieser Gegend. Dort werden wir anhalten und uns umsehen“, meinte er. Wie angewiesen bog Marc einige Kilometer später auf einen größeren Parkplatz ein, von dem aus man geführte Touren in die Umgebung buchen oder gut beschilderten Wanderwegen folgen konnte.

Doch kaum überblickten sie die dort wartenden Busse voller Touristen und die Vielzahl der parkenden Autos, waren sie sich sofort einig: hier würden Entführer wohl kaum ihre Geisel ausladen.

Sie fuhren daher weiter und folgten der serpentinenreichen Straße hinauf in eine entlegenere Bergregion. Oftmals tat sich, neben der Straße, ein beeindruckender Blick in ein tiefes, dicht bewaldetes Tal auf, das von schroffen schwarzen Vulkanklippen umgeben war.

Jetzt begegneten sie keinen anderen Autos mehr und Tajo lotste Marc zu einem weiteren ausgewiesenen Parkplatz. Schon von weitem sahen sie, dass dort nur ein einziges Fahrzeug abgestellt war – eine schwarze Limousine mit getönten Scheiben.

Marc hielt direkt neben dem Wagen. Tajo sprang sofort aus dem Ferrari und umrundete das Fahrzeug. Am Heck der Limousine angekommen ging er kurz in die Hocke.

„Hier sind noch Reste der Klebstreifen am Nummernschild. Außerdem kann ich Sarina riechen, sie war hier.“ Er sah Marc nachdenklich an. „Kannst du über das Kennzeichen etwas herausfinden?“

Sofort zog Marc sein Handy hervor. „Nein, verdammt, ich habe hier keinen Empfang. Das Internet können wir wohl vergessen. Aber wie sollen wir nun navigieren? Ohne das verlaufen wir uns bloß!“

Tajo schnaubte verächtlich auf und begann, sein Hemd auszuziehen. „Also wirklich, Marc, bist du denn ohne dein Smartphone total hilflos? Ich werde uns führen. Außerdem kann ich durchaus riechen, in welche Richtung sie gegangen sind.“

Er zog nun auch seine Hose aus, warf seine Anziehsachen auf den Rücksitz ihres Ferraris und verwandelte sich umgehend. Marc war abermals von der Schnelligkeit der Wandlung beeindruckt. In nicht einmal einer Sekunde stand der große Löwe vor ihm und schüttelte befreit seine Mähne. Prüfend hob Tajo seine Nase in die Luft und wandte sich in östliche Richtung. Nach wenigen Metern blieb er stehen und drehte sich um. Ungeduldig schien er zu warten, bis Marc zu ihm aufschloss.

„Ist ja gut, Lassie, ich folge dir“, frotzelte Marc gut gelaunt. „Zeig mir, wo Timmy in der Mine verschüttet wurde!“

Tajo rollte entsetzt mit den Augen, stieß dann aber ein tiefes Grunzen aus, das man mit viel Fantasie als „Wuff, wuff“ deuten konnte und lief voraus. Marc lachte vergnügt. Er konnte die Anspannung seines Freundes deutlich spüren. Sarinas Entführung war zwar traurig und er machte sich größte Sorgen um die junge Tigerin, sah aber auch seinem Freund an, dass er genau das gebraucht hatte: eine wilde Jagd, ein gefährliches Abenteuer. Das war natürlich ganz nach dem Geschmack des Löwen. Ein einfacher Strandurlaub hätte da nicht mithalten können – Tajo wäre wahrscheinlich vor Langeweile eingegangen.

Aufgeregt trabte der Löwe voran auf einen am Parkplatz beginnenden Wanderweg, um dann alle paar Meter anzuhalten und einen Blick zurück zu werfen. Marc stapfte hinter ihm her, genoss dabei aber auch die atemberaubende Umgebung. Jede Wegbiegung gab einen neuen Blickwinkel auf die grandiose Berglandschaft frei, in der sich dichter Urwald und schroffe Felsen um die Vorherrschaft bemühten. Der Pfad, dem Tajo folgte, war nicht mehr als zwei Meter breit, aber gut befestigt und führte an der Baumgrenze der Hügelkette entlang. Hin und wieder schaute Marc auf die im Smartphone gespeicherte Karte. Er konnte ohne ein Navi jedoch nur vermuten, wo genau sie sich befanden. Weit und breit von ihrem Ausgangspunkt waren zumindest keine Häuser oder Straßen aufgezeichnet, sie befanden sich mitten im Nirgendwo.

Oftmals stürzten kleine Bäche und Wasserfälle mitten über den Weg in die Tiefe hinab. Außer ein paar Vögeln in den dichten Baumkronen, die Marc zwar hören, aber nicht sehen konnte, war kein Lebewesen auszumachen. Sie waren vollkommen allein. Marc war froh, festes Schuhwerk auf ihrem Flug nach Honolulu angezogen zu haben, so dass er ohne große Mühen die Hindernisse überwinden und einigermaßen mit Tajo mithalten konnte.

Plötzlich zogen Wolken über den Bergkamm und ergossen sich in das unten liegende Tal. Sie waren jetzt von einem wabernden Nebel eingehüllt, dessen Feuchtigkeit sofort bis auf die Haut vordrang und Marc völlig durchnässte. Die Sicht betrug nur noch wenige Meter und Marc schloss zu Tajo auf, um ihn in dieser unwirklich anmutenden Nebellandschaft nicht zu verlieren. Marcs Zeitgefühl löste sich bald vollkommen in Luft auf. Wie lange waren sie nun schon unterwegs? Ein Blick auf seine Uhr verriet ihm, dass es nun Mittag war, sie waren also bereits mehr als vier Stunden diesen Weg entlang gewandert.

An Tajos langsamer werdenden Schritten erkannte er, dass dieser durch die Feuchtigkeit Probleme hatte, dem Geruch von Sarina und ihren Entführern zu folgen. An einer Weggabelung hielt Tajo an.

Der nach links abzweigende Weg schien in das Tal hinab zu führen, der rechte Weg setzte sich dagegen auf dem Bergkamm weiter fort. Mit einem leisen Ächzen ließ sich Marc einfach auf den Boden sinken. „Ich brauche eine Pause“, flüsterte er. Irgendwie erschien es ihm inmitten des Nebels ratsamer, nicht laut zu sprechen.

Sein Löwe nickte und setzte sich neben ihn. Marc lehnte sich an seine Schulter an. Er ahnte, dass Tajo sich jetzt nicht zurückverwandeln wollte, um nahende Gefahren früher erkennen zu können.

„Welchen Weg sollen wir nehmen? Du hast wegen dem Nebel die Spur verloren, stimmt`s?“ Der besorgte Blick aus den gelben Löwenaugen, den Tajo ihm zuwarf, bestätigte Marcs Vermutung.

„Na dann – müssen wir uns einfach auf unser Bauchgefühl verlassen“, murmelte Marc leise. Zweifelnd betrachtete er die beiden Wege, die sich vor ihnen auftaten.

„Wenn ich ein Entführer wäre, würde ich doch irgendeine Hütte oder andere Behausung aufsuchen, in der ich meine Geisel einsperren kann, wo sie weder gehört noch schnell gefunden wird“, dachte Marc laut nach. „Weit genug abseits jeglicher Dörfer sind wir bereits. Ich denke, wir sollten den Weg hinunter ins Tal nehmen. Hier oben auf dem Bergkamm kann ich mir keine derartige Hütte vorstellen.“

Tajo nickte zustimmend. Nach wenigen Minuten spürte Marc, wie die Feuchtigkeit sich nun, wo er nicht mehr in Bewegung war, klamm auf seine Haut legte. Er seufzte leise und stand auf. „Komm, gehen wir weiter.“

Der Weg, dem sie nun hinab folgten, war oftmals so steil, dass Marc sich an Baumwurzeln festhalten musste, um nicht auf dem Hosenboden zu landen. Bald waren sie von dichtem Regenwald umgeben, dafür verschwand der Nebel und die Sicht wurde wieder besser. An Tajos zielstrebigen Schritten erkannte Marc, dass dieser die Fährte anscheinend wieder gefunden hatte.

Der Abstieg nahm mehr Zeit in Anspruch, als Marc vermutet hatte, aber er kam auf dem steil abfallenden Weg mit dem tückischen, oftmals feuchten Waldboden nur langsam voran. Endlich schienen sie das Tal erreicht zu haben, der schmale Waldpfad wurde wieder ebener.

Plötzlich hielt Tajo inne und lauschte. Seine großen, stehenden Ohren zuckten und auch Marc blieb wie angewurzelt stehen. In der Ferne war ein schwaches Rauschen und Donnern zu hören.

„Das Meer?“, fragte er seinen Freund verwundert. Der Löwe nickte. Marc zog das Smartphone aus der Tasche. Mist, er hatte immer noch keinen Empfang. Leise setzten sie den Weg fort, der nun immer breiter wurde. Doch nach wenigen Metern wurde Tajo erneut langsamer, verließ plötzlich den Pfad und schlich behutsam in das angrenzende Unterholz. Marc folgte ihm vorsichtig in das Dickicht. Vor ihnen tat sich eine kleine Lichtung auf, an deren Rand ein Haus stand. Verwirrt betrachtete Marc das große Blockhaus, das auf dicken Holzpfählen ruhte. Den Unterschlupf von Entführern hatte er sich irgendwie anders vorgestellt.

Eine Hollywoodschaukel stand auf der Veranda und bodentiefe Glasscheiben waren an der gesamten Front des Hauses eingelassen. An einem nahe stehenden Baum schaukelte eine riesige Hängematte. Eine Verandatür stand offen und weiße Vorhänge bewegten sich leicht im Wind. Wenn nicht Tajo durch seinen Geruchssinn bis hierher geleitet worden wäre, würde Marc kaum vermuten, dass sie an ihrem Ziel angekommen waren.

Sein Löwe war sich jedoch seiner Sache offenbar vollkommen sicher. Marc sah, wie er prüfend die Nase in den Wind hob. Plötzlich stutzte Tajo und erstarrte. Marc schaute ihn verwundert an. Er konnte mittlerweile die Gesichtszüge seines Löwen ganz gut deuten und diese waren ihm soeben vollkommen entglitten.

Mit einem wütenden Fauchen stürzte Tajo unvermittelt aus ihrer Deckung heraus und sprang in langen Sätzen direkt auf das Haus zu.

Verblüfft starrte Marc ihm nach. Er hatte sich zwar auf dem Weg bereits Gedanken gemacht, was sie tun sollten, sobald sie den Unterschlupf der Entführer erreichten – aber einfach stürmen? Hatte Tajo denn einen Knall?

Marc zögerte jedoch nicht lange, arbeitete sich aus dem Unterholz wieder heraus und rannte hinter Tajo her. Schon von weitem hörte er Kampfgeräusche im Haus. Zwei Raubkatzen brüllten und fauchten sich an. Ein Poltern und Krachen ließ Marc wissen, dass der Kampf quer durch das Haus tobte.

Er sprintete die hölzerne Treppe hoch - und blieb an der Verandatür, durch die Tajo verschwunden war, wie angegossen stehen. Tajo kämpfte gegen einen großen Löwen, der ihm jedoch nicht unbekannt war. Das war Jon! In dem Wohnraum war ihre ganze Familie versammelt. Marc starrte verwundert auf die Szene vor ihm. Keyla und ihre Zwillingsschwester Anna, Tajos Vater Alexander, die beiden Jüngsten der Löwenfamilie, Tess und Carla, und sogar Hank, der Kodiakbär, sahen sich das Schauspiel amüsiert und vollkommen entspannt an.

„Hallo Marc! Da bist du ja!“ Keyla winkte ihm fröhlich lächelnd zu und wich gleichzeitig elegant einem umstürzenden Sessel aus. Neben ihr stand Sarina und die beiden jungen Frauen kicherten, als Jon schmerzhaft aufheulte. Tajos kräftiger Prankenschlag hatte ihn voll am Kopf erwischt.

„Marc, mein Lieber, geh‘ da besser nicht rein, bis die zwei miteinander fertig sind“, riet nun eine bekannte Stimme hinter ihm. Linda! Na klar, Tajos Mutter durfte hierbei nicht fehlen.

„Kannst du mir das bitte erklären?“, fragte Marc fassungslos. Die blonde Löwin lachte und legte einen Arm um seine Schultern.

„Herzlichen Glückwunsch zu deinem Jahrestag!“, erwiderte sie und strahlte über das ganze Gesicht. „Jonathan´s Überraschung für euch ist ihm ja wirklich gelungen!“

„Hurrikan Jon. Das hätte ich mir denken können.“ Marc stöhnte entgeistert auf. „Er hat eine Entführung vorgegaukelt, um uns hierher zu locken? Spinnt der denn? Die Polizei wurde informiert!“

„Nein, das ist alles geregelt. Die Polizei war vorab von Filmarbeiten zu ‚Hawaii Five-O‘ unterrichtet worden, die haben sich nichts dabei gedacht. Das hat Jonathan toll eingefädelt, nicht wahr?“ Stolz sah Linda zu ihren beiden Söhnen hinüber, die sich noch immer prügelten.

Erschöpft ließ sich Marc einfach auf die Hollywoodschaukel fallen und nahm dankbar das Glas Wasser entgegen, das Linda ihm nun reichte. „Und was für einen Jahrestag, den ich haben soll, meintest du eben?“, fragte er nach. Heute war der 5. September. Marc runzelte die Stirn. Linda sagte nichts und sah ihn abwartend an. Heute vor einem Jahr … verdammt, das schien schon so lange her zu sein. Hatte ihn Jon im letzten September aus Frankfurt abgeholt? Ja, genau, damals hatte ihn Jon in ihr Geheimnis eingeweiht. Alles, was er bis dahin zu wissen glaubte, war innerhalb weniger Minuten um eine vollkommen neue Welt erweitert worden. Er zuckte mit den Schultern. Ihm selbst war das Datum nicht in Erinnerung geblieben. Viel nachhaltiger hatte sich der Tag in sein Gedächtnis eingebrannt, an dem sie Tajo endlich aus seiner Gefangenschaft befreien und ihn verletzt nach Hause holen konnten. Oder der Moment, als Tajo ihm seine Liebe gestanden hatte.

Linda setzte sich zu ihm. „Vielleicht hat ein anderes Datum mehr Bedeutung für dich, aber für unsere Familie ist dieser Tag viel wichtiger. Du weißt, wir geben uns aus gutem Grund kaum einem Menschen zu erkennen. Und wenn wir es dann doch tun, ist es, als würden wir ein neues Familienmitglied bekommen.“ Sie lächelte ihm liebevoll zu. „Ich habe vor genau einem Jahr einen weiteren Sohn bekommen. Also, wenn die beiden sich genug ausgetobt haben, verschwinden wir wieder und ihr könnt euren Urlaub genießen. Das Hotel auf Maui haben wir storniert und ich hoffe, ihr verbringt hier ein paar schöne Tage. Einen Kilometer weiter habt ihr einen Privatstrand, der vollkommen einsam liegt und Tajo kann sich hier wandeln, wie er möchte. Der Kühlschrank und die Speisekammer ist voll, euch wird niemand stören.“ Sie tätschelte kurz Marcs Knie, der erschöpft in die Kissen sank. Was für eine Familie! Bei ihnen war man wirklich vor keiner Überraschung sicher.

„Jonathan! Tajo!“, brüllte Linda neben ihm plötzlich los und Marc zuckte zusammen. „Hört auf, zu spielen! Ich will vor der Dunkelheit wieder in Honolulu sein!“

Jon schoss augenblicklich, etwas zerzaust und noch immer in seiner Löwengestalt, aus dem Haus und hastete die Treppe hinunter. Tajo folgte direkt hinter ihm, blieb jedoch auf der Veranda stehen und brüllte seinem Bruder hinterher, sodass Marc sich die Ohren zuhalten musste.

Mit vielen Umarmungen verabschiedete sich der fröhliche Rest der Familie von ihnen, bestieg zwei Mietwagen und ließ sie dann allein. Erst jetzt verwandelte sich Tajo zurück und ließ sich abgekämpft und nackt, wie er war, auf die Hollywoodschaukel fallen.

„Wenn du so eine Familie hast, brauchst du keine Feinde mehr“, brummte er, fing dann aber an, aus vollem Hals zu lachen. Marc stimmte mit ein und setzte sich zu seinem Freund. Sofort schlang Tajo die Arme um ihn und zog ihn an sich. Als ihr Heiterkeitsausbruch langsam verebbte, schwiegen beide lange und genossen die Ruhe und die Stille, die die beginnende Abenddämmerung mit sich brachte.

„Das hat Spaß gemacht“, gab Tajo nach einer Weile zu.

Marc schmunzelte. „Was denn? Die vorgetäuschte Entführung, die Jagd und die Wanderung – oder dass du Jon mal wieder so richtig vermöbeln durftest?“

Tajo lachte entspannt auf. „Alles. Aber ein schöneres Geschenk hätten sie uns nicht machen können.“

„Dieses Haus? Oder dass du dich hier verwandeln kannst, wenn du es möchtest?“, fragte Marc träge nach. Die Ruhe und die Wärme des Körpers neben ihm lullten ihn ein und er war sich plötzlich bewusst, wie müde er war.

„Nein, eigentlich meine ich diese Hollywoodschaukel. Ist zwar ein amerikanisches Modell – aber an was erinnert mich das bloß?“, neckte Tajo, legte die Beine hoch und zog Marc auf sich.

Schlagartig waren Marcs Lebensgeister wieder geweckt. Er grinste und schob sich küssend an Tajos Oberkörper nach unten.

„Ich kann deinem Gedächtnis gerne ein wenig auf die Sprünge helfen“, murmelte er leise und Tajo fauchte, als Marcs Lippen seinen Schaft fest umschlossen.

 

 

***ENDE***

 

 

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Blake Heartland: Piña Colada für Anna

(George & Aljoscha, »What a Nice Day for a White Wedding«)

 

Ein Liebesurlaub, das soll es sein, warum George mit Aljoscha in das Waikiki Beach Resort reist. Georges Sorgen, Aljoschas eigenartiges Verhalten und ein wirklich schlechter Start mit einigen Hindernissen, lassen das Ziel in weite Ferne rücken. Kann das noch gut gehen?

 

Seufzend lehne ich mich auf der Strandliege zurück und schaue in den Himmel, wo ein paar Zuckerwattewolken über das ansonsten makellos strahlende Blau ziehen.

Ich versuche mich zu entspannen und in den Wolken Formen zu erkennen, so wie wir es als Kinder taten. Ich bin in einem kleinen schottischen Dorf geboren und aufgewachsen. Damals haben meine Geschwister und ich uns auf einen der grünen Hügel in der Nähe des kleinen Dorfes gelegt und aus den Wolken Drachen, Burgen, Autos oder Elefanten werden lassen. Das war schön, ist eine der positiven Erinnerungen. Ich werde niemals mehr dorthin zurückkehren und auch meine zwei Schwestern und meinen Bruder nie wiedersehen. Das verhagelt mir diese Erinnerung und auch zugleich die angestrebte Entspannung.

Meine sexuelle Orientierung kam in der Heimat nicht sonderlich gut an. Weder unter den Dorfbewohnern, noch bei unserem streng katholischen Vater. Also hat mein 16jähriges grün und blau geprügeltes Ich, mit frisch gebrochener Nase, eines Tages fluchtartig das Elternhaus verlassen, bevor der Dorfmob die aufgekommene Idee, dass eine Kastration meine widerwertigen Gelüste beenden würde, in die Tat umsetzen konnte.

Ich versuche wieder die Wolken zu fixieren und die Gedanken an damals abzuschmeißen. Zurück ins Hier und Jetzt, ich habe es geschafft, also was soll ich mich jetzt mit Melancholie abgeben. Ich bin doch eigentlich glücklich.

Eigentlich.

Seufzend gebe ich es auf, am Himmel irgendwas zu erkennen. Meine kindliche Fantasie ist wohl tot. Schon lange.

Also richte ich den Blick auf die Umgebung. Wir sind das erste Mal gemeinsam in den Urlaub geflogen. Und nicht mal eben nach Mallorca, nein, es musste gleich einmal ans andere Ende der Welt sein. Ist auf meinem Mist gewachsen.

„Waikiki Beach Resort“ heißt unser All-Inclusive-Domizil für die nächsten 10 Tage. Eigentlich sollte das hier ein Liebesurlaub werden. Doch ich habe langsam eher das Gefühl, dass es ein Trennungsurlaub wird.

Das Plastik der Armlehne knackt verdächtig unter meiner Hand und ich merke, dass ich anstatt zu relaxen, meine Finger krampfartig verspanne.

Aber wie soll ich mich auch entspannen? Ich will ihn nicht verlieren. Ich liebe ihn!

Klar, er ist schon speziell. Er eckt gerne an und nimmt nie ein Blatt vor den Mund, ist manchmal durchtrieben und ein kleiner Badboy. Ich kann auch nicht hinter allem stehen, was er so treibt. Doch er holt mich mit seiner Art aus meinem Schneckenhaus, aus dieser Biederkeit, die irgendwie noch ein Überbleibsel der streng katholischen Erziehung ist. Er färbt auf mich ab. So wie ich auch auf ihn, denn er ist bei Weitem nicht mehr so schlimm wie früher, wenn ich den Stimmen aus unserer Umgebung glauben darf.

In letzter Zeit habe ich aber das Gefühl, dass er nicht mehr glücklich mit mir ist. Ob er mich liebt? Ich weiß es nicht. Sein Herz gehört vielleicht immer noch seinem besten Freund. Nur ist Kai ist mit Luis verheiratet und liebt diesen abgöttisch.

Als wir uns vor einem halben Jahr auf Luis und Kais Hochzeit kennengelernt haben, war es für mich Liebe auf den zweiten Blick, denn auf den ersten Blick war Aljoscha der Teufel persönlich. Bei der Erinnerung muss ich einfach lächeln. Wie er sich damals neben mich gesetzt hat, in seinem schwarzen Anzug, mit dem schwarzen Hemd, den schwarzen wild gestylten Haaren und der Totenkopfkrawatte. Selbst die Piercingringe in seiner Unterlippe waren schwarz. Der einzige leuchtende Farbfleck an ihm waren seine strahlend blauen Augen, in denen der Schalk blitzte. Und mit seinem losen Mundwerk hat er mich auch gleich in Verlegenheit gebracht.

Auf den zweiten Blick offenbarte sich der Typ hinter der Badboy-Fassade und zum Vorschein kam Joschi, in den ich mich einfach nur noch verlieben konnte. Und mit der Unterstützung von einer Menge Scotch, ging es plötzlich ziemlich schnell und wir landeten im Bett. Am nächsten Morgen war für mich sofort klar, dass ich ihn nie wieder gehen lassen wollte und auch nicht konnte.

Allerdings habe ich es nicht so mit den offenen Worten und den großen Gefühlsbekundungen. Es fiel mir damals schon schwer, ihm zu sagen, dass ich mehr will. Ich hab es irgendwie geschafft, weil ich vor der Alternative, ihn nicht zu kriegen, noch größeren Bammel hatte.

Ab dem Zeitpunkt lief es wie in einem Traum ab. Wir sahen uns täglich, verbrachten jede Nacht zusammen, ich lernte seine Mutter kennen. Alles war selbstverständlich, ging von alleine seinen Weg, ohne, dass wir großartig darüber reden mussten. Klar haben wir beide auch so unsere Macken. Ich bekreuzige mich vor dem Essen, obwohl ich schon vor langer Zeit aufgehört habe zu beten. Es ist ein nerviger Automatismus, antrainiert von Geburt an, den Joschi hasst, aber es meistens stillschweigend ignoriert. Dafür versuche ich sein Faible für Max Herre mit dem Lied „Anna“ zu ignorieren, der inzwischen sowohl das Autoradio als auch Joschis Handy musikalisch beherrscht. Wieso es ausgerechnet dieser deutschsprachige Song, der sonst gar nicht zu seinem Geschmack passt, sein muss, ist mir ein nerviges Rätsel. Solche Dinge taten unserer Gemeinsamkeit bisher jedoch keinen Abbruch.

Unsere Beziehung war einfach harmonisch und perfekt, bis vor einem Monat. Irgendwas hat sich da geändert und ich weiß einfach nicht was. Wir schliefen immer noch jede Nacht nebeneinander und auch miteinander, entweder bei ihm oder bei mir. Wir verbrachten jede freie Minute zusammen. Aber da war etwas. Mein schwarzer Engel war unzufrieden. Nur warum?

Mein Plan: ein gemeinsamer Urlaub, vielleicht war der Alltag dran schuld. Also habe ich für uns beide diesen All-Inclusive-Aufenthalt im Waikiki Beach Resort gebucht. Als ich Joschi die Unterlagen gezeigt habe, schien er sich zu freuen. Nach dem Abend bis zu unserer Abreise blieb Joschis Unzufriedenheit. Er versuchte es zu verbergen, aber ich konnte es spüren. Ob es ihm nicht reichte, dass ich ihn liebte? Er nannte mich nicht mehr Georgi. So wie er es sonst immer getan hatte.

Wieder entkommt mir ein Seufzer und die aufgetakelte Blondine zwei Liegestühle weiter wirft mir einen abschätzenden Seitenblick zu. Schnell wende ich meinen Blick ab. Ich habe keine Lust, mich eines Flirtversuches zu erwehren. Joschi hätte daran seine helle Freude, würde ihr irgendwas Bösartiges an den Kopf werfen und mir dann die Zunge in den Hals stecken, um sie zu schockieren.

Joschi. Was läuft nur falsch?

Ich hatte so viele Hoffnungen in diese Reise gesetzt, aber bisher ist alles schief gegangen, was nur möglich ist.

 

Gestern bin ich mit meinem gepackten Koffer zu Joschi gefahren, habe bei ihm übernachtet, damit wir heute Morgen gemeinsam zum Flughafen aufbrechen konnten. Ich weiß, dass Joschi morgens seine Zeit braucht, um mit dem Tag klar zu kommen. Umso früher der Tag, desto mehr Zeit braucht er. Heute war es sehr früh. Besser gesagt: Es hätte sehr früh sein müssen, um 5 Uhr. Aber Aljoscha’s Handywecker mit ‚Anna‘ hat nicht geklingelt. Irgendwann bin ich von einem Poltern im Hausflur aufgewacht, da war es dann schon 6:30 Uhr.

„Oh Shit! Wake up! We’re fucking late!“ Mit diesen liebevollen Worten habe ich Aljoscha geweckt und an der Schulter gerüttelt. Damit war der Tag vorerst schon mal gelaufen.

Für jedes weitere Wort wurde ich angeknurrt.

Besser wurde es erst, als wir am Flughafen soweit eingecheckt und ich ihm einen großen Becher Kaffee geholt hatte.

Der Flug verlief einigermaßen ereignislos, bis kurz vor der Landung. Leider hat ein kleiner Junge aus der Sitzreihe vor uns sein TetraPak etwas zu fest gedrückt. Bestimmt keine Absicht, aus meiner Sicht, doch für Joschi ... Jedenfalls hat die kleine Mistkröte Joschi von oben bis unten mit Kakao vollgespritzt. Alles auf seine schwarze Jeans und sein schwarzes Shirt.

Uh, war der angepisst. Ich hab ihn vorsichtshalber lieber bis zum Ende des Fluges festgehalten. Nach der Landung und der Ankunft in der Halle, hieß es dann auf das Gepäck warten, wobei Joschi dem Jungen immer wieder bitterböse Blicke zuwarf, so dass ich ihn auch hier noch am Handgelenk umklammert bei mir gehalten habe. Die Notwehr hätte ihm kein Richter abgekauft. Das lief so lange, bis der Junge mit seiner Familie die Gepäckhalle verlassen hatte.

Wir warteten weiterhin auf den Koffer von Joschi, doch der kam und kam nicht. Nachdem wirklich nur noch ein Gepäckstück auf dem Band seine Runden drehte und das nicht der von uns erwartete war, stand nach Auskunft am Schalter fest, dass Joschis Koffer heute auch nicht mehr kam. Wir waren auf Hawaii, der Koffer auf Haiti. Man versprach, den Koffer nach seiner Ankunft auf der richtigen Insel, in unser Hotel zu liefern, machte aber gleich die Einschränkung, dass das wohl etwas dauern würde.

Nach unserer Ankunft im Hotel bezogen wir erst mal den Bungalow. Aljoscha war mürrisch und bereit, dem Personal beim ersten falschen Wort, den Kopf abzureißen. Da er nicht den Rest des Tages in seinen verschmierten Kleidern verbringen wollte, bot ich ihm etwas von mir an. Das lehnte er allerdings konsequent ab, weil ihm meine Kleidung aus weißem T-Shirt und grauen Shorts zu farbenfroh war.

Ich muss bei dem Gedanken grinsen, wie er sich das weiße T-Shirt angehalten hatte, dass ihm viel zu weit und eben weiß war. Sein schockiertes Gesicht, ein Bild für die Götter. Er hat sich dann entschlossen sich ein paar neue Kleidungsstücke im Hotel-Shop zu besorgen, eben was in schwarz, natürlich.

Ich sollte hier am Pool auf ihn warten, dabei haben wollte er mich nicht.

Hier sitze ich nun schon seit einer Stunde. Viel Zeit zum Grübeln, was genau zwischen uns schief läuft und immer mehr in Schräglage gerät, so das Gefühl habe ich zumindest. Was habe ich nur falsch gemacht?

Seufzend sauge ich an dem Strohhalm meiner Piña Colada, die sich mit einem lauten Geräusch durch den Halm aus der Kokosnuss verabschiedet. Ich bin eigentlich eher der Whiskey- und Biertrinker, aber hier und heute passt so eine Cocktailplörre perfekt, süß und macht blau. Ich schaue mich nach dem Kellner um und begegne dabei wieder dem Blick dieser Blondine. Oh nein, diesen Augenaufschlag kenne und verabscheue ich. Sie hat mich als Opfer für eine Liaison auserkoren.

Sie schürzt ihre rotgeschminkten Lippen und ich erstarre wie das Reh im Scheinwerferlicht.

„Hallo, ich bin die Bunny …“, säuselt sie.

„Hallo Bunny! Und ich bin dein schlimmster Albtraum, wenn du noch mal versuchst, meinen Mann anzugraben!“, tönt Joschis Stimme laut und Unheil verkündend über den Poolbereich.

‚Mein Mann‘, denke ich überrascht und wende den Kopf in die Richtung, aus der die Stimme kommt. Nur kann ich das, was die Worte so laut verkündet haben, nicht erblicken. Schräg hinter meinem Liegestuhl steht ein ziemlich derangierter Kerl in einem knallbunten Hawaiihemd mit farblich akzentuierten Shorts. Zwar passen die Sachen von der Größe her, vermitteln aber nichts von der üblichen Macht meines schwarzen Engels.

„Es gab nichts in schwarz!“, zischt Aljoscha. Ihn scheint sein Erscheinungsbild auch völlig zu verstören, denn er hat wie ein keifendes Weib die Hände die Hüften gestemmt. Als ihm das bewusst wird, fallen seine Arme runter und steht mit geballten Fäusten da. Seine eigentliche Gelassenheit und Coolness scheint er mit den schwarzen Klamotten verloren zu haben.

So sieht das wohl auch Bunny, denn, entgegen dem Verhalten von Joschis sonstigen Opfern, begehrt sie noch einmal auf.

„Ach ja? Dein Mann? Ich seh‘ da keinen Ring an seinem Finger!“, giftet sie meinen schwarzen Engel an.

‚Pass auf, gleich macht er dich verbal platt, du Tussi!‘, denke ich und warte freudig auf die kommende Aljoscha-Attacke.

Aber es kommt keine.

Stattdessen sehe ich den Adamsapfel an Joschis Hals wild hüpfen. Seine Augen sind irgendwie glasig. Was ist denn mit ihm?

Neben mir vernehme ich ein leises Lachen von der blöden Bunny.

Ok, Zeit zu zeigen, was ich von meinem Badboy gelernt habe.

Ich greife nach Joschi, ziehe ihn auf meinen Schoß. Die Hand stecke ihm hinten in die Hose und zwicke ihn in die Pobacke. Joschi zuckt erschrocken zusammen.

„Jetzt hab ich seinen Ring auf meinem Finger! Und er passt perfekt, viel besser als so ne Muschi, in der man die ganze Hand verliert!“

Herausfordernd gucke ich Bunny an, die irgendwie die Farbe unter der Make-Up-Schicht verloren hat. Mit verbissener Miene rappelt sie sich auf und stöckelt zügig davon.

 

Ich kann mir ein fieses Grinsen nicht verkneifen.

Als ich meinen Kopf drehe, um mit Joschi unseren Erfolg über die Schnepfe zu feiern, erwartet mich aber nicht sein diabolisches Siegesgrinsen, sondern weit aufgerissene, leuchtend blaue Augen.

„Sugar, was ist denn?“, frage ich ihn und lasse meine Hand sanft über seine Backen gleiten. Langsam entspannt er sich unter meinem Streicheln und drückt mir seinen Knackhintern in die Hand. Auf seinem Gesicht bildet sich endlich ein Lächeln.

„Mann, Georgi, du hast echt dazu gelernt. Bald können wir als das potentielle Böse das Ressort unsicher machen.“

Seine Augen blitzen mich an, während er lächelt und dabei mit einer Hand beginnt, meinen Nacken zu kraulen. Mein schwarzer Engel weiß, wie sehr ich das mag.

Ich gerate in den Bann seiner Augen, wie immer, wenn er mich so ansieht. Das lässt mir das Gehirn und die Knie weich, dafür meinen Schwanz aber steinhart werden. Joschi kann es an seinem Oberschenkel spüren und sein Lächeln wird lasziv.

Gerade will ich mich an seinen wundervollen Lippen vergehen, als neben uns ein Räuspern erklingt. Ich blicke auf und auch Joschi dreht den Kopf. Vor uns steht ein Kellner, der mit einem Schmunzeln auf Joschis Hintern guckt, wo meine Hand unter dem Stoff ihre Streicheleinheiten verteilt. Zumindest bisher, denn ich hatte doch irgendwie vergessen, dass das hier ja ein öffentlicher Ort ist. Ich ziehe meine Hand aus Joschis Hose und der Blick des Kellners wandert von unten hoch zu unseren Gesichtern. Er hat den Anstand, leicht zu erröten. Wie nett.

„Would you like another Piña Colada or anything else to drink, Sir? And something for you, Sir?“, spricht er uns an. Eigentlich ist er ein echt hübscher Kerl, mit dem dunkleren Teint der Hawaiianer und einem strahlend weißen Lächeln. Seine Augen blitzen, während er uns abcheckt. Oh …

Joschi verkrampft sich plötzlich und krallt mir seine Finger, die mich eben noch gestreichelt haben, recht schmerzhaft ins Fleisch.

„No, thank you! And I mean: No, thank you! Clear?“, giftet mein Engel den armen Kellner an, der sich mit leicht entgleisten Gesichtszügen zurückzieht, während ich Schmerzen leide. Ich komme aber gar nicht erst dazu, mich aus Joschi‘s Griff zu winden, denn plötzlich stehe ich im Mittelpunkt seines kleinen apokalyptischen Ausbruchs.
„Seit wann trinkst du Piña Colada?“, fährt er mich an. Seine Augen funkeln mich unter den zusammengezogenen Brauen an und die Haare fallen ihm wirr ins Gesicht. Seine Finger krallen sich noch immer in meinen Nacken. Das wird schöne Abdrücke geben. Sind nicht die ersten blauen Flecken, die ich von Joschi kriege, aber es wären die ersten, die nicht beim wilden, hemmungslosen Sex entstanden sind.

Ich will ihn aber auch nicht gewaltsam von mir runterschubsen, also starte ich einen verbalen Versuch die Finger zu lockern.

„Sugar, was soll das? Du tust mir weh. Lass meinen Nacken los!“ Tatsächlich löst sich der Griff und Erkenntnis tritt in seine Augen, aber richtig runter gekommen ist er noch nicht.

„Warum trinkst du auf einmal Piña Colada? Sowas trinkst du doch sonst nie! Wegen dem Kellner? Bist du scharf auf ihn?“

Was? Das ist hier das Problem? Seit wann ist Aljoscha, der Badboy, eifersüchtig?

„Babe, was ist bloß mit dir? Wir sind im Urlaub, auf Hawaii, da hatte ich mal Bock auf die Cocktailplörre. Vernünftiges Bier gibt’s doch hier eh nicht“, versuche ich Joschi zu besänftigen und streichle ihm über den Rücken.

Das Gewitter in Joschis Gesichtszügen verzieht sich langsam, die Finger, die eben noch meinen Nacken misshandelt haben, streicheln nun tröstend darüber.

„Oh, ich … tut mir leid … dieser ganze Tag war eine absolute Katastrophe. Verschlafen, Gepäck weg, das Kakaoattentat, dieses Hemd … Es gab nichts Schwarzes … Nichts!“ Angewidert verzieht mein Schatz sein Gesicht und ich muss mir wirklich ein Lachen verkneifen.

„Oh Joschi, komm. Wir gehen in unseren Bungalow und legen uns ein bisschen hin. Kuscheln, schlafen, was gegen den Jet Leg tun. Und später gehen wir schön essen …“, ich kann seinen panischen Blick auf das Hemd sehen, „ … oder wir lassen uns etwas liefern?“ Und damit habe ich ihn. Er lächelt mich wieder an.

 

In unserem klimatisierten Bungalow angekommen, schält sich Joschi sofort aus den bunten Kleidern und auch aus dem weißen Slip. In Anbetracht seiner knackigen Kehrseite bleibt mir aber jede mögliche Neckerei im Hals stecken.

Aljoscha weiß genau, was er da mit mir treibt, das erkenne ich an seinem Blick, den er mir über die Schulter zuwirft. Aber ich kann an seiner Haltung auch erkennen, dass er total fertig ist.

Deshalb heißt es, sich zusammenreißen und kuscheln, mehr nicht.

Ich trete hinter ihn und drücke ihm die Lippen in den Nacken und bekomme dafür einen sehnsüchtigen Seufzer. Mit den Händen an seiner Taille, schiebe ich ihn in Richtung Bett, schlage die Decke zurück, schiebe meinen schwarzen Engel auf die Matratze und decke ihn zu. Schnell schlüpfe ich aus den eigenen Klamotten und kuschle mich fest an und schlinge meine Arme um ihn.

Mein Badboy.

Ich spüre, wie er langsam in den Schlaf gleitet, sein warmer Atem an meiner Brust. Ich bin irgendwie zu aufgewühlt. Die ganzen Sorgen, was mit Joschi los ist, warum er sich in dem letzten Monat so benommen hat und das, was heute so passiert ist, beschäftigen meinen Kopf.

Er hat mich vor dieser Bunny ‚Mein Mann‘ genannt. Das hat er noch nie. Mit ‚Mein Mann‘ ist mir ein warmes Gefühl durch den Bauch gekullert, genau wie jetzt.

Das klingt wirklich toll. Ich hab mir bisher selten diese Träumerei erlaubt, dass mein schwarzer Engel und ich zusammenziehen oder sogar heiraten, so wie Luis und Kai. Laut darüber reden würde ich nie, habe viel zu viel Angst, dass Aljoscha dann die Reißleine in unserer Beziehung zieht und sich vom Acker macht.

Wie es wohl wäre, mit Joschi gemeinsam jeden Tag den Alltag zu bestreiten? Nun gut, das tun wir ja eigentlich jetzt schon, schlafen ja nie getrennt und wachen immer miteinander auf. Aber es ist nicht unsere gemeinsame Wohnung.

Joschi und ich in so einem kleinen Häuschen, wie Luis und Kai? Vielleicht mit einem Hund? Verheiratet? So, wie Kai und Luis das gestalten, würde das bei uns bestimmt nicht ablaufen. Zumindest wäre wohl die gesamte Inneneinrichtung, wenn nicht sogar die Außenfarbe des Hauses schwarz. Bei dem Gedanken muss ich lächeln. Mein Babe liebt schwarz.

Was Luis mir erzählt hat, dass er und Kai wohl anstreben, Eltern zu werden, ein Kind zu adoptieren, dieses habe ich meinem Schatz wohlweislich verschwiegen. Aljoscha würde ausflippen und ich weiß nicht was anstellen. Dass Kai Luis geheiratet hat, ist bei ihm auch weiterhin ein Reizpunkt, weil er Kai wohl wirklich noch immer liebt.

Aber wenn er mich als ‚Mein Mann‘ bezeichnet, dann habe ich doch irgendwo auch ein Plätzchen in seinem Herzen ergattert oder?

Gott, manchmal wünschte ich mir, ich wäre eine Frau. Nicht wegen dem Geschlecht an sich, um Gottes willen. Aber Frauen, die reden einfach drauf los. Das, was Männer an zu wenig Konversation betreiben, betreiben sie dreifach zu viel. Sie halten mit ihren Gedanken und Gefühlen aber eben nicht hinter dem Berg, egal wie wenig das Gegenüber von der Logik der Frau versteht.

Langsam spüre ich, wie auch mich die Müdigkeit überkommt, seine Nähe - die Nähe meines Mannes - mich beruhigt und ablenkt. Sein ruhig gehender Atem, seine Haut an meiner, meine Gedankengänge werden schwerer, kommen irgendwann ganz zum Erliegen und mein Körper und mein Geist sind nur noch auf meinen Engel ausgerichtet.

Heiß! Es ist so heiß!

Hitze holt mich zurück aus dem Schlummerland. Ich versuche, mich zu bewegen und der Sauna zu entkommen, doch es geht nicht. Ich bin eingeklemmt.

Langsam komme ich wieder im Hier und Jetzt an, spüre heißen Atem an meinem Hals, schnaufend und unregelmäßig. Mir wird bewusst, dass ich wirklich eingequetscht bin und zwar von Joschi. Der liegt halb auf mir, hält mich mit beiden Armen und Beinen fest umklammert. Wirklich fest. Wie hat er es geschafft, mich im Schlaf derart zu recht zu ruckeln, dass er einen Arm und ein Bein unter meinem Körper durchgekriegt hat, ohne mich zu wecken?

Das Schnaufen an meinem Hals wird stärker, die Umklammerung noch fester und ein wimmernder Laut kommt von meinem Engel.

Schlagartig bin ich hellwach. Ich reiße die Augen auf und drehe den Kopf, um Joschi ins Gesicht sehen zu können. Die Augen sind geschlossen, sein Gesicht ist im Schlaf verzogen, wirkt panisch und schmerzerfüllt.

Wieder wimmert er und ich kann meinen Namen heraus hören. Von was träumt er bloß?

Endlich kriege ich meinen Arm halbwegs befreit, sodass ich über seine Seite streicheln kann.

„Schsch, Sugar, alles ist gut, komm wach auf“, versuche ich, ihn mit leiser Stimme zu beruhigen, schaffe es, ihm mit etwas Verrenkung einen Kuss auf seine Stirn zu drücken.

Langsam wird er ruhiger, aus der Umklammerung wird ein Anschmiegen, nicht mehr hartes Quetschen, sondern ein Anpassen an meine Konturen.

„Wovon träumst du bloß, Sugar?“, raune ich ihm zu. Ich kann mich wieder freier bewegen, mich auch an ihn schmiegen und meine Streicheleinheiten großzügiger über seinen Körper verteilen.

Mein schwarzer Engel öffnet seine Augen und blickt mich unverwandt an. Es liegt noch Schmerz in seinem Blick, dann wird er klar.

„Georgi“, flüstert er. Seine Augen! Sie sind nicht wie sonst, er wirkt so verletzlich. Bevor ich aber auch nur ein Wort sagen kann, liegen seine Lippen auf meinen und fordern Zuwendung. Dieser Kuss ist pure Gier und Verzweiflung. Ich muss ihn erwidern, denn mein Mann braucht mich. Nie könnte ich zu ihm ‚Nein‘ sagen.

Ungestüm schiebt Joschi sich komplett auf mich, presst mich mit seinem Gewicht in die Matratze. Seine Zunge drängt sich bestimmend in meinem Mund. Er schiebt seine Arme unter meinen Achseln durch und legt mir eine Hand in den Nacken, die andere krallt sich in meine Schulter. Ein Bein drückt er zwischen meine, reibt seinen Oberkörper über meinen, so dass meine Brusthaare über seine Haut raspeln. Zwischen uns passt nicht mal ein Tropfen Schweiß, so fest und eng schmiegt sich Joschi an mich. Es ist als versucht er, in mich hineinzukriechen. Aber da ist er ja schon, unter der Haut, tief in meinem Herzen.

In meinem Inneren regt sich nicht nur Geilheit, die mir das Blut nach unten jagt, sondern mein Herz hämmert schwer, schnell und ziehend in der Brust. Ich liebe ihn so sehr. Und diese Verzweiflung, die ich glaube bei ihm zu spüren, reißt an mir, wühlt mich auf.

Ich will, dass er in mich hinein kriecht, will so sehr eins mit ihm sein, ihn nie mehr loslassen. Auch mich packt es und ich schlinge meine Arme hart um ihn, packe mit einer Hand fest seinen Rücken, mit der anderen seinen Hintern, presse mit aller Kraft.

Es schmerzt. Aber wir scheinen es beide zu brauchen, den Schmerz und das Bewusstsein, den anderen zu spüren.

Plötzlich löst Joschi den Kuss, vergräbt sein Gesicht in meiner Halsbeuge und man hört nur noch unseren keuchenden Atem.

Dies ist der Moment, er muss es sein. Hier und jetzt muss es sein.

Noch immer keuchend und Joschi umklammernd, sage ich ihm, was mir schon seit unserer ersten Nacht durch mein Herz schwirrt:

„Sugar, ich liebe dich. So sehr und ich würde alles für dich tun, bitte verlass mich nicht. Niemals. Ich möchte mit dir zusammen alt werden, immer neben und mit dir einschlafen und auch aufwachen. Ich möchte immer deine strahlenden Augen sehen, wenn du lachst und deine kleinen Bosheiten verteilst. Ich weiß, du findest das Leben von Luis und Kai total kitschig, aber ich möchte auch sowas, will dich überall als meinen Mann vorstellen, mit Ring am Finger und gemeinsamen Heim. Ich liebe dich …“ Die Worte sprudeln nur so aus meinem Mund, ich kann sie nicht aufhalten, das Herz hat das Kommando übernommen, während der Verstand händeringend um Gnade fleht, dass ich mit meinen Worten nicht alles zerstöre.

Schweigen legt sich nach meinem Ausbruch über den Raum, selbst unser Atmen kann man nicht hören, denn wir halten beide die Luft an.

Ich glaube, sogar mein Herz hat aufgehört zu schlagen. Endlich regt sich Joschi. Ein ziemlich unerotisches Nasehochziehen erklingt, bevor er den Kopf hebt und mich mit verschwommenen blauen Augen anblickt. Tränen! Ich habe noch nie Tränen in seinen Augen gesehen!

„Ehrlich wahr, Mann?“, krächzt er, seine Mundwinkel zucken und seine Finger streicheln mich.

Wow, er macht einen Scherz? Jetzt?

„Ernsthaft? Jetzt in diesem Moment musst du einen auf Max aus dem Schoß der Kolchose machen?“, frage ich ihn verwirrt. Ich schmeiße ihm mein Herz zu Füßen und er kommt mir mit so etwas.

„Ja, siehe da: Joschi ist ein Georgi-Fan!“, erwidert er und beginnt leise zu lachen, steigert sich, bis er bei einem herzhaften lauten Lachen angekommen ist, welches mich verstört und doch gleichzeitig fasziniert. Er strahlt so viel Glück dabei aus.

Langsam beruhigt er sich und blickt mich wieder ernst an.

„Meinst du das ernst, was du gesagt hast? Ich hoffe es, denn ich liebe dich auch. Und das ist so verdammt hart für mich. Ich will plötzlich all diese superkitschigen Sachen machen, wie Händchen haltend über eine Blumenwiese laufen und Gänseblümchen pflücken, aber nur mit dir. In meiner Fantasie kuscheln wir in weißen Satinbettlaken. Verstehst du? Weiß! Das ist sowas von gegen meine Art. Aber ich kann nicht anders. Ich liebe dich und ich will mit dir eine Zukunft, gemeinsam, kitschig wie bei Kai und Luis … aber doch eher auf die Georgi und Joschi Art.“ Er windet sich aus meinen Armen und setzt sich so auf meinen Schoß, dass er seinen Schwanz an meinem reiben kann.

„Und was soll das mit dem Lied?“, frage ich noch nicht ganz Herr meiner Gefühle, die in Anbetracht von Joschis kreisenden Hüften auch gleich wieder mit meinem Verstand entgleiten wollen.

„Schatz, du bist meine Anna. Irgendwie. Immer, wenn ich das Lied höre, muss ich an dich denken. Denn es ist so, wie er es singt: ‚Immer, wenn es regnet, muss ich an dich denken, wie wir uns begegnet sind, kann mich nicht ablenken … um uns war es laut und wir kamen uns nah …‘ Es hat damals den ganzen Tag geregnet und gewittert, als Luis und Kai geheiratet haben, erinnerst du dich. Kaum komme ich bei der Feier an, alles vorbei und die Sonne scheint. Und erst dachte ich: Alles am Arsch, also saufen und kotzen. Und dann habe ich dich kennengelernt. Viele der Textelemente lassen mich immer wieder an dich denken, genau wie Regen. Du bist für mich mein Ein und Alles. Ich will dieses kitschige kleine Vorstadtleben mit dir führen, vielleicht sogar so ein Katzenvieh anschaffen.

Das brennt mir schon so lange auf dem Herzen und ich hatte solche Angst, dass du mich auslachst, wenn ich dir das sage, weil … das hat nicht mehr viel mit dem Badboy zu tun, den du kennengelernt hast.“

Meine Haut kribbelt, es ist wie damals, als ich mich auf den zweiten Blick in ihn verliebt habe. In meinem Hals steckt ein Kloß, an dem ich nur schwer die Worte vorbei gepresst bekomme.

„Und deswegen läuft dieses Lied ständig im Auto und als Klingelton auf deinem Handy?“, krächze ich.

„Ja natürlich! Glaubst du, wenn es nicht irgendeine Bedeutung für mich hätte, würde ich mir so ein HipHop-Gedönse anhören?“

Nein, das würde er im Leben nicht tun. Aber, dass er gerade mit diesem Lied einen Bezug zu unserem Kennenlernen und zu mir herstellt, da wäre ich im niemals drauf gekommen. Ich war einfach genervt, dass mich dieses ‚Du bist von hinten wie von vorne: A N N A‘ überall beschallt hat.

Aber ich bin seine Anna?

Er scheint die Frage in meinen Gedanken gelesen zu haben.

„Ja, du bist meine Anna, auch wenn du vorne einen geilen Schwanz und hinten einen geilen Arsch hast“, kommentiert er und grinst. Da ist mein böser Junge wieder. „Nein, irgendwie drückt das Lied das aus, was ich fühle. Meine Liebe für dich von Null auf Hundert. Aber auch meine Angst, dass, wenn der Bus kommt, du mich einfach verlässt.“

Mein Geist rattert. Ist es das? Das Problem, dass ihn in der letzten Zeit so bedrückt hat, dass er versucht hat, vor mir zu verstecken? Die Angst, dass ich ihn nicht liebe und ihn einfach verlasse, wenn ein anderer auftaucht? Ich muss wieder an Bunny und auch an den Kellner denken. Eifersucht und Angst, dass ich darauf eingehe, das hat ihn aus der Fasson gebracht?

„Aber Joschi, ich liebe dich. Und ich weiß bereits seit unserem ersten Abend damals an der Bar, dass hinter der Badboy-Fassade noch dein normales Ich hockt, denn in dieses habe ich mich verliebt. Verstehst du? Ich liebe beide Seiten von dir und für mich gibt es keinen anderen. Niemals.“

Bei meinen Worten streichle ich ihm die Brust, über die ausgeprägten Muskeln unter der glatten weichen Haut. Mein Joschi ist ein wunderschöner Mann und genauso will ich ihn auch allen vorstellen. Ja.

Seine blauen Augen blicken mich an, die schwarzen Haare sind wild verstrubbelt und auf seinem schönen Mund liegt dieses Lächeln. Das Lächeln, welches er nur für mich reserviert hat, für niemanden sonst. Nicht einmal Kai lächelt er so an.

„Aljoscha Schmitz, willst du mich heiraten?“ Hoppla, das ist jetzt so aus mir raus geplatzt. „Ich mein, nicht jetzt sofort, also … wir sollten schon erst mal vielleicht zusammen ziehen und das mit der Katze … Obwohl, ich mag Hunde lieber … Ich mein, irgendwann vielleicht mal später!“. Die Angst, zu viel zu fordern ist weiterhin da, trotz dem ich nun weiß, dass er mich liebt. Mein Herz rast.

Die vorher vor Schreck geweiteten Augen strahlen mich wieder an. Langsam lässt sich Joschi auf meinen Oberkörper sinken. Kurz bevor sich unsere Lippen berühren, flüstert er: „Ja, ich will!“

Ganz weich und sanft legen sich seine Lippen meine, während wir uns tief in die Augen sehen. Alle Härchen auf meiner Haut richten sich auf, ein Schauer überläuft mich. Das pure Glück. Ich hab es in den Armen.

Als ich seine Zunge zwischen meinen Lippen und seine Hand im Schritt fühle, fallen mir die Augen zu.

„Dann wird dieser Urlaub doch noch ein richtiger Liebesurlaub …“, nuschle ich nur für mich, aber er hat mich gehört.

„Oh ja, das wird es, oh du meine Anna“, erwidert er und beginnt mit einer ziemlich anregenden Massage. Mein Blut sackt runter und …

Verdammt, ich will das hier genießen und euch nicht alles erzählen …

Also raus hier!

Mein schwarzer Engel und ich wollen jetzt unseren Liebesurlaub starten. Mit einer heißen Nummer, ohne Zuschauer.

Geht und guckt, was die Anderen so treiben!

Hurry up!

Ende

 

 

Neugierig, wie George und Aljoscha sich kennengelernt haben? Diese Geschichte findest du hier: http://www.bookrix.de/_ebook-blake-heartland-what-a-nice-day-for-a-white-wedding/
Noch mehr Lesestoff gibt es hier: http://www.bookrix.de/-rg7bde5f04fed25/

 

 

Cat T. Mad: Ein Koffer auf Abwegen

(Rhys & Nash, Cumberland-Reihe)

 

Es war kalt, eng und ausgesprochen ungemütlich. Er versuchte seine Position etwas zu ändern, doch es war zum Scheitern verurteilt. Umzingelt und eingepfercht von seinesgleichen musste er in dieser unangenehmen Stellung verharren. Sein letzter Flug lag Ewigkeiten zurück, das spürte er deutlich. Er seufzte leise und dachte an die Turteltäubchen, die eine Etage über ihm waren. Rhys Cumberland und Nash Flemming. Wobei, Turteltäubchen traf es nicht so ganz. Der Vergleich mit Kaninchen schien ihm passender. Er schnaufte. Wie lange waren die beiden ein Paar? Zwei oder doch schon drei Jahre? Er wusste es nicht genau, was er jedoch wusste, war, dass sie nach wie vor jede Möglichkeit nutzten, um übereinander herzufallen. Wie die Karnickel eben. Er hatte Ewigkeiten in einer Scheune gestanden, in der sich unter anderem diese langohrigen Tiere befanden. Der Vergleich hatte also durchaus seine Berechtigung. Leise murrend nahm er einen weiteren Anlauf, um sich in eine bequemere Lage zu bringen. Es gelang ihm wieder nicht. Er grübelte, wie lange er hier schon eingesperrt war. Es fühlte sich nach Jahren an, dabei waren es nur wenige Stunden. Wenn sein Zeitgefühl ihn nicht völlig täuschte, dann müssten sie demnächst zur Landung ansetzen. Frische Luft, blauer Himmel, Palmen, Strand und jede Menge Sonnenschein. Hawaii. Dort war er noch nie gewesen. Er freute sich darauf. Das Schild an seinem Griff besagte, dass Rhys und Nash im Merila Waikiki Beach Resort & Spa wohnen würden. Obwohl er schon so viele Jahre auf dem Leder hatte, konnte er ein wenig Nervosität nicht leugnen.

 

An die erste Zeit seiner Existenz bestanden keine Erinnerungen. Diese komische Frau in New Orleans, mit all den Knochen und merkwürdigen Dingen hatte dafür gesorgt, dass er von heute auf morgen einen Verstand besaß. Das war nun bereits mehr als fünfzig Jahre her. Turbulente fünfzig Jahre. Seit Nash ihn auf einem Flohmarkt gekauft hatte, war es jedoch auch nicht langweilig geworden. Er wurde regelmäßig mit Sachen gefüllt und es ging auf Geister- und Dämonenjagd. Meistens war Cumberland mit dabei. Dieses Mal war er allerdings gepackt worden, weil sie Urlaub machen wollten.

 

Das Flugzeug wurde durchgerüttelt, sodass ihm mulmig wurde. Keinem hier erging es wie ihm. Er war umgeben von seelenlosen Dingern aus Hartplastik, Kunststoff oder was auch immer. Hoffentlich würde der Flieger bald am Ziel ankommen.

 

 

 

Sein Ächzen blieb ungehört, als er auf eine Pritsche geworfen wurde. Wenige Minuten später und ausgesprochen gebeutelt fand er sich auf einem Gepäckband wieder. Er hasste diese Karussellfahrerei und hoffte, dass Nash ihn jeden Moment erlöste. Koffer entdeckte den ehemaligen Dämonen bereits, doch statt sich auf ihn und das vorbeigleitende Gepäck zu konzentrieren, hatte der Mann mal wieder nur Augen für seinen Partner. Er seufzte leise. Wahrscheinlich würde er hier ewig im Kreis fahren, nur weil Nash seiner besseren Hälfte anzügliche Flausen in den Kopf setzte. So etwas machte der Kerl ständig. Er wackelte mit den Augenbrauen, flüsterte Dinge und schaffte es innerhalb von Sekunden, dass Cumberland über ihn herfiel.

»Unser Gepäck.«

Koffer wurde hellhörig, denn es war Rhys‘ Stimme, die er vernahm. Musste er etwa doch keine Extrarunden drehen?

»Das läuft nicht weg«, schnurrte Nash hörbar.

»Du hast nicht vergessen, dass wir uns hier auf dem Flughafen befinden, oder?«

»Auch hier gibt es eine Toilette. Komm, verschwinde schnell mit mir!«

»Mpf«, murmelte Koffer ungehört. Er würde jeden Moment an den beiden vorbei sein und dann stand eine Extrarunde ins Haus. Es sei denn ...

Ein Vibrieren ging durch den großen Lederkoffer, anschließend fiel er mit einem lauten ‚Rums‘ vom Transportband.

»Oh!«

Nashs Ausruf verschaffte ihm Genugtuung. Einen Koffer wie ihn sollte man eben nicht ignorieren.

Der Mann schnappte ihn ächzend und stellte ihn neben sich ab. Anschließend wurden innerhalb von wenigen Minuten die anderen Gepäckstücke der beiden vom Band gepflückt. Er und seine leblosen Begleiter wurden auf einen Transportwagen gehievt und durch das Gebäude geschoben. Koffer schaute sich in aller Ruhe um und war dankbar, dass er nicht ganz unten lag, sondern den Platz oben bekommen hatte. Sie verließen das Flughafengebäude und er seufzte glücklich. Die Sonne schien, kein Wölkchen war am Himmel zu sehen und es waren mindestens dreißig Grad. Allerdings verflog das gute Gefühl schnell, als er von einem Fremden recht ruppig in einen Kofferraum verfrachtet wurde. Ächzend fluchte er über diese Lieblosigkeit, die ihm widerfuhr. Ein Gepäckstück landete unsanft auf ihm. Manchmal wünschte er sich, dass andere ihn hören könnten, dann würde er dem Taxifahrer jetzt eindeutig die Meinung sagen. So hingegen war er zum Schweigen und Erdulden verdonnert.

 

Der Wagen setzte sich in Bewegung und der Fahrstil spiegelte die Umgangsweise, die ihm gerade zuteilgeworden war. Das Auto holperte, bremste und fuhr so schnell an, dass er hin- und herrutschte, wie auf einem Boot bei unruhiger See.

 

Koffer stöhnte erleichtert, als die wilde Fahrt ein jähes Ende fand. Er hörte Autotüren schlagen, dann wurde die Klappe des Kofferraums aufgerissen. Es war Nash, der ihn aus seinem Gefängnis befreite. Das Gesicht des Mannes sah so angespannt aus, wie er sich fühlte.

»Unmöglich«, knurrte Nash leise. »Wo hat der seinen Führerschein gemacht?«

Das fragte Koffer sich auch, jedoch wurde er schnell durch ein Geräusch abgelenkt. War das etwa Meeresrauschen, was er da hörte? Ein wohliges Kribbeln breitete sich in ihm aus. Es würde bestimmt nicht mehr lange dauern, dann hätte Nash ihn ausgepackt und er konnte genauso Urlaub machen, wie die zwei Männer. Vielleicht würde er mit Glück die eine oder andere Palme zu sehen bekommen? Koffer seufzte, dann wurde er angehoben und in eine Hotelhalle getragen. Sein Blick glitt anerkennend über die noble Ausstattung. Hier brauchte er wohl nicht mit Angriffen durch Staub und Wollmäusen rechnen, denn es sah alles sauber und gepflegt aus.

 

Er hörte Cumberland etwas sagen, wurde jedoch abgelenkt, als man ihn auf einem Gepäckwagen verstaute. Kurz darauf kam er in den Genuss, das Meer zu sehen. Er wurde mit den anderen Taschen und Koffern einen schmalen Steinweg entlang gerollt. Vor einem kleinen, ausgesprochen edel aussehenden Bungalow stoppte sein Gefährt. Er war eindeutig im Paradies angekommen. Nun blieb nur noch zu hoffen, dass sein Besitzer ihn so hinstellen würde, dass er auch etwas von Hawaii hatte.

 

 

Koffer betrachtete seine Umgebung, als er in einem Raum abgestellt wurde, der das Wohnzimmer zu sein schien. Durch eine große gläserne Terrassentür konnte er nach draußen sehen. Dies war wirklich der Himmel auf Erden. Er bekam mit, wie dem Hotelangestellten ein Trinkgeld in die Hand gedrückt wurde, dann verzog sich der Mann. Die Türe war noch nicht einmal richtig ins Schloss gefallen, da klebte Nash schon an seinem Partner und küsste diesen leidenschaftlich. Hätte er Augen gehabt, so würde er diese rollen. Die Libido dieses Kerls war unfassbar.

»Wir sollten uns das Schlafzimmer ansehen«, säuselte Nash.

Doch soweit kamen sie gar nicht, denn Cumberland schien der Kuss gereicht zu haben, um auf Hochtouren zu kommen. »Hier und jetzt«, forderte der Detective mit rauer Stimme.

Koffer schnaufte innerlich, denn Nash kam dem Wunsch des Mannes umgehend nach. Sie nahmen sich nicht einmal die Zeit, um ihre Kleidung loszuwerden. Nash öffnete mit einem hörbaren Geräusch den Reißverschluss seiner Hose, grinste Rhys an und zog diese ein Stück hinab. Anschließend stützte er sich an der Tür des Bungalows ab und streckte dem Cop seinen Hintern entgegen. Koffer versuchte sich auf die Landschaft zu konzentrieren und nicht darauf, dass Rhys hinter dem anderen in die Knie ging.

»Ja, mach mich schön nass!«, stöhnte Nash lustvoll.

Koffers Leder legte sich an einigen Stellen in Falten. Da befanden sie sich im Paradies schlechthin und was taten die zwei? Das, was sie zu Hause ebenso ständig machten. Ficken, als wenn es nichts Wichtigeres gäbe.

Das Stöhnen wurde lauter, dann folgte ein Keuchen, das eindeutig von Cumberland kam. Koffer wagte einen Blick in die Richtung der beiden Männer. Diese waren inzwischen zur Sache gekommen. Während Nash sich anbot, hämmerte Rhys in ihn, als könne die Welt jeden Moment untergehen.

Zwei Kaninchen auf Hawaii.

 

 

Dreißig Minuten später wurde er endlich auf das Bett gelegt und geöffnet. Er hatte einen wunderbaren Ausblick und die ganze Kleidung loszuwerden, war ein weiterer Bonuspunkt. Stück für Stück wurde aus ihm rausgenommen und im Kleiderschrank verstaut. Rhys tat es bei seinem Gepäckstück ebenso. Während Nash jedoch noch mit auspacken beschäftigt war, versteckte der Cop seinen Hartschalenkoffer bereits im Schrank. Das sollte doch wohl hoffentlich nicht auch mit ihm passieren? Er flog nicht mit nach Hawaii, um in einem düsteren Kabuff zu enden! Nash hatte ihn noch nie irgendwo eingesperrt. Selbst zu Hause hatte er einen Platz auf dem Kleiderschrank und nicht innen.

»Deiner passt hier mit rein«, stellte Rhys in dieser Sekunde klar.

Koffer hasste ihn dafür. Er beäugte Nash und hoffte, dass dieser ihn wie immer behandeln würde.

»Meiner kommt unter das Bett. Wenn meine ganzen Schuhe noch in den Schrank kommen, ist da nicht mehr so viel Platz, das kannst du mir glauben.«

Koffer jubilierte. Unter dem Bett war ok, alles war ok, außer dem Holzknast.

»Und wenn er da geklaut wird?«, hörte er Cumberlands Einwand.

»Rhys. Wer klaut leere Koffer?«

»Man weiß ja nie!«

Nash schnaufte und schüttelte den Kopf. »Er kommt unter das Bett.« Der Mann schnappte sich seinen Kulturbeutel und stapfte ins Badezimmer davon.

Koffer, der gerade noch seinen Sieg feierte, spürte einen Blick auf sich. Er stellte seine Wahrnehmung um, sodass er Cumberland sah, der ihn mit schmalen Augen fixierte. Der Gesichtsausdruck versprach nichts Gutes. »Nash würde mich auslachen, wenn ich es ihm sage, aber ich könnte schwören, dass du uns beobachtest. Das Gefühl hatte ich zu Hause auch schon. Irgendetwas ...«

»Mit wem sprichst du da?«, erklang Nashs Stimme aus dem Bad.

»Selbstgespräche«, rief Rhys zurück, ohne Koffer jedoch aus dem Blick zu lassen. »Irgendwas stimmt nicht mit dir!«, flüsterte der Detective mit verschränkten Armen.

»Wollen wir zum Strand?«

Nash war aus dem Badezimmer gekommen und schenkte Rhys ein einnehmendes Lächeln.

»Gute Idee«, erwiderte der Bulle und war schneller zur Tür raus, als man es für möglich gehalten hätte.

 

Koffer stöhnte erleichtert, als sich die Tür schloss und er alleine war. Wie hatte Cumberland etwas bemerken können? Er verhielt sich so unauffällig, wie ein normales Gepäckstück. Das hoffte er zumindest. Seufzend konzentrierte er sich auf die Aussicht, die ihm durch die Terrassentür geboten wurde. Wenn er ein Mensch wäre, so gäbe es die Möglichkeit um Rhys einen Bogen zu machen, doch so musste er schicksalsergeben abwarten was passierte. Immerhin war es dem Cop anscheinend peinlich mit Nash darüber zu sprechen, nicht dass sein Besitzer noch auf dumme Ideen kam. Ihn verschenken, verkaufen oder Schlimmeres. Koffer ächzte leise und vibrierte leicht. An so etwas wollte er nicht einmal denken. Er schüttelte die Hirngespinste ab und konzentrierte sich auf die hölzerne Terrasse. Auf dieser standen zwei Strandliegen, die zum Anbeten der Sonne einluden, Stühle an einem Tisch sowie ein großer Sonnenschirm. Koffer träumte vor sich hin, wie es wäre im Schatten zu liegen und die warme Luft der Südsee auf seinem Leder zu spüren, dann döste er weg.

 

»Doch, der Typ war eindeutig scharf auf dich«, kicherte Nash und weckte Koffer aus seinen Träumen. Das Licht im Zimmer ging an und er musste schmunzeln. Nash hatte anscheinend den einen oder anderen Drink zu viel genossen, denn den ordentlichen Schwips sah man ihm nicht nur an der Nasenspitze an. Er schwankte leicht, als er sich auf das Bett zubewegte. Koffer stellte mit Entsetzen fest, dass es so aussah, als wenn der Mann sich einfach auf die Matratze fallen lassen würde. Bevor es jedoch zu der befürchteten Situation kommen konnte, zog Rhys ihn kurzerhand fort. Er schnaufte erleichtert. Obwohl Nash recht schlank war, er verzichtete dankend darauf, unter ihm begraben zu werden.

Nash rupfte fahrig an seiner Kleidung, um sich von ihr zu befreien. Dessen Blick verriet, wonach ihm der Sinn stand. Es war eindeutig nicht Schlaf, was er sich für die kommenden Minuten vorstellte.

»Komm zu mir«, raunte der Angeheiterte.

»Sofort«, erwiderte Rhys.

Koffer erwartete, dass er achtlos beiseite gestellt werden würde, oder aber, dass Rhys ihn, wie Nash es wollte, unter das Bett verfrachtete. Stattdessen ging der Cop mit ihm zielstrebig auf den Schrank zu. Er hätte sich gern mit Händen und Füßen gewehrt, doch so musste er damit Leben, neben der Hartschale zu landen. Rhys beugte sich zu ihm hinab und flüsterte: »So einfach ist das!«

Die Tür flog zu und Dunkelheit umfing ihn.

Als er den ersten Schreck verdaut hatte, verschlechterte sich seine Laune rasant. Die von außen hineindrängenden Geräusche machten es nicht besser, sondern im Gegenteil. Während Stöhnen den ganzen Bungalow durchflutete, brütete er vor sich hin. Wenn Rhys etwas gegen ihn hatte, würde er dann zu Hause ebenso einfach in einem Schrank landen? Womöglich auf dem Dachboden? Wer weiß, vielleicht würde Cumberland seinem Partner einen modernen Koffer kaufen und ihn entsorgen? Zur vorhandenen Wut gesellte sich Furcht. Er verfluchte die Frau, die ihm vor Jahren Verstand und Gefühle verpasst hatte.

 

Deutlich hörbar näherten die zwei Männer sich dem Höhepunkt, und während Nash laut verkündete, dass er kommt, brütete Koffer, was er tun sollte. Er lauschte, hörte wie sie ins Badezimmer gingen, anschließend drang das Geräusch einer Tür, die geöffnet wurde, zu ihm hinein. Ein Luftzug kam durch den Schrankschlitz. Es war eindeutig die Terrassentür, die geöffnet worden war. Nachdem Nash und Rhys sich einen Moment unterhalten hatten, kehrte schlagartig Ruhe ein. Er wartete noch geraume Zeit, bis er sicher sein konnte, dass die zwei eingeschlafen waren. Koffer ruckelte weiter nach vorne. Fluchend wünschte er sich, ein Haustier zu sein, das Pfoten besaß, um sich leichter fortzubewegen. Doch in seiner Wut schaffte er es auch so, die Tür des Schranks aufzubekommen. Er rutschte vorsichtig aus seinem Gefängnis.

Koffer blickte auf die Schlafenden. Erst betrachtete er Rhys und spürte wieder Wut in sich aufkommen, dann guckte er Nash an. Der Mann war immer gut mit ihm umgegangen und hatte ihn gepflegt sowie gehegt. Es war wohl absehbar, wenn Cumberland dazwischenfunkte. Sein Leder legte sich in Falten. Vielleicht würde Nash ihn aber auch gar nicht vermissen und er war für ihn ebenso nur ein ganz normales Gepäckstück, mit dem man einfach nur sorgfältig umging.

Koffer seufzte ungehört, entdeckte die geöffnete Tür zur Terrasse und beschloss, dass er seinen Urlaub auf Hawaii genießen würde, ehe man ihn zu Hause womöglich wegsperrte oder Schlimmeres.

 

 

»Wo hast du denn meinen Koffer hingeräumt?«

Er wachte auf, als Nashs Stimme durch die geöffnete Tür drang. Koffer rückte ein kleines Stück zurück. Hier würde ihn vorerst niemand finden. Unter der hölzernen Terrasse und dem Strand befand sich ein Abstand von knapp dreißig Zentimetern und dort hatte er es sich letzte Nacht bequem gemacht. Von hier aus konnte er perfekt das Meer und die Palmen sehen und war vor Regen geschützt.

»Ich habe ihn gestern Abend in den Schrank gestellt.«

»Da ist nur deiner!«

Koffer grinste zufrieden. Sollte Nash ihn ruhig vermissen, Rhys täte es wohl kaum.

»Komisch«, hörte er Cumberland sagen, doch es klang desinteressiert.

Er schnaufte. Diese Reaktion passte zu dem Cop und dass er ihn nicht leiden konnte.

»Was, warum guckst du mich so an?«, fragte Rhys perplex.

»Hast du ihn wirklich in den Schrank gestellt?«

»Nash, was ist denn das für eine Frage? Natürlich! Ich habe keine Ahnung, wohin der Koffer verschwunden ist. Wir ... wir haben die Terrassentür offen gelassen. Vielleicht war heute Nacht jemand ...«

»Und hat nur meinen Koffer geklaut, sonst nichts?«, knurrte Nash dazwischen. »Dass du ihn hässlich findest, ist mir schon klar, schließlich hast du ja vor dem Abflug probiert mir einen neuen zu kaufen. Aber ihn deshalb verschwinden lassen? Das hätte ich dir niemals zugetraut!«

Der Tonfall des ehemaligen Dämons klang sauer. Der Mann hatte also versucht ihn loszuwerden, soso. Dann war es ja ausgesprochen vorteilhaft, dass er sich verdrückt hatte.

»Nash! Ich habe deinen Koffer gestern Abend in den Schrank gestellt, so glaub mir doch! Was machst du wegen des Teils so einen Aufriss?«

»Ha! Da haben wir es! Er ist kein Teil! Ich hab also recht! Du findest ihn hässlich und deshalb ...«

»Ich habe neben dir geschlafen, falls du es vergessen haben solltest! Wahrscheinlich ist er abgehauen!«

Koffer wurde hellhörig. Hatte Cumberland gerade offen das zu Sprache gebracht, was er Nash gegenüber niemals äußern wollte?

»Klar, mein Koffer hat seine Sachen gepackt und ist ausgezogen. War gestern irgendetwas in deinem Drink, Rhys?«

Er hörte Cumberland geplagt stöhnen und ahnte, dass der Mann sich, wie oft passend zu diesem Geräusch durch die Haare strich. »Findest du deinen Koffer normal?«

»Öhm, so normal, wie man einen alten braunen Lederkoffer finden kann. Ich mag ihn, falls du das meinst. Er ist gut in Schuss und ist ein Charakterstück im Gegensatz zu diesen Plastikdingern. Außerdem hält er wesentlich mehr aus, als der moderne Kram.«

»Ich ...«, stotterte der sonst so selbstbewusste Rhys.

»Ja?«

»Ich habe das Gefühl, dass irgendwas nicht mit ihm stimmt«, platzte der Detective heraus.

Koffer hörte, wie Nash erst leise, dann immer lauter lachte. Mit so einer Reaktion hätte er niemals gerechnet. Dass Rhys ausgelacht wurde, verschaffte ihm ein schlechtes Gewissen und der Mann tat ihm leid.

»So, genug gescherzt, Rhys«, stellte Nash atemlos klar. »Jetzt sag mir, wo mein Koffer ist.«

»Ich weiß es nicht, verdammt noch mal. Weißt du, Nash, ich hab mir zwar gedacht, dass du mir vielleicht nicht glauben könntest, aber dass du mich auslachst ... Du müsstest doch wohl am besten wissen, dass es Dinge gibt, die nicht normal sind!«

Koffer hörte das laute Knallen einer Tür und ahnte, dass Cumberland den Bungalow verlassen hatte. Er wollte nicht, dass die zwei sich wegen ihm stritten. Gestern war er wirklich noch sauer auf Rhys gewesen, aber nun ... er zuckte, denn vor ihm tauchten Füße im Sand auf.

»Scheiße«, murrte Nash leise und setzte sich direkt auf den Holzboden, der sich über ihm befand.

Koffer blickte auf Fersen, die sich im Sand vergruben.

»Ich glaub, ich hab Mist gebaut.«

Er stimmte dem Mann zu. Auslachen war wirklich etwas, dass unterhalb der Gürtellinie ankam, vor allem, wo Rhys auch noch recht hatte. Er haderte nur einen Moment, dann sammelte er seine Kraft und rutschte ein gutes Stück nach vorne durch den Sand.

Ein Aufschrei erklang und die Füße verschwanden.

»Scheiße, was war das denn?«

Koffer grinste zufrieden und wartete ab, wie Nash sich nun verhalten würde. Er hörte eindeutig, wie der Mann sich über ihm neu positionierte. Sekunden später sah er blonde Haarsträhnen, dann linsten blaue Augen unter die Terrasse. Diese weiteten sich bei seinem Anblick.

»Also hat Rhys dich nur versteckt?«, fragte Nash stirnrunzelnd. »Aber ... ich versteh es nicht. Hat der Wind dich gerade nach vorne geschoben?«

Koffer zögerte eine Sekunde. Wenn er hier jetzt einfach liegen blieb und sich still verhielt, würde alles auf den Cop zurückfallen und es gäbe womöglich noch mehr Stress zwischen den beiden.

Er bewegte sich etwas nach links, dann wieder nach rechts. Das tat er mehrmals, sodass es wie ein Kopfschütteln aussah. Koffer sah, wie Nash ihn sprachlos und eindeutig überrascht anguckte.

»Rhys ... hatte recht?«

Ein Nicken brachte er nicht zustande, stattdessen rutschte Koffer langsam weiter nach vorne, damit er unter der Terrasse hervorkam. Nash beäugte ihn unterdessen, als wäre er ein Weltwunder.

»Ich fasse es nicht«, stammelte der Mann perplex. »Bist du etwa alleine getürmt? Ich ...« Nash brach ab, erklärte aber kurz darauf: »Ich würde mich wohl auch nicht gern in einen Schrank sperren lassen.«

Koffer hätte seine Seele dafür verkauft, um mit Nash sprechen zu können. Er seufzte leise, betrachtete die Terrasse und machte sich daran auf diese hinaufzukommen. Es war müßig sich im Sand zu bewegen. Er keuchte überrascht, als Nash ihn schnappte und neben sich abstellte.

»Da vorne kommen ein paar Touristen.«

Nash wartete, bis die Leute vorbeigegangen waren, dann spürte Koffer die neugierigen Blicke auf sich.

»Kannst du sprechen?«

Koffer bewegte sich wieder so, dass man es als ein Kopfschütteln deuten konnte.

»Schade«, seufzte der Mann, der es augenscheinlich richtig interpretiert hatte. Nash schwieg und beäugte ihn weiter.

»Oh, hat sich dein Lieblingsstück angefunden?«

Sie hatten beide nicht bemerkt, dass Rhys zurückgekommen war. Nash zuckte überrascht. Der Detective sah ausgesprochen wütend aus.

»Rhys ... ich ... es tut mir leid, ja? Ich wollte dich nicht auslachen.«

»Du hast es aber getan.«

»Es tut mir wirklich leid«, erklärte Nash ein weiteres Mal und schaute seinen Partner zerknirscht an. »Es klang komisch so etwas mal aus deinem Mund zu hören und dann ... ich hätte dich ernst nehmen sollen.«

»Woher kommt die Einsicht?«

Koffer spürte Nashs Blick auf sich ruhen. Dies wäre der richtige Zeitpunkt, um sich erneut zu outen, oder? Er bewegte sich und erntete ein überraschendes Zischen von Rhys. »Also hatte ich recht?«

Nash nickte. »Sieht so aus.«

»Entschuldigst du dich nur bei mir, weil du falsch gelegen hast?«

»Nein, das hätte ich auch so gemacht.«

Rhys setzte sich zu Nash und schaute neugierig auf den Koffer. »Und was machen wir jetzt mit ihm?«

Nash zuckte hilflos mit den Schultern. »Ich schätze mal, das was man immer mit einem Koffer macht? Mit ihm durch die Gegend reisen ... und ihn nicht in dunkle Schränke sperren«, erklärte er nicht ohne Schmunzeln.

Rhys lächelte schief. »Ich fühle mich beobachtet und wenn wir ... du weißt schon ... dann ist es, als ob jemand zuguckt.«

Koffer schnaufte und es gab tatsächlich ein kleines Geräusch, das dabei entstand. Vier Augen flogen überrascht zu ihm. Was sollte er nur tun? Er konnte schließlich nicht laut erklären, dass er gar nicht Zuschauer ihrer kaninchenähnlichen Anwandlungen werden wollte.

»Dann sollten wir vielleicht dafür sorgen, dass der Koffer in Zukunft einen schönen Platz bekommt, wo er uns nicht beim Sex zugucken kann«, erwiderte Nash und wackelte vielversprechend mit den Brauen.

Koffer fragte sich, ob er zu Hause nun doch in den Keller musste, schließlich trieben die zwei es so gut wie überall. Dann begannen die beiden sich zu küssen. Verflixt, ein Blick von dem Typen schien tatsächlich immer völlig zu genügen, um die Stimmung zu verändern.

»Lass uns reingehen, mir fallen noch ein paar Wege ein, wie ich mich gebührend bei dir entschuldigen kann«, lockte Nash und stand auf.

Er zog Rhys mit sich hinauf, dann griff er nach Koffer, um ihn mit hineinzunehmen. Er stöhnte geplagt. Es war schön hier draußen, er wollte nicht mit ins Schlafzimmer und den beiden zusehen.

Überraschenderweise ging Nash jedoch mit ihm durch den Schlafraum hindurch und brachte ihn ins Wohnzimmer. Er legte ihn direkt vor die dortige Terrassentür, anschließend öffnete er diese. Dann verschwand der Mann wieder und ließ die Tür hinter sich zufallen. Koffer freute sich. Der Ausblick war perfekt, die beiden hatten sich vertragen und er musste nicht mehr so tun, als wäre er genauso wie die anderen.

»Ich bin gespannt, was Margarite zu ihm sagen wird. Sie hat doch bestimmt auch von so etwas Ahnung«, hörte er Rhys feststellen.

Koffer keuchte. Margarite? War das nicht dieser sichtbar gewordene Geist der Frau, die ab und an um Cumberland und Nash herumwuselte. Die Frau, die immer irgendwas mit Kräutern, Hühnerdreck, Knochen und Schlimmerem veranstaltete? Er starrte auf die geöffnete Terrassentür. Vielleicht war es doch keine gute Idee bei den zweien zu bleiben.

»Ach, Rhys«, seufzte Nash. »Er hat dich bestimmt gehört. Diplomatie war noch nie deine Stärke, oder?«

Die Tür zum Schlafzimmer ging auf und Nash linste herein. »Margarite wird dir nichts tun und keinen Schaden zufügen, ja? Vielleicht weiß sie sogar, wie man dich sprechen lassen kann oder so. Also keine Sorge!«

Die Worte taten Koffer gut und nahmen ihm die Angst. Er blickte Nash genauer an und stellte fest, dass die Hose des Mannes bereits auf halb acht hing.

»Nash. Wiedergutmachung, erinnerst du dich daran?«, rief Cumberland.

Der Angesprochene zwinkerte ihm zu und verschwand wieder.

 

Gerade, als er sich ein weiteres Mal auf die wunderschöne Landschaft konzentrierte und auf den nun wirklich bevorstehenden Urlaub freute, drang ein langgezogenes Stöhnen zu ihm herüber.

Koffer brummte ungehalten. Wie die Karnickel. Aber immerhin Karnickel, die sich in Zukunft wohl um ihn kümmern würden.

 

- Ende -

 

Eine Übersicht der Geschichten von Cat T. Mad, unter anderem die von Rhys Cumberland und Nash Flemming, finden Sie auf www.catthemad.de

 

 

Chris P. Rolls: Ironman

(Leon & Kai, Mecklenburger Winter)

 

Vorwort

 

Charaktere: aus dem Mecklenburger Winter. Darin rettet der junge Reiter Leon Kai, den Triathleten, aus einer Schneewehe. Obwohl Kai den perplexen Leon sogleich offensiv anbaggert und zurückgewiesen wird, entsteht zwischen ihnen eine Freundschaft, aus der nach und nach mehr wird. Leon hat allerdings eine ganze Menge Probleme, die er lösen muss, ehe er offen zu Kai und seiner Homosexualität stehen kann. Auch Kai, der ehrgeizige Sportler, der immer direkt auf sein Ziel zusteuert und sein Herz auf der Zunge trägt, muss lernen, sich zurückzunehmen.

 

 

„Mann, Kai, hör auf so rumzuzappeln. Du machst mich ganz irre!“ Basti murrte unwillig und stieß Kai an, der prompt aufsprang und ihn mit einem vorwurfsvollen Blick abstrafte. „Der Flug hat Verspätung. Ja und? Soll vorkommen. Er ist immerhin nicht unterwegs abgestürzt oder abgeschossen worden.“ Achselzuckend biss Basti in sein Sandwich. Das genüssliche Kauen war absolute Provokation, Kai war allerdings viel zu nervös, um darauf einzugehen. Sein Leon war unterwegs und er hatte allen Grund herumzuzappeln. Bastis Gelassenheit machte ihn fertig. Wie zur Hölle, kann der da so ruhig sitzen und Sachen in sich stopfen?

„Basti! Hör auf, so etwas auch nur zu denken!“ Schaudernd wandte sich Kai zur Anzeigentafel. Er hasste das Wort „Delay.“ Er hasste jede dämliche Minute, die dahinter angezeigt wurde. „Drei Monate sind eine verdammt lange Zeit. Außerdem ist er noch nie zuvor geflogen, muss zweimal umsteigen und ich habe zuletzt kurz vor dem Abflug was von ihm gehört, einen Mörderkohldampf, viel zu viel Energie und morgen den Ironman vor mir. Verdammt: Ich darf hibbelig sein!“

„Schon gut, die letzten drei Punkte sind meinetwegen akzeptabel. Was meinst du, warum ich Lars strikt verboten habe, mit zum Flughafen zu kommen? Mann, zwei von euch adrenalingeilen Junkies auf Entzug in einem Auto und ich würde Amok laufen. Was bin ich froh, dass er nur zuschaut und die Qualifikation nicht geschafft hat. Ich hole mir jetzt noch einen Milchshake. Du willst ja keinen, oder?“ Basti hob abwehrend die Hände, als Kai angriffslustig die Fäuste ballte. „Schon gut, schon gut. Hab's kapiert!“ Lachend wehrte Basti ab und verschwand zu den Shops in der Wartehalle.

Kai sah ihm unwirsch grollend nach. Der Blödmann trug tatsächlich eines dieser dusseligen Hawaiihemden zu ausgeblichenen Shorts und Badelatschen. Der hatte doch überhaupt gar keine Ahnung, was es hieß, verliebt zu sein oder in einer Beziehung zu stecken. Sollte er doch fressen, soviel er wollte, fett und unattraktiv werden und einsam verrecken.

Kai biss sich nervös auf die Unterlippe und wanderte herum. Drei Monate waren eine unvorstellbar lange Zeit ohne seinen Leon. Drei Monate auf Hawaii, ohne in der Sonne zu braten oder Müßiggang zu schieben. Er hatte sich optimal auf das Rennen vorbereitet - den Ironman Hawaii, das Ereignis im Triathlonsport schlechthin - und täglich extrem hart trainiert. Monate, in denen er mehrfach bereute, den neuen Sponsorenvertrag unterschrieben zu haben und seinen Ehrgeiz verflucht hatte. Genug Zeit, um Leon schmerzlich zu vermissen, auch wenn sie beinahe täglich wenigstens kurz telefoniert hatten.

Eindeutig zu viel Zeit, um 40 Minuten Verspätung zu tolerieren.

Zu gerne hätte er Leon bei sich gehabt, in der Sonne Hawaiis, in dem kleinen schmucken Häuschen, welches ihm zur Verfügung stand. Leider war das völlig unmöglich gewesen, denn Leon führte den Reiterhof seines Vaters und war daher für so eine lange Zeit absolut unentbehrlich. Umso mehr freute sich Kai, dass er für den Wettkampf kommen und eine ganze Woche bleiben würde. Zudem hatte er noch eine Überraschung für seinen Schneehasen. Wenn er denn endlich landen würde.

Die innere Unruhe, die Kai erfüllte, kannte er sehr gut. Seine Vorbereitung war perfekt abgestimmt, jedes Detail geplant worden. Wenn er sich morgen beim Ironman ins Wasser warf, dann würde er die Energie endlich herauslassen dürfen, wohl wissend, dass Leon in der Menge stehen und ihn genau im Blick behalten würde.

Auch wenn es nicht jedes Mal möglich war, bei den wirklich großen Wettkämpfen war Leon ein fester Bestandteil von Kais Wohlfühlumfeld geworden. Morgen würde Kai ein erstklassiges Rennen absolvieren, die restliche Woche in der Wärme und Sonne genießen und dann in die wohlverdiente Winterpause heimfliegen. Zurück nach Mecklenburg, in die Ruhe und Einsamkeit, die Normalität eines ländlich einfachen Lebens. Und endlich wieder mit Leon in einem Bett … äh, schlafen.

Kais Körper kribbelte. Drei Monate Sexentzug waren extrem hart, seine Hand zwar ein vertrauter, aber wenig ansprechender Ersatz gewesen. In der nächsten Nacht würde er nachholen, was er versäumt hatte. Nun ja, zumindest ein bisschen. Nicht zu viel, damit er morgen fit genug war. Also so ein wenig rummachen war todsicher drin … Ach verdammt! Erst mal muss Leon ja landen!

Basti kehrte zurück, einen quietschgelben Milchshake in der einen, einen rosazuckerigen Donut in der anderen Hand. Kai stellte sich vor, wie der Zuckerguss sich direkt auf Bastis Hüften legen würde, und konnte ein hämisches Grinsen nicht verstecken.

„Pft, Kai, ich weiß genau was du denkst! Ist mir egal, ich fiebere morgen so sehr mit, dass ich alle Kalorien schon wieder verbrennen werde. Außerdem muss ich daheim alle per SMS auf dem Laufenden halten, also ich werde gut beschäftigt sein. Ah, guck mal, der Flieger ist endlich gelandet.“

Kai schoss herum und augenblicklich schlug sein Herz schneller. Leon ist da! Eine Welle sehnsüchtiger Zärtlichkeit überkam ihn. Endlich würde er ihn in seine Arme ziehen dürfen, sein Gesicht sehen, das Blitzen der graugrünen Augen, seine Lippen spüren. Kai seufzte tief auf und schalt sich einen liebestollen Idioten.

Natürlich würde es noch dauern. Leon musste den Flieger verlassen, in die Flughafenhalle kommen, sein Gepäck holen, durch den Zoll und dann …

„Mensch, Kai! Du läufst morgen deinen Marathon, nicht hier. Nicht jetzt!“ Basti schlürfte sein farbiges Zuckerwasser und verdrehte genervt die Augen. Kai beschloss, ihn zu ignorieren und aus Rache nicht auf den gelben Tropfen hinzuweisen, der ihm unaufhaltsam über das stoppelige Kinn lief und wohl auf dem schrecklichen Hawaiihemd landen würde. Stillstehen war noch nie seine Sache gewesen.

Männer, Frauen und Kinder passierten sie, lachend, in unzähligen Sprachen plaudernd und zweimal reckte Kai den Hals, als er eine hochgewachsene Gestalt mit dunklen Haaren bemerkte. Kein Leon.

„Mach schon, mach schon“, murmelte er beschwörend, strich sich wiederholt die feuchten Hände an der Jeans ab. Wo bleibt er? Mann, ich drehe hier gleich durch, wenn Leon nicht endlich auftaucht. Ist was mit dem Zoll? Gibt es Probleme? Ist sein Gepäck abhanden gekommen? Wo ist er?

Da! Kai erkannte ihn an einer typischen Leongeste. Lange Finger strichen Haare aus der Stirn, unsicher blickte Leon sich in der Halle um und setzte den schwarzen Koffer ab. Er sah ein wenig verloren und zugleich zum Anbeißen aus in der schlichten, dunklen Jeans und dem grauen Hemd. Kais Lenden protestierten heftig gegen jede Regel von Zurückhaltung, sein Herz quoll über vor zärtlichem Verlangen.

„Da kommt er, der Traum deiner einsamen, feuchten Nächte.“ Feixend stieß Basti Kai an und winkte Leon wild zu. „Leon! Hier sind wir. Komm schnell, diese Laufmasche löst sich sonst vor Sehnsucht auf!“ Lachend wich Basti Kais Tritt aus, der ohnehin gleich darauf vorwärts stürmte, sich ohne Rücksicht durch die anderen Passagiere drängte und Leon umschlang. Endlich!

„Hey! Schö...“ Leons Lippen konnte kein weiteres Wort entkommen, da hatte Kai sie schon mit Beschlag belegt. Seine Finger wühlten sich in Leons Haare und er küsste ihn mal zärtlich, dann wieder gierig.

„Ja, ich habe dich auch vermisst“, raunte ihm Leon zu, als er kurz zu Atem kam. „Wollen wir nicht besser losfahren? Du solltest dich nicht so verausgaben vor dem Rennen.“ Lachend drückte er Kai von sich, zog ihn gleich darauf noch einmal an sich und küsste ihn. „… ganz dolle vermisst“, flüsterte er, stieß Kai jedoch zurück, als dieser den Kuss abermals intensivieren wollte.

„Leon! Na, du Reitersmann, kriege ich auch so einen Kuss? Nein, nein! Mir reicht doch eine Umarmung. Eifersuchtsdramen sind nicht mein Ding.“ Herzlich umarmte Basti Leon und schaffte es dabei den Milchshake nicht zu verschütten. „Alles gut gegangen? Hast du dein Gepäck bekommen?“

Leon nickte, hakte sich bei Kai ein, der seinen Blick gar nicht von ihm nehmen konnte. Der wundervollste Mann auf der ganzen Welt ging neben ihm!

Leon hatte einen leichten Bartschatten, die Haare waren länger, das Gesicht von der Sonne gezeichnet. War er etwas dünner geworden? Die Schultern wirkten doch breiter. Braungebrannte Arme zeugten von der täglichen Arbeit im Freien. Drei Monate mochten eine lächerlich kurze Zeit sein und keiner von ihnen veränderte sich in so kurzer Zeit großartig, dennoch wirkte Leon noch ein Stückchen erwachsener. Ach, er ist so begehrenswert!

Verliebt musterte Kai ihn. Aus dem unsicheren, schlaksigen Siebzehnjährigen, der ihn damals aus der Schneewehe gezogen hatte, war ein unglaublich ansehnlicher junger Mann geworden. Wenn er ihn damals nicht schon offensiv angebaggert hätte, er würde es heute glatt wieder tun. Sie waren einen langen Weg gemeinsam gegangen: von der Freundschaft, zu der ersten vorsichtigen Annäherung, über viele Rückschläge, Leons Kampf zu sich und zu seiner Homosexualität zu stehen, hin zu einem Paar.

Vier Jahre waren sie nun schon zusammen. Glückliche, manchmal auch schwere Zeiten. Kais Fitnessstudio lief teilweise schleppend, doch dank neuer Sponsorenverträge hatte er sich seit dem letzten Jahr sportlich weiter entwickeln können. Wenn er im Trainingslager war, kümmerte sich ein Angestellter um den Betrieb daheim und Angie war auch noch da. Der Profisport war ein hartes Geschäft, aber der Sport schon immer sein Leben gewesen. Leon akzeptierte das, bestärkte ihn und gab ihm nie das Gefühl, eine falsche Entscheidung getroffen zu haben.

„Wir bringen dein Gepäck kurz ins Hotel, wo alle Sportler untergebracht sind und fahren dann zum Veranstaltungsort“, erklärte Kai, während er den Wagen durch den Verkehr lenkte. Basti plapperte munter drauflos, erzählte wichtige und völlig unwichtige Sachen. Er wusste vermutlich sehr genau, dass sowohl Leon als auch Kai es gar nicht erwarten konnten, endlich für sich zu sein. Was wohl erst so richtig nach dem Wettkampf der Fall sein würde. Es gab noch zu viel zu erledigen.

Abends im Hotelzimmer konnte Kai endlich seinen Schneehasen im Arm halten und sich an ihn kuscheln. Tausend andere Dinge gingen ihm durch den Kopf, die nach und nach an Bedeutung verloren, je mehr Leons Nähe und Wärme, die Berührung seiner Lippen, die streichelnden Hände in sein Bewusstsein rückten. Oh Mann, was hatte er das vermisst: einfach zusammen zu sein.

„Wann geht es morgen eigentlich los? Hat es mit den neuen Reifen noch geklappt? Du weißt schon, dass es unter einem Sieg morgen nichts geben wird?“ Leon gähnte hinter vorgehaltener Hand und lächelte verschämt. Das war so typisch Leon, dass Kai grinsen musste. Kein Wunder, dass er müde war: Der lange Flug, mit zweimal umsteigen, hatte ihm todsicher einen Jetlag beschert und die vor ihnen liegende Nacht würde verdammt kurz werden. Kai begrub vorerst alle libidoinduzierten Träume. Wie gut, dass sie danach …

„Lass uns schlafen gehen. Um 6:30 Uhr springe ich ins Wasser, schwimme, radle und laufe allen davon und falle dann zurück in deine Arme. Ich werde dann zwar zu erledigt sein, um es dir zu besorgen, aber so eine Ganzkörpermassage und ein netter Blowjob gehen todsicher noch.“ Verschmitzt sah Kai Leon an, strich ihm die vorwitzige Strähne aus der Stirn und ließ den Finger über die Bartstoppeln bis zu den Lippen gleiten.

„Das mit der Massage überlege ich mir noch. Extras gibt es allerdings nur bei Erfolg.“ Feixend umschloss Leons Hand durch den Stoff Kais Schaft. „Das letzte Mal nach dem Wettkampf ging da noch was, also hast du dich damals wohl nicht genug ausgepowert. Streng dich dieses Mal mehr an. Dein Sponsor erwartet es.“

Seufzend legte Kai den Kopf zurück und schloss die Lider. „Alle erwarten es. Diese Saison lief perfekt. Alles unter einem fünften Platz wäre ein Fehlschlag. Ehrlich: Ich bin froh, wenn die Saison durch ist. Nächsten Sonntag geht es zurück ins herbstliche Mecklenburg.“ Wahrhaftig, er sehnte sich nach der Ruhe, nach der mecklenburgischen Gemächlichkeit, nicht mehr alles dem Training unterordnen zu müssen, einfach mal einen Tag nichts tun.

„Bisschen viel geworden, oder?“ Leon durchschaute ihn ziemlich gut. Er würde niemals etwas sagen, sich nie über das beschweren, was der Sport Kai abverlangte. Aber auf seine ganz subtile, unvergleichliche Art und Weise ließ er Kai spüren, dass er verstand.

„Etwas Entspannung wird mir auf jeden Fall gut tun.“ Kai wollte sich nicht jetzt damit auseinandersetzen. Nicht vor dem Wettkampf, nicht vor dem Ziel, auf das er die gesamte Saison hingearbeitet hatte. Später.

Auch das spürte Leon.

„Ich bin schon gespannt auf den Rest von Hawaii. Mann, hätte nie gedacht, dass ich je im Leben hierher kommen würde. Das ist wie ein komischer Traum.“ Leon zog Kai an sich, drapierte dessen Kopf seitlich an seiner Halsbeuge und stützte sich mit dem Kinn darauf. „Das ist total unvorstellbar: ganz am anderen Ende der Welt. Das Fliegen war schon komisch und dann die Flughäfen in Paris und San Francisco, ich kam mir total fehlplatziert vor und habe echt nur gehofft, ich steige in den richtigen Flieger. Total das Landei.“ Seufzend malte er Muster auf Kais Stirn. „Ich hoffe nur, daheim geht alles klar.“

„Wird schon, ist ja nicht das erste Mal, dass du weg bist.“

„Aber das erste Mal so lange.“

„Eine Woche. Ja, wahnsinnig lange. Mensch, Leon!“ Kai lachte und fing sich einen leichten Schlag gegen den Hinterkopf ein. Es war Zeit, die Überraschung preiszugeben: „Übrigens wirst du noch viel weiter herumkommen, mein Landei: Nach dem Rennen geht es nach Honolulu. Mein Sponsor hat uns eine Woche Waikiki Beach Resort gespendet. Urlaub der Luxusklasse. Swimmingpools, vom Buffet essen, in der Sonne braten und ganz viel Bettsport als Ausgleich.“

„Schon wieder fliegen?“ Übertrieben genervt verdrehte Leon die Augen und überspielte das nächste Gähnen. „Honolulu, hm? Ich habe aber gar keine Badehose dabei.“

„Was? Du fliegst nach Hawaii und hast keine Badeshorts?“ Ungläubig den Kopf schüttelnd starrte Kai Leon an. „Okay, das lässt sich zum Glück ändern. Aber jetzt springen wir ins Bett. Ich will morgen fit sein und du pennst eh gleich ein.“

Leons schwachen Protest küsste er einfach weg. Was für eine wundervolle Nacht lag vor ihm, an seinen Schneehasen geschmiegt. Okay, die Sache mit der Latte war problematisch, aber zu verkraften, wenn er an die Zeit nach dem Rennen dachte.

 

Der Startschuss peitschte über die Athleten im Wasser hinweg. Die Wellen schlugen über Kai zusammen, als er endlich losschwimmen durfte. Es gab kein Links und Rechts mehr, nur noch vorwärts. Tausend weiße Badekappen mit Schwimmbrillen, durchtrainierte Körper, die das Wasser durchpflügten. Die Sicht wurde ihm größtenteils durch das von hundert Armen aufgewühlte Wasser genommen. Körperkontakt ließ sich oft nicht vermeiden und er war bestrebt, sich rasch freizuschwimmen. Vor ihnen paddelte einer der Ordner auf einem Surfbrett und er orientierte sich an diesem. Der Wellengang war mäßig, je weiter sie hinausschwammen, desto stärker wurde er. Kraulend erreichte er die Wendemarke im vorderen Starterfeld. 3,8 Kilometer Schwimmen, dann aufs Rad.

Rasch aus dem Wasser, kurz das Salzwasser abspülen, den Körper an die nächste Bewegung anpassen. Rein in die Schuhe und losgetreten. 15 Kilometer durch die Stadt, dann ging es hinaus ins offene Land. Er kannte die Strecke gut, war sie in den letzten Monaten oft genug gefahren.

Zwölfte Position. Eine gute Ausgangslage. Gleichförmiges Treten, am Anstieg leicht aus dem Sattel. Die neuen Reifen waren gut, das Rad schnurrte leise vor sich hin. Kais Atem kam ruhig und gleichmäßig, der Puls lag optimal und er behielt ihn genau im Blick. Es galt Kraft zu sparen, der härteste Teil kam erst noch: Beim Laufen, mit den Anstiegen und dort würde er angreifen müssen.

Dunkle Lavafelder ringsum, die Sonne brannte bereits ziemlich stark. Zum Glück stand der Wind gut, die Mumukuwinde waren heute eher ein laues Lüftchen. Das hatte er in den letzten Monaten schon ganz anders erlebt. Dagegen war der Mecklenburger Ostwind ein Witz.

Zwei Wendepunkte weiter und er erhaschte endlich einen kurzen Blick auf Basti, Lars und Leon, die ihn wild anfeuerten und eine Deutschlandfahne schwenkten. Leon strahlte und Kais Motivation stieg noch einmal an. Es lief wirklich gut.

Zurück zum nächsten Wechselpunkt, wo es vom Rad auf die Füße gehen würde.

Siebter. Kais Unterschenkel zogen leicht und er fiel zurück. Verdammte Anstiege. Er nahm das Tempo etwas raus. Laufen war seine Stärke, die würde er ausspielen. Ob es für einen Sieg reichen würde? Heute wohl nicht, die anderen waren verdammt gut. Wenn keiner einbrach, würde er an die drei Führenden nicht mehr herankommen. Nichtsdestotrotz würde er alles geben, um vorne dabei zu sein.

Der Jubel in der Wechselzone war wie ein Grundgeräusch, welches er kaum noch wahrnahm. Leon war irgendwo draußen an der Strecke, würde ihn beim Laufen anfeuern. Kai schmunzelte, während er loslief. Leons Anblick war der einzige, der ihn unterwegs interessierte. Andere teilten sich die Strecke gerne nach Versorgungsstationen ein. Er in Abschnitte ohne Leon und welche in denen er ihn sehen würde. Verrückt, aber so war das eben: Sie waren alle ein wenig verrückt.

Hitze in der Stadt, das Gebrüll der Menschen am Straßenrand, Hitze im offenen Land, nur wenig Wind und allgegenwärtig immer die schroffen Lavafelder, deren Schwärze die Sonneneinstrahlung intensivierte. Alles an Wasser tat gut. Kai kippte es sich über den Kopf, ließ es den Rücken hinab rinnen, sein Trikot durchnässen. Kurz danach war der Stoff bereits wieder getrocknet. Endlich, der Energy Lab, der letzte Wendepunkt.

Vorsichtig zog er das Tempo an, lauschte in sich hinein, versuchte herauszufinden, wie viel er seinem Körper noch abverlangen konnte. In der flirrenden Luft war es schwer, den Läufer vor sich auszumachen. Egal, auf einen Versuch kam es an. Hinter ihm war Luft, er lief inzwischen auf fünfter Position und vielleicht war noch ein vierter oder gar dritter Platz drin.

Die Menschen, die Landschaft, Häuser und Palmen verschwammen zu einer bunten Farbenwand. Geräusche erreichten Kai nur noch gedämpft, während seine Füße im schnelleren Abstand auf den Asphalt trafen. Sein Puls stieg an, Endorphine kämpften mit Adrenalin gegen Laktat und den ewigen Protest des Körpers. Es war immer leicht aufzugeben. So verlockend, der Versuchung nachzugeben.

Da, vor ihm tauchte die Gestalt eines Läufers auf. Kais Schritte wurden noch länger. Kamerateams auf Motorrädern folgten seiner Aufholjagd, bannten auf Film, wie der andere Läufer den Kopf wandte und Kais Annäherung wahrnahm. Würde er kämpfen? Wie viel Reserven hatte er noch? Ließ er ihn ziehen, hängte er sich dran?

Kai ging an ihm vorbei, riskierte ein Lächeln in die Kamera und konzentrierte sich auf den Rest der Strecke. Jeder Schritt war ein Kampf, jeder Meter ein Sieg. Der harte Asphalt wurde zu seinem Feind, die heiße Luft zu seinem Gegner. Er konnte Müdigkeit besiegen, Muskeln, Herz und Lunge. Unbesiegbar werden! Gewinnen! Du kannst das, du schaffst das.

Die Zielgerade lag vor ihm und Kai lauschte kurz auf die Geräusche hinter sich. Umdrehen unmöglich, kein bisschen Kraft unnötig verschwenden. Keine Schritte, kein keuchender Atem, kein aufgeregtes Winken der Zuschauer. Also los, den Alii Drive hinunter und da konnte er auch schon das Ziel sehen.

Irgendwo dort wartete Leon.

Kai erreichte das Ziel. Vierter Platz. Nicht schlecht, nicht wirklich gut, nicht katastrophal.

Keuchend kam er zum Stillstand. Muskeln vibrierend, die Füße noch immer im Automatismus des Laufens gefangen. Glückwünsche von allen Seiten, Umarmungen, Schulterklopfen. Wo war Leon? Keine Deutschlandfahne zu sehen, kein Leon.

Kais Knie zitterten, die Anspannung fiel ab und zugleich fühlte er sich schwebend im Endorphinrausch. Da! Leon kam auf ihn zu. Sein Lächeln, dieser Stolz in den graugrünen Augen. Das war Kais Belohnung. Kräftige Arme, die ihn umarmten, gaben Halt, ein vertrauter Körper, der sich an ihn drückte, unterbrach den innerlichen Laufrhythmus. Lippen, die ihn berührten, nahmen das Vibrieren fort. Er war angekommen. Er hatte es geschafft.

Und natürlich hielt die verdammte Kamera drauf.

„Super gemacht!“, raunte Leon ihm zu, hielt ihn fest, während Kai weiter keuchend atmete, der Pulsschlag sich nur langsam beruhigte. Dünner Stoff in Schwarz, Rot, Gelb legte sich über Kai und Leon und sie wurden darin eingehüllt. Bastis Brüllen, Lars Jubelschreie ertönten. In dem deutschlandfarbenen Flaggenzelt schloss Kai die Augen und ließ sich gegen Leon sinken, erlaubte sich einen Moment Schwäche in der für Sekunden geschützten Zone. Leon hielt ihn noch immer, einen Arm um die Hüfte geschlungen, als der Stoff zurückgezogen wurde und Lars und Bastis strahlende Gesichter erschienen.

Noch mehr Glückwünsche und Kai ließ sich von Leon zum Zelt bringen, sank auf einen Stuhl und nahm dankbar Wasser an, während die Masseure sich über seine Beine hermachten.

Wie froh war Kai, als endlich spät abends, nach der Siegerehrung und der obligatorischen Party, die Tür des Hotelzimmers hinter ihnen zuschnappte und er vornüber auf das Bett fiel.

„War ziemlich hart, oder?“ Leon zog ihm die Schuhe aus. „Du warst großartig.“

„Man nennt es nicht umsonst den Ironman und ich war nur Vierter“, murmelte Kai in die Laken. Er war nicht enttäuscht. Mehr war nicht drin gewesen. Auch sein Sponsor war zufrieden gewesen. Nach außen hin. Der Druck war dennoch da, allgegenwärtig. Erfolg bestimmte alles. Vierter war weniger als ein Sieg.

Kai wandte den Kopf und öffnete die Lider. Verschmitzt grinste er Leon an. „Kriege ich dennoch den Blowjob?“

„Mann, Kai, du bist echt schlimm! Penn erst mal, krieg wieder etwas Energie in den Körper, dann vielleicht. Dreh dich um, damit ich dir die Hose ausziehen kann.“

Kai drehte sich seufzend auf den Rücken, ließ sich von Leon entkleiden, der sich zu ihm legte. Wenn er ehrlich war, war ihm wirklich nur nach schlafen. Das Tanzen nach der Siegerehrung war ziemlich anstrengend gewesen. Der Rest konnte bis Honolulu warten.

„Für mich bist du immer der Sieger“, murmelte Leon leise und umschlang ihn, während Kai selig grinsend in den Schlaf glitt.

 

„Wie gefällt es dir? Was für ein tolles Zimmer. Wahnsinnsblick von hier! Und die Pools erst! Ich kann das Meer sehen.“ Kai schaute hinab auf das bunte Treiben in der Luxusferienanlage. Dieses Zimmer war wirklich vom Feinsten, sein Sponsor hatte sich nicht lumpen lassen.

Leon stellte seinen Koffer ab, trat neben ihn und ließ den Blick schweifen. „Ganz nett. Ziemlich voll da unten.“ Allzu begeistert schien er wirklich nicht zu sein. Okay, Kai konnte es verstehen. Dieser Ort war sicherlich einer der letzten, den sie sich für Ferien ausgesucht hätten. Andererseits war dies ein Geschenk. Gut, er würde drei Termine wahrnehmen müssen, vielleicht noch weitere. Ausrüstungsfotos, Fotos für Fachzeitschriften, Interviews, ein Werbespot, das war eben der Preis, den man im Profisport zahlen musste. Es gab Schlimmeres.

Kai wandte sich Leon zu und zog ihn in seine Arme. „Das Beste an allem, bist ohnehin du. Hast du dieses wunderschöne breite Bett gesehen? Viel Platz zum Austoben. Und eine Badewanne mit Whirlpool. Eigentlich müssen wir das Bett ... äh das Zimmer, nur zum Essen verlassen und theoretisch nicht einmal das.“ Er zog bezeichnend die Augenbrauen hoch und leckte anzüglich über Leons Kinn bis zur Unterlippe. „Wie war das mit dem Blowjob?“

„Erst die Massage, dann dern Blowjob, wenn ich mich richtig erinnere.“ Leon ließ die Hände von Kais Schultern über die Arme zur Hüfte wandern. Zärtlich küsste er sich über Kais Hals hinab.

„Mir wäre die Reihenfolge ja ziemlich egal. Aber die Massage ... rektal?“ Lachend bog sich Kai zur Seite, konnte jedoch Leons festem Griff um seine Hüften nicht entkommen, der ihn kurzerhand packte, hochhob und Richtung Bett schleppte.

„Hey, du hast wohl den Sommer über zu viele Heuballen gestapelt, was? Oh ja, was für Kraft in den Armen.“ Lachend umschloss Kai Leons Oberarme, zappelte symbolisch. Leon warf ihn aufs Bett und kniete sich grinsend über ihn. Hach, wie er das liebte, wenn Leon die Führung übernahm. Nichts erinnerte dann mehr an den schüchternen, verklemmten jungen Mann, der ihn aus dem Schnee gefischt hatte.

„So um die 4000, wenn du es wissen willst. Allerdings halte ich mich nicht mehr mit den kleinen Bunden auf.“ Leon stützte sich mit den Händen neben Kais Kopf ab und schnappte nach dessen Lippen. „Mittlerweile hebe ich Rundballen. Einhändig.“

„Was?“ Kai bemerkte das schelmische Aufblitzen in Leons graugrünen Augen gerade noch rechtzeitig, ehe ihm ein: „Wow!“ über die Lippen kam. So ein Spinner.

Kai streckte ergeben die Arme aus und rieb seinen Unterleib aufreizend an Leons. „Na, dann: Ich bin Wachs in deinen Händen, mein Schneehase! Völlig wehrlos. Fang an.“

Leon ließ sich nicht lange bitten, zog Kai, Schuhe, T-Shirt und die Hose aus und drehte ihn auf den Bauch. „Erst einmal eine Massage zum Warmwerden“, versprach er, entledigte sich ebenfalls seines Hemdes und kniete sich abermals über Kai. Seine Hände waren rau, Kai spürte die Schwielen, während die Finger nicht einmal ungeschickt über seinen Rücken glitten und sich in die Muskeln arbeiteten.

„Wo hast du denn letztens massieren gelernt?“ Wohlig seufzte Kai auf. Das tat gut. Wenn Leon sich nun bitte mal etwas tiefer bewegen würde … Er schien seinen Wunsch zu erhören, denn die Hände legten sich auf Kais Backen, pressten sie zusammen und auseinander. „Ja, genau so!“ Stöhnend reckte sich Kai, sein Ständer rieb sich am Laken. Viel zu wenig, er brauchte mehr.

„Markus hat mir ein bisschen was gezeigt“, erklärte Leon, hauchte Küsse auf Kais Wirbelsäule. „Und bevor du fragst: Ja, natürlich mehr als die Standardmassage. Wobei die Tipps von Alex kamen.“

„Klar, von wem denn sonst?“ Kai stöhnte langgezogen. Leons Finger folgte die Zunge und diese schlängelte sich warm und feucht in seine Spalte, arbeitete sich über die Rosette und den Damm zu den Hoden vor. Lustvoll aufkeuchend hob er sein Becken. Mehr davon! Das war eine Massage ganz nach seinem Geschmack.

„Dreh dich mal um.“ Leon half ihm dabei und Kai nutze den Moment zu einem innigen Kuss. Leons Wangen waren rot angehaucht, Schweiß perlte auf der Stirn, hatte sich in den Augenbrauen verfangen. Spielerisch leckte er einen Tropfen fort, fuhr mit dem Finger den Haaransatz entlang.

„Du hast keine Ahnung, wie sehr ich dich vermisst habe“, entkam ihm plötzlich, all die aufgestaute Sehnsucht brach sich wie ein Wasserfall Bahn und er schlang seine Arme eng um Leon, presste ihn gegen sich, Haut an Haut.

„Oh doch. Denkst du, mir ging es anders?“ Warm schmiegte sich Leon an ihn, ihre Körper rieben sich aneinander. Leons ausgebeulte Jeans war erregend rau und hart an Kais überempfindlicher Erektion. Seine Finger fanden den Gürtel, zerrten daran. Er wollte Leon anfassen, ihn spüren, seine Lust sehen, ihn hören, riechen, schmecken, ihm nahe sein. Kai lehnte sich zurück und zog Leon über sich, half diesem, sich aus der Hose zu strampeln und zupfte ungeduldig an den Boxershorts. Die Barriere aus Zeit und Raum war überwunden. Die aus Stoff zerriss und endlich spürten sie einander hautnah, fühlten den Herzschlag, die Hitze des anderen, das heiße Begehren in sich rumoren.

Zärtliche, intensive Küsse begleiteten ihre anfangs eher trägen Bewegungen. Sie pressten sich aneinander, Schaft an Schaft, glitten auf und ab, in einer besonderen Form der Liebkosung.

„Fass mich an“, raunte Leon, dessen Lippen abglitten, die Zähne zupften an der empfindlichen Haut von Kais Kehle. „Ich will deine Hand spüren.“

Kannst du haben! Kai drängte sich zwischen sie, umschloss sie beide mit der Hand hart und fest. Leon bewegte sich schneller, presste sich stärker gegen Kai. Es tat so gut, seinen Duft zu inhalieren, verstärkt durch die Lust und die Hitze. Leon war natürlich, stark, seine Sexualität so selbstverständlich geworden. Kais Herz wollte vor Glück zerspringen. Feuchtigkeit erleichterte ihm die Stimulation, sein Glied war prall, jede Bewegungtrieb ihn weiter und höher auf der süßen Welle. Keine Zeit für mehr, keine Verzögerung, er wollte kommen, wollte Leons Saft spüren und schmecken, dessen Ekstase sehen und sich daran berauschen.

„Schneller!“, feuerte er ihn an, bewegte sich gleichzeitig heftiger, drückte den Rücken durch, seine Hand packte stärker zu, umschloss sie eng, bildete einen Kanal in den sie beide immer härter stießen. Leons roten Lippen entkam ein anschwellendes Keuchen, ging über in leise, abgehakte, lusterfüllte Laute. Seine Lider flatterten, die Hände wanderten fahrig über Kais Brust, eine grub sich abrupt in dessen Haare. Das feine Ziehen an den Haarwurzeln spornte Kai noch mehr an. Leon presste seine Beine eng um ihn, verstärkte den Druck ihrer Hüften noch mehr.

Stöhnend stieß Leon vorwärts. Ruckartig, kraftvoll, stimulierte er Kais Ständer mit jedem seiner Stöße zusätzlich. Die Hitze schwoll an, rollte über sie wie die Lava der hawaiianischen Vulkane. Kais Stöhnen leitete die Eruption ein. Keuchend stieß Leon seinen Namen aus, die Finger rissen an den Haaren, Fingerkuppen gruben sich in Kais Seite, dessen Hand Halt an Leons Schultern fand.

Heißer Atem trieb Kai ins Gesicht, während Leon kam, sein Sperma heiß und klebrig über Kais Finger rann, seinen Bauch traf. Kai krallte sich in Leons Schulter, rutschte mit der anderen ab, die Finger zu feucht. Dann war da Leons Hand, die seine ablöste, die seinen Penis umschloss, mit kurzen, festen, ruckartigen Bewegungen pumpte. Ein Daumen, der sich bei jeder Bewegung aufwärts über die Eichel legte, beim Abwärts darüber rieb.

Kai wand sich, stöhnte, schloss die Augen, spürte harte Lippen auf seinen. Leons Präsenz hüllte ihn ein, umschloss ihn, reduzierte die Welt auf die Empfindungen in seinem Unterleib. Noch ein bisschen, nur noch ein kleines …

Die Ekstase übernahm ihn, trug Leons Namen stöhnend zur Decke, ließ Kai schaudern und nach den köstlichen Lippen schnappen. Er riss die Augen auf, ertrank in den graugrünen über sich. Sein Körper vibrierte, sang seinen speziellen Liebessong, Muskeln, die sich zusammenzogen, die Spannung entluden.

„Das war aber nötig, was?“ Leons typisches, leise glucksendes Lachen, ein Finger, der durch die dicken Tropfen auf Kais heftig pumpender Bauchdecke strichen. Er nickte nur, brachte kaum mehr als ein vages Keuchen über seine sonst so agile Zunge. Es gab eine Zeit, um zu reden, es gab eine Zeit für anderes.

Küssend machte er sich über Leon her, drückte ihn zur Seite aufs Bett, rang ihn nieder, bis er auf ihm lag, das Lachen ihn mit durchschüttelte.

„Drei Monate Stau gehabt? Weiß deine Hand nicht mehr, wie das geht?“ Spöttisch zwinkerte Leon ihm zu, rekelte sich wollüstig grinsend. „Dann hast du diese Woche ja echt Nachholbedarf.“

„Habe ich.“ Kais Stimme klang seltsam rau und er räusperte sich. Angenehme Mattigkeit ergriff ihn, so ganz anders als die nach einem Wettkampf. So viel wertvoller. „Drei Monate sind zu lang. Nächstes Jahr wird der Ironman ohne mich stattfinden.“ Es auszusprechen war seltsam, die Idee abwegig und schien so überhaupt nicht zu passen. Leon wurde ernst, betrachtete ihn nachdenklich. Er nickte kaum merklich, hob die Hand und fuhr über Kais Nase.

„Willst du alles aufgeben?“

Kais Hals fühlte sich eng an, ein Teil von ihm protestierte. Der Teil, der nie aufgab, der ihn über tausende und abertausende von Meilen getrieben hatte. Der Teil, der sein Herz gefangen hielt, jubelte auf.

„Nicht alles. Aber ich will mein Leben nicht länger nur nach dem nächsten Wettkampf ausrichten. Ich will nicht mehr so lange ohne dich sein, ich will nicht andauernd von dir getrennt sein. Nenn mich altmodisch, aber ich mag mein Haus, ich mag daheim sein und ich mag abends mit dir auf dem Sofa sitzen und kuscheln. Ich habe keine Ahnung, ob es funktionieren wird, das Studio läuft nicht so extrem gut, dass ich nur davon leben könnte. Vielleicht kriege ich einen Beraterjob, vielleicht baue ich den Trainerjob weiter aus. Irgendwas. Hawaii ist schön, aber nicht attraktiv ohne dich.“

„Ich hätte da noch einen Job anzubieten: Pferdeboxen misten, Weiden abschleppen und Heuballen stapeln, wenn alle Stricke reißen sollten.“ Leons verschmitztes Lächeln war zurückgekehrt, verbarg ein wenig, dass ihm sehr wohl die Tragweite von Kais Entscheidung klar war.

„Wäre eine Überlegung wert. Dann sehe ich dich wenigstens täglich in diesen sexy Reiterhosen.“ Seufzend ließ Kai sich auf Leon sinken, legte seinen Kopf auf den Teil, der nicht zu sehr klebte. Der vertraute Geruch tat gut, bestärkte ihn. Es ging besser gemeinsam.

„Lass uns diese Woche Urlaub genießen, wenn ich nicht gerade Termine habe. Die Nächte gehören uns und ich will auf jeden Fall unter dem Sternenhimmel mit dir händchenhaltend am Strand langlaufen und nackt baden.“ Kai verflocht seine Finger mit Leons, lauschte dem rhythmischen Herzschlag.

„Wenn es weiter nichts ist. Aber eins sage ich dir gleich: Sex am Strand ist nicht. Ich habe keine Lust auf Sand an Stellen, wo ich ihn nicht wieder rauskriege“, flüsterte Leon, drückte Kais Finger fest. „Wir packen das schon. Der Hof läuft ja auch noch.“

Stille breitete sich aus, die angenehme Mattigkeit erfasste sie beide. Halb dösend streichelten sie einander, bis Leons Magen ein vernehmliches Knurren von sich gab. Ach ja, er hatte es fast vergessen: Sein Schneehase war immer hungrig. Kai lächelte und es wurde ein wenig sardonisch. Der Ironman war vorbei und das Buffet sollte hervorragend sein. Er konnte ab jetzt nach Herzenslust schlemmen.

In jeder Hinsicht.

„Wollen wir was essen und dann in einen der Pools springen?“

„Ich habe doch keine Badesachen. Ich gehe jetzt erst mal duschen.“ Leon rieb seine Nase an Kais Hals, küsste ihn noch einmal und stand auf. Kai folgte ihm lächelnd mit den Augen, als er zu seinem Koffer ging. Mann, was für ein sexy Mann!

„Na, es müsste doch mit dem Teufel zugehen, wenn wir dir hier nicht eine supersexy Badehose besorgen können. Hach, auf die Anprobe freue ich mich schon. Ich wäre ja für einen String oder ...“ Verblüfft richtete sich Kai auf.

Leon hatte einen überraschten Laut von sich gegeben und starrte auf den Inhalt seines Koffers. „Scheiße! Das ist nicht meiner! Da sind ganz andere Sachen drin.“

„Ach, du scheiße!“ Kai schwang sich vom Bett und kam heran. „Dann sind die Koffer am Flughafen wohl vertauscht worden. Ist nicht tragisch, ich rufe da gleich mal an. Ist wenigstens was Tolles dabei?“ Neugierig schaute Kai über Leons Schulter. „Immerhin keine Frauenklamotten. Und keine Handschellen oder andere Peinlichkeiten. Schau mal, der Typ hat sogar eine Jeans drin.“

„Ähm ...“ Mit äußerst pikiertem Ausdruck hielt Leon etwas anderes mit zwei Fingern hoch. „Was zur Hölle ist das denn?“

Kai nahm es ihm aus der Hand und zog es auseinander. Es war schwarz und aus elastischem Stoff. Eine Badehose? Eine äußerst knappe. Prustend hielt Kai Leon das Teil vor die Genitalien. Oh ja, sexy! „Na, dann hast du jetzt ja immerhin eine Badehose. Könnte dir sogar passen.“

„Das ist doch keine Badehose, da fehlt doch was.“ Leon betrachtete das Kleidungsstück skeptisch.

„Das ist einer von diesen G-Strings. Die gehören so. Und schlag mich, aber einmal möchte ich dich darin sehen!“

„Ich stopfe dir das Ding gleich ins Maul. Nie im Leben!“ Empört schüttelte Leon den Kopf. „Ich gehe duschen.“ Hastig verschwand er im Badezimmer. Kais Grinsen wurde breiter. Er drehte den String hin und her. Könnte passen. Entweder kriege ich gleich eine kalte Dusche, einen Tritt oder einen heißen Nachtisch … Das Risiko ist es wert.

„Ich habe eine Idee: Du kannst meine Badehose haben!“, rief Kai in Richtung Badezimmer.

Mal sehen, was Leon zu ihm in dem Ding sagen würde …

 

Ende

 

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Devin Sumarno: Wie Seymour den Urlaub beinahe völlig ruinierte und andere Selbstverständlichkeiten

Eine kurze Geschichte aus dem Promethean

(Owen & Seymour)

 

»Meine Güte, können die einen nicht wenigstens in Ruhe lassen, bis man richtig gelandet ist?« Owen schnaubte und kramte in seiner Jeanstasche. »Bin gleich wieder da.« Er legte Seymour die Hand auf die Schulter, bevor er sich einige Schritte von der Gepäckausgabe entfernte.

Seymour nickte nur stumm. Sein Blick streifte das Mobiltelefon in Owens Hand. Die Brauen zogen sich leicht zusammen, als er registrierte, wie abgenutzt die Kanten seines unbelebten Konkurrenten schon waren.

Eine Schwade akuten Deoversagens drängte an seine Nase und ein schmaler, hochgeschossener Mann dicht an ihm vorbei, um sich direkt vor ihn an das Gepäckband zu stellen.

Seymour öffnete den Mund, um zu protestieren. Als der Mann sich aber umdrehte, um nach seiner Reisebegleitung zu spähen, ging sein Blick über Seymour hinweg, ohne die geringste Notiz von dem Vertriebenen zu nehmen.

Dieser entschied sich für den Weg des geringeren Widerstands und trat vom Band zurück. Vor sich selbst behauptete er, des leicht flauen Gefühls in seinem Magen wegen dem streng riechenden Burschen den Vortritt zu lassen. Die Übelkeit, die Seymour schon während der ersten Turbulenzen in der klimatisierten Kabine des Fliegers befallen hatte, blieb konstant, aber etwas Schweres zog an seinem Magen – etwas nachdrücklicher mit jedem Schritt, den er tat, um von dem Platz seiner unbemerkten Niederlage fortzukommen.

Seymour näherte sich dem Gepäckband von einer anderen Stelle, kam aber nicht an der dichten Menge vorbei und blieb in der dritten Reihe stehen. Unweigerlich musste er an die Dokumentation auf dem Discovery Channel denken, die nebenbei gelaufen war, als er Owen seine Sachen für ihre Reise aufs Bett gelegt hatte: an das kränkliche Alttier in einer Herde Zebras, das warten musste, bis die Artgenossen ihren Durst gestillt hatten, bevor diese es an das nunmehr staubige Wasserloch ließen.

Es dauerte zwei Minuten und einige Wechsel an der vordersten Front, bis Seymour ihren Koffer aus der Klappe auftauchen sah. Er wagte einen Vorstoß in die zweite Reihe.

»Entschuldigung, da ist meiner. Darf ich gerade ...?« Seymours Höflichkeit wurde ignoriert, sein Schienbein schmerzhaft mit der Kante eines Hartschalenkoffers gestreift, als eine ältliche Frau ihr Gepäck um die eigene Achse wuchtete. Auch die Lücke, die sich auftat, als die Dame ihren Koffer davonrollte, war schneller von einem bulligen, rotgesichtigen Rentner in Sandalen und Shorts geschlossen, als Seymour das Pochen in seinem Unterschenkel verwinden konnte. Ihr Koffer hatte die erste Ehrenrunde auf dem Band schon begonnen.

Geschlagen humpelte er zur Seite. An einer Säule stellte er sich neben einen Abfallbehälter, wartete, dass der schlimmste Andrang abebbte und nutzte die Zeit – wie immer, wenn er nichts Wichtiges zu tun hatte –, um Owen aus der Entfernung zu betrachten.

Dieser hatte in einer ruhigen Ecke der Halle Stellung bezogen. Anfänglich stand er gelassen dort, aber Seymour beobachtete, wie sich die Schultern des jungen Mannes weiter strafften, bis sein T-Shirt über seinen Rücken spannte. Er meinte, Owens dunkle Stimme sogar über die Geräuschkulisse der Halle hinweg zu hören, auch wenn er wusste, dass das unmöglich war.

 

* * *

 

Owen steckte das Telefon zurück an seinen Platz. Als er aufblickte und Seymour an einer Säule lehnen sah, blass und erschöpft, wusste er, dass er ihn zu lang hatte warten lassen. Owen seufzte lautlos. Im Vorbeigehen drängte er sich zwischen zwei Familienväter und schnappte sich ihren Koffer vom Gepäckband. Zügig ging er zu seinem Lebensgefährten hinüber.

»Alles in Ordnung?«, fragte er sanft und legte Seymour vorsichtig die Hand auf die Schulter. »Immer noch übel?«

Seymour zuckte trotz der behutsamen Annäherung zusammen. Träge öffnete er die Augen. Sein Blick glitt über Owens Gesicht hin zu dem Koffer an seiner Seite, bevor er die Augen wieder schloss und sacht nickte.

»Entschuldige, dass es gedauert hat. Magst du einen Schluck Wasser?« Owen wartete die Antwort gar nicht ab, sondern umkreiste die Säule bis zu dem Wasserspender auf der Rückseite.

Seymour neigte sich etwas, um ihn mit seinem Blick verfolgen zu können. »Oh«, sagte er dann. »Den hab ich gar nicht bemerkt.«

Owen nahm einen der Plastikbecher und ließ zur Hälfte gekühltes Wasser hinein, bevor er ihn mit raumtemperiertem auffüllte. Seymour wäre nicht geholfen, wenn er auch noch Kopfschmerzen bekam.

Dankbar nahm Seymour ihm den Plastikbecher aus der Hand und nippte daran. Vage deutete er auf Owens Hosentasche. »Gab es Probleme?«

Owen rümpfte die Nase. »Eine doppelte Buchung für die übernächste Woche. Ihnen ist aufgefallen, dass ich nicht gleichzeitig in Mailand und Manhattan sein kann.« Er hob die Schultern. »Nichts worüber wir uns den Kopf zerbrechen müssten«, winkte er ab.

Lächelnd betrachtete er Seymour, wie er vorsichtig austrank, und nahm ihm dann den Becher wieder aus der Hand.

»Können wir los?«, fragte er dann.

Seymour nickte und schob sich von der Säule weg.

In einer fließenden Bewegung entsorgte Owen das Plastik, schulterte seinen Rucksack und angelte nach dem Teleskopgriff des Koffers. Mit der anderen Hand fasste er Seymour am Arm und steuerte ihn behutsam Richtung Ausgang.

 

* * *

 

Seymour hörte den Vibrationsalarm, noch bevor Owen ihn spürte. Es dauerte zwei Sekunden, bis er in seine Tasche langte. Die Stelle an seinem Arm, auf der Owens Hand gelegen hatte, schien trotz des Leinenblazers und der trockenen Wärme auszukühlen.

Owen blickte auf das Display und stöhnte leise auf. »Nicht schon wieder ...«, murmelte er, blieb stehen und stellte den Koffer neben sich auf. »Hall«, meldete er sich dann kurzangebunden mit seinem Nachnamen.

In der Art, wie Owen seine Füße auf Breite seiner Schultern aufstellte und den Kopf ganz sacht nach vorn neigte, sah Seymour, dass das Gespräch nicht unter acht Minuten beendet sein würde. Er blickte sich um und blinzelte sehnsüchtig in Richtung des Taxiplatzes in einiger Entfernung und der überdachten Bushaltestelle auf halbem Weg dorthin. Das grelle Tageslicht tat nichts für seinen Magen und die vielen freien Sitze an der Bushaltestelle erschienen ihm verführerisch. Er zögerte einen Moment, musterte die Falte zwischen Owens geradlinigen Augenbrauen und beschloss dann, im Schatten zu warten. Seymour nahm den Koffer und setzte sich in Bewegung. Am Ende des Bürgersteigs wollte er gerade einen Fuß auf die Straße setzen, als eine weibliche Stimme ihn ansprach.

»Entschuldigung? Können Sie mir vielleicht helfen?«

Seymour drehte sich in Richtung der Stimme. Ein Mädchen, vielleicht siebzehn, in weißen Shorts und Turnschuhen stand vor einer großen, verglasten Orientierungstafel des Flughafengeländes und lächelte ihn etwas peinlich berührt an. »Ich suche das Fundbüro, das müsste hier irgendwo sein, aber ich komme mit diesem Plan nicht zurecht.« Sie deutete auf einen Punkt auf der Karte. »Ich glaube, wir sind irgendwo hier ...«

Seymour schaute auf die Stelle, die die Kleine ihm anzeigte, sah sich kurz um und runzelte dann die Stirn. Er stellte den Koffer neben sich ab und studierte den Plan eingehender. Dann zeigte er auf ihren tatsächlichen Standort. »Ich glaube eher, wir sind hier. Hier ist die Bushaltestelle und da drüben ist die Autovermietung, daher müssten wir eigentlich ...«

Seymour starrte der jungen Frau hinterher, die plötzlich über die Straße rannte und hinter einem der parkenden Shuttlebusse verschwand. Irritiert schaute er sich um. Sein Blick fiel auf einen jungen Mann, der ebenfalls wie von Hunden gehetzt die Straße hinunterjagte, einen Koffer hinter sich herziehend. Ihren Koffer.

Er hatte den Mund noch nicht geöffnet, als Owen schon an ihm vorbeistürzte. Im Rennen warf er Seymour seinen Rucksack vor die Füße und sprintete dem Kerl hinterher, der hinter einer Hecke abgebogen war. Seymour blieb allein zurück.

 

* * *

 

Schwer atmend und mit Seitenstichen kämpfend, trottete Owen zurück. Er hatte den Dieb an der Seite der Eingangshalle entlang, die Straße hinab und über einen Parkplatz hinweg verfolgt, dort war er aber in einen wartenden Wagen gesprungen und davongefahren. Das Nummernschild hatte er nicht erkennen können, dafür hatte er sich bei einem beherzten Sprung von dem erhöhten Bürgersteig auf die Straße die Innenseite seiner Lippe aufgebissen.

Missmutig tastete er mit der Zungenspitze über die anschwellende Wunde und hoffte, dass damit der Dreh für den Parfümwerbespot, der ihren spontanen Urlaub überhaupt ermöglicht hatte, nicht ins Wasser fiel. Er stutze, als er wieder an dem Standortplan ankam. Seymour war verschwunden.

Er schaute sich um, betrachtete die verschiedenen Sitzgelegenheiten der Bushaltestelle, ging zurück in die Eingangshalle, um zu sehen, ob sich Seymour vielleicht in den klimatisierten Bereich zurückgezogen hatte, aber auch dort war er nicht. Mit einem unguten Gefühl im Bauch machte er wieder kehrt, zurück zu der Orientierungstafel, doch es blieb dabei: Seymour war nicht mehr dort, wo er ihn zurückgelassen hatte.

Owen zögerte, ging dann zur gegenüberliegenden Bushaltestelle und sprach einen Rucksacktouristen an. »Entschuldigung, haben Sie den Mann gesehen, der vor ein paar Minuten dort drüben stand?«

Der Mensch antwortete irgendetwas auf Französisch, das die paar Brocken überstieg, die ein guter Freund Owen einmal beigebracht hatte. Mehr enerviert als entschuldigend hob er die Hände und wandte sich an den nächsten Reisenden, aber auch der verneinte und schaute misstrauisch auf Owens Lippe. Er starrte nur finster zurück.

Ein letztes Mal blickte Owen sich um, ging zurück zu dem Plan, um sich den Weg einzuprägen, und marschierte dann wieder zur Eingangshalle, auf der Suche nach der Polizeistation oder dem nächsten Sicherheitsbeamten, um sein gestohlenes Gepäck und seinen verschwundenen Mann zu melden.

Als er an einem Büro mit der Aufschrift Lost & Found an der Tür vorbeilief, konnte er trotz allem ein Schmunzeln nicht unterdrücken. Später, dachte er. Wenn er auch bei der Flughafensicherheit kein Glück hatte, würde er später immer noch nachfragen können, ob jemand seinen Seymour hier zur sicheren Verwahrung abgegeben hatte.

 

* * *

 

Warum er weggelaufen war, wusste Seymour selbst nicht mit Bestimmtheit. Er hatte auch keine genaue Ahnung, wieso er sich ausgerechnet auf eine öffentliche Toilette geflüchtet hatte. Er wusste allerdings sehr wohl, weshalb er dort seit über einer Stunde ausharrte. Kurz nachdem er sich in der Kabine verschanzt hatte, hatte sich die vermeintliche Zuflucht in ein Gefängnis seiner eigenen Schamhaftigkeit verwandelt, als erst ein Waschbecken und dann ein zweites benutzt wurde und zwei Stimmen sich angeregt über einen bevorstehenden Urlaub zu unterhalten begannen. Zwei Frauenstimmen.

Er hatte den Moment abzupassen versucht, in dem niemand vor den Kabinen herumlungerte, um sein Haar zu richten oder sich die Hände zu waschen, aber die Angst, jemandem in der Tür in die Arme zu laufen, hatte ihn bewegungsunfähig gemacht.

Dann aber kam der Augenblick, auf den Seymour bangend gewartet hatte. Der Aufruf erschallte über die Lautsprecheranlage des Flughafens: »Mister Mellinger wird zum Sicherheitsbüro gerufen. Mister Seymour Mellinger bitte zum Sicherheitsbüro.«

Seymour schnaufte unglücklich auf. Er senkte den Kopf, nahm seinen Mut zusammen und öffnete das Schloss. Hinter Owens Rucksack und seiner eigenen Ledertasche Schutz suchend, stürmte er aus der Kabine hinaus, rannte beinahe ein kleines Mädchen um, das offensichtlich auf seine Mutter wartete, riss die Tür auf und eilte im Stechschritt den breiten, Menschen überfüllten Gang entlang. Erst an der nächsten Rolltreppe hielt er an, um sich zu orientieren.

 

* * *

 

»Seymour!« Owen sprang von dem Stuhl auf, auf den die Rettungssanitäterin ihn gesetzt hatte, um seine Lippe zu versorgen, und auf dem er die letzte Viertelstunde wartend verbracht hatte. Mit wenigen Schritten war er bei Seymour, der plötzlich in der Tür des Sicherheitsbüros stand. »Geht’s dir gut? Haben sie dich verletzt?«

Owen spürte den Blick des Sicherheitsbeamten sehr deutlich in seinem Rücken, als er die Hände unter Seymours Jacke schob und über dessen Oberkörper strich, als wollte er sicherstellen, dass er noch heil war.

Seymour sah ihn etwas verwirrt an. »Wie kommst du darauf?«

»Weil du plötzlich weg warst. Ich dachte schon, du wärst umgekippt oder dir wäre sonst was passiert. Geht’s dir gut?« Owen musterte Seymours große Augen hinter den eckigen Brillengläsern eingehend.

Der Mann zögerte. »Ich bin okay«, sagte er dann.

Owens Mund verzog sich leicht. »Bist du sicher?«

Seymour nickte und deutete dann auf seine Lippe. »Was ist mit dir? Habt ihr euch … geschlagen?«

Er schüttelte den Kopf. »Nein. Er ist mir entwischt.« Owen seufzte und zuckte mit den Schultern, bevor er die Hand an den leicht geschwollenen Mund hob. »Ist nicht so schlimm. Hat sich schon jemand angesehen.«

Einen kurzen Augenblick lang standen sich die beiden schweigend gegenüber, bevor Owen seine eigentliche Frage wieder einfiel. »Wo bist du gewesen? Ich kam zurück und du warst nicht mehr da. Ich dachte wirklich, sie hätten dich mit einem Messer attackiert und irgendjemand hätte dich in ein Krankenhaus gebracht.«

Dass er sich sogar Schlimmeres ausgemalt hatte als Seymour blutüberströmt in einem Rettungswagen, verschwieg er.

Seymour wich seinem Blick aus. »Ich ... Ich hab den Sicherheitsdienst gesucht und mich dann verlaufen. Ich hatte nach dem Weg gefragt, aber ich hab es wohl falsch verstanden.« Er hob die Schultern und deutete vage in Richtung des Sicherheitsbeamten. »Und was passiert jetzt?«

Owen zögerte. Er musterte das Gesicht des anderen Mannes, wusste dessen scheuen Blick aber nicht zu deuten.

»Sie brauchen noch deine Aussage und sie wollen unsere Ausweise sehen. Danach können wir wohl ins Hotel fahren.«

Seymour nickte nur und ließ sich den Rucksack abnehmen, als er sich in Richtung des Tresens bewegte, hinter dem der Sicherheitsbeamte so tat, als beobachte er sie nicht.

Owen wusste nicht genau, was es war, aber etwas an Seymours Haltung ließ ihn den Arm nach ihm ausstrecken und seine Hand zwischen seine Schultern legen. »Alles halb so wild«, beschwichtigte er. »So lang wir uns wieder haben ...«

 

* * *

 

Seymours Nervosität stieg schlagartig an, als ein Hotelangestellter die Wagentür öffnete und sie willkommen hieß. In einiger Entfernung rauschte ein zurückhaltender Wasserfall in eine ausufernde Teichanlage tropischer Vegetation. Die Eingangstür des Hotels erreichte man über einen breiten Holzsteg, unter dem sich das Wasser eben jenes Falls erstreckte.

»Gefällt es dir?«, fragte Owen und stieß ihn sanft mit dem Ellbogen an. Auf dem Steg blieben sie kurz stehen, um die üppig begrünte Anlage zu bestaunen, die das Gebäude weitläufig säumte. »Ich hab’s gesehen und musste es für uns buchen. Warte bis du unsere Suite siehst!«

Seine Augen strahlten, als er Seymour durch den großzügig bemessenen Eingang und in die Rezeptionshalle hineinzog. Owen erledigte sämtliche Formalitäten, was Seymour die Zeit gab, sich umzusehen.

Das Interieur sah auf geschmackvolle Weise teuer aus. Man merkte den Materialien ihre Qualität an, aber auf überquellende Dekorelemente war verzichtet und stattdessen auf ein modernes, geradliniges Design gesetzt worden. Das Jadegrün der Hausfarbe, die sich im Schriftzug auf der Wand hinter der Rezeption fand, kontrastierte harmonisch mit dem Braun des dunklen Holztresens. Im Boden eingelassene Becken und flache Bronzeschalen mit Wasserlilien deuteten die Spa-Ausrichtung des Hotels an. Der gesamte Eingangsbereich strahlte ruhige Zurückhaltung aus – eine kühlende Wohltat nach der grellen Tageshitze. Seymour fühlte sich trotzdem fehl am Platz.

»Dann wünsche ich Ihnen einen angenehmen Aufenthalt«, sagte der junge Mann hinter der Rezeption mit einem ehrlichen Lächeln und winkte einen Pagen heran.

Dieser überwand seinen verwunderten Gesichtsausdruck sehr schnell, als Owen ihm erklärte, dass sie nur die zwei kleinen Handgepäckstücke bei sich hatten. Durch die weitläufigen Gänge führte er sie in einen abgelegenen Seitenflügel.

»Die Lagunensuite«, kündigte der junge Mann an und öffnete ihnen die Tür. Er lud sie in die Mitte des Wohnzimmers ein, öffnete auch die Flügeltüren zur Terrasse und zum Schlafbereich und legte ihr Gepäck behutsam auf einer niedrigen Kommode ab.

»Kann ich noch etwas für Sie tun?«, fragte er, als er wieder bei ihnen war.

Owen verneinte dankend. Er gab dem Jungen sein Trinkgeld und wartete bis dieser mit einem freundlichen Nicken die Tür hinter sich geschlossen hatte, bevor er sich auf die weich gepolsterte Couch aus Massivholz warf. Er brauchte seine Hände nicht, um sich die teuren Lederstiefel von den Füßen zu streifen, die er sich zuzuschnüren nie mühte. Mit unterschlagenen Beinen ließ er sich in die Kissen sinken.

Seymour spürte seinen Blick auf sich und setzte sich schnell auf den zur Couch gehörigen Fußhocker.

»Ich versteh immer noch nicht, was dein Problem ist«, griff Owen das Gespräch, das sie im Taxi auf dem Weg zum Hotel begonnen hatten, wieder auf. »Es ist doch nur ein Koffer.«

Seymour richtete seinen Blick auf die Terrasse, die unmittelbar zum Strand führte. Er konnte den Ozean von seinem Platz aus sehen, die Wellen rauschen hören. Er zog seinen Blazer enger um sich.

»Aber da waren deine Sachen drin«, erwiderte er dann.

Owen schnaubte amüsiert auf. »Und deine etwa nicht?«

»Das ist doch unwichtig.« Seymour hob ausweichend die Schultern. Der fragende Blick auf Owens markanten Zügen ließ aber nicht zu, dass er sich ausschwieg. Seymour senkte den Kopf. »Ich hab doch nur ein paar Hemden, aber du brauchst das für deine Arbeit.«

»Ähm ... Nein? Ich bekomme Sachen gestellt, die ich anziehen soll. Darum geht es doch in dem Job.« Owen zuckte seinerseits die Achseln und angelte sich eine Feige aus der Obstschale auf dem Kaffeetisch. »Klar ist es ärgerlich, dass der Koffer weg ist, aber es sind nur Klamotten.«

Seymour folgte der Bewegung des nackten Arms. Betrachtete, wie ein Lichtreflex über die Haut strich, sich das kräftige Handgelenk drehte, um die Frucht an Owens sanften Mund zu führen, die vollen Lippen, die ihnen mit nur einer Aufnahme das Geld für die Hausrenovierung eingebracht hatten – und die seinetwegen geschwollen waren.

»Aber du kannst ja nicht nackt dorthin fahren.«

Owen biss zu. »Seymour, wir sind hier in einem Nobelhotel«, belehrte er mit halb vollem Mund. »Mal davon abgesehen, dass ich einfach in einen Laden gehen und mir zwei Shirts und eine Hose für unseren Aufenthalt hier kaufen kann, könnte ich auch an der Rezeption anrufen und die würden schon eine Lösung dafür finden.«

»Aber ... da waren ja nicht nur Kleider drin. Alles andere ist auch weg.« Seymour seufzte lautlos, während er an Owens Gelassenheit innerlich verzweifelte.

»Du meinst das Duschzeug und den Rasierer? Kaufen wir neu.«

»Dein Buch ...«

»Ist nur ein Buch.«

»Die Schuhe.«

»Seymour ...« Owen hob die runden Schultern. »Das sind alles nur materielle Dinge. Ich verstehe das Problem nicht.« Er leckte sich einen Tropfen Saft vom breiten Handrücken, um zu verhindern, dass dieser auf das cremeweiße Polster der Couch fiel.

Seymour schwieg einen langen Moment, in dem er Owens offenes Gesicht zu lesen versuchte. Letztlich hob er nur die Hände. »Es ... ärgert mich einfach.«

»Muss es nicht«, versicherte Owen und lächelte schief. »Ich bin jedenfalls nicht böse. Und ich würde mir wünschen, dass du dich ein wenig entspannst und wir trotz des Koffers heute Abend unseren Urlaubsbeginn feiern können.«

In Seymours gesenkten Blick drang Owens Hand, die sich über seine eigenen, im Schoß gefalteten Finger legte. Seine viel zu nachgiebige Stimme schmiegte sich in Seymours Ohr.

»Geh erst mal duschen, hm? Dann sieht schon alles viel besser aus.«

 

* * *

 

Die Duschmatte legte sich weich unter seinen Fuß, als Seymour aus der ebenerdigen Glaskabine trat. Er angelte nach einem der Handtücher, die einen zurückhaltenden Frischeduft verströmten und trocknete sich schnell ab. Den Blick hielt er gesenkt, denn der Raum war schön. Großzügig geschnitten, mit Mosaikfliesen an den Wänden und einem anscheinend stets gefüllten Heißwasserbecken, das im Boden eingelassen war. Doch ein enormer, von Bronze gerahmter Spiegel prangte über der Waschzeile und machte es ihm unmöglich, sich an der Schönheit dieses Orts zu erfreuen. Er wollte hier sein. Er wünschte sich, diesen Aufenthalt genießen zu können. Aber sobald er sich umblickte, sah er seine Reflektion. Seine Anwesenheit war eine Störung in der Ästhetik des Raums. Und er wollte doch niemanden stören.

Hastig griff er nach einem der Bademäntel an der Tür und zog ihn über, bevor er in das Wohnzimmer flüchtete.

Owen hatte seinen Körper auf der Couch drapiert. Seine langen, wohl definierten Glieder fügten sich in die Polster. Er lächelte ihn an. »Na? Besser?«

Seymour beeilte sich, zu nicken. »Die Dusche war angenehm.«

Offensichtlich hatte er die Zurückhaltung in seiner Stimme nicht verbergen können, denn Owen setzte sich auf. Eine Falte grub sich zwischen die vollen, dunklen Brauen.

»Aber?«

»Ich ... hab nichts Frisches zum Anziehen.« Das war nicht gelogen. Seymour deutete in Richtung des Bads, in dem er seine Kleider zurückgelassen hatte. »Die Sachen aus dem Flugzeug riechen nach Klimaanlage. Und anderen Menschen.«

Owen musterte ihn mit einem nicht deutbaren Blick und nahm einen tiefen Atemzug. »Dann schlage ich vor, dass du unsere Suite einweihst. Ich geh ein paar Sachen einkaufen.«

Er erhob sich, was Seymour seine Hand nach ihm ausstrecken ließ. »Die müssen dann doch auch erst gewaschen werden.«

Owen schüttelte etwas hilflos den Kopf und lachte leise. »Na, viel mehr Optionen haben wir wohl nicht. Es sei denn, du willst, dass ich in der Suite nebenan einsteige und schaue, ob die Nachbarn etwas zu verschenken haben.« Vorsichtig tastete er mit der Zungenspitze über seine Lippen. »Du ... kannst natürlich auch nackt bleiben.«

»Owen ...«

»Ich mach doch nur Spaß.« Er legte Seymour die Hand auf die Schulter und drückte einen weichen Kuss auf dessen Wange. »Ich geh los und kauf was. Und frag an der Rezeption, ob sie die Sachen für uns waschen und trocknen können. Du bleibst hier, genießt unser Zimmer, nimmst noch ein Bad oder lässt dir ein Buch oder eine Zeitschrift kommen. Oder was zu Essen. Es gibt einen Zimmerservice.« Er lächelte ihn wissend an. »Ich will, dass du ihn nutzt.«

 

* * *

 

Owen ließ sich von dem Taxifahrer in ein Einkaufscenter bringen. Er brauchte nicht lang, um einen Herrenausstatter zu finden und ließ sich Zeit, die zurückhaltend bestückten Auslagen zu durchforsten. Er ignorierte die halblauten Worte, die der Verkäufer seiner älteren Kollegin zu tuschelte, während er vor einem Regal mit Anzügen einer Marke stehen blieb, für die er letztes Jahr gearbeitet hatte.

Mit einem langen, sondierenden Blick erfasste er die verschiedenen Modelle und streckte dann die Hand zielsicher nach einem Hemd aus. Der Stoff fiel nicht zu steif. Das Design mit einer versteckten, farblich abgesetzten Knopfleiste und einem dazu passenden Kragensaum war ein dezenter Blickfang, jedoch nicht zu verspielt, als dass Seymour sich darin verkleidet vorkäme – wie dieser es nannte. Owen war sich sicher, dass das blasse Taubenblau seinen hellen Teint nicht zu sehr betonen würde. Er entschied. Auf der Suche nach Seymours Größe prüfte er die Länge der Ärmel sowie die Breite an Schultern und Hüfte und nahm dann die nächst kleinere Ausfertigung.

»Darf ich Ihnen behilflich sein?«, unterbrach eine betont freundliche Stimme seine Gedanken. »Die Farbe würde Ihnen hervorragend stehen, Mister Hall.«

Owen drehte nur den Kopf und fand seinen Unmut ob der Störung bestätigt, als er den Ladenangestellten, der neben ihm aufgetaucht war, einer flüchtigen Musterung unterzog. Es war der junge Mann, der vorhin nur mit mäßig unterdrückter Aufregung seiner Kollegin die Anwesenheit eines aus den Medien bekannten Gesichts in ihrem Laden gemeldet hatte. Offensichtlich hatte er nun den Mut gefunden, ihn anzusprechen.

Owen erfasste die starr gegelten Haare, die zu schmale Krawatte und die Bootsschuhe an den Füßen seines Gegenübers. »Nein«, erwiderte er dann und wandte sich wieder den Anzügen zu, auf der Suche nach einer Hose, in der Seymour nicht verloren aussehen würde. Er hörte, wie sich der junge Mann entfernte – nicht bewusster als er die Musik wahrnahm, die von außerhalb des Ladens an sein Ohr drang. Er konnte sich die Enttäuschung des Angestellten vorstellen. Tat es aber nicht. Stattdessen nahm er sich die Zeit, um zwischen drei Modellen zu wählen, fand noch zwei weitere Hemden, die ihm gefielen und ein gutes Jackett in einem hellen Grau. Seit Seymour schätzte er die Farbe.

Ein bequemer, luftiger Pullover aus leichtem Baumwollstoff sowie Unterwäsche und Strümpfe rundeten die Auswahl ab.

Für sich selbst griff er nach zwei schmalen T-Shirts und einer Jeans.

Als er zum Verkaufstresen schlenderte, um zu zahlen, war er nicht überrascht, die Kollegin des Angestellten anzutreffen, der sich vermutlich zurückgezogen hatte, um die Wunden seines verletzten Stolzes zu lecken. Owen ließ ein großzügiges Trinkgeld zurück.

 

* * *

 

Owen klopfte an, bevor er sich einließ. Er fand Seymour auf der Couch, was ihn wenig überraschte. Noch immer im Bademantel saß er, umgeben von einzelnen Seiten einer Partitur und mit einem Block unbeschriebenen Notenpapiers im Schoß, auf der Kante des Polstermöbels und schaute Owen erwartungsvoll entgegen.

»Die Sachen werden aufs Zimmer gebracht. Sie sagten, in zwei Stunden könnte es etwas werden.« Owen stellte seine Taschen und Tüten neben der Tür ab. In einem Kosmetikwarenladen hatte er nach längerer Suche Seymours Gesichtscreme gefunden sowie ein paar Einwegrasierer, Seymours bevorzugtes Duschgel, Zahnbürsten und andere Dinge des täglichen Bedarfs. Zuletzt war er an einem Laden für Sportbekleidung vor den reduzierten Badeartikeln stehengeblieben und hatte kurzentschlossen zwei schlichte Badehosen erstanden.

In derselben spontanen Attitüde zog er sich sein Shirt über den Kopf und knöpfte dann seine Jeans auf. Er konnte ein Schmunzeln nicht unterdrücken, als er Seymours Blick über den Rand seiner Brille sah, der von der offenen Terrassentür zu seinen heruntergelassenen Hosen und wieder zurück wanderte.

Lässig deutete Owen auf die Badezimmertür. »Kommst du mit?«, fragte er und warf seine Kleider neben Seymour auf die Couch.

Seymours Blick richtete sich irritiert auf das Kleiderknäuel und dann auf sein Gesicht.

Owen hingegen irritierte es, dass es Seymour nicht schwer zu fallen schien, seine Augen auf sein Gesicht gerichtet zu halten.

»Ich war doch schon duschen«, antwortete Seymour mit einiger Verzögerung.

Owen schnaubte leise und legte den Kopf schräg. »Das war eigentlich keine Frage. Komm ...«

Seymour folgte ihm. Zögerlich, aber dennoch. Im Bad blieb Owen vor der im Boden eingelassenen Wanne stehen. Er wartete, bis Seymour in Armlänge entfernt zu stehen kam, bevor er ihn an den Aufschlägen des Bademantels heranzog und dann den Gürtel öffnete. Der Stoff glitt mit einem weichen Geräusch zu Boden.

Owen lächelte, als er die Hände über die Haut von Seymours Brust gleiten ließ und sich gegen ihn drängte. Er spürte Seymours Körper an seinem, denselben Körper, den er im Spiegel betrachtete. Weich schmiegte sich der ältere Mann in seinen Arm, vergrub sein Gesicht an Owens Hals.

Owen wagte es, die Hand auf die Vertiefung seines Rückens kurz über seinem Po zu legen und langsam tiefer zu streichen. Er mochte, wie sich die Haut dort unter seinen Fingern anfühlte. »Heißt das, du warst die ganze Zeit über nackt?«

Seymour drehte sich in seiner Umarmung, um in seinem Gesicht zu lesen. Aber es war einer jener Tage, an denen sie unterschiedliche Sprachen zu sprechen schienen. Seine Stirn lag in Falten.

»Was ... hätte ich denn anziehen sollen?«

Owen lachte – ganz leise, weil seine Lippen an Seymours empfindlichem Ohr lagen. »Ach, Seymour ...«

An seiner Hand zog er ihn mit in das Becken.

 

* * *

 

»Und? Weißt du es schon?«

Owen streckte sich neben ihm in die Länge. Zufrieden, schläfrig, schwer.

Seymour arrangierte das weiße Laken enger um seinen Körper, während sein Blick über Owens fuhr. Dessen Schenkel lagen ein Stück weit offen, nicht lasziv, aber selbstsicher und entspannt. Sein Schoß war noch feucht.

Seymour schluckte trocken. »Weiß ich was?«

Owen deutete unbestimmt in den Raum. »Was es ist?«

»Ich verstehe nicht.«

»Was es ist, das dich an dem Zimmer stört.«

Seymour musterte sein Gesicht. »Wie?«

»Du fühlst dich nicht wohl.« Owen legte ihm die Hand auf den nackten Arm, mit dem er das Laken um sich geschlossen hielt, und strich beruhigend mit dem Daumen über die Haut und die feinen Haare darauf. Er lächelte. »Ich weiß nicht, warum. Aber ich sehe es.«

Seymour konnte nicht verhindern, dass sein Herzschlag beschleunigte – und dann kurz aussetzte, als es an der Tür klopfte.

»Zimmerservice«, gab sich eine Stimme hinter der Tür zu erkennen.

Owens Gesicht hellte sich auf. »Bestimmt unsere Wäsche.« Kurz drückte er Seymours Arm wie zum Abschied, bevor er sich längs über die Seite rollte und geschmeidig auf die Füße kam. Auf dem Weg zum Wohnzimmer nahm er das Handtuch auf, das er auf dem Hinweg zum Bett verloren hatte. Owen hatte es kaum um die Hüften gelegt und Seymour hatte kaum realisiert, dass die Flügeltür zwischen Wohn- und Schlafzimmer noch offen stand, als Owen dem Mädchen vom Zimmerservice bereits öffnete.

Seymour erwachte aus seiner Schreckstarre und kam ebenfalls auf die Füße – nicht annähernd so geschmeidig wie Owen, wofür er aber zum Teil das Laken verantwortlich machte, in das er sich so eng eingerollt hatte, dass es ihm unmöglich war, in vernünftiger Schrittlänge zu gehen. So eilig er konnte und der Stoff es zuließ, stellte er sich in die Ecke des Zimmers, die von der Eingangstür der Suite aus nicht einsehbar war.

»Vielen Dank«, hörte er Owen sagen. »Sie müssen es nicht reintragen. Geben Sie es mir gerade.«

Owen tauschte noch einige freundliche Worte mit dem Mädchen aus, bevor er mit einem Bastkorb in Händen ins Schlafzimmer trat. Verwirrt blickte er sich um, ehe er Seymour in seiner Ecke stehend fand.

»Ähm ...« Er schmunzelte und stellte den Korb vor das Bett. »Kommst du mit auf die Terrasse? Dann können wir dort weiter nach dem Problem forschen.«

Seymour schaute Owens langen, wohl definierten Beinen hinterher, mit welcher Gelassenheit er auf die Terrasse trat – mit nichts am Leib als seinem Handtuch.

Er überlegte. Das Problem blieb das gleiche wie vor einigen Stunden. Er wusste nicht, ob er die Kleider aus dem Flugzeug wieder anziehen sollte. Der Gedanke an den muffigen Reisegeruch war ihm zuwider. Ein frisches Hemd mochte er aber auch noch nicht bemühen – nicht nach dem, was Owen mit ihm gemacht hatte. Und vielleicht erwartete Owen auch, dass er sich ebenso entblößt präsentierte wie er selbst. Zuletzt folgte Seymour ihm, wie er war: in sein Laken gewickelt und überfordert. Im Vorbeigehen warf er der Badezimmertür und der Dusche dahinter einen sehnsüchtigen Blick zu.

Owen ließ sich auf das eigenartige Polstermöbel fallen, das auf der Terrasse stand. Es war eine breite Liege, auf der zwei Personen bequem Platz gefunden hätten. Wenn Seymour es genau bedachte, glich es einem Bett, nur dass die Decken fehlten.

Owen ließ den Kopf auf ein dickes Polsterkissen sinken und winkte ihn heran. »Du kannst ruhig rauskommen, so heiß ist es gar nicht.«

Seymour blieb trotz der einladenden Geste in der Tür stehen und sah sich um. Die Terrasse hatte wie der Rest der Suite einen grandiosen Blick aufs Meer. Ein hüfthohes Geländer verhinderte, dass man auf den Hang gelangte, auf dem ihre Suite als Ausläufer des Hotelflügels errichtet worden war. Das Gelände unter ihnen fiel sanft ab, verlor auf seinem Weg seine Vegetation und führte auf vielleicht nicht einmal zwei Gehminuten unmittelbar zum Strand. Er konnte die anderen Hotelgäste sehen, die sich sonnten, im Meer schwammen oder am Strand entlang spazierten. So wie diese ihn sehen konnten.

»Sollen wir das morgen ausprobieren?«, unterbrach Owen seine Gedanken.

»Was ausprobieren?«

Owen deutete auf das Meer. Seymours Blick folgte dem ausgestreckten Arm und sah einen bunten, windgeblähten Schirm über dem Wasser, von dem ein Mensch auf einem Surfboard durch die Wellen gezogen wurde.

»Kitesurfen. Oder normales Surfen. Irgendetwas aus der Richtung.«

»Ich glaube nicht, dass das was für mich ist«, erwiderte Seymour tonlos.

»Die bieten hier auch Tauchkurse an. Und Wanderungen zu den schönsten Wasserfällen.«

Seymour blieb still, betrachtete noch immer die Menschen am Strand und zog das Laken enger.

Owen seufzte sanft. »Das ist wirklich nicht deins, oder?«

Seymour wandte sich ihm zu. »Was meinst du?«

»Das Hotel. Hawaii. Strandurlaub.«

»Das Hotel ist schön«, beeile sich Seymour zu sagen. »Und der Strand auch.«

»Aber?«

Seymour presste die Lippen zusammen, während er nach Worten suchte. »Es ... ist so offen.« Er machte eine unbestimmte Geste über die Veranda und an der Fassade des Gebäudes entlang. »Alle Fenster gehen zum Strand raus und alles ist so groß und … luxuriös.«

Er konnte die Falte zwischen Owens vollen Brauen förmlich hören, obwohl er nur ein Wort sprach: »Okay.«

Dennoch sah Seymour ihn fragend an, denn er wusste das Runzeln seiner Stirn nicht zu deuten.

Es war an Owen, die Schultern zu heben. »Wir können wieder fliegen, wenn du möchtest. Ich mein ja nur … Wenn du dich nicht wohl fühlst, müssen wir nicht hier sein.«

»Aber du musst doch arbeiten.«

»Ja«, sagte Owen, schüttelte aber gleichzeitig den Kopf. »Sagen wir’s so: Wir müssen nach dem Dreh nicht bleiben. Oder du fliegst vor, und ich komme nach, sobald der Werbespot im Kasten ist. Es liegt bei dir.«

»Ich will dir nicht den Urlaub ruinieren.«

»Na ja, es ist unser Urlaub. Als ich gebucht habe, dachte ich, es wäre eine gute Idee. Vor dem Ende der Spielsaison hattest du gesagt, dass du gern wegfahren würdest. Und ich fand die Gelegenheit günstig ... Wann kommt man schon beruflich nach Hawaii? Vor allem in der Zeit, in der du weder in die Philharmonie noch in die Uni musst. Ich dachte, ein paar Tage am Strand und in der Sonne wären ganz schön für uns beide, aber … vielleicht war das voreilig.« Er lächelte mild. »Wenn ich hier mit dem Dreh und dem Shooting durch bin, können wir gern schauen, ob wir irgendwo anders unterkommen, wo du dich sicherer fühlst. Wolltest du nicht mal nach Rom?«

»Ich möchte hier sein. Mit dir.« Seymour versuchte, Owens Blick zu erwidern, aber es gelang nicht. Er schaute zu Boden. »Aber ich kann diese Sachen nicht ... Surfen und tauchen.«

»Wir sind in einem Wellness- und Spa-Hotel. Da wird es sicher etwas geben, das dir gefällt. Und wenn du dich den halben Tag lang massieren lässt ... Ich fänd es schön, wenn du es versuchst. Ein wenig Spaß zu haben. Es zu genießen. Vielleicht …« Er grinste. »... möchtest du dich für den Anfang hinsetzen? Wir haben für sämtliche Stühle hier bezahlt. Ich würd mich freuen, wenn du sie nutzt. Vor allem die bequemen.«

Seymour betrachtete den leeren Platz neben Owen auf der Liege. Er rang mit sich und es schmerzte, aber er brachte es nicht über sich, seinen Fuß über die Schwelle zu setzen. Er nickte zum Strand runter. »Ich ... mag nicht, dass uns alle sehen können.«

Owen musterte sein Gesicht für einen langen Moment. Dann gab er sich einen sichtlichen Ruck. »Okay«, sagte er mit einem Aktionismus in der Stimme, den Seymour als bedenklich empfand. Owen stand von dem Tagesbett auf. »Zieh dir was an und pack deine Noten wieder zusammen.«

Seymour musterte ihn, wie er an ihm vorbeiging. »Was hast du vor?«

»Ich besorg uns ein anderes Zimmer«, antwortete Owen so nebensächlich, wie nur er es vollbringen konnte.

»Aber wir haben doch schon ...« Seymour ließ den Satz ausklingen, aber seine Hand, die vage in Richtung des Schlafzimmers deutete, ließ Owen grinsen.

»Das Bett in Unordnung gebracht? Das kriegen die hin. Ich bin mir sicher, die haben schon Schlimmeres gesehen. Aber ich lass ein gutes Trinkgeld da, wenn das dein Gewissen beruhigt.«

 

* * *

 

»Ein anderes Zimmer? Stimmt mit der Suite etwas nicht?« Die Dame hinter der Rezeption schaute sie erschrocken an, als würde sie persönlich dafür büßen wollen, falls am Service des Hauses etwas auszusetzen war. Owen schätzte Engagement. Er lächelte.

»Nein, die Suite ist mehr als in Ordnung, aber ... wir haben uns etwas Privateres vorgestellt. Hätten Sie vielleicht etwas Ähnliches, das weniger einsehbar ist? Die Terrasse ist ganz wunderbar, aber man fühlt sich darauf doch etwas ... präsent.«

Die Dame entspannte sich etwas ob des Lobes, schien aber noch immer irritiert. »Ich könnte Ihnen eins unserer Strandhäuser anbieten. Die liegen etwas außerhalb auf der Anlage, separat. Sie entsprechen allerdings nicht Ihrer Buchungskategorie.«

»Das mach nichts. Ich kann Ihnen die Differenz sofort zahlen.«

»Nein, nein, die Häuser liegen unterhalb Ihrer Kategorie. Es ... gibt zum Beispiel keinen gesonderten Aufenthaltsraum. Nur ein Waschbecken im Bad. Insgesamt ist es eher klein.«

»Oh«, meinte Owen. »Klein stört uns nicht. Was sagst du?«

Er musterte seinen Mann, der still am Tresen stand und ihn mit seinen großen Augen ansah. Seymour nickte. Eine Bewunderung lang in seinem Blick, die Owen schwer auf sich lasten spürte.

»Wir würden es uns gern ansehen, wenn das möglich ist«, entschied er dann.

Die Dame stimmte mit einem erleichterten Lächeln zu. »Sehr gern.«

Sie bestellte ihnen einen Fahrer, der sie mit einem sechssitzigen Golfwagen am Nebeneingang abholte und über die weitläufige, üppig begrünte Hotelanlage chauffierte. Mittlerweile dämmerte es, weshalb die Wege bereits von kleinen, in der Botanik versteckten Spots erhellt wurden. Die Luft war angenehm und Owen hatte das Gefühl, dass Seymour sich neben ihm etwas entspannte. Unauffällig legte er ihm die Hand aufs Knie.

Bei der Besichtigung ließ er Seymour den Vortritt. Owen war der Ort egal, umso mehr beobachtete er die Regungen auf Seymours Gesicht, die Haltung seiner Schultern, während er die Strandhütte begutachtete.

Seymour umrundete das Bett, das geräumig war, aber einen guten Teil des einzelnen Raums beanspruchte, und blieb kurz an der Couchecke stehen, bevor er ins Bad ging. Er sah zufrieden aus, als er den gepflegten, modern eingerichteten Raum wieder verließ. Zuletzt öffnete er die Tür zur Terrasse. Owen folgte ihm und schaute in einen kleinen Garten, der ringsum von ausladenden Hibiskusbüschen gesäumt war. Sie ließen zwar einen breiten Durchgang zum Strand offen, hielten aber allzu neugierige Blicke fern. Und das Tagesbett war das gleiche.

»Und?«, fragte Owen. »Hältst du es hier ein paar Tage aus?«

Seymour lächelte ihn an. »Danke«, sagte er leise.

 

* * *

 

Seymour rollte sich schläfrig auf der Couch zusammen. Sie hatten ihren Abend genutzt, um in einem der drei Restaurants des Hotels zu Abend zu essen, und waren dann über die Anlage und am Strand spazieren gewesen. Erschöpft schob er seine Hand unter Owens Schenkel, den er als Kopfkissen benutzen durfte, während dieser – wie jeden Abend – seine Telefonate erledigte. Seymour war zu satt und erschöpft, um Unmut zu empfinden, auch wenn er wusste, dass der erste Anruf Lewis gelten würde.

»Ja, wir sind gut angekommen ... Morgen geht es los. Es wird auch eine Fotostrecke geben, daher sind zwei Tage geplant ... Ach, keine Ahnung wo. Die Rede war von einem Wasserfall und dann ist da noch so eine geheime Bucht. Da muss man wohl rüber paddeln. So mit Wasser und Sand.«

Seymour seufzte zufrieden, als Owen seine Hand gedankenverloren auf seinen Kopf legte und über sein Haar zu streichen begann.

»Ja, ein Strand.« Owen lachte. »Genau. Na ja, ein bisschen tropisches Gebüsch, ein bisschen Wasser, ein Boot, irgendeine Globetrotter-Indiana-Jones-Abenteuerkluft in Kaki und Erdbraun, das sieht dann ganz nett aus ... ›Geo‹ heißt es ... Ja, wie die Zeitschrift. Ist irgend so ein neuer Duft von einer dieser italienischen Edelmarken. Frag mich nicht, welche.«

Seymour spürte Owens tiefen Atemzug an seinem Hinterkopf und drückte sich näher in die Wärme der Hand, die ganz nebensächlich über seine Seite strich. Er mochte den Gedanken, dass auch diese kleine Zärtlichkeit für Owen ganz selbstverständlich war.

»Ist gut. Mach ich ... Und ich dich erst!«

Er öffnete ein Auge, als er hörte, wie das Telefon neben ihm auf dem Polster der Couch landete. Das Display war schwarz. Fragend richtete er seinen Blick nach oben.

Owen erwiderte in gleicher Manier. »Was hältst du von Bett?«

Seymour runzelte die Stirn. »Bist du denn schon fertig?«

»Urlaub.« Owen zuckte mit den Schultern und nahm Seymours Hand in seine. Er grinste. »Der Rest soll bis morgen warten. Ich will jetzt mit dir in dieses Bett. Unordnung machen.«

 

* * *

 

»Was hältst du von dem da?« Owen deutete auf einen großen, mit Lampions erhellten Strandpavillon, dessen Schild Fingerfood versprach. Sie hatten sich nach Owens erstem Drehtag am frühen Abend an der Strandpromenade verabredet, um gemeinsam zu essen.

Es war eine seltsame Art von Stolz, die ihn erfüllte, als er Seymour am vereinbarten Ort in dem Anzug sah, den er für ihn ausgesucht hatte. Er hatte recht gehabt – Seymour sah fabelhaft darin aus.

»Egal. Hauptsache ich muss nicht mehr laufen.« Seymour lachte und setzte sich etwas steif in Bewegung.

»Blasen?«, vermutete Owen und trat auf den Holzsteg, der sie zu dem Lokal führte.

»Frag nicht.« Seymour nickte gequält, aber er lächelte dennoch. »Und Muskelkater ...«

Er ließ zu, dass Owen ihn an der Schulter hielt, während er über die Planken stakste. Am Eingang angekommen, wurden sie von einem Kellner in Owens Alter mit einem Nicken begrüßt. Owen wählte einen Tisch in der Nähe der Bar, führte Seymour hin und schob ihm den Stuhl zurück, bevor er selbst Platz nahm. Seymour hatte sich kaum schwerfällig auf den Stuhl sinken lassen, als der Kellner ihnen die Karten brachte. Er lächelte Owen freundlich an.

»Darf ich Ihnen schon etwas zu trinken bringen?«

Owen nickte und richtete seine Aufmerksamkeit schon halb auf die Karte in seiner Hand. »Ich hätte gern eine ordinäre Cola. Ohne Zitrone.«

Der Kellner nickte und machte eine Notiz. Owen ahnte, was kam, als er aus dem Augenwinkel sah, dass der Mann keine Anstalten machte, sich Seymour zuzuwenden, sondern die Frage an ihn richtete.

»Hat Ihr Vater schon gewählt?«

Er wusste, dass der Mensch seinen nicht einmal böswilligen Fehler begriff, als ihn Owens Blick traf. Er sah auch, dass es ihm leidtat, aber das war Owen egal. Er starrte ihn nieder, in Grund und Boden, mit nur einem Blick, dann schob er seinen Stuhl geräuschvoll zurück und stand auf.

»Wir gehen«, sagte er laut.

»Verzeihung, das war ni...«

»Danke, hier esse ich nicht!«, spie Owen aus. Er nahm Seymour bei der Hand, schloss seine Finger fest um seine und nahm den Weg, den er gekommen war, betont langsam. Dass die anderen Gäste ihn gehört hatten und irritiert zwischen ihnen und dem Kellner hin- und herschauten, war ihm nur recht. Es war ihm ebenfalls recht, dass sie sahen, wie er wahllos das benachbarte Lokal ansteuerte. Dass Seymour sich nur widerwillig ziehen ließ, wollte er nicht bemerken.

Die Kellnerin im nächsten Lokal hieß sie willkommen und brachte sie an einen Tisch auf der Veranda. Bevor sie sich mit ihren Getränkewünschen zurückzog, zündete sie ihnen ein Windlicht an.

Owen seufzte innerlich und fand dann sein Lächeln. Es war sein Geschäftslächeln, aber es musste für diesen Moment reichen.

»So«, sagte er. »Wie war dein Tag?«

»Ganz schön«, antwortete Seymour kleinlaut.

»Was hast du gemacht? Blasen und Muskelkater klingen nach Fußmarsch.«

Seymour hob die Schultern. »Ich hab mir ein paar Sachen angesehen. Den Palast. Die beiden Kunstmuseen. Das Blaisdell Center. Und einen botanischen Garten.«

»Klingt gut. Hattest du Spaß?«

Seymour nickte nur, während Owen die Zähne zusammenbiss. Er hatte gut geklungen, als sie vorhin zusammengetroffen waren. Jetzt war er scheu wie nie. Owen nahm einen tiefen Atemzug und legte dann seine Hand auf Seymours.

»Denk nicht weiter darüber nach. Bitte.«

Seymour sagte nichts, sondern nickte erneut.

Weil er nicht wusste, was er sonst tun sollte, begann Owen von seinem Tag zu erzählen. Er berichtete, detailliert und gestenreich, von den Pannen und Späßen, die sich das Team über den Tag geleistet hatte, lachte über sich selbst, bis er selbst glaubte, dass seine gute Laune wiederhergestellt war. Irgendwann, als die Kellnerin ihr Essen schon gebracht hatte, lächelte auch Seymour endlich. Zurückhaltend, aber es war ein Anfang.

»Mhmm, die sind gut«, lobte Owen die Garnelen auf seinem Teller. Erst der Blick in die Karte hatte verraten, dass sie in einem Fischrestaurant gelandet waren, obwohl die Hummer in dem Aquarium, an dem sie vorbeigekommen waren, hätten Bände sprechen müssen.

»Meins ist auch gut«, erwiderte Seymour und nahm eine Gabel seiner Meeresfrüchtepfanne.

Ein Kollege ihrer Bedienung brachte ihnen die nachgeorderten Getränke. Owen bedachte den Mittdreißiger mit einem anerkennenden Blick, als dieser sich entfernte, und lächelte, als er sah, dass auch Seymour ihm hinterherschaute.

»Nette Hände«, kommentierte Owen. »Und hast du den Kiefer gesehen? Sehr prominent.« Sein Grinsen wurde noch breiter. Verstohlen sah er sich um und beugte sich näher zu Seymour, um zu flüstern: »Meinst du, der spielt in unserm Team?«

Seymour ließ die Gabel sinken und musterte den Mann unauffällig, der einige Tische weiter eine Bestellung aufnahm. »Ich weiß nicht. Glaubst du?«

Owen nickte. »Ich kann den Finger nicht drauf legen, aber ich glaub schon.«

Seymour zögerte und räusperte sich. »Gefällt er dir?«

»Er sieht sehr gut aus, ja.« Owen zuckte die Schultern, während er ein Stück Garnele auf seine mit Reis beladene Gabel schob.

»Ja. Aber ich meine ... Würdest du gern mit ihm ...?«

Owen stutzte. Er mustere das Gesicht des anderen Mannes, um herauszufinden, ob er sich verhört hatte. Der weite Blick aber ließ ihn wissen, dass er ihn richtig verstanden hatte. Owen sah ihn verdutzt an. »Würdest du denn?«

Seymour presste kurz die Lippen aufeinander. »Ich mein das ernst«, sagte er. »Du ... kannst ihn ruhig fragen. Ich könnte in der Hotelbar warten oder einen Spaziergang machen oder so.«

»Wie bitte?« Diesmal hatte Owen die Lautstärke seines Ausspruchs nicht beabsichtigt.

Seymour senkte seine Stimme umso mehr. »Na ja, wir müssen ja nicht noch ein Zimmer mieten. Es sei denn, du willst ...« Er schaute ihn fragend an.

Owen legte Messer und Gabel ab und musterte Seymours Gesicht. Verärgerung kroch seine Speiseröhre hoch und bahnte sich ihren Weg über seine Lippen. »Ich könnte ihn auch fragen, ob wir es zu dritt machen können«, erwiderte er gereizt.

Seymour hörte es gar nicht. Er hob nur die Schultern. »Ich glaube nicht, dass er das wollen würde ...«

Owen verlor endgültig die Geduld. Er stemmte sich gegen die Lehne seines Stuhls, verschränkte die Arme über der Brust und sah dem Mann auf der anderen Seite des Tisches starr in die Augen. »Seymour, glaubst du wirklich, dass ich heute Abend mit einem anderen Typen in unser Zimmer gehen und dich so lange an die Bar schicke würde?«

»Es würde mir nichts ausmachen.«

»Es würde dir nichts ausmachen, wenn ich mir jetzt einen Kellner zum Vögeln aufreiße und dich hier sitzen lasse?«, versetzte Owen.

Endlich reagierte Seymour. Er richtete sich erschrocken auf und starrte Owen aus weiten Augen an. »Es … war doch nur ein Angebot. Reg dich doch nicht auf.«

Owen schluckte hart. »Ich hab keinen Hunger mehr«, entgegnete er kalt und winkte ihre Bedienung heran. Innerhalb von zwei Minuten hatte er ihre Rechnung beglichen und stand auf. Seymour musste sich beeilen, sein Besteck beiseite zu legen, und folgte ihm schweigend.

 

* * *

 

Auf dem Hotelgelände angekommen, bahnte Owen ihnen den Weg zu ihrer Hütte. Wortlos hielt er Seymour die Tür offen und verschwand als nächstes im Bad.

Seymours Blick blieb auf dem Schloss hängen, das ihn mit einem bedrohlichen Schnappen von einer Versöhnung abhielt. Schon die Fahrt zum Hotel war in schmerzhafter Stille verlaufen. Er hatte nicht gewusst, wie er sie hatte überbrücken sollen und Owen hatte ihm nicht die Hand auf den Schenkel gelegt, wie er es sonst tat, wenn er wusste, dass Seymour keine Worte zu sagen wusste.

Vorsichtig ließ er sich auf die Kante eines der harten Stühle am Esstisch sinken. Er verharrte eine Viertelstunde, bis Owen wieder aus dem Bad heraustrat. Er trug nur ein Shirt und Unterwäsche.

Seymour zuckte zusammen, als Owen seine Kleider in den Sessel schmetterte, eine Zeitschrift vom Kaffeetisch schnappte, die Terrassentür aufriss und barfuß in die Nacht hinaustrat.

Es kostete Seymour weitere zwanzig Minuten, den Mut zu finden, um aufzustehen. Er klopfte an die offene Glastür, in deren Rahmen er stehenblieb. Er wagte nicht, Owens Boden zu betreten.

»Ich ... Es tut mir leid, dass ich die Stimmung verdorben habe.«

»Du verstehst gar nicht, was du gesagt hast, oder?«, feuerte Owen zurück, als hätte er nur darauf gewartet, dass Seymour endlich das Schweigen brach.

Seymour hielt still. Ein Impuls drängte ihn zurück, weiter in den Raum hinein, der ihm plötzlich stickig und viel zu warm vorkam, aber Owen hatte ihm eine Frage gestellt und er verlangte, eine Antwort zu hören. Seymour konnte nicht gehen. »Ich verstehe zumindest nicht, warum das, was ich gesagt habe, ein Problem für dich ist«, antwortete er. »Aber ich verstehe ja viele Dinge nicht.«

Owen überging die letzte Äußerung. »Seymour, wie würdest du dich denn fühlen, wenn ich dir anbieten würde, dass du gern auch mit jemand anderem vögeln kannst?«

Seymour verzog das Gesicht, als ob es ihm physischen Schmerz zufügte, ein so vulgäres Wort über Owens vollendete Lippen kommen zu hören. Es war das gleiche, wie dabei zusehen zu müssen, wie Owens Mund sich um sein Glied schloss. Es war falsch, weil es unästhetisch war.

Nichts dergleichen sprach er aus. Nur ein Seufzen konnte er nicht unterdrücken. »Das ist doch nicht das Gleiche.«

Owen warf die Zeitschrift, in der er geblättert hatte, auf das Tagesbett. »Und genau das ist mein Problem!«

»Worauf willst du hinaus?«

Owens entgeisterter Blick, seine verzweifelt erhobenen Hände trafen ihn empfindlich. »Du verstehst es wirklich nicht ...«

»Ja, was willst du denn von mir?«, brach es aus Seymour hervor. »Ständig kritisierst du mich und trotzdem sagst du mir nie, was ich tun soll. Wie soll ich dich da verstehen?«

»Ich ... was?« Owens Augen weiteten sich bedrohlich. »Ich kritisiere dich? Wie in Gottes Namen kommst du darauf?«

»Deswegen!« Seymour deutete auf Owens perfektes Gesicht, den verständnislosen Ausdruck, der seine Züge zu einer spöttischen Maske verzog. »Ständig siehst du mich so an und sagst im gleichen Atemzug, dass ich mich entspannen soll. Dass ich mich nicht aufregen soll. Und dass ich die falschen Dinge für zu wichtig halte.«

Owen blinzelte. Ganz langsam schlossen sich seine Augen und öffneten sich dann wieder. »Ähm.« Er schüttelte den Kopf. »Reden wir ... schon wieder über diesen Koffer?«

Seymour spürte den Kloß in seinem Hals, aber wieder zwang Owens Sprache ihn dazu, entgegen dem Impuls, sich zurückzuziehen, stehen zu bleiben und zu sprechen. »Genau das meine ich!« Seine Stimme klang sogar in seinen eigenen Ohren brüchig. »Du sagst, dass ich mich nicht aufregen soll, aber ich kann nicht!«

»Ja, aber warum nicht?«, rief Owen verzweifelt aus. »War da irgendetwas drin, von dem ich nichts weiß?«

Noch mehr Fragen. Die Antwort brach einfach aus Seymour heraus: »Es geht nicht um den Inhalt, sondern darum, dass ich dir nicht das Wasser reichen kann!«

Die Worte irrten einen Moment lang zwischen ihnen umher, bevor Owen seine Verblüffung äußern konnte. »Ich ... Noch mal ganz langsam, ich komm nicht mit.« Owen hob beide Hände zu einer besänftigenden Geste, aber sie besänftigte nichts. Sie machte es nur schlimmer.

»Ich kann noch nicht einmal ein dummes Gepäckstück beaufsichtigen, ohne mich am Ende komplett lächerlich zu machen. Ich kann nicht mit dir an den Strand oder auf die Terrasse gehen. Ich kann auch nicht selbstständig nach einem anderen Zimmer fragen.« Seymours Stimme überschlug sich. »Ich bin zu nichts zu gebrauchen.«

Owen starrte ihn an. Seine Stimme wurde plötzlich ganz leise. Seymour konnte sie kaum verstehen. »Das ist doch nicht wahr.«

»Doch, ist es.« Seymour stand in der Tür und deutete vage in die Nacht, die vor seinen Augen in Schlieren verschwamm. »Und dann gehen wir zusammen spazieren, und du merkst gar nicht, wie die Leute dich anstarren. Und wie sie dann mich anstarren, wenn sie merken, dass ich zu dir gehöre.« Er nahm einen schweren Atemzug. »Und wenn ich dir sage, dass du dich ruhig mit anderen treffen kannst, dann machst du dich über mich lustig und ich verstehe nicht, warum, obwohl du doch immer sagst, dass du mich magst.«

»Seymour ...« Es klang so sanft. »Wann hab ich mich denn je über dich lustig gemacht?«

»Erst vorhin. Im Restaurant.«

Owen hob bittend die Schultern. »Aber was hab ich denn gesagt?« Er streckte die Hand nach ihm aus, ließ sie aber auf halbem Weg wieder sinken.

Seymour konnte ihn nicht ansehen. »Du sagtest, dass wir es auch zu dritt machen könnten.« Er schluckte schwer. »Wenn man etwas sagt, von dem man weiß, dass es absurd ist, dann bedeutet das, dass man einen Witz gemacht hat.«

Owen stand der Mund offen. Einen langen Moment starrte er Seymour an, bevor die Tragweite seiner Worte sein Bewusstsein erreichten.

»Oh Gott, Seymour, du ... Komm her!« Er stand auf, war mit zwei Schritten an dessen Seite und schloss die Arme fest um seinen Mann. »Es tut mir leid. Ich hab das doch nicht gesagt, um mich über dich lustig zu machen. Das war ein Missverständnis.«

Seymour merkte erst jetzt, wie nass sein Gesicht war. Er nahm einige tiefe Atemzüge, bevor er seiner Stimme traute, einen klaren Satz zu sprechen. »Warum hast du es dann gesagt?«

Owen zögerte. Seine Hände aber kreisten unablässig weiter. »Ich wollte dich vor den Kopf stoßen.« Er gab einen unglücklichen Laut von sich. »Nein, nicht so. Du ... Weißt du, wie ich mich fühle, wenn du sagst, dass ich mir ruhig jemand anderen nehmen kann?« Er wartete Seymours Kopfschütteln nicht ab. »Ich hab das Gefühl, dass du das hier nicht ernst nimmst. Meine Gefühle nicht ernst nimmst. Und vor allem dich selbst nicht für voll nimmst.« Er schnaubte leise gegen Seymours Wange. »Ich kann es nicht ertragen, zu sehen, dass dich jemand verletzt. Auch nicht, wenn du es selbst bist. Ich wollte doch nur ein paar schöne Tage mit dir verbringen. Wollte, dass du dich etwas entspannst. Locker lässt. Und Sachen annimmst, die dir Spaß machen sollen. Und vielleicht endlich akzeptierst, dass ich dich will. Kompromisslos. Verstehst du?«

Seymour ließ die Worte nachhallen. Lauschte ihrem Klang in seinem Kopf und glaubte, in dem Echo das Thema zu erkennen. Er nickte sacht. »Ich glaub schon«, antwortete er leise.

»Es tut mir leid«, wiederholte Owen sanft an seinem Ohr und seufzte dann. »Komm. Lass uns ins Bett gehen.«

 

* * *

 

Seymour blinzelte, als Owen seine Lippen auf seine Schläfe presste.

»Bis heute Abend«, sagte er leise. »Ich hab dir schon Frühstück bestellt. Mach dir einen schönen Tag!«

Natürlich war er hellwach, als Owen die Hütte verließ, obwohl das nicht seine Intention gewesen war. Langsam setzte sich Seymour auf. Bilder des letzten Abends schossen ihm durch den Kopf. Von der Demütigung in dem einen Restaurant, von ihrem Streit in dem anderen. Peinlich berührt verzog er das Gesicht, als ihm einfiel, wie er in Owens Armen zusammengebrochen war. Zuletzt, wie sie zusammen im Bett gelegen hatten. Einander festhaltend. Ohne Worte und doch verständig.

Seymour kam auf die Beine, betrachtete den Frühstückstisch, den Owen ihm hergerichtet hatte, weil er wusste, dass er nicht gern zur Tür ging, um Lieferungen von Fremden entgegenzunehmen. Er seufzte, hin- und hergerissen zwischen Dankbarkeit und Scham, goss sich ein Glas Saft ein und setzte sich dann. Sein Blick viel auf das Papier, das auf dem Tablett lag – unter dem Schriftzug des Hotels waren die aktuellen Termine der Woche für sämtliche Aktivitäten aufgelistet, die das Haus seinen Gästen anbot. Seymour studierte das Blatt eingehend. Dann seufzte er erneut. Und ging zum Telefon.

 

* * *

 

Das Licht war gedimmt, als Owen die Hütte betrat. Von Seymour war keine Spur zu sehen, aber die Terrassentür stand offen. Mit gerunzelter Stirn trat Owen weiter in den Raum, legte im Vorbeigehen den Schlüssel auf die Kommode und sah dann zwei nackte Beine und den Saum eines Bademantels auf dem unteren Ende der Liege. Owen griff weiter aus und war mit wenigen schnellen Schritten auf der Terrasse, wo Seymour halb auf der Seite auf dem großzügigen Ruhebett lag, die Augen geschlossen, sein Gesicht entspannt.

»Seymour? Geht’s dir gut?« Owen konnte den erschrockenen Ton in seiner Stimme nicht unterdrücken.

Ein müdes Auge blinzelte und schaute dann zu ihm hoch.

»Hey.« Seymour lächelte mild. »Da bist du ja.«

Owen nahm die Hand, die Seymour ihm entgegenstreckte, in seine und setzte sich neben ihn auf das Bett. Er legte Seymours Arm in seinen Schoß und zog das Frottee darum zurecht, während er das Gesicht des anderen Mannes besorgt musterte. »Ist alles in Ordnung? Fühlst du dich nicht gut?«

»Doch, alles in Ordnung. Ich bin nur müde.« Seymour nickte. Sein Daumen fuhr über die Naht von Owens Jeans.

»Ich dachte schon, du wärst krank.« Owen atmete erleichtert auf. Er streifte seine Stiefel von den Füßen und zog seine Beine vollends auf die Liege. Dann drückte er die Hand, die in seiner lag. »Wie war dein Tag?«

»Schön«, antwortete Seymour. Sein Lächeln war echt. »Bis auf den Muskelkater.«

»Oh.« Owen schmunzelte. Sein Blick wanderte zu Seymours Bein. »Noch mehr Museen?«

Den Ausdruck, der sich auf Seymours Gesicht ausbreitete, glaubte Owen noch nie an ihm gesehen zu haben. Er grinste – spitzbübisch und mit glänzenden Augen.

»In den Schultern. Vom Kajakfahren.«

Owen blinzelte. Zweimal. »Vom was

»Kajakfahren«, sagte Seymour gelassen. »Mit so einem Boot.«

»Du warst Kajak fahren?« Er konnte den halb ungläubigen, halb amüsierten Ton in seiner Stimme nicht unterdrücken.

Aber Seymour nickte. Und er sah stolz dabei aus.

Owen strahlte. »Hattest du Spaß?«

»Es war … witzig.« Sein Mann lächelte schief. »Zweimal bin ich umgekippt. Beim ersten Mal dachte ich, ich würde ertrinken, aber danach war es lustig. Übermorgen machen sie eine andere Tour. Hättest ... du Lust, mitzukommen?«

»Nichts lieber als das!« Owen nickte eifrig. Auch wenn er den ersten Teil etwas beängstigend fand, überwog seine Freude. Zumal Seymour noch immer auf schüchterne Weise diebisch lächelte.

»Für morgen hab ich uns eine Massage gebucht. Und danach ...« Er zögerte, aber nur kurz. »Ich würd es gern versuchen.«

»Was denn versuchen?« Owen sah ihn fragend an.

Seymour nahm einen tiefen Atemzug. »An den Strand zu gehen. Mit dir.«

 

* * *

 

Owen schob die Sonnenmilch beiseite und streckte sich auf seinem Laken aus. Während er mit der einen Hand eine der wenigen Nummern wählte, die er auswendig wusste, ließ er sich den feinpudrigen Sand durch die Finger der anderen rinnen.

»Hey, Lewis. Ich bin’s, Owen ... Du wirst nicht glauben, wo wir gerade sind.«

Sein Blick durch die Sonnenbrille fand Seymour, der mit nichts am Leib außer der dunkelblauen Badehose, die Owen ihm gekauft hatte, gerade aus dem Wasser watete. Er schmunzelte. Selbst über die Entfernung erkannte er den leichten Schrecken auf Seymours Gesicht, als ihm plötzlich ein Wasserball zweier spielender Kinder vor die Füße rollte.

»Genau dort!«, erwiderte Owen. »Und es war seine Idee.«

Er nickte, obwohl er am Telefon war, mit Erleichterung und Stolz in der Brust, als er sah, wie Seymour den Ball aufnahm und ganz einfach zurückwarf, als spielte er jeden Tag mit fremden Kindern am Strand.

»Ja, ich glaube, es wird langsam«, meinte Owen und lachte leise. »Ich bin zuversichtlich.«

 

Ende

 

 

Kontakt

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Weitere Erzählungen von Devin Sumarno

 

Aus der Promethean-Reihe

Noahs Körper. Verlust und Abschied in neun Positionen. In: Kräuter-Code. Zehn Kurzgeschichten aus dem schwulen Leben. Incubus Verlag 2012.

Dinner & Show. In: Gleich, Liebes, gleich ist das Essen fertig. 18 erotische Rezepte. Größenwahn Verlag 2014.

Operation Jingle Bells. In: Unwrap these Presents. Ylva Publishing 2014. (In englischer Sprache.)

 

Für das Jahr 2015 sind bereits drei weitere Geschichten für die Promethean-Reihe geplant. Wer Lust auf eine Wiederbegegnung mit Seymour, Owen, Lewis, Noah & Co. hat, findet alle wichtigen Informationen auf meiner Website.

 

 

Andere Erzählungen

Als er ging. In: Mein schwules Auge 10. konkursbuch Verlag Claudia Gehrke 2013.

Die Freiheit, der Freiheit den Rücken zu kehren (deutsche, schwule Version) / Best of Bad Choices (englische, lesbische Version). In: Mein schwules Auge 11. konkursbuch Verlag Claudia Gehrke 2014 / Ylva Verlag 2014.

Francisca Dwaine: Hawaiianische Erinnerungen

(Phil & Mirko, »Frühlingsbrunch«/Brunch-Reihe)

 

 

»Zwei Wochen lang Sonne, Strand und geile Ärsche. Ich kann es noch gar nicht fassen!« Phil grinste über beide Wangen, als sie am Kofferband auf ihr Gepäck warteten. Seine kurzen, blonden Haare standen zu allen Seiten ab, waren etwas länger als er sie üblicherweise trug und sein geöffnetes Hawaii-Hemd bot freien Blick auf den muskulösen Oberkörper. Auch die Shorts spannten sich über seine breiten Oberschenkel und sorgten für interessierte Blicke.

Mirkos Nasenflügel flatterten. Zu viele starrten sie an. Wie erwartet herrschte ein reges Treiben in der Halle des Honolulu International Airports und Mirko hatte sich inzwischen daran gewöhnt, dass sich Köpfe drehten, wenn er mit Phil unterwegs war. Er selbst sah mit den braunen, dicken Haaren und seinem perfekten Gesicht verflucht gut aus und wusste das auch. Die Wirkung auf andere war aber nicht zu überbieten, wenn er mit Phil zusammen war.

»Wir hätten das Geschenk meines Vaters nicht annehmen sollen«, sagte Mirko, während er den starrenden Passagieren genervte Blicke zuwarf. »Er ist danach immer so ... gönnerhaft.«

»Du übertreibst. Er hat auf mich einen sehr netten Eindruck gemacht. Außerdem wären wir echt bescheuert, wenn wir abgelehnt hätten! Ein 5-Sterne-Resort auf Hawaii! Das bedeutet Massagen, Schlammbäder, Sauna, ...«

Mirkos Augenbrauen bewegten sich langsam nach oben. »Und es hat keinen besonderen Grund, dass man bei all diesen Dingen nackt oder halbnackt sein muss, oder?«

»Ich hab das Schwimmen noch nicht erwähnt«, meinte Phil mit verklärtem Blick und leckte sich die Lippen. »Zwei Wochen lang ein fast nackter Mirko in hautengen Shorts. Wasser, das deinen stählernen, gebräunten Körper hinunterläuft ...«

»Du sabberst, Phil.«

Mit einem Mal schoss Phils Kopf zu Mirko. »Hast du eigentlich den Tanga eingepackt, den ich dir geschenkt habe?«

Während die anderen Fluggäste an ihnen vorbeigingen, spitzte Mirko die Lippen und sah zur Seite. »Ich habe das mit ihm gemacht, für das er bestimmt war.«

»Du trägst ihn als-«

»Ich hab ihn verbrannt«, meinte Mirko mit einem Lächeln und zog Phils Koffer vom Band.

»Das kann nicht dein Ernst sein!« Phils entrüsteter Tonfall drehte erneut einige Köpfe. »Ich hab Stunden im Geschäft gebraucht, um ihn auszusuchen!«

»Kann nicht am Tigermuster gelegen haben. Das sieht man aus kilometerweiter Entfernung.«

»Und er hat auch noch so perfekt gepasst ...«

»Mein Schwanz ist bei jeder Bewegung rausgerutscht.«

»Ja, eben«, sagte Phil missmutig. »Ich werde ihn wirklich vermissen.«

Mirko ignorierte seinen Freund und sah zurück auf das Gepäckband. Nur noch einzelne Gepäckstücke bewegten sich auf dem Band nach vorne, die eilig von den umstehenden Passagieren geschnappt wurden.

»Wo bleibt eigentlich mein Koffer? Es ist kaum noch etwas da«, sagte Mirko stirnrunzelnd. Von seinem braunen Lederkoffer fehlte jede Spur.

»Es hat mich sowieso überrascht, dass du nur einen mitgenommen hast«, sagte Phil glucksend. »Ich hätte eher damit gerechnet, dass du deinen halben Kleiderschrank mit einpacken würdest ... obwohl dein Koffer auch nicht gerade klein ist.«

»Wie immer hast du keine Ahnung. Es kommt nicht darauf an, wie viel du mitnimmst, sondern was.« Mirko widerstand der Versuchung, mit den Augen zu rollen. Als ehemaliger Boxchampion wusste Phil vielleicht, wie man andere Männer auf die Bretter schickte, aber von Mode hatte er keine Ahnung.

»Und was ist die richtige Kleidung für zwei Wochen Hawaii mit einem Hengst wie mir?«, fragte Phil.

»Zumindest kein getigerter Tanga. Pferde sind Fluchttiere.«

»Dann bin ich wohl nur wie eines bestückt«, sagte Phil grinsend.

Diesmal versuchte Mirko nicht einmal, dem Drang zu widerstehen und rollte tatsächlich mit den Augen. »Phil, wenn ich mir nicht solche Sorgen machen würde, die nächsten zwei Wochen nackt verbringen zu müssen, könntest du für die Anspielung was erleben. Wo bleibt der verdammte Koffer?«

»Kommt bestimmt gleich. Ich sehe auch kein Problem damit, nackt zu bleiben, weißt du? Ich würde sogar mitmachen!«

Mirko kaute auf seiner Unterlippe herum. Wahrscheinlich hätte er sich denken können, dass Phil in den nächsten Wochen eine Anspielung nach der nächsten auspacken würde. Seitdem sein Vater ihnen den Umschlag mit den Flugtickets überreicht hatte, war Phil nicht mehr zu halten gewesen. Er hatte von nichts anderem mehr gesprochen.

Eigentlich konnte Mirko ihm diese Freude sogar nachempfinden. Die Polizeiarbeit hatte ihn in den letzten Tagen häufig an seine Grenzen gebracht und die Zeit, die sie miteinander verbracht hatten, war spärlich gewesen. Dagegen waren zwei Wochen mit Phil an der Sonne ... ja, auch seine Brust flatterte bei dem Gedanken daran. Allerdings hätte er wirklich gerne seinen Koffer.

Leider hatte Phil Unrecht und auch fünf Minuten später fehlte von Mirkos Gepäck jede Spur. Kein einziges Teil wurde noch von dem Band nach vorne gebracht und die anderen Urlauber gingen bereits in Richtung Ausgang.

»Das ist doch nicht normal! Lass uns mal nachfragen gehen«, sagte Mirko und stampfte zum Informationsschalter.

 

***

 

Einige Minuten später starrte Mirko fassungslos eine Frau mit Hochsteckfrisur an. »Es tut mir wirklich sehr leid. Wir werden der Sache ganz sicher nachgehen«, sagte die Dame im gebrochenen Deutsch.

»Aber ein Koffer kann doch nicht einfach so verschwinden!«, sagte Mirko und warf die Arme in die Luft. So hatte er sich seinen ersten Urlaub mit Phil sicher nicht vorgestellt. Es sollte eine ganz besondere Zeit werden ... Eine, bei der sie unvergessliche Momente erlebten und sich noch näher kamen. Wenn sein Koffer nicht wieder auftauchen würde ...

»Manchmal bleiben Gepäckstücke unabsichtlich zurück«, sagte die Frau mit ruhiger Stimme und tippte etwas in ihren Computer ein. »Wenn Sie mir den Namen Ihres Hotels geben, kann ich Sie benachrichtigen, falls Ihr Koffer nachgeschickt wird. Haben Sie etwas zum Anziehen? Toilettenartikel?«

»Du kannst was von mir haben«, sagte Phil und legte Mirko eine Hand auf die Schulter. »Wird zwar etwas groß sein, aber wir wollten ja sowieso einkaufen gehen.«

»Na schön«, sagte Mirko. »Aber sagen Sie wirklich sofort Bescheid, wenn er auftaucht. Ich habe wichtige Ding- ... Ich muss ihn wieder haben.«

Die Frau nickte, ließ sich die Kontaktinformationen geben und kurze Zeit später befanden sie sich auf dem Weg zum Ausgang.

»Du hast doch nicht deine Knarre mitgenommen, oder?«, fragte Phil, als sie außer Hörweite waren.

»Spinnst du? Natürlich nicht! Auch ein Kriminalbeamter kommt nicht so einfach mit einer Waffe an den Kontrollen vorbei. Obwohl ich sie gerne mitgenommen hätte ... ohne fühle ich mich nackt.«

»Ist auch besser so. Sonst gehst du während unseres Urlaubs noch auf Verbrecherjagd.«

»Bestimmt nicht«, sagte Mirko. »Die nächsten zwei Wochen gibt es keine Mörder, Diebe oder Dealer. Absolute Entspannung, hervorragendes Essen und reichlich Sex. Nichts anderes.«

»Jetzt sprichst du meine Sprache«, sagte Phil. »Obwohl ich nicht verstehe, warum du dann so geknickt aussiehst. Sind doch nur Klamotten, oder?«

»Designerklamotten ...«, sagte Mirko und fügte leise hinzu, damit Phil ihn nicht verstand: »Und etwas anderes.«

Sie traten aus dem Flughafengebäude ins Freie. Der wolkenlose Himmel ließ die Sonne ungehindert passieren und die Hitze traf sie wie eine Wand. »Puh! Das hält man ja kaum aus. Ein Freund deines Vaters wollte uns abholen, oder?«, fragte Phil.

»Ja ... zumindest ist das der Plan. Ihm gehört das Resort und er wollte uns eine Limousine schicken.«

»Kein Scheiß?« Phil rieb sich die Hände. »Das wird besser und besser!«

Und er wurde nicht enttäuscht. Nur wenige Minuten später fuhr eine weiße Limousine vor dem Eingang des Honolulu International Airports vor. Sie hatte nicht die Größe, die normalerweise im Fernsehen zu sehen war, aber die getönten Scheiben und Goldverzierungen waren beeindruckend genug.

»Ach, du heilige Scheiße! Erinnere mich daran, dass ich Fotos von dem Ding mache!«, sagte Phil mit geweiteten Augen. »Sadi wird vor Neid platzen!«

Ein Mann im Anzug öffnete die Tür für sie und Phil bekam den Mund gar nicht mehr zu, als sie sich in das Auto setzten. Es gab sogar zwei Bildschirme in den Vordersitzen und eine Minibar mit Champagner.

»Das ist noch gar nichts. Ich habe Bilder vom Resort gesehen. Wenn dich die Limo schon begeistert ...«, meinte Mirko, als sie losfuhren.

»Ich wusste ja, dass du in einer vollkommen anderen Welt aufgewachsen bist«, sagte Phil schwach lächelnd, »aber das hier ... ist das wirklich alles normal für dich?« Er besah sich die Champagnerflaschen, nahm geradezu ehrfürchtig eine von ihnen in die Hand und legte sie kurz darauf wieder vorsichtig in die Halterung der Bar zurück.

»Das war es früher. Obwohl mein Vater längst nicht so rumgeprotzt hat. Aber das spielt keine Rolle mehr. Ich lebe jetzt in deiner Welt.«

»Ich hab nie darüber nachgedacht, was du alles für mich aufgegeben hast ...«, sagte Phil.

»Ich hab es nicht für dich, sondern für mich getan. Es war das Beste so.«

»Wenn du das so siehst. Ich muss dir ja vorkommen wie der letzte Trottel. So begeistert, wie ich über das alles bin ...« Phil sah auf den Boden der Limousine und Mirko konnte sogar einen Ausdruck von Scham auf seinem Gesicht erkennen. Ein ungewöhnlicher Anblick ... normalerweise schämte sich Phil für nichts.

Mirko legte ihm eine Hand auf das Knie. »Das ist eine der besten Eigenschaften von dir. Manchmal nervig, aber doch irgendwie ...«

»Süß?«

»Das hast du jetzt gesagt«, meinte Mirko schmunzelnd, streckte die Hand aus und zeigte nach draußen. Sie waren inzwischen nicht mehr weit vom Meer entfernt. Palmen flankierten die Straße und leicht bekleidete Urlauber schlenderten über die Wege. »Schau dir die Gegend an. Du verpasst den tollen Ausblick.«

»Ich sehe viel lieber dich an«, sagte Phil, legte eine Hand auf Mirkos Oberschenkel und lehnte sich vor, um ihn zu küssen. Der Kuss war sanft, nicht mehr als eine kurze Berührung, und doch voller Gefühl. »Dieser Urlaub wird gigantisch werden!«

Mirko leckte über seine Lippen, nachdem sich Phil wieder von ihm getrennt hatte. »Besonders gut hat er aber nicht angefangen«, sagte er, als er sich zurücklehnte. »Was meinst du, was mit meinem Koffer passiert ist?«

»Der hat bestimmt nur einen kleinen Umweg hingelegt. Mach nicht so ein Gesicht! Ohne Klamotten siehst du sowieso viel geiler aus.«

Mirko drehte den Kopf, um aus seinem Fenster zu sehen. Normalerweise hätten Phils Worte ihn aufgeheitert – er wusste immer, wie er Mirko von seinen Problemen ablenken konnte –, aber diesmal schaffte er es nicht. »Lass die Scherze. Ich mag es nicht, wenn ich nicht weiß, was mit meinen Sachen geschieht. Die Vorstellung, irgendein anderer Kerl würde sie tragen, ist Horror.«

»Bist du deswegen so ausgeflippt, als ich einmal ein T-Shirt von dir angezogen hab?«

»Hast du dich schon mal angesehen? Ich hatte nur Angst, du würdest es ausleiern. Aber ich mag es auch nicht, fremde Sachen zu tragen ... Können wir morgen früh gleich als Erstes einkaufen gehen?«

»Klar. Obwohl der Gedanke, dich in einen meiner großen Shirts zu sehen, auch etwas hat. So ohne Unterwäsche oder Hose. Wenn du den Stoff geniert runterziehst, um deinen Schwanz vor mir zu verstecken ...«

»Du hast wohl vergessen, mit wem du redest. Ich bin kein rotwerdendes, unschuldiges Teenagermädchen.«

»Tja, Fantasien ... kann ich mir das nicht zum Geburtstag wünschen?«

»Solange ich nicht wieder die Uniform eines Kollegen klauen soll, meinetwegen.«

Phil lachte. »Immerhin hattest du den Tanga nicht dabei. Wäre ein echtes Drama, wenn den jemand geklaut hätte!«

»Das mit dem Verbrennen war kein Scherz, weißt du?«

Auch die restlichen Minuten der Fahrt waren mit Neckereien gespickt, aber als die Limousine schließlich die Einfahrt des Waikiki Beach Resorts erreichte, verstummten beide schlagartig. Die großzügige Hotelanlage war mit Mauern umgeben. Ein Springbrunnen mit einem Engel zierte den Eingang und durch das eiserne Tor sahen sie einen runden Platz.

Sie fuhren hinein und hielten vor einem von fünf Wegen, die jeweils zu einem anderen hohen Gebäude führten.

Ein Mann in Hawaiihemd und Bermuda-Shorts begrüßte sie nach dem Aussteigen. »Willkommen im Waikiki Beach Resort. Ich bin Jeffrey und werde mich persönlich um Ihr Wohlergehen kümmern. Wir haben Ihre Suite bereits vorbereitet. Wenn Sie mir bitte folgen würden? Der Page wird sich um Ihr Gepäck kümmern.«

»Die Hälfte ist leider abhandengekommen«, sagte Phil.

»Oh, wie bedauerlich. Wenn Sie Kleidung oder andere Artikel benötigen sollten, können wir Ihnen aber gerne aushelfen.«

»Das ist nicht nötig«, sagte Mirko, bevor Phil den Mund aufmachen konnte. »Wir kaufen lieber Neues.«

»Wie Sie wünschen. Folgen Sie mir bitte?«

Jeffrey führte sie nach rechts in eines der höchsten Gebäude hinein. »Die Anlage könnte zunächst verwirrend wirken, aber machen Sie sich keine Sorgen. Alle Wege sind bestens ausgeschildert. Die höchsten Gebäude beinhalten die Hotelzimmer. Dahinter finden Sie diverse Freizeitangebote. Ich kann Ihnen das Spa wärmstens empfehlen. Natürlich gibt es auch einen Privatstrand und Sicherheit wird auf diesem Gelände besonders groß geschrieben.«

»Und was ist mit Essen? Könnte was zum Mampfen vertragen.«

»Phil ...«, begann Mirko, aber der Mann winkte ab.

»Speisesäle befinden sich in jedem der Hauptgebäude. Zusätzlich finden Sie auf dem Gelände noch zwei Restaurants und eine Bar am Strand. Sie können aber auch gerne den Zimmerservice nutzen. Auf der gesamten Anlage wird kein Bargeld genommen. Alle Leistungen sind inklusive.«

»Perfekt«, sagte Phil und rieb sich die Hände. »Gibt es auch Fernsehen?«

»Selbstverständlich befindet sich auf jedem Zimmer ein Fernseher mit Satellitenempfang. Auch die Programme sind kostenlos.«

»Gratispornos, was?«

Mirko massierte sich die Schläfe. Er hoffte, Jeffrey würde seinem Chef nichts davon erzählen, was Phil hier so von sich gab. Ansonsten könnte er sich später einiges von seinem Vater anhören.

 

***

 

Nachdem sämtliche Formalitäten geklärt waren, betraten sie endlich ihre Suite. Sie lag in einem der oberen Stockwerke, bot perfekte Sicht auf das Meer und den großzügigen Privatstrand.

»Das ist der Wahnsinn!«, rief Phil und lief grinsend wie ein kleiner Junge zum Balkon, von dem er nach unten schaute.

Auch Mirko konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Er liebte es zuzusehen, wie Phil sich innerhalb von Sekunden von einem sexhungrigen Casanova zu einem hyperaktiven Kind und wieder zurück verwandelte.

Die Glieder von sich reckend, ließ auch Mirko den Blick durch den Raum wandern. Es gab ein Wohnzimmer mit Couchgarnitur und Fernseher, ein großes Bad und zwei Schlafzimmer. Nobel eingerichtet, aber nicht zu protzig. Ganz wie er es mochte.

Eines würde Phil allerdings nicht gefallen ...

»Getrennte Schlafzimmer?«, fragte Phil und starrte abwechselnd auf die gegenüberliegenden Räume. »A-aber das kann doch nicht sein!«

»Sie haben eben nur gesehen, dass zwei Männer eine Suite haben wollten. Ist doch kein Problem für uns.«

»Wie kannst du das nur sagen?«, fragte Phil. Er riss die Augen auf, gestikulierte wild, als er von einem zum anderen Zimmer lief. »Dieser Urlaub sollte perfekt werden! Essen, Sex, Essen, Sex, etwas Schwimmen vielleicht, Sex, Sex, Essen. So sollte das aussehen! Ich habe eine riesige Spielwiese erwartet! Ich wollte so viel mit dir anstellen!«

Mirko ging auf Phil zu und legte ihm einen Finger auf die Lippen. »Die Betten sind fast so groß wie ein Doppelbett. Dann musst du eben alles auf engerem Raum mit mir machen ... oder bekommst du das nicht hin?«

Ein Grinsen breitete sich auf Phils Gesicht aus, die Panik verschwand augenblicklich und der sexhungrige Casanova war wieder da. »Ich bekomme alles hin. Mehrmals sogar.«

»Gut, du hast nämlich den Whirlpool noch nicht gesehen«, sagte Mirko und ging zur Badezimmertür. Er legte eine Hand auf den Rahmen und sah zu Phil zurück. »Kommst du nun oder muss ich mir alleine die Klamotten vom Leib reißen?«

Phil dackelte auf ihn zu und schloss die Tür hinter ihnen.

 

***

 

»Es ist wirklich sehr groß«, sagte Mirko, als er Stunden später in Phils T-Shirt und seiner kleinsten Hose vor diesem stand. Nach dem Testen des Whirlpools hatten sie sich etwas Schlaf gegönnt und wollten nun zum Abendessen gehen. »Ich fühle mich, als wäre ich geschrumpft.«

Phil sagte nichts, hatte eine Hand an sein Kinn gelegt und sah Mirko in Denkerpose von oben bis unten an. »Das hat was. Am liebsten würde ich dich mit Haut und Haaren verschlingen ...«

»Deinen Geschmack werde ich nie verstehen. In diesem Ding kann man doch nichts von meinem Körper erkennen.« Mirko nahm den Saum des T-Shirts in die Hände und zog es hoch. »Wo liegt denn da der Reiz?«

»Zum einen darin, dass man nicht genau weiß, was einen erwartet. Wie ein eingepacktes Geschenk.« Mit zwei großen Schritten ging Phil auf ihn zu, umarmte Mirko mit einem Arm um die Hüften und legte die Lippen an sein Ohr. »Ein Geschenk, das ich am liebsten sofort wieder auspacken würde.«

Mirko drückte ihn von sich weg, aber obwohl er es nicht zeigen wollte, stahl sich doch ein Lächeln auf seine Lippen. »Erst müssen wir was Richtiges essen. Ich bin am Verhungern.«

»Wir könnten uns den Zimmerservice kommen lassen ...«

»Dann verpassen wir aber das Unterhaltungsangebot.«

»Deine Gesellschaft wäre mir Unterhaltung genug«, sagte Phil. »Aber gut. Wir haben ja noch Zeit für die angenehmeren Dinge im Leben.«

»Dass du jemals suggerieren würdest, ein Drei-Gänge-Menü wäre unangenehm ...«

»Ich sugges ... suggestiere gar nichts! Nicht das Menü, sondern das Warten auf den Nachtisch ist unangenehm. Ich soll unter reichen Schnöseln essen, während ich an nichts anderes denken kann, als zurück in diese Suite zu kommen.« Phil warf Mirko einen missmutigen Blick zu. »So schlimm wird es nicht. Ich verspreche auch, nicht anzüglich zu essen.«

»Als ob du das könntest. Berühr mit irgendetwas deine Lippen und mein Schwanz schreit Hallo.«

»Ich liebe deine Ausdrucksweise«, sagte Mirko mit erhobenen Augenbrauen und legte die Arme um Phils Hals. »Du solltest dich aber trotzdem etwas zurückhalten, wenn wir unten sind. Die anderen Gäste könnten empfindlich sein, was fremde Schwänze angeht, und wir wollen doch nicht rausgeworfen werden, oder?«

»Sicher nicht. Aber auch, wenn ich nicht von ihm rede, ist er trotzdem da und will gestreichelt werden«, sagte Phil gegen Mirkos Lippen.

»Ließe sich einrichten, aber erst nach dem Dessert ... Mir steht irgendwie der Sinn nach Eis. Meine Zunge schreit geradezu danach.«

Phil packte Mirkos Hintern und zog ihn an sich. »Wenn wir doch noch rausgeschmissen werden, ist das ganz allein deine Schuld«, flüsterte er gegen Mirkos Lippen und küsste ihn.

 

***

 

Nach einem leckeren Essen stolperten sie in ihr Zimmer zurück. Phil drückte Mirko sofort an die Wand, sobald die Tür geschlossen war. »Ich kann nicht glauben, dass du für mich tatsächlich nach einem Döner gefragt hast«, sagte er und begann an Mirkos Ohr zu knabbern. »Der Kellner sah richtig verzweifelt aus.«

»Er hatte erst genug, als die ältere Dame vom Nachbartisch das Gleiche wollte«, sagte Mirko. Seine Augen rollten zurück, als Phil die richtige Stelle an seinem Ohr erwischte und seinen Arsch knetete. »Du bist einfach unglaublich ... Das mit dem Eis am Stiel nehm ich dir aber übel.«

Mirko drückte Phil leicht an den Schultern zurück. »Es war zu verlockend. Außerdem warst du doch schon geil, bevor wir das Zimmer verlassen hatten.«

»Wie wahr. Ich kann‘s nicht ändern. Am liebsten würde ich die gesamte Zeit mit dir im Bett verbringen. Ist fast, als wären wir in den Flitterwochen.«

»So stellst du dir also deine Flitterwochen vor?«, fragte Mirko und ließ seine Hand durch Phils Haar fahren.

»Wir flittern und machen das mehrere Wochen, also ... ja klar! Ganz genau so!«

»Dazu würde es eh nie kommen. Du weißt ja, was ich vom Heiraten halte.«

»Klar, aber ...« Phil wirkte auf einmal unsicher. »Du siehst die Sache doch ähnlich, oder? Wir bleiben zusammen?«

»Das hast du mich schon ein paar Mal gefragt und die Antwort lautet immer noch Ja. Du hast also nicht den geringsten Grund, dir Sorgen zu machen.«

Phil legte sein Kinn auf Mirkos Schulter. »Sorry, aber ich muss das fragen. Ich kann immer noch nicht glauben, was für ein Glück ich habe.«

»Werde nicht wieder sentimental. Denk doch lieber an den Strand, der morgen früh auf uns wartet.«

»Du kannst ablenken, soviel du willst. Ich merke trotzdem, dass du rot geworden bist«, sagte Phil lachend.

Mirko drückte seinen Kopf an Phils Schulter und lächelte. »Idiot.«

 

***

 

Am nächsten Tag kam Phil nicht aus den Federn. Mirko versuchte mit aller Kraft, ihm Beine zu machen, scheiterte aber immer wieder. Sobald er ihn schüttelte, griff Phil jedes Mal nach ihm und zog ihn zurück ins Bett.

»Lass den Quatsch. Ich will zum Strand, bevor alle Liegen besetzt sind!«, meinte Mirko, als er zum wiederholten Male aufstand.

»Geh hin und leg ein Handtuch drauf.« Phil gähnte und öffnete ein Auge, um Mirko anzusehen. »Wir sind im Urlaub. Ich will noch nicht aufstehen.«

»Aber ich muss mir auch noch eine Badehose besorgen. Du könntest mir beim Aussuchen helfen ...«

Zunächst hob Phil begeistert den Kopf, aber dann ließ er ihn zurück auf sein Kissen sinken. »Kannst du vergessen. Du suchst nur wieder so ein braves Teil aus und alles, was ich vorschlage, ist dir zu knapp.«

»Dann schlag mir was vor, das man außerhalb eines Pornos tragen kann und ich bin dabei!«, sagte Mirko, aber Phil schnaubte nur. »Na schön. Dann bleibst du eben hier und ich geh alleine zum Strand. Vielleicht finde ich ja jemanden, der lieber mit mir schwimmen geht als du!«

»Ja, tu das«, sagte Phil, gähnte und drehte sich schmatzend um. Sekunden später hörte er das Zuschlagen einer Tür. »Moment mal, was?!«

 

***

 

»Das war ein ganz mieser Trick von dir«, murmelte Phil, als sie wenig später am Strand spazieren gingen. Phil war Mirko sofort nachgerannt, der jedoch unten an den Fahrstühlen gewartet hatte.

»Du hast mir ja keine Wahl gelassen«, sagte Mirko.

»Nicht einmal die Badehose, die ich ausgesucht hab, hast du genommen ...« Phil sah missmutig auf die Shorts, die Mirko trug. Gerade einmal die Knie konnte er sehen. Im Gegensatz dazu war Phils Badehose, die er sich noch eilig im Hotel angezogen hatte, um einiges knapper.

»Es gibt auch bestimmte Körperteile, an denen ich einen Sonnenbrand lieber vermeide«, sagte Mirko.

Sie gingen einen kleinen Holzsteg entlang, der sie zum Strand brachte, und setzten sich auf zwei nebeneinanderstehende Liegen.

»Immerhin haben wir hier eine hervorragende Aussicht!«, sagte Phil mit einem Grinsen.

»Warum habe ich nur das Gefühl, dass du nicht das Meer meinst ...«, sagte Mirko. Phils Blick war direkt auf ein Beach-Volleyball-Feld gerichtet. Vier Männer in engen Badehosen waren am Spielen.

»Du wirst doch nicht wieder eifersüchtig, oder?«, fragte Phil.

»Gucken darfst du. Aber nur für den Fall der Fälle solltest du eins nicht vergessen ...«

»Und das wäre?«

Mirko sah ihn an, aber durch die schwarzen Gläser der Sonnenbrille konnte Phil seine Augen nicht sehen. »Ich brauche keine Waffe, um jemanden zu töten.«

Phil schluckte und schlug das Sportmagazin auf, das er mitgenommen hatte. »Ein bisschen ist es aber auch deine Schuld, wenn ich gucke, weißt du? Du hättest nicht so langweilige Shorts kaufen sollen.«

»Die sehen doch ganz normal aus.«

»Ja eben! Schau dir doch mal die knallengen Badehosen der Spieler an! Wenn du sowas tragen würdest ...«

»Dann wäre dir deine Hose garantiert auch zu eng. Kannst du nicht wenigstens außerhalb unseres Hotelzimmers an etwas anderes als an Sex denken?«

»Nein«, sagte Phil und schüttelte den Kopf. »Ich bin ein Sklave der Lust. Absolut!«

Obwohl Mirkos Augen verdeckt waren, war sich Phil ziemlich sicher, dass er sie rollte. »Manchmal frage ich mich wirklich, wie du es mit solchen Sprüchen geschafft hast, mich zu verführen ...«

Phil zuckte mit den Schultern. »Wir sind füreinander geschaffen. Früher oder später wäre es so oder so dazu gekommen. Selbst, wenn ich überhaupt nichts gemacht hätte ... Obwohl mein stählerner Körper die Sache doch bestimmt beschleunigt hat, oder?«

»Dein Grips war es jedenfalls nicht.«

»Ganz richtig ... Hey!«, rief Phil. »Sei vorsichtig! Ich könnte mir demnächst eine heiße Affäre suchen.«

»Bevor du das schaffst, fange ich etwas mit dem Kellner an. Hast du gesehen, wie er mich angeschaut hat?«, fragte Mirko. Sie waren vorhin an der Strandbar vorbeigekommen, wo ein braungebrannter schwarzhaariger Mann den Gästen Getränke an die Liegen gebracht hatte. Seine Blicke waren eindeutig gewesen.

Phils Blick verdüsterte sich. »Ist mir nicht entgangen. Du stehst aber nicht auf solche Typen, oder? Ich meine, wir sind ja in einer festen Beziehung, nicht? Das war doch nur ein Scherz gerade, ne?«

»Komm mal wieder runter!«, sagte Mirko lachend und der tiefe Ton verpasste Phils Körper eine angenehme Gänsehaut. »Du versuchst mich ständig eifersüchtig zu machen, und sobald ich mal einen Kellner erwähne, bekommst du Panik?«

»Bei mir wissen wir beide, dass ich nur scherze. Du machst aber so gut wie nie Witze.«

Mirko sah Phil ernst an. »Es wird nichts zwischen mir und einem anderen Kerl laufen. Niemals. Allerdings bin ich auch sehr nachtragend ... Ich hoffe also, dass du wirklich dein Magazin liest und aufhörst, den Volleyballspielern auf die Hintern zu glotzen.«

»Ich dachte, ich darf gucken?«

»Meinung geändert. Diesen Urlaub sollten wir uns ganz aufeinander konzentrieren. Keine anderen Kerle, keine Arbeit, einfach nur Entspannung.«

»Klingt gar nicht so schlecht ... aber bist du dir absolut sicher, dass du keinen Tanga tragen willst?«

»Phil ...«

»Wollte nur sichergehen«, sagte Phil. »Ich bin absolut auf dich konzentriert! Insbesondere auf deinen Hintern.«

»Solange es meiner ist und nicht der eines anderen ...«

Phil nahm Mirkos Hand. »Was ich auch sage, du bist und bleibst der Einzige für mich.«

»Spinner«, sagte Mirko, lächelte aber für einen Moment. Dann wurde sein Gesicht wieder ernst, als er in Richtung Volleyballspieler schaute.

»Du glaubst mir doch, oder?« Panik schlich sich ungewollt in Phils Stimme. »Was auch passiert, keiner von uns würde jemals ...«

Mirko sprang auf einmal auf und verfolgte einen Mann, der am Strand joggte. »... hinter einen anderen herlaufen. Hey!« Auch Phil rappelte sich auf und stürzte hinter Mirko her.

Erst nachdem sie das Ende des Privatstrandes erreicht hatten, holte Phil ihn ein. Keuchend blieb er neben Mirko stehen, der sich verwirrt umsah. »Mann, du hast vielleicht eine Kondition in der Hitze ... Was ist denn in dich gefahren?«

»Da war ein Typ, der meine Klamotten getragen hat!«, rief Mirko ihm zu.

»Was? Unsinn!«

»Ach ja? Mein Koffer verschwindet und dann sehe ich einen Mann, der eine Armani-Hose der aktuellen Saison trägt, von der es weltweit nur hundert Stück gibt, und dazu auch noch ein himmelblaues T-Shirt von Ed Hardy, das ich mir erst letzte Woche geholt habe?«

»Das ist Armani, was ich dir immer vom Körper reiße?«, fragte Phil stirnrunzelnd.

»Nicht alles. Meine Mutter bringt mir regelmäßig etwas von ihren Reisen mit. Ich trage auch gerne s.Oliver und ... das tut doch jetzt nichts zur Sache!«, rief Mirko fluchend. »Fakt ist, hier läuft einer in meinen Sachen rum!« Er stampfte mit dem Fuß auf, ging ein paar Mal hin und her. »Wo ist der Mistkerl?«

»Konntest du denn sein Gesicht sehen?«

»Er hat dunkle Haare und helle Haut ... zu mehr hat‘s leider nicht gereicht.«

»Tja, dann wirst du wohl warten müssen, bis du ihn wieder siehst«, sagte Phil hoffnungsvoll. Er ahnte bereits, auf was die Sache hinauslaufen würde ...

»Spinnst du? Ich muss ermitteln oder denkst du, ich lasse mir das einfach gefallen? Wenn er meine Schuhe anrührt, wird er was erleben!« Mirko stürmte davon und Phil sah ihm missmutig hinterher.

»Das war‘s dann wohl mit der Erholung.«

 

***

 

»Als verdeckter Ermittler hast du nicht besonders viel Erfahrung, was?«, fragte Phil, der zusah, wie Mirko sich hinter einer Palme versteckte, um die Leute am Strand zu beobachten. »Was soll denn das jetzt heißen?«

»Wenn du so hinter einer Palme hockst und dann auch noch diese riesige Sonnenbrille auf der Nase sitzen hast, fällst du viel mehr auf, als wenn du am Strand liegen und die Sonne genießen würdest. Die Leute starren dich schon an.«

Mirko sah sich um, entdeckte ein Ehepaar, das ihm nervöse Blicke zuwarf, und richtete sich auf. Ein leichter Rotton erschien auf seinen Wangen. »Na gut. Aber ich kann doch nicht herumliegen, während irgendwo jemand in meinen Sachen am Strand liegt!«

»Und warum können wir den Vorfall nicht einfach der örtlichen Polizei melden und die ihre Arbeit machen lassen? Du hast mir versprochen, wir würden endlich mal unseren Alltag vergessen und den Urlaub genießen können.«

»Schon, aber du glaubst doch nicht wirklich, die geben sich Mühe, um den Kofferdieb eines Touristen festzunehmen! Die haben Wichtigeres zu tun.«

»Aber wir doch auch!« Phil ging näher an Mirko heran, drückte ihn mit seinem harten Körper gegen die Palme. »Wir sind hier an einem traumhaften Ort. Ein atemberaubender Strand liegt direkt vor unserem Hotel, wir bekommen alles, was wir wollen, völlig umsonst und könnten die Zeit unseres Lebens haben. Ist es da ernsthaft wichtiger, einen Typen zu verfolgen, der dein Designerzeug geklaut hat?«, fragte Phil und nahm Mirko die Brille ab, um ihm in die Augen zu sehen. »Ich weiß ja nicht, wie es dir geht, aber ich wüsste da einiges, was bedeutend mehr Spaß an diesem Ort machen würde. Wir könnten zum Beispiel zum Spa gehen und uns verwöhnen lassen ... ich würde den Masseuren etwas von ihrem Öl klauen und dich auf eine ganz besondere Weise entspannen. Klingt das nicht gut?«

»Viel zu gut, aber ...«

»Aber?«

»Es ist Armani, Phil! Hast du eine Ahnung, was so etwas kostet?«, fragte Mirko und drückte sich von der Palme weg. »Keine Sorge! Ich finde den Mistkerl und dann können wir den Rest unseres Urlaubs genießen.« Mirko ging in Richtung Strand, wo er mit seinen Augen die Urlauber scannte.

Phil gab einen lauten Seufzer von sich und sah zu seinem besten Stück herunter, das in seinen Shorts erwacht war. »Das mit der Verführung haben wir zwei auch schon mal besser hinbekommen, was?« Er warf Mirko noch einen letzten Blick zu und setzte sich dann an die Bar. Dort konnte er wenigstens seine Freigetränke genießen.

 

***

 

Mirko wischte sich den Schweiß von der Stirn. Er hatte sich inzwischen zwar in den Schatten eines Sonnenschirms gerettet, aber die 40 Grad machten ihm dennoch zu schaffen. Nur der leicht salzige Meereswind sorgte noch für Abkühlung. Dabei war das Wasser so nah ... aber was, wenn er baden ging und den Dieb dabei verpassen würde?

Mirko rollte seine Schultern und sah mit einem sehnsüchtigen Blick zu Phil. Er redete gerade mit dem Barkeeper und trank seinen dritten Cocktail.

»Wie kommt es, dass du nicht bei deinem Freund bist? Habt ihr euch gestritten?«

Mirko drehte sich um. Die hoffnungsvolle Stimme gehörte dem Kellner, der ebenfalls an der Bar arbeitete. »Wir haben uns nicht gestritten. Ich bin nur ... beschäftigt.«

»Ich will ja nicht neugierig sein, aber du beobachtest jetzt seit fast zwei Stunden den Strand. Ist etwas passiert?«

»Nicht direkt. Aber sag mal, könntest du mir nicht etwas Alkoholfreies bringen? Etwas Kühles?«

»Bin schon unterwegs! Sag mir Bescheid, wenn ich dir helfen kann, ja?«

»Du willst mir helfen?«

»Uns liegt das Wohl unserer Gäste am Herzen«, sagte der Kellner mit einem Augenzwinkern und legte eine Hand auf Mirkos unteren Rücken. »Ich bin Tag und Nacht für dich da.« Damit ging er in Richtung Bar und ließ Mirko mit einem perplexen Gesichtsausdruck zurück.

Er spürte den Ärger bereits, bevor er in Phils Gesicht geblickt hatte.

 

***

 

Phil hätte am liebsten seinen Drink in das dämliche Grinsen des Kellners geschüttet. Er hatte doch gewusst, dass sich der Mistkerl an Mirko ranmachen würde! Und der stand einfach so da und ließ es geschehen!

Phil zerkaute den Eiswürfel in seinem Mund mit einem Biss, warf dem Kellner den giftigsten Blick zu, den er aufbringen konnte. Was bildete sich der eigentlich ein?! Phil hatte von Anfang an klargemacht, zu wem Mirko gehörte und der schmiss sich trotzdem an seinen Freund ran!

»Alles in Ordnung?«, fragte der Barkeeper. »Sie sehen so aus, als wären Sie kurz davor, jemanden umzubringen.«

»Ich bin nicht weit davon entfernt«, knurrte Phil, als er den Kellner mit den Augen verfolgte. »Der Typ da. Was ist das für einer?«

»Jack? Ein richtiger Casanova. Hat schon öfters Ärger deswegen bekommen, aber er ist bei den Gästen beliebt. Warum können Sie sich vermutlich denken. Ob Mann oder Frau ist ihm egal. Er nimmt sich, was ihm gefällt.«

»Und er macht deswegen Ärger?«

»Die Freunde und Freundinnen seines Zielobjekts tun es. War schon ein paar Mal richtig unschön, aber er hat sich immer rausgeredet ... man munkelt auch von einer Affäre mit der Chefin. Wenn er es auf deinen Kerl abgesehen hat, solltest du aufpassen. Seine Verführungskünste sind berühmt und berüchtigt.«

»Das hat mir gerade noch gefehlt.« Phil leerte sein Glas, bedankte sich bei dem Barkeeper und ging zu Mirko herüber. »Na? Keinen Erfolg gehabt?«

»Nein. Heute rennt jeder halbnackt herum. Meine Klamotten finde ich so nie.«

»Immerhin scheinst du einen neuen Freund zu haben ...«, sagte Phil und warf dem Kellner, der inzwischen mit einem ganzen Tisch voller Frauen flirtete, einen weiteren tödlichen Blick zu.

Mirko schien sofort zu wissen, wovon er redete. »Hör mal, der Typ hat mich gerade überrumpelt. Da ist absolut nichts.«

»Weiß ich doch, aber es gefällt mir trotzdem nicht. Was hat er denn gesagt?«

»Er hat mir eigentlich nur seine Hilfe angeboten. Ich bin wohl wirklich nicht besonders unauffällig ...«

»Das kannst du laut sagen. Lass uns doch ins Hotel zurück gehen und ich gebe dir endlich die Ganzkörpermassage, von der ich dir vorgeschwärmt habe. Dann kannst du dich entspannen und die Sache vergessen. Bis heute Abend wird dir der Dieb bestimmt nicht weglaufen.«

»Und wenn doch? Er könnte jeden Moment abreisen!«

»Wenn er deinen Koffer geklaut hat, ist er doch wahrscheinlich am gleichen Tag wie wir angekommen. Wer würde schon für einen Tag nach Hawaii fliegen?«

»Es könnte doch für ein Geschäftsessen sein! Oder er wollte nur ... vielleicht ist es ein Hoteltester! Die sind auch nie lange da und kennen sich bestens an Flughäfen aus!«

»Du bist dir sicher, dass ein Job als Kriminalbeamter das Richtige für dich ist, ja?«, fragte Phil schmunzelnd.

»Es ist immerhin eine Theorie«, sagte Mirko und verschränkte die Arme. »Bei der Beweislage lässt sich schlecht Genaueres sagen.«

»Wenn du hier rumstehst, verbesserst du die Situation aber auch nicht. Komm mit mir! Ich verwöhne dich und dann haben wir ein perfektes Essen in diesem perfekten Hotel. Anschließend helfe ich dir sogar dabei, den Fall zu lösen. In Ordnung?«

»Also gut.«

 

***

 

Obwohl Phil alles dafür getan hatte, Mirko zu entspannen, schien dieser mit den Gedanken vollkommen woanders zu sein. Selbst beim Abendessen, wo ihnen nicht weniger als ein Drei-Gänge-Menü serviert wurde, konnte er sich kaum konzentrieren.

»Warum beschäftigt dich das eigentlich so?«, fragte Phil und steckte sich ein Stück Steak in den Mund. Der saftige Geschmack umschmeichelte seinen Gaumen und ein Stöhnen wollte ihm entweichen, das er jedoch zu unterdrücken schaffte. Einfach fantastisch!

Mirko stocherte mit der Gabel auf seinem Teller herum. »Du hättest gar nichts dagegen, wenn sich ein Fremder deine Sachen schnappt und in ihnen herumläuft?«

»Das kommt ganz auf den Fremden an. Ich mag es, wenn du meine Sachen trägst. Das ist so ... so ...«

»So was?«, fragte Mirko mit leichter Irritation in der Stimme.

»Geil?« Phil grinste. »Sieh mich nicht so an. Ich mein gar nichts Perverses damit. Es ist nur ein bisschen so, als würde ich dich mit meinem Körper umarmen.«

»Heißt das dann nicht auch, ich umarme gerade irgendwo einen Fremden?«

Phils Grinsen verschwand. »Du hast Recht. Wir müssen den Mistkerl finden.« Er nickte mehrmals. »Hast du irgendwelche Anhaltspunkte? Vielleicht sollten wir die Angestellten befragen oder einen Kontaktmann suchen. In Krimis gibt es immer einen, der sich in der Unterwelt auskennt und seine Kollegen für ein paar Mücken verrät. Da fangen wir an!«

»Jetzt machst du dich lustig über mich, oder?«, fragte Mirko.

»Ein bisschen, ja.« Phil lächelte schwach. »Vielleicht verstehe ich es auch nur nicht, weil ich meine Sachen immer nur vom Grabbeltisch hole. Sportsachen mal ausgenommen, hab ich noch nie ein Hemd gekauft, das teurer als zwanzig Euro gewesen ist.«

»Und das sieht man deinen Sachen auch an ...«

»Hey!«

»Ich mein nur, du würdest in dem einen oder anderen Designerstück besser aussehen.«

»Du hast dich nie beschwert.«

»Liegt daran, dass du auf magische Art und Weise deine Klamotten verlierst, sobald ich den Raum betrete.«

»Ist es Magie, wenn du mir mein Drei-Euro-T-Shirt vom Leib reißt?«, fragte Phil und lehnte sich über den Tisch zu Mirko vor.

Auch der kam ihm näher. »Nein«, flüsterte er und fuhr im nüchternen Ton fort: »Das nennt man minderwertige Qualität.«

Phil sank mit hervorgeschobener Unterlippe auf seinen Stuhl zurück. »Und schon wieder geht ein romantischer Moment dahin.«

»Wenn du Romantik willst, dann hilf mir bei der Suche nach dem Dieb. Danach können wir meinetwegen machen, was du willst.«

»Da nehm ich dich beim Wort!«

 

***

 

Als Phil auf Mirkos Bitte eingegangen war, hatte er nicht damit gerechnet, Stunden später an der Strandbar zu stehen und im Dunkeln nach dem Dieb Ausschau halten zu müssen. »Du glaubst doch nicht wirklich, dass er jetzt noch draußen unterwegs ist, oder? Wir sind hier in einem Resort. Die meisten Gäste vögeln sich gerade die Seele aus dem Leib oder nutzen einige der Freizeitangebote im Hotel. Sie gehen tanzen oder etwas trinken und sitzen nicht nachts an der Strandbar.«

Sie waren tatsächlich fast allein. Einige Paare betrachteten noch turtelnd die glitzernden Lichter oder schauten die Sterne über dem dunklen Meer an, aber sonst war hier draußen nichts los, während aus den Gebäuden Musik dröhnte.

Phil beneidete inzwischen sogar den dürren Brillenträger in der Nähe, der offenbar versuchte, seine Freundin mit einer absurden Geschichte zu beeindrucken. So betrunken, wie sie war, würde der wenigstens noch heute Abend flachgelegt werden. Für Phil sah es dagegen schlecht aus. Mirkos Augen schossen zu jeder Person, die in seine Richtung ging, aber Phil beachteten sie nicht.

»Im Partygetümmel könnte ich ihn nie erkennen, aber hier stehen wir genau an der Kreuzung. Will der Mistkerl zu seinem Hotelzimmer zurückgehen, muss er an uns vorbeikommen.«

»Und wenn er schon ins Bett gegangen ist? Oder sogar seine eigenen Sachen trägt? Du würdest ihn niemals finden! Ich hab dir zwar gesagt, ich würde dir helfen, aber das ist doch alles Unsinn, Mirko. Jetzt sei endlich ehrlich zu mir: Warum willst du ihn finden? Es geht hier doch gar nicht um deine Klamotten, oder?« Mirko wich Phils Blick aus und das war genauso gut wie ein Geständnis. »Jetzt sag schon, was los ist. Du kannst doch mit mir reden.«

»Das weiß ich ja, es ist mir nur so peinlich«, sagte Mirko und räusperte sich. »Also gut, aber lach mich bitte nicht aus, wenn ich dir das erzähle.«

»Ich würde dich niemals auslachen!«, sagte Phil und fügte auf Mirkos Seitenblick hinzu: »Ehrlich!«

»Gut, es ... es geht um den Tanga.«

»Den du verbrannt hast?«

»Das ist es ja!«, sagte Mirko und begann damit, vor Phil auf und ab zu laufen. »Ich hab ihn nicht verbrannt. Ich wollte es wirklich tun – das Teil ist fürchterlich –, aber ... aber der Tanga war das erste Geburtstagsgeschenk, das du mir jemals gemacht hast. Ich bin sentimental in solchen Dingen. Das ist unser erster gemeinsamer Urlaub und ich wollte auch das erste Geschenk dabei haben. Ich weiß noch genau, wie stolz du gewesen bist, als du ihn mir gegeben hast. Das ist ein Moment, den ich nie vergessen werde. Wenn ich das Ding auch niemals tragen würde ... Gott bewahre. Ich würde eher sterben als es anzuziehen, aber ... es bedeutet mir trotzdem etwas und ich muss ihn einfach-«

Phil unterbrach Mirkos Redeschwall, indem er ihn küsste. Er drückte seine Zunge zwischen Mirkos Lippen, schmeckte noch die Süße des letzten Cocktails.

»Das kam unerwartet«, sagte Mirko atemlos, nachdem ihre Lippen sich voneinander lösten. »Ich dachte wirklich, du würdest lachen.«

»Wie könnte ich? Du bist komplett verrückt und verkorkst, aber das ist auch einer der Gründe, warum ich mich in dich verliebt habe.«

»Ich habe ehrlich keine Ahnung, ob ich jetzt beleidigt sein soll«, sagte Mirko lachend.

»Fühl dich lieber geschmeichelt und sei mir dankbar.«

»Dankbar wofür?«

»Für all die Dinge, die ich gleich mit dir anstellen werde.«

Für einen kurzen Moment schien Phil Mirko mit seinen Worten in Versuchung zu führen, doch dann sagte er: »Phil, ich muss den Dieb finden! Wenn er nicht auf beiden Augen blind ist, wird er den Tanga längst weggeschmissen haben. Weißt du, wie schwer es wäre, den Müll von einem Ort wie diesem zurückzuverfolgen?«

»Du würdest sogar den Müll durchwühlen, um ihn zurückzubekommen? Verrückt!«

»Nur so verrückt, wie du mich machst«, sagte Mirko. Sogar in dem schwachen Licht der Bar konnte Phil erkennen, wie sich Mirkos Wangen färbten.

»Das reicht! Wir gehen jetzt aufs Zimmer!«

»Aber ich-«

»Du brauchst das Ding nicht! Ich schenke dir hundert oder sogar tausend davon, wenn es sein muss, und jeden Einzelnen werde ich mit einem ersten Mal von uns verbinden. Jeder wird mit einer unschätzbaren Erinnerung verknüpft sein.«

Sprachlos starrte Mirko Phil an, bevor er ihn abermals küsste. »Ich liebe dich wirklich, weißt du?«

»Du wolltest für eins meiner Geschenke den Müll durchwühlen. Wenn ich es vorher nicht gewusst hätte, dann jetzt mit Sicherheit«, flüsterte Phil ihm zu.

»Dann lass uns gehen.« Mirko nahm Phils Hand, machte bereits einen Schritt nach vorne, drehte sich dann aber noch einmal um. »Das nächste Mal sollte ich aber besser dabei sein, wenn du mir ein Geschenk aussuchen willst. Vielleicht könnte ich es dann sogar tragen ...«

 

***

 

Die Balkontüren waren geöffnet und brachten eine kühle, nächtliche Brise in den stickigen Raum. Salzige Meeresluft verdrängte den Geruch von Schweiß, leise Musik von einer Party in der Nähe übertönte auch die winzigsten Laute im Zimmer. Diesmal war es anders als die letzten Male. Mirko fand Sex mit Phil immer großartig, aber dieser Moment hatte etwas Besonderes. Er wurde zu einer unschätzbaren Erinnerung.

Phil lag auf Mirko und seine Hand rutschte dessen Oberschenkel hoch, bevor er ihn von unten nach hinten drückte. Bei jedem Stoß sah er in Mirkos Augen, achtete auf seine Reaktionen. Ab und zu erschien ein Lächeln auf seinem Gesicht, wenn Mirko einen Laut von sich gab, die Finger weiter in Phils Rücken presste und sich an ihn klammerte, als könnte er den Boden unter seinen Füßen verlieren.

Und so kam es ihm auch vor. Mirko fühlte sich, als würde er schweben. Er spürte nicht die Matratze oder Decke unter sich. Stattdessen war da nur noch Phil und trotz ihrer Nähe brauchte Mirko immer noch mehr.

Er umschloss mit seinen Beinen Phils Hüften, bohrte seine Zehen in Phils Rücken, als der noch tiefer stieß, ihn noch mehr berührte. Phils Kopf vergrub sich in Mirkos Schulter, rasselnder Atem traf erhitzte Haut.

Mirko schloss die Augen, stöhnte laut, als Phil den richtigen Punkt traf, biss sich auf die Lippen, um seine Laute zu unterdrücken. Er fasste in Phils Haar, drückte seinen Kopf tiefer in seine Schulter, klammerte sich weiter fest.

Sein Körper brannte. Schweiß bedeckte jeden Zentimeter seiner Haut.

Phil schaute auf, presste seine Lippen auf Mirkos, begann einen wilden, unkontrollierten Kuss, der beiden das letzte bisschen Atem raubte. Ohne Vorwarnung griff er zwischen ihre bebenden Körper, umfasste Mirkos Schwanz und pumpte ihn schnell.

Mirko warf den Kopf ins Kissen zurück, schrie auf und Phil stieß härter in ihn hinein. Mit einem Zittern kam Mirko über Phils Hand und Phil folgte ihm nach weiteren drei Stößen. Er wurde plötzlich still, sein Körper bebte noch ein letztes Mal und müde grinsend legte er sich neben Mirko.

»Du bist schon wieder in mir gekommen«, sagte Mirko, als Phil einen Arm um ihn legte und ihn zu sich zog. »Ich sollte ins Bad gehen.«

»Ich lasse dich jetzt nicht los«, sagte Phil gegen Mirkos Schulter. »Dann würde ich sterben.«

Mirko lachte. »Du übertreibst.«

»Fühlt sich aber so an. Bleib bei mir? Zur Sicherheit?«

Mirko rutschte einige Zentimeter herunter, damit er in Phils Augen sehen konnte. »Wer hat denn gesagt, dass ich alleine ins Bad gehe? Die große Wanne gibt es nicht umsonst.«

Ein Lächeln bildete sich bei diesen Worten auf Phils Gesicht, aber es verschwand nach wenigen Sekunden wieder. »Dann müssen wir aber aufstehen.«

»Stimmt ... das wäre ein Problem«, sagte Mirko. So sehr er die Vorstellung auch hasste, mit verschwitzter Haut einzuschlafen, seine müden Glieder wollten sich einfach nicht bewegen. »Wir könnten noch ein bisschen liegen bleiben ... wenige Minuten. In Ordnung, Phil? Phil?«

Ein leises Schnarchen antwortete Mirko. Er lachte, küsste Phils Stirn und schloss ebenfalls die Augen.

 

***

 

Gleißend helles Sonnenlicht schien durch das Fenster hinein und Mirkos Augenlider flatterten. Der dünne Schweißfilm der letzten Nacht lag noch auf seiner Haut, neben ihm gab Phil ein leises Schnarchen von sich und die salzige Meeresluft ließ Mirkos Nasenflügel flattern. Heute erschien ihm sein Verhalten während der letzten zwei Tage lächerlich. Er hätte die Zeit genießen können und war stattdessen hinter einem Kleidungsstück hinterhergejagt, das er noch nicht einmal mochte. Warum hatte er nicht auf Phil gehört?

Erinnerungen waren ihm wichtig, aber konnten sie an diesem Ort nicht mehr kostbare Momente erleben? Musste er unbedingt etwas in der Hand halten?

Obwohl Mirko das alles dachte, verspürte er doch einen Stich in seinem Herzen. So hässlich der Tanga auch gewesen war, als Geschenk war er wie Phil: skandalös, sexy und unübersehbar. Irgendwie vermisste er das Ding wirklich.

Mirko verzog das Gesicht, drehte sich zu Phil und stützte sich mit dem Ellenbogen ab, um ihn zu betrachten. Die dünne Decke rutschte durch die Bewegung von seinen Hüften, gab den Teil seines Körpers frei, in dem er Phil immer noch spürte. Oder hatte er überhaupt jemals aufgehört, ihn zu spüren? Waren sie nicht trotz aller Schwierigkeiten vom ersten Tag an verbunden gewesen?

»Du solltest am frühen Morgen nicht so viel denken«, sagte Phil. Er hatte die Augen geöffnet, sah Mirko mit einem müden Lächeln an. »Ich kann es an deiner Stirn sehen. Sorgenfalten.«

Mirko legte eine Hand auf Phils Brust, machte dort kleine Kreise mit seinen Fingern. »Ich mache mir keine Sorgen. Ich denke nur nach.«

»Über mich?«

»Über uns. Es ging alles so schnell, oder?«

»Kann ich nicht sagen. Du hast mich damals ziemlich zappeln lassen.«

»Mag sein. Aber obwohl du gezappelt hast, war ich derjenige, der am Haken hing. So sehr ich mich auch gewehrt habe, ich hatte keine Chance gegen dich.«

»Klingt ja fast so, als hätte ich dich gezwungen.«

»In gewisser Weise ... ich hatte zumindest keine Chance, dir zu entkommen. Und jetzt wohnen wir zusammen, sind das erste Mal im Urlaub ... du verstehst dich weit besser mit meinem Vater, als ich das tue und sogar meine Mutter gewöhnt sich langsam an dich. Wie machst du das eigentlich immer?«

Phil lächelte, rutschte etwas herunter und umarmte Mirko, legte den Kopf auf dessen Brust. »Ich bin eben ein liebenswürdiges Kerlchen«, flüsterte er.

»Da steckt aber bestimmt noch ein Geheimnis dahinter, oder? Gibt es nicht irgendeinen Trick?«

»Den darf ich dir nicht verraten«, sagte Phil und schaute zu Mirko hoch. »Ist geheim.«

»Ich bekomme doch sowieso immer alles aus dir heraus.«

»Und wie willst du das anstellen, wenn ich fragen darf?«

Mirko grinste, rutschte unter Phil weg, drehte ihn auf seinen Rücken und schwang ein Bein über Phils nackten Körper, ließ sich auf dessen Oberschenkel nieder. »Unschlagbare Argumente«, flüsterte Mirko, drückte Phil mit beiden Händen gegen die Matratze und küsste ihn.

Phils Hände schossen hoch, griffen in Mirkos dichtes Haar, pressten ihn gegen seine Lippen. »Bitte sag mir, dass deine Verhöre mit anderen Typen anders verlaufen«, meinte Phil atemlos, als Mirko sich aufrichtete und ihnen damit einen kurzen Moment zum Luftholen verschaffte.

»Da geht‘s gleich auf dem Tisch los«, sagte Mirko mit ernstem Gesicht.

»Mirko ...«

»Ich verarsch dich doch nur«, sagte Mirko. »Aber das Ergebnis bleibt das Gleiche: Ich erfahre immer alles, also sag mir einfach ... einfach ...«

»Ja ...?«

»... worum ging es nochmal?«

Phil lachte, tauchte mit den Fingern in Mirkos Haar zurück und zog ihn zu sich herunter.

 

***

 

»Warum gibt es sowas nicht bei uns zuhause?«, fragte Phil seufzend, als sie vom Spa auf dem Weg zurück zu ihren Zimmern waren.

»Gibt es doch.«

»Ja, aber das kann kein Arsch bezahlen!«

»Das hier eigentlich auch kaum einer. Wenn mein Vater nicht so großzügig wäre ...«

»Ich weiß ja. Ich wollte nur mal anmerken, wie unfair die Welt ist. Wenn ich mir vorstelle, ich könnte so eine Massage nach jedem Training bekommen ...«

»Ach? Und letzte Woche bist du noch mit einem Bier und Popcorn zufrieden gewesen.«

»Wäre ich auch heute noch. Ich bin nur am Träumen«, sagte Phil grinsend. »Eine Massage von dir wäre hin und wieder aber auch nicht zu verachten ...«

»Ich würde dir nur das Rückgrat brechen. Wie du weißt, sind meine Hände nicht gerade sanft.«

»Oh ja.« Phil seufzte. »Hätten wir doch wenigstens den Tanga. Du hättest vor mir tanzen können. Das hätte mich auch entspannt.«

»In deinen Träumen vielleicht. Ich bin doch ganz froh, dass das Ding weg ist und ich meinen Koffer nie wieder-« Mirko hatte die Tür zu ihrem Zimmer öffnen wollen, aber sie war bereits offen.

Der Page stand mit einem großen Lächeln vor ihnen. »Oh, guten Abend! Ich habe Ihnen nur Ihren Koffer gebracht. Er wurde soeben vom Flughafen geliefert. Offenbar ist er unglücklicherweise in Deutschland zurückgeblieben und musste mit einer späteren Maschine fliegen.«

Ein harter Klaps auf seinem Rücken brachte Mirko in die Gegenwart zurück. »Siehst du? Er wurde doch nicht geklaut. Du musst Gespenster gesehen haben.«

»Aber das ist doch ... völlig unmöglich ...«

Der Page verabschiedete sich und Phil öffnete den Koffer. Bereits nach kurzem Wühlen hatte er ein kleines, getigertes Stück Stoff in seiner Hand. »Unversehrt und wie neu. Ist das nicht klasse?«

»Großartig ...«, murmelte Mirko und ließ sich auf die Couch fallen.

 

***

 

Die restlichen Tage im Resort verliefen ganz nach Phils Geschmack. Sie nutzten die Angebote im Spa, lagen gemeinsam am Strand, genossen das fantastische Essen und die Nächte verbrachten sie auf ihren Zimmern.

Als dann schließlich der Tag ihrer Abreise kam, drohte Phil damit, sich ans Bett festzuketten.

»Damit würdest du nur die Zimmermädchen erschrecken«, sagte Mirko.

»Es ist nur ... die letzten Tage mit dir waren so unglaublich. Wie im Paradies. Was wenn es nie wieder so sein wird?«

»Und ich hätte jetzt von dir erwartet, du würdest sagen, es wäre überall mit mir wie im Paradies. Du enttäuschst mich.«

»Ist es auch! Nur eben ein Paradies ohne Massagen und Gratisgetränke.«

»Was die Massagen angeht, könnten wir uns sicher etwas einfallen lassen. Beim letzten Mal waren deine Finger gar nicht so schlecht ...«

Phil legte den Arm um Mirko und platzierte einen Kuss auf seinem Hals. »Meinst du die Rückenmassagen oder die, die etwas tiefer gingen?«

»Beide, aber Letztere würde ich nicht unbedingt Massagen nennen.«

Phil war schon fast dabei, Mirko eine weitere Kostprobe seines Könnens zu geben, als der Page kam, um ihre Koffer zu holen.

»Ein Wagen ist unten für Sie eingetroffen, meine Herren«, sagte er und brachte die Koffer hinaus.

Mirko sah ihm nach. »Du hast recht. Ich werde die Zeit hier auch vermissen. Nur das mit dem Koffer war wirklich merkwürdig. Wie konnte ich mich so irren?«

»Vielleicht hast du das gar nicht und es ist nur ein irrwitziger Zufall gewesen«, sagte Phil, als sie das Zimmer verließen und in den Aufzug traten. »Du weißt schon, er könnte genau das Gleiche wie du haben.«

»Das kann nicht sein. Als wenn irgendjemand genau den gleichen Geschmack wie ich hätte!«

Phil grinste ihm nur zu.

Sobald der Fahrstuhl sie nach unten gebracht hatte, gingen sie durch die Lobby zum Ausgang. Der Kellner, der sich ständig an Mirko herangemacht hatte, lief an ihnen vorbei und Phil legte schnell einen Arm um Mirko, zeigte dem Mann noch im selben Atemzug seinen Mittelfinger.

»Was tust du?«, fragte Mirko misstrauisch, der den Kellner nicht gesehen hatte.

»Ach, gar nichts. Es ist also so unsinnig, dass jemand das Gleiche mag wie du?«

»Das kann einfach nicht sein. Es wäre ein viel zu ...«, sagte Mirko und stoppte abrupt, als ein Mann in genau den gleichen Sachen wie er auf sie zuging. Kurz vor ihnen stoppte er, sah Mirko verwirrt von oben bis unten an und öffnete den Mund, aber kein Ton kam heraus.

»Hey, super Geschmack!«, rief Phil dem Mann zu, der rot wurde und schnell weiterging. »Was wolltest du nochmal sagen, Mirko?«

Mirko schüttelte nur den Kopf, nahm Phils Hand und zog ihn zum Wagen weiter.

Eines war sicher: Diesen Urlaub würde keiner von ihnen je wieder vergessen.

 

Ende

 

 

Die Geschichte von Mirko und Phil wird in »Frühlingsbrunch« erzählt und ist Teil der Brunch-Reihe. Jeder der insgesamt vier Bände ist in sich abgeschlossen und kann auch unabhängig voneinander gelesen werden, sind jedoch durch eine bücherübergreifende Geschichte verbunden.

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Juan Santiago und Celine Blue: Urlaub in den Schatten

(Matthias & Muri, Schattenspiele/Schatten und Licht-Reihe)

 

"Endlich geschafft!" Glücklich werfe ich den Koffer auf das Hotelbett, aber mit ein bisschen zu viel Schwung und Kraft, sodass er auf dem gut gefederten Bett wieder hochspringt, an die Wand knallt, sich öffnet und sein Inhalt sich auf den Boden ergießt.

„Engel, zügele bitte deine Kräfte!“ Muri sieht mich tadelnd an, aber ein kleines Lächeln zupft an seinen Mundwinkeln.

Ich zucke mit den Achseln. Hey, ich kann nichts dafür, dass das Bett so gut ist.

Muri schüttelt den Kopf, legt sein Handgepäck auf seine Betthälfte und fängt an, den Inhalt in die kleine Kommode, die an seiner Bettseite steht, einzuräumen.

Hinter seinem Rücken strecke ich ihm die Zunge raus.

„Das habe ich gesehen!“

Mehrere Schatten packen mich und ich werde aufs Bett geworfen, wo sie mich bewegungslos machen.

Keine Sekunde später ist mein Schatz über mir, fixiert mich mit seinen dunklen Augen.

„Du kleiner frecher Vampir!“, murmelt er. Ich hebe den Kopf und als sich unsere Lippen berühren, legt sich in mir ein Schalter um. Hungrig küsse ich ihn, spiele mit seiner Zunge, plündere und erobere, was eh schon mir gehört.

Leider wird durch ein Tumult auf dem Flur unser beginnendes Stelldichein unterbrochen.

Meine Koffer!“

Madam, beruhigen Sie sich, wir werden sie suchen!“

Ich brauche sie jetzt! Sofort!“

Auch das theatralische Fußaufstampfen kann ich vernehmen, und ich glaube, ich müsste nicht einmal ein Vampir sein, um die Dame hören zu können.

Muri seufzt und löst die Schatten um meine Gelenke. „Du möchtest garantiert nachsehen, was los ist, nicht wahr, mein kleiner Bulle?“, neckt er mich und gibt mir einen Kuss, bevor er sich elegant von mir herunterrollt und in einer fließenden Bewegung erhebt. Mein Schatz kennt mich einfach zu gut. Außerdem will ich das Kreischen abstellen, das sich inzwischen zu einem hysterischen Anfall gesteigert hat.

Meine Juwelen! Meine Abendgarderobe! Ahhhhhh!“

Das Hotelpersonal ist sichtlich überfordert, denn der Angestellte, der versucht, die Dame zu beruhigen, ist nur noch am Stammeln.

Seufzend rutsche ich vom Bett, komme auf die Füße und bin eine knappe Sekunde später an der Tür. Ich glaube, ich muss mich mal wieder als Polizist engagieren, sonst bekomme ich nie meine Ruhe.

Und keinen Sex, denn bei dem nervigen Gekreische vergeht mir gründlich die Lust.

Noch bevor ich die Tür aufmachen kann, erhöht sich die Geräuschkulisse um eine weitere weibliche Stimme.

Mein Koffer! Er ist weg! Eine Frechheit!“

Mit betont ernstem Gesicht gehe ich nach draußen, um nach der Ursache des Tumults zu sehen. Zwei extrem heftig gestylte Frauen stehen im Flur und reden ununterbrochen auf den armen Hotelangestellten ein. Der Mann hat mein ganzes Mitleid. Aber wenn ich Urlaub mache, will ich dabei auch meine Ruhe haben, ihn genießen und nicht dauernd von Kreischen und Schreien gestört werden.

„Was bitte ist denn hier los?“, frage ich und sehe dabei den Angestellten an, auf dessen Brust ich den Namen „J. Namese“ lesen kann.

„Unsere Koffer sind weg! Gestohlen! Und dieser Mann will uns nicht helfen!“ Beide Frauen reden durcheinander, eine lauter als die andere. Dass Muri sich in unserem Zimmer verschanzt hat, kann ich voll und ganz verstehen. Ich könnte mich grad ebenfalls für diese Idee in den Hintern treten, aber ich will beim Sex verdammt noch mal keine Kreischeinlage von draußen haben. Verständlich, nicht wahr?

Mein Temperament kocht hoch. „Wenn Sie den armen Herren einfach mal in Ruhe reden lassen würden, anstatt ihn hier niederzuschreien, könnte er sich auf die Suche nach den Koffern machen und seine Kollegen informieren, damit die helfen!“, weise ich die Furien zurecht. Beide bekommen fast gleichzeitig Schnappatmung, aber hey, nicht mein Problem, wenn die Damen es in den falschen Hals bekommen.

J. Namese sieht dankbar zu mir hoch. Okay, ich bin auch nicht der Größte, aber der arme Kerl geht mir nur bis zum Kinn und die Damen überragen ihn noch um mindestens einen halben Kopf. Kein Wunder, dass er so eingeschüchtert ist.

„Was erlauben Sie sich?“, beginnt die eine und die andere holt auch schon Luft.

„Ich bin Polizeibeamter, meine Damen, und denke, ich habe ein Recht, mich einzumischen!“, fahre ich beiden direkt in die Parade, bevor sie noch mehr vom Stapel lassen können.
Dass sich ein kleines Knurren in meine Stimme schleicht, kann ich nicht verhindern. Um die beiden zum Schweigen zu bringen, würde ich sie sogar zur Ader lassen, wenn es sein müsste.

Oh Mann, ich sollte wirklich bald was trinken gehen, wenn ich schon solche Gedanken habe.

„Gehen Sie bitte nach unten und informieren den Manager?“, wende ich mich an den Angestellten, der sichtlich erleichtert nickt und die Flucht antritt. Verdenken kann ich es ihm nicht, würde ich am liebsten auch, aber nun muss ich es durchziehen, wenn ich mich schon einmische.

„Nun gehen Sie bitte auf Ihre Zimmer und warten ab, bis sich die Hotelleitung bei Ihnen meldet, in Ordnung?“

Beide schnappen noch immer nach Luft wie Fische auf dem Trockenen, weil ich es gewagt habe, sie zu unterbrechen und so einen Ton an den Tag zu legen, aber ich bin ich, und ich hasse kreischende Weiber.

Gott sei Dank nicken die Damen und verziehen sich dann auf ihre Zimmer, wobei die eine ausgerechnet rechts von mir und meinem Schatz residiert.

Genervt und mit den Augen rollend gehe ich zurück ins Zimmer, wo Muri mit einem Lachanfall auf der Couch sitzt und sich köstlich amüsiert.

„Danke, oh mein Mann, dass hier wieder Ruhe herrscht!“ Mein trockener Kommentar löst einen weiteren Heiterkeitsausbruch bei Muri aus, was mich momentan eher anpisst. Na gut, so ganz kann ich die Komik der Situation nicht verleugnen.

„Engel, ehrlich, warum hast du nicht einfach deren Gedanken ein wenig beeinflusst?“, will er wissen.

Ich stutze und überlege. Oh Scheiße, er hat recht, das wäre viel schneller, weniger kompliziert und vor allem Nerven schonender abgegangen.

„Du hast nicht dran gedacht!“

„Nein!“, gebe ich zerknirscht zu. Wie auch? Das ist doch alles noch so neu für mich.

„Irgendwann machst du es, ganz sicher. Nun komm her und lass uns die Sterne anschauen!“

Mit einem Lächeln komme ich auf ihn zu, ergreife seine Hand und gehe mit ihm auf den Balkon, wo wir eine fantastische Aussicht auf den Nachthimmel haben, der hoch über dem Meer, das mit leisen Wellen an den Strand brandet, funkelt und ein friedliches Bild zeichnet.

„Das mit dem Urlaub war eine super Idee!“, gestehe ich leise, drehe mich zu Muri um, ziehe ihn in meine Arme und küsse ihn sanft. Er wird ganz weich und nachgiebig, schmiegt sich an mich.

Unser Kuss wird schnell wilder, fordernder. Ein kleines Knurren verlässt meine Kehle, entfleucht über meine Lippen und dringt mit meinem Atem in Muris Mund ein.

„Du schmeckst so gut!“, schnurrt er, lässt eine Hand unter mein Shirt gleiten und streichelt meinen Rücken, schiebt dabei den störenden Stoff immer weiter nach oben.

„Meine Uhr! Hilfe, ein Dieb!“

Dieses Mal ist es eine männliche Stimme, die unter uns durch den Hotelgarten schreit. Seufzend breche ich den Kuss ab und lehne meinen Kopf an Muris Schulter.

„Sag bitte, dass ich träume!“, fluche ich und würde am liebsten das ganze Hotel in Trance legen. Verdammt, ich will doch nur meinen Mann in den Himmel ficken und ihn dazu bringen, dass er vor lauter Lust seinen eigenen Namen vergisst. Ist das denn zu viel verlangt?

Muri schüttelt nur den Kopf. Ihm fällt dabei wohl auch nichts mehr ein.

Fest entschlossen, meinen Schatz heute noch zu vernaschen, packe ich sein Handgelenk. „Komm, ich habe eine Idee!“

Neugierig folgt er mir, lässt sich von mir mitziehen. Ich habe auf dem Weg hierher einen Bootsverleih gesehen, und den werden wir jetzt aufsuchen. Da man in diesem Hotel keine Ruhe findet, und Sand in der Rosette keine Option für mich ist und für Muri auch nicht, wie ich mir vorstellen kann, muss halt was anderes her. Und warum ihn nicht einmal auf einem sanft schaukelnden Boot vernaschen, Mond und Sterne über uns?

 

 

Eine Stunde später sind wir tatsächlich auf dem Meer, niemand hier draußen außer uns. Wow, was für eine Stille!

Der Vermieter war mit Muris Hilfe schnell überredet, uns eine Yacht zu vermieten, die mein Mann glücklicherweise auch steuern kann.

Mein Blut kocht und mein Tier will endlich ein bisschen spielen. Ich auch. Nun ja, dieses Schiff bietet so einige Möglichkeiten, aber diese Stille wirkt wie direkt aus einem Film geschnitten. Ich bin eigentlich nicht so der romantische Typ, aber diese Szenerie lässt auch mich nicht kalt.

„Schatz, zieh dich aus. Ich will sehen, wie dein Körper im Mondlicht badet.“

Meine Stimme ist heiser, ein Knurren. Muri grinst lasziv und beginnt, sich langsam auszuziehen. Er legt einen Strip hin zu einer Melodie, die nur er hören kann.

Hungrig lasse ich mir keine Sekunde entgehen. Meins! Und nur meins!

Die Hose, die ich anhabe, platzt fast aus allen Nähten. Während ich dem Tanz meines Mannes zuschaue, reibe ich über die Beule in meinem Schritt. Oh ja, Baby, mach dich nackig, damit ich dich fressen kann!

In einer gleitenden Bewegung stehe ich auf, trete vor meinen jetzt nackten Liebsten, nehme meine Hände, lege sie auf seine Handgelenke und streiche sachte nach oben. Dabei blicken wir uns tief in die Augen. Ich kann erkennen, dass ihn dasselbe Feuer verzehrt, das auch in mir tobt. Er hält absolut still, wartet ab, was ich vorhabe. Nur die kleinen Schauer, die ihn durchfahren und seine Erektion zeugen davon, dass ihm gefällt, was ich mache.

„Zieh mich aus!“, flüstere ich leise, beuge mich vor und lege meine Lippen auf seine. Sanft küssen wir uns, während er mein Shirt hochschiebt und es dann mit einem Ruck zerreißt. Mit einem Knurren quittiere ich seine Aktion, aber was soll's. Hauptsache, wir haben uns endlich für uns allein.

Er schiebt eine Hand unter den Bund meiner Jeans, streichelt mich dort, die andere liegt in meinem Nacken, genau wie eine Hand von mir bei ihm. Ich werde nie genug von diesem Mann bekommen. Er schmeckt so gut. Meins. Nur meins.

Ich stöhne leise in seinen Mund.

„Das gefällt dir, wenn ich dich ein wenig leiden lasse, nicht wahr, Engel?“ Mir entgeht sein neckender Unterton nicht.

Zur Strafe zwicke ich in seinen linken Nippel, den ich vorher nur gestreichelt habe. Ein Knurren, gepaart mit einem Keuchen, ist meine Belohnung.

„Und das gefällt dir, nicht wahr?“, necke ich ihn, senke den Kopf und sauge an der Brustwarze in meinen Mund, mache sie feucht und umkreise sie mit meiner Zunge. Muri fummelt nun leicht hektisch an meinem Hosenknopf, bekommt ihn endlich auf und schiebt mir die Jeans mit einer Hand herunter, so gut es geht. Als es ihm zu bunt wird, nimmt er seine Schatten zu Hilfe.

Lachend liege ich keine vier Sekunden später auf Deck, denn in seiner Hast haben die Schatten mich einfach zu Boden geworfen und mir Hose und Schuhe geklaut.

„Komm her, du böser Junge!“ Mit einem Zeigefinger winke ich Muri zu mir, der sich elegant neben mir niederlässt.

„Selbst schuld, wenn du solche Methoden anwendest!“, erklärt er mir mit einem Funkeln in den Augen.

„So, so, meine Methoden gefallen dir also nicht?“ Bevor er auch nur blinzeln kann, liegt er unter mir, ich auf ihm, seine Handgelenke auf das Bootsdeck gepinnt und ich reibe mich genüsslich an seiner Erektion.

Muri schnurrt. Seine dunklen Augen beobachten mich genau, und in seinen Augen kann ich das Leuchten der Sterne sehen. Diese Nacht ist irgendwie magisch.

Früher glaubte ich nicht an so etwas wie Magie. Nun ja, ich bin nun ein Vampir. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.

Ich lasse seine Handgelenke los, streiche die Unterseite seiner Arme bis zu den Achseln. Dann weiter über die Flanken nach unten, an den Hüften entlang, bis zu den Knien, wo ich wiederum auf der Innenseite nach oben wandere, dabei seine Beine spreize, damit ich dazwischen rutschen kann.

Muri hat nichts dagegen, er hilft mit und sein Grinsen im Gesicht zeigt, dass er alles mitmachen wird, was ich mir einfallen lasse. Japp, mein Mann, der verruchte Vampir.

Zärtlich küsse ich seine Brust, seinen Bauch, umkreise mit der Zunge seinen Nabel. Ich halte seine Hüften fest, damit er mir nicht entkommen kann und stillhält. Zappeln darf er, nur nicht zu viel.

Quälend langsam arbeite ich mich bis zu seiner Erektion vor, fahre mit der Zunge in langen Strichen auf und ab. Oben angekommen stupse ich mit der Zungenspitze in den kleinen Schlitz an der Eichel, um dann wieder nach unten zu gleiten. Leises Wimmern belohnt meinen Einsatz und meine Geduld. Ich würde ihn ja viel lieber einfach vernaschen, aber das scheint mir heute nicht gut genug zu sein.

Als Nächstes bearbeite ich mit derselben Hingabe seine Hoden. Lecke, verwöhne ihn Stück für Stück. Muri kann nicht mehr stillhalten und ruckelt mit den Hüften.

„Mach endlich. Ich brauche dich!“

„Ruhig, Schatz, laß Dir Zeit. Genieß es!“

Und dann tue ich das, was ich mir schon die ganze Zeit vorgestellt habe: Ich spreize seine Beine noch mehr und fahre mit der Zunge seinen Damm entlang nach unten zu seiner Rosette, die bereits erwartungsvoll zuckt.

Sanft, mit kleinen Zungenschlägen, necke ich den Muskelring, immer wieder und wieder. Zwischendurch umfahre ich den Anus, mache ihn richtig nass mit meinem Speichel. Als er meiner Meinung nach feucht genug ist, stupse ich mit der Zunge vorsichtig in die Mitte der rosa Falten, die sich bereitwillig öffnen, um mich aufzunehmen.

Muri stöhnt, wimmert und hebt mir seine Hüften entgegen. „Mehr!“

Das kannst du gerne haben!

Und so mache ich mich an die Aufgabe, ihn in den siebten Himmel zu bringen.

 

Vier Stunden später liegen wir total verschwitzt auf dem Deck, Arm in Arm und sehen dem Mond zu, wie er langsam verblasst.

„Ich denke, wir sollten zurück.“

Seufzend lasse ich ihn los. „Dann zieh dich an und schwing deinen Arsch ans Steuer!“, kommandiere ich und zwinkere ihm frech zu.

„Hey, ich bin der Kapitän, ich habe zu sagen, wo es langgeht!“, entrüstet er sich, steht aber auf und zieht sich brav an.

„Das glaubst auch nur du!“, spotte ich und gebe ihm einen Klaps auf den noch unbedeckten Hintern.

Muris Knurren ist Musik in meinen Ohren, wie sie schöner nicht sein könnte.

Leider kehren wir wieder viel zu schnell an Land. Ich hätte gerne den Tag dort draußen verbracht. Bedauerlicherweise sind Yachten nicht für Vampire ausgelegt, sondern für Sonnenanbeter. Offene und luftige Bauweisen mit viel Glas sind was Feines - aber nicht, wenn man von der Sonne getötet wird.

„Vielleicht heute Abend noch einmal?“, wende ich mich hoffnungsvoll an meinen Mann, als wir Hand in Hand über den Steg zum Verleiher schlendern, um die Schlüssel zurückzugeben.

„Warum nicht? Ich miete die Yacht einfach für die Dauer unseres Urlaubs.“ Mein Schatz ist pragmatisch wie immer, und die Idee gefällt mir ausgesprochen gut.

Mit einem Taxi sind wir schnell wieder zurück, wo uns heilloses Durcheinander empfängt. Polizeiautos stehen vor dem Hotel, aufgeregte Gäste stehen in Grüppchen herum, und die völlig überforderten Hotelangestellten haben keinen Durchblick mehr, wie ich mit einem Blick feststelle.

Als wir aussteigen, löst sich ein Polizist aus der Menge und kommt auf uns zu.

„Guten Morgen, die Herren. Wir ermitteln hier in einem Fall von gestohlenem Gepäck. Würden Sie sich bitte zu den anderen stellen, damit wir Sie auch befragen können?“

Im Normalfall wäre ich dem nachgekommen, aber die Sonne geht in nicht mal einer halben Stunde auf, und ich habe keine Lust, gegrillt zu werden.

„Mein Mann hat eine schwere Sonnenallergie, weshalb wir jetzt unser Hotelzimmer aufsuchen werden. Wenn Sie uns befragen wollen, kommen Sie entweder gleich mit hoch oder heute Abend wieder!“

An Muris Gesicht kann ich sehen, dass er den Polizisten beeinflusst, was auch umgehend Wirkung zeigt.

„Ja sicher. Ich komme dann heute Abend vorbei, wenn es Ihnen recht ist!“ Damit tippt er sich an die Mütze und geht zu der Gruppe zurück, bei der er vorher gestanden hat.

„Danke!“

„Warum?“ Muri schaut mich verwundert an.

Lachend schüttele ich den Kopf und gehe ihm voraus ins Hotel. Ich spüre seinen irritierten Blick, aber das juckt mich gerade nicht. Das Konzept von Bitte und Danke ist ihm immer noch nicht sonderlich geläufig.

Wir werden nicht behelligt, als wir den Aufzug nehmen, den Flur zu unserer Etage betreten und … Abrupt bleibe ich stehen und bedeute Muri, es mir gleich zu tun. Die Tür zu unserem Hotelzimmer ist nur angelehnt, nicht verschlossen. Dabei bin ich mir sicher, sie richtig zugemacht zu haben.

Ich schnuppere in die Luft, aber hier sind so viele Gerüche, dass ich nicht mit Sicherheit sagen kann, ob noch jemand in dem Raum ist. Vorsichtig schleiche ich an die Tür, mache sie langsam auf. Schritt für Schritt stehle ich mich in das Zimmer, meine Sinne laufen auf Hochtouren, überprüfen jeden Winkel, nicht nur die Augen, auch mein Instinkt und meine Nase, die um einiges besser funktioniert als früher.

Ich kann einen fremden Geruch wahrnehmen, der nicht da war, als wir das Zimmer verlassen haben.

„Verdammt, bei uns wurde eingebrochen!“, stelle ich fest, als ich sehe, dass mein Koffer fehlt. Scheiße, da war meine Blutration in einem Kühlbeutel drin. Muri hat mir den besorgt, damit ich gefahrlos meine flüssige Nahrung transportieren kann, bis wir hier auf der Insel die Blutbank aufsuchen können, die ebenfalls von einem Vampir betrieben wird.

„Wenn ich den erwische, ist er Mus!“

„Ja Schatz, aber erst bin ich dran!“, knurre ich, weil ich es hasse, wenn mir sowas passiert. Ich bin … war Bulle und nun ein Vampir, und ausgerechnet mir passiert sowas Banales wie ein geklauter Koffer? Schöne Scheiße. Ich würde ja zu gerne Mäuschen spielen, wenn dem Kofferdieb meine Blutration in die Hände fällt! Dessen Gesichtsausdruck ist bestimmt Gold wert, wenn er erfasst, was er da hat.

Aber vielleicht hilft uns das ja, den Kerl zu finden. Der scheint ja echt umtriebig zu sein.

Leider geht so langsam die Sonne auf, was mir mein Körper auch klar macht, denn Lethargie überkommt mich.

„Leg dich hin, ich verrammle das Zimmer.“ Liebevoll packt mich Muri am Arm und bugsiert mich zum Bett, wo ich mich einfach drauf fallen lasse. Sekunden später bin ich schon eingepennt.

 

 

Eine Frechheit! Was ist das für ein Hotel? Polizei!“

Himmel, Arsch und Zwirn, so geweckt zu werden, steht auf meiner Hassliste ganz oben. Mit einem Schlag bin ich hellwach und stehe neben dem Bett, alles innerhalb eines Wimpernschlages und sondiere meine Umgebung.

Hotel? Ach ja, der Urlaub. Okay, das ist klar.

„Engel, leg dich wieder hin, das geht schon eine Weile so!“ Muris trockene Stimme veranlasst mich, den Kopf zu drehen und in Richtung Balkon zu sehen, wo mein Mann steht und sich den Sternenhimmel ansieht.

„Boah, Schatz, ich glaube, ich muss doch ermitteln, sonst haben wir nicht viel von unserer gemeinsamen Zeit!“, knurre ich und fahre mir mit einer Hand durch das schwarze Haar, das wie so oft stachelig in alle Richtungen absteht.

Mein Gehör drossele ich herunter, damit ich mir die Tiraden im ganzen Hotel nicht weiter anhören brauche. Manchmal ist es doch nicht so gut, wenn man ein Supergehör hat.

„Weißt du, ich habe mir schon so meine Gedanken gemacht. Immerhin fehlt uns auch ein Koffer, und den hätte ich schon gerne wieder. Ist nämlich unserer. Und was meins ist, ist nun mal meins!“

„Unser!“, knurre ich und trete zu meinem Mann.

„Ich frage mich, wie der Kerl weiß, wann er zuschlagen kann. Wie es scheint, verschwinden die geklauten Gegenstände immer dann, wenn niemand auf dem Zimmer ist. Keiner hat was gesehen, niemand hat was gehört, aber die Gepäckstücke sind weg.“

Da kann ich Muri nur recht geben, und ich habe bereits einen Verdacht.

„Es muss jemand aus dem Hotel sein, der Zugang zu den Zimmern hat. Immerhin ist nichts aufgebrochen worden, keine anderen Spuren. Die Hotelangestellten tragen weiße Handschuhe, was auch die fehlenden Fingerabdrücke erklären würde - denn ich habe keine Spuren gefunden.“

Muri nickt und blickt nachdenklich in den Garten hinunter. Mein Arm schleicht sich unter seinem hindurch, legt sich auf seine Brust und zieht ihn an mich.

„Ich habe Durst!“, sage ich leise und denke an den Kühlbeutel in meinem verschwundenen Koffer.

„In einer Stunde kommt ein spezieller Lieferservice. Ich war so frei, mich darum zu kümmern.“ Zärtlich küsst Muri mein Kinn. Dankbar sehe ich ihn an.

„Komm, Engel, wir gehen mal nach unten und hören uns um. Und wenn es uns zu blöd wird, nehmen wir die Yacht und schippern wieder raus!“

„Gute Idee!“, befinde ich, gebe ihm einen Kuss und lasse ihn los. „Ich will endlich meinen Urlaub genießen, ohne dass ich dauernd von Kreischen geweckt werde. Die Episode gestern hat mir gereicht!“, knurre ich und gehe schon mal ins Zimmer, wo ich meine Kleidung vom Vortag zusammensuche. Leider hat Muri eine andere Größe als ich, sonst hätte ich mir welche von ihm geborgt.

„Aber als Erstes will ich einen Laden suchen, weil ich keine frischen Klamotten mehr dabei habe!“, brumme ich und betrachte meine Jeans, die noch halbwegs gut aussieht. Allerdings kann ich das Shirt vergessen, das schwimmt gerade Richtung Nirgendwo.

„Ich habe unten ein Schild gesehen, dass sich ein Geschäft hier im Hotel befindet.“ Muri ist hinter mich getreten und haucht mir seinen Atem in den Nacken.

„Lass das, sonst bekomme ich ein Problem!“

„Ach, dagegen kann ich was unternehmen!“, kichert er und streicht mit seiner Handfläche über meine Boxershorts, in der sich gerade eine beachtliche Beule gebildet hat.

„Nein, erst einmal für Ruhe sorgen, dann können wir das Hotel in Unruhe versetzen!“, lache ich leise und wische seine Hand weg. Himmel, ich könnte schon wieder über ihn herfallen.

„Na gut, kleiner Spielverderber.“ Muri nimmt seinen Geldbeutel und schlüpft in sein Hemd. Die Hose hat er bereits an.

Schuhe, Socken und Jeans sind schnell angezogen und mit nackter Brust trete ich auf den Flur, wo ich gleich mal von einigen Damen, die sich in einem Grüppchen zusammengefunden haben, angeglotzt werde.

„Meine Damen, Mund zusammenklappen und wischen Sie sich doch bitte die Speichelfäden vom Kinn. Dieser Mann ist meiner!“ Hoheitsvoll schreitet Muri an der Ansammlung von Hyänen vorbei, mich am Handgelenk im Schlepptau, und überhört gekonnt das Getuschel und erstaunte Schnaufen der Damen.

Im Aufzug kann ich mich nicht mehr beherrschen und breche in Lachen aus. „Du …du …“

Mehr geht nicht, echt nicht. Vor lauter Lachen kann ich nicht mehr atmen, wobei ich wieder einmal dezent übersehe, dass ich das eigentlich auch nicht mehr brauche.

„Was? Du gehörst mir, und nur ich darf dich so ansabbern!“, empört sich Muri und funkelt mich an.

„Ist ja gut!“ Nachdem ich mich erholt habe, gebe ich ihm einen harten, wilden Kuss auf den Mund. Muri schlingt seine Arme um mich, presst mich an sich.

„Oh mein Gott!“ Ein weiblicher Aufschrei dringt an meine Ohren.

Verdammt, ich habe vergessen, dass wir in einem Aufzug sind, dessen Türen gerade im Erdgeschoß geöffnet wurden .

„Neidisch?“, fragt mein Mann frech und grinst die ältere Dame an.

„Mitnichten!“

„Schade. Dann dürfen Sie auch nicht zugucken!“ Mit diesen Worten packt Muri mich wieder am Handgelenk und zieht mich aus dem Aufzug. Wenn Blicke töten könnten … Wobei, ich bin ja schon tot. Also kann es mir egal sein.

Grinsend lasse ich mich mitziehen, vorbei an der Rezeption und weiteren gaffenden Menschen, vor allem Frauen, in einen Flur, der links von der Eingangshalle ist und wo ein Schild an der Wand verkündet, dass es hier zur „Boutique“ geht.

Auf dem Weg dorthin kommt uns J. Namese entgegen. Als er uns sieht, weiten sich seine Augen entsetzt und ich kann eindeutig seine Angst riechen. Bevor ich ihn fragen kann, was los ist, dreht er sich um und geht in die entgegengesetzte Richtung, um hinter einer Tür zu verschwinden, die laut Beschilderung nur für Personal ist.

Was ist denn mit dem los?

„Der hatte eindeutig die Hosen voll!“, stellt Muri fest und blickt ihm nachdenklich hinterher.

„Ich habe es auch gerochen. Keine Ahnung, was auf einmal los ist. Egal, ich will endlich ein Shirt anziehen!“

Wir betreten die Edelboutique, die uns gleich mal mit horrenden Preisen empfängt. Gequält verziehe ich das Gesicht. Ja, ja, Muri kann sich das leisten, und ich auch, trotzdem ist da immer noch der kleine Bulle in mir, der mit wenig Geld auskam.

Meine Auswahl habe ich schnell getroffen, denn meinen Geschmack treffen die hier nicht wirklich.

„Muri, Schatz, ich will noch in die Stadt zum Einkaufen, vielleicht finde ich dort eher was, was mir entspricht.“

„Kein Problem, Engel, machen wir einen kleinen Spaziergang ins Altstadtviertel.“

Gesagt, getan.

Das Städtchen bietet jedenfalls so manche Überraschung, vor allem viele dunkle Gassen, in denen sich prima fummeln lässt, weil man nicht gleich gesehen wird.

Schnell rufe ich meine Gedanken wieder zur Ordnung. Erst die Klamotten, dann meinen Mann vernaschen. Keinesfalls umgekehrt, sonst hab ich morgen früh gar nichts mehr zum Anziehen.

In einer netten Seitengasse werden wir fündig. Ein Secondhand-Laden, der bis Mitternacht geöffnet hat. Allein schon die im Schaufenster ausgestellten Sachen sind genau mein Stil.

Eine Lederjacke zieht meine Aufmerksamkeit auf sich. Irgendwie kommt die mir bekannt vor. Genau so eine war in dem gestohlenen Koffer. Ich habe zu Hause noch mehr Jacken, trotzdem liebe ich jede einzelne. Und ich ohne Lederjacke? Geht gar nicht!

In dem Moment, als wir den Laden betreten, weht mir ein bekannter Duft entgegen, was eigentlich nicht sein darf! Es riecht hier nach: Marc.

Mit gerunzelter Stirn sehe ich mich um. Marc kann nicht hier sein, der ist in Deutschland bei meiner Mutter.

Auch Muri schnuppert in die Luft und geht dann zielstrebig auf die Lederjacke zu, nimmt sie aus dem Schaufenster, steckt seine Nase in den Stoff und zieht sich die volle Ladung Geruch rein.

„Engel, komm mal her. Ich wette, diese Jacke hier passt dir wie angegossen!“

Und er hat recht! Als ich sie anziehe, fühle ich mich sofort wohl und fahre zärtlich über einen Ärmel.

Wieder schnuppere ich, weil ich wissen will, warum ich Marc hier riechen kann. Die Duftspur ist älter, vielleicht ein paar Tage oder so, aber vorhanden.

„Sag mal, riechst du das auch?“, frage ich vorsichtig und sehe Muri an, der nickt und ebenfalls schnuppert.

„Ich glaube, da kommt es her!“ Ich deute mit der Hand in den hinteren Bereich, wo sich Accessoires und solche Sachen befinden. Zielsicher steuere ich darauf zu und sehe … einen Schal, der mir eindeutig bekannt vorkommt. Marc hat mir vor unserer Abreise einen schwarzen Palästinenserschal geschenkt, weil es nachts doch mal kühl werden kann, wie er zwinkernd meinte. In Wirklichkeit hatte er ihn schon eine Weile getragen, damit er seinen Duft annimmt, und wir ihn nicht vergessen. Oder als Glücksbringer, was auch immer.

Genau diesen Schal nehme ich nun in die Hand, der eindeutig Marcs Duft trägt, und ganz schwach auch den von Muri, weil er ihn einmal in der Hand hatte.

Muri sieht mich an. „Engel, diese Jacke ist eindeutig deine! Sie hat deinen Geruch! Ich glaube, wir sollten uns mal mit dem Besitzer unterhalten, was meinst du?“

„Auf jeden Fall. Sieh mal, da hängt ein T-Shirt, das auch aus meinem Koffer stammt!“ Eindeutig, mein schwarzes Shirt, das von einem Edeldesigner stammt. Außerdem ist auf dem rechten Ärmel eine Signatur eingestickt, mit Ornamenten verziert, die ich extra habe machen lassen, weil es mir so gut gefallen hat: "MS" in einer Triskele.

„Um was wollen wir wetten, dass sich auch mein Gepäck hier befindet?“ Den edlen Lederkoffer hat mir nämlich Muri geschenkt, und der war ebenfalls sauteuer.

Mit schnellen, festen Schritten gehe ich zum Tresen, hinter dem der Verkäufer steht und uns erwartungsvoll ansieht. Wir haben extra leise geredet, um ihn nicht vorzuwarnen.

„Sie wollen das kaufen? Erstklassige Ware, zum halben Preis, weil es Secondhand ist!“, begrüßt er uns.

Ich stütze mich auf der Theke ab, lehne mich mit der Hüfte an und meine: „Ja, sehr gute Ware. Woher haben Sie die denn?“

„Oh, von Privatleuten. Oft vergessen Touristen auch was hier auf der Insel und dann kommt es zu mir, wenn sich niemand meldet.“

„Ich glaube, Sie binden uns gerade einen Bären auf!“, brummt Muri und richtet sich zu seiner vollen Größe auf. Seine Aura wird ein wenig dunkler, und der Verkäufer bekommt das zu spüren. Er wird etwas blass, seine Augen huschen unruhig zwischen uns beiden hin und her.

„Ich weiß nicht, was Sie meinen!“

„Oh doch!“, mische ich mich nun wieder ein. „Diese Jacke hier ist eindeutig meine, die sich in meinem gestohlenen Koffer befand. Und das Shirt …“ ich lege es auf die Theke, weil ich es vorsorglich mit nach vorne genommen habe, „ist ebenfalls meins. Sowie dieses Halstuch!“

„Kann nicht sein! Ich bin ehrlich …ich … bitte!“

„Von wem kaufen Sie die Ware? Wussten Sie von den Diebstählen?“ Muri sieht dem Mann tief in die Augen, bannt ihn. Wirkt auf ihn ein.

Ich hätte ja eher zur Holzhammermethode gegriffen, aber das wäre nicht so gesund für den Menschen. Schade, ein bisschen Kraftsport würde mir grad gut tun, weil ich stinksauer bin.

„Er kommt alle drei Tage, bringt neue Ware, und bekommt sein Geld von mir. Ehrlich! Ich schwöre! Ich wusste nicht, dass die Sachen geklaut sind!“

Scheiße aber auch, ich glaube ihm. In mir keimt ein Verdacht auf, wer der Täter sein könnte. Eigentlich bin ich mir ziemlich sicher.

Muri scheint dasselbe zu denken, denn er dreht sich zu mir um und ich kann in seinen Augen lesen, dass auch er eine Ahnung hat.

„Sie werden sich an die Polizei wenden und alles erzählen! Wer der Mann ist, was er wollte, wie viel er bei Ihnen verkauft hat. Einfach alles!“ Muri wendet sich wieder dem Verkäufer zu, der mit grünlichem Schimmer um die Nase nur noch nickt.

„Komm, ich glaube, wir werden noch jemanden besuchen!“ Ich lege Muri eine Hand auf den Arm und er lächelt zustimmend.

Gemeinsam verlassen wir den Laden und machen uns auf den Rückweg.

„Warum hast du nicht nach dem Namen gefragt?“, will Muri wissen und sieht mich nachdenklich von der Seite an.

„Weil ich wette, er kennt ihn nicht. Oder unter einer anderen Identität.“ Ich habe genug Erfahrung in solchen Dingen, um mit großer Sicherheit sagen zu können, dass es so ist.

 

Schweigend legen wir den Rest des Weges zurück. Vor dem Hotel angekommen, straffe ich mich und lasse das Tier ein wenig in mir hochkommen. Hey, ein bisschen Angst einjagen ist erlaubt, wenn es zum gewünschten Ziel führt. Außerdem bin ich wirklich angepisst. Erst kommt mein Koffer weg und dann komme ich nicht zum Zuge, weil andauernd irgendjemand am Schreien ist. Wie soll ich denn meinen Mann gepflegt flachlegen, wenn ich dauernd unterbrochen werde? Muri kennt seinen Namen immer noch, was ich aber baldigst zu ändern gedenke. Denn wenn ich ihn diesmal im Bett habe, wird er so bespaßt, daß er danach nicht mehr weiß, wie er heißt.

Himmel, Matze, reiß dich zusammen. Im Geiste trete ich mir selbst in den Hintern, damit ich wieder auf Kurs komme und nicht in unzüchtigen Gedanken schwelge.

„Schatz, sei so lieb und bewach die Rückseite des Hotels, falls er doch Lunte riecht, bevor ich ihn mir krallen kann!“

„Natürlich, Engel. Aber beherrsch Dich, er ist ein Mensch!“

„Ja, ja, ich denke dran!“

Muri wirft mir noch einen Blick zu, dann verschwindet er um die Hausecke, während ich das Hotel betrete. Suchend sehe ich mich um und habe Glück: Mein Verdächtiger steht am Empfangstresen. Ich gehe direkt auf ihn zu und er bemerkt mich auch gleich. Er wird blass und seine Augen huschen unruhig durch den Raum, auf der Suche nach einer Fluchtmöglichkeit. Oh nein, mein Kleiner, dein Spiel ist aus!

„Guten Abend. Ich habe eine Frage!“ Lässig lehne ich mich mit der Hüfte an die Rezeption, ein Arm auf dem Tresen, den anderen lasse ich locker herunterhängen, einen Daumen in die Hosentasche gehakt.

„Ja bitte?“ Ich kann die Nervosität in seiner Stimme hören. Wenn ich richtig liege, weiß ich jetzt auch, warum er vorhin mit Angst auf meinen Anblick reagiert hat.

„Wieso klauen Sie die Koffer der Gäste und verhökern alles an einen Secondhandladen?“

J. Namese verliert schlagartig sämtliche Farbe im Gesicht, seine Augen werden riesig.

„Was …? Warum …? Ich meine …“

„Sie haben mich verstanden. Warum, wollen Sie wissen? Ich habe heute Abend meine Klamotten in einem Secondhand Laden in einer Seitengasse gefunden. Wie ich auf Sie komme? Sie waren am Tag des Diebstahls als einziger Hotelangestellter auf dem Stockwerk. Später, als mein Mann und ich weg sind, hatte Sie Nachtdienst und wussten, dass wir erst am Morgen wiederkommen, weil wir beim Hinausgehen über die Yachtanmietung sprachen. Ich gehe davon aus, dass Sie uns gehört haben.“

Namese sackt in sich zusammen.

„Wie kommen Sie auf mich?“ Er verleugnet es immer noch.

„Als ein Gast rief, man habe seine Uhr gestohlen, standen Sie mit einem Tablett in der Hand in der Gartenanlage. Ich habe nicht weiter darüber nachgedacht, aber heute sind Sie mir über den Weg gelaufen und hatten plötzlich Angst vor mir, obwohl ich Ihnen nichts getan habe und sonst keinen Anlass gegeben habe. Außer, Sie hätten etwas in meinem Koffer gefunden, was Sie nicht hätten finden dürfen. Nicht wahr?“

„Ach verdammt, ich wusste, eines Tages kommt es raus.“ Namese schlägt die Hände vors Gesicht, reibt sich müde die Schläfen.

„Warum?“, will ich wissen.

„Weil ich das Geld brauchte. Ich habe Spielschulden. Und weil es hier nicht leicht ist, einen zweiten Job anzunehmen, kam ich eben auf die Idee, wertvolle Klamotten und Gegenstände mitgehen zu lassen. Leider reichte das nicht, und meine Schulden stiegen.“

„Sie haben weiter gespielt, nicht wahr?“

„Ja. Ich brauchte mehr, also habe ich ganze Koffer mitgenommen, um die Ausbeute zu erhöhen.“

Ich schüttele nur den Kopf. Typisch Spieler. Immer mehr und mehr.

„Kommen Sie freiwillig mit, oder muss ich Sie fesseln?“, frage ich ihn höflich. Resigniert lässt er den Kopf sinken.

Ich nehme die Aura meines Mannes wahr, der soeben in die Lobby tritt, zwei Polizisten im Schlepptau. Mein pragmatischer Liebster. Dann brauche ich wenigstens das nicht mehr machen.

 

 

„Endlich Ruhe! Den nächsten Urlaub genießen wir auf einer einsamen Insel, wo niemand ist außer uns!“

„Klar. Du ohne Alkohol und Club!“, witzelt mein Mann.

Wir liegen Arm in Arm auf dem Bootsdeck, sehen uns die Sterne an und genießen diese wundervolle Nacht.

„Ich meine es ernst. Ich werde wahnsinnig, wenn ich noch einmal unterbrochen werde, wenn ich dich vernaschen will!“ Ich rolle mich halb auf ihn und gebe ihm einen harten, besitzergreifenden Kuss, während meine Hand zu seinem Nippel wandert, um ihn ein wenig zu necken.

Muri stöhnt leise und erwidert den Kuss, sein Arm schlingt sich über meinen Rücken, presst mich fester auf ihn.

Scheinwerferlicht blendet mich. „Hier ist die Wasserschutzpolizei! Wir kommen an Bord!“

„Schatz?“

„Ja, mein Engel?“

„Buch den Rückflug!“

 

Ende

 

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Karo Stein: Der Zauber von Hawaii

(Kadir & Alex, „Arabische Nächte“)

 

 

Dieser Urlaub steht unter einem schlechten Stern. Vermutlich wäre es sogar besser, wenn wir gar nicht losgeflogen wären, aber die Reise zu canceln, ist zu kostspielig und ich kann der Hoffnung nicht widerstehen, dass Hawaii uns doch noch verzaubert. Außerdem haben wir beide Verpflichtungen.

Das Flugzeug legt eine saubere Landung hin, es wird geklatscht, aufgeregtes Stimmengewirr beginnt und die ersten Leute erheben sich, kaum, dass die rote Warnlampe ausgegangen ist. Ich werfe einen Blick nach rechts. Kadir rührt sich nicht und starrt aus dem Fenster. Das macht er, seit wir in Los Angeles in den Flieger gestiegen sind. Wenn man es genau betrachtet, reden wir schon seit einigen Tagen kaum noch miteinander. Dabei hatte ich mir die Reise so schön vorgestellt, mir während der Planung tausendfach ausgemalt, wie wir die Zeit hier verbringen würden. Jetzt ist die Stimmung schlecht und am liebsten würde ich gleich den nächsten Flieger zurück nehmen.

Zurück … Ich schließe die Augen und spüre Wut und Trauer in mir. Im Moment wäre das einzige Zurück ein Flug, der mich nach Deutschland bringt. Ich vermisse meine Freunde. Ich vermisse Anja und Farid und Hannes und meine Eltern. Verdammt, ich vermisse meine Katze … und ich sehne mich nach dem Mann, für den ich so weit weg von meinem zu Hause bin. Es reicht nicht, dass er neben mir sitzt. Ich kann ihn trotzdem kaum spüren. Viel zu tief sitzen Schmerz und Angst, und ich habe keine Ahnung, wie wir das wieder in Ordnung bringen können. Angeblich trennen sich viele Paare im Urlaub und wir sind im Moment tatsächlich auf dem besten Weg dorthin, auch wenn ich selbst nicht verstehe, wieso es so ist.

Meine Hände zittern, als ich den Gurt löse. Der Gedanke an eine Trennung tut verdammt weh. Ich will ihn nicht zulassen und kann doch nichts dagegen machen, dass in meinem Kopf immer wieder diese Horrorszenarien auftauchen. Mein Magen zieht sich krampfhaft zusammen und das schwere Band, das sich seit Tagen immer fester um meine Brust zieht, nimmt mir die Luft zum Atmen. Wieder allein zu sein, ohne Kadir zu sein, fühlt sich seltsam real an. Beinahe realer als der Mann, der neben mir sitzt und sich nun auch vom Gurt befreit.

Ich erhebe mich aus dem Sitz, stelle mich in den Gang, nehme den Rucksack aus dem Gepäckfach und reihe mich in die Schlange Richtung Ausgang. Kadir steht dicht hinter mir. Ich kann ihn spüren, möchte mich am liebsten kurz nach hinten lehnen, ihn ansehen, ein Zeichen bekommen, dass alles gut wird, aber ich halte den Blick stur nach vorn gerichtet und gehe sogar einen kleinen Schritt vorwärts, um mehr Abstand zwischen uns zu bringen. Er scheint es zu akzeptieren, schweigt weiterhin beharrlich und behandelt mich wie Luft. Nicht die, die man zum Atmen braucht, sondern die alte, die voller Kohlendioxid ist. Scheiße, ich dramatisiere ... vermutlich ist der Sauerstoffgehalt hier im Flugzeug nicht optimal, denn anders kann ich mir solche idiotischen Gedankengänge nicht erklären.

Auf der Treppe empfängt mich ein heißer Wind, der nach Kerosin, Meer und Blumen riecht. Die seltsame Mischung bereitet mir schlagartig Kopfschmerzen und mir wird bewusst, dass ich zu wenig getrunken habe. Schwankend gehe ich die Stufen nach unten und auf das Flughafengebäude zu. Es dämmert bereits. Die Sonne färbt den Himmel in dunkle Orange- und Blautöne. Unter anderen Umständen hätte ich diesen ersten Blick genossen, jetzt bedeutet er mir allerdings gar nichts und ich beschleunige meine Schritte. Kadir taucht kurze Zeit später neben mir auf, sodass wir den Rest des Weges nebeneinander gehen.

Am Eingang warten Hulamädchen auf uns, die uns freundlich und landestypisch begrüßen und uns einen Lei um den Hals hängen. Ich zwinge mich zu einem Lächeln und betrachte die rosafarbenen Stoffblüten. Eigentlich hatte ich mich darauf gefreut. Ich dachte, es wäre etwas ganz Besonderes, wenn wir beide mit den Blütenkränzen unseren ersten Urlaub beginnen würden. Hawaii, Waikiki Beach, Hanauma Bay, Pearl Harbor, wandern auf dem Diamond Head und die riesigen Wellen am North Shore … und das zu einer Zeit, in der in Deutschland alle frieren und sich auf den Winter vorbereiten.

Auf dem Weg zum Transportband werfe ich einen kurzen Blick hinüber zu Kadir. Der Lei steht ihm, lässt ihn exotisch und geheimnisvoll erscheinen. Die Sonne Miamis hat dafür gesorgt, dass seine Haut noch dunkler geworden ist. Sie schimmert in einem matten Braun und ich kann mich nur schwer zusammenreißen, meine Hand nicht auf seinen Arm zu legen. Der Gegensatz ist deutlicher denn je. Wir sind im wahrsten Sinne wie ein Kinderriegel, Milch und Schokolade, auch wenn ich mir einbilde, zumindest ein wenig Farbe angenommen zu haben. Ich mag den offensichtlichen Kontrast. Meine Haut beginnt zu kribbeln und es fällt mir schwer, meine Hand nicht in seine zu schieben.

Es dauert nicht lange, bis die ersten Koffer auf dem Band an uns vorbeiziehen. Kadirs Gepäck ist dabei, nur von meiner Reisetasche ist bisher noch nichts zu sehen. Nervös trete ich von einem auf das andere Bein. Ich will endlich hier raus und ins Hotel.

Die Anzahl der Mitreisenden verringert sich zusehends, nur ich stehe noch immer da.

„Bitte nicht“, murmle ich vor mich hin und werde das Gefühl nicht los, dass ich hier vergebens auf meine Sachen warte.

„Keine Panik“, sagt Kadir und legt beschwichtigend seinen Arm auf meine Schulter. Wie gern würde ich mich an ihn lehnen, aber mein Stolz verbietet es mir. Stattdessen drehe ich mich ein Stück von ihm weg und verschränke die Arme vor der Brust. Das Herz schlägt schwer in meiner Brust. Ich habe das Gefühl, jeden Moment zusammenzubrechen.

Nach einer halben Stunde stehen wir allein am Band und das einzige Gepäckstück, das unzählige Runden dreht, ist ein giftgrüner Koffer, der leider nicht mir gehört. Immerhin habe ich meine Fototasche dabei.

Frustriert drehe ich mich um und sehe Kadir fragend an.

„Da drüben ist eine Information. Dort kriegen wir das bestimmt schnell geregelt.“

„Hm“ ist alles, was ich dazu sage. Ich bin zu müde, um mich aufzuregen und froh, dass Kadir alles regelt. Er ist gut darin, beherrscht und gleichzeitig beharrlich zu bleiben.

Die Frau hinter dem Schalter ist freundlich und verspricht, sich um alles zu kümmern. Vermutlich wurde mein Koffer in Los Angeles in demn falschen Flieger verstaut, aber er wird in den nächsten Tagen mit Sicherheit hier auftauchen. Kadir nennt ihr den Namen des Hotels und sie sagt, dass mein Gepäck dorthin gebracht wird, sobald es in Honolulu ankommt. Dann reicht sie mir einen Gutschein über 500 Dollar, mit dem ich mir neue Kleidungsstücke kaufen kann. Sie lächelt entschuldigend und wünscht uns einen schönen Aufenthalt.

„Wow, die hätten mein Gepäck auch verlieren sollen“, reißt mich Kadir aus der Starre. Er grinst mich aufmunternd an. „Dann gehen wir wohl nach der Zimmerbesichtigung als erstes Shoppen. Waikiki soll ja angeblich niemals schlafen. Du kriegst ein echtes Hawaiihemd.“ Er plappert auf dem Weg durch die Flughafenhalle und ich sehe ihn fragend von der Seite an. Wir haben heute kaum ein Wort miteinander geredet und mein verlorenes Gepäck erscheint mir nicht der richtige Grund, es nun zu ändern. Obendrein ist es 22.23 Uhr und es ist mir wirklich egal, ob die Stadt niemals schläft, denn ich möchte nur noch in mein Bett.

Draußen besorgt uns Kadir ein Taxi. Erschöpft lasse ich mich in das Polster sinken und versuche, die ersten Bilder von Hawaii aufzunehmen. Ein schier unendliches Lichtermeer und dazwischen heben sich Palmen nahezu schwarz vom Hintergrund ab. Sie schwanken im Wind. So groß ist der Unterschied zu Miami bei Nacht auf den ersten Blick gar nicht.

„Große Wellen“, sagt der Taxifahrer, der asiatisch aussieht und auch nur gebrochen Englisch spricht.

„Das sind doch bestimmt beste Bedingungen für den Reef Hawaiian Pro?“, erkundige ich mich neugierig.

„Ja, ja … sehr gute Bedingungen. Sie wollen den Wettkampf sehen?“

„Unter anderem ...“, bestätige ich und höre neben mir ein missmutiges Brummen.

Zuerst liegt mir ein fieser Kommentar auf den Lippen, aber dann presse ich sie fest zusammen. Im Moment fehlt mir die Kraft zum Diskutieren, zumal es ohnehin nichts mehr zu bereden gibt. Der Taxifahrer redet stattdessen die ganze Zeit. Sein Bruder ist ein begeisterter Surfer und gibt auch Unterricht am Strand von Waikiki. „Ist besser für Anfänger als North Shore. Die Wellen sind nicht so hoch“, erklärt er und grinst mich im Rückspiegel an. Ich nicke und sehe dann wieder aus dem Fenster. Die Kluft zwischen Kadir und mir ist überdeutlich zu spüren.

Das Waikiki Resort ist genau so, wie ich es mir vorgestellt habe. Ein riesiger Betonklotz inmitten anderer riesiger Betonklötze. Nach der Zeit in Miami kann mich das nicht mehr schocken, außerdem hatte ich das Hotel selbst ausgesucht. Vermutlich habe ich mich ein bisschen in die Wolkenkratzer verliebt.

Beim Empfang bekommen wir einen weiteren Lei umgehängt. Diesmal sind es echte Blumen, die stark duften, aber keine negativen Auswirkungen auf meine Kopfschmerzen haben. Es hämmert nach wie vor leicht in meinem Kopf und das Bedürfnis nach Schlaf ist ungebrochen groß. Hawaii hat es noch nicht geschafft, mich einzufangen, aber der Start war auch nicht besonders gut.

Als Kadir seinen Namen nennt, starrt der Mann hinter der Rezeption ihn einen Moment lang nachdenklich an, dann lächelt er breit.

„Sie sind der Bauchtänzer?“, erkundigt er sich und Kadir nickt zustimmend „Im Namen des Hotels begrüße ich sie ganz besonders herzlich. Mister Reynolds, unser Eventmanager, würde sich gern morgen im Laufe des Vormittags mit Ihnen treffen, um die Show und alle weiteren Details zu besprechen. Geben Sie einfach Bescheid, wenn sie ausgeschlafen haben und bereit für das Treffen sind.“

Diesmal bin ich es, der sich ein knurrendes Geräusch nicht verkneifen kann. Damit sind die beiden Tatsachen, die aus einem besonderen Urlaub einen Arbeitsaufenthalt machen, auch schon beisammen: Ich wurde dazu verdonnert, einen Bericht über den ersten Surferwettbewerb, dem Reef Hawaiian Pro, zu schreiben, der ein Teil des Vans Triple Crown of Surfing ist. Dabei habe ich absolut keine Ahnung vom Surfen, allerdings hoffe ich, dass einer der Teilnehmer mir alles erklären kann. Kadir tanzt hier in zwei Tagen im Hotel. Es ist müßig, darüber zu diskutieren, wessen Einsatz den Urlaub mehr ruinieren wird, wir streiten darüber schon seit einigen Tagen. Im Grunde ist es auch gar nicht das eigentliche Problem.

Ich weiß, dass Kadir mein Grummeln gehört hat, ebenso wie der Mann hinter der Theke, der allerdings professionell genug ist, um sich nichts anmerken zu lassen.

„Kopfschmerzen“, sage ich schlicht und hoffe, das reicht ihm als Erklärung. Er nickt verstehend und informiert mich darüber, dass sich entsprechende Tabletten im Badezimmer befinden.

„Musste das sein?“, erkundigt sich Kadir, kaum, dass sich die Fahrstuhltüren hinter uns geschlossen haben.

„Was meinst du?“ Ich sehe ihn herausfordernd an, obwohl ich wirklich keine Kraft für einen weiteren Streit habe.

„Alex“, knurrt er, kommt näher und starrt mich an. Ich erwidere seinen Blick, auch wenn es mich unbändige Mühe kostet. Ich liebe seine Augen. Das Blau, das dunkel und unheilvoll bis tief in mich hineinblicken kann. Trotzdem erkennt er meine Ängste nicht, denn ansonsten hätte er doch … Ehe ich weiter grübeln kann, presst Kadir mich an seine Brust. Der vertraute Geruch bringt mein Herz dazu, schneller zu schlagen. Ich bin immer noch so unglaublich verliebt und deshalb tut es auch so verdammt weh.

„Ich glaube, wir verschieben den Einkauf auf morgen nach dem Frühstück. Du siehst müde aus und ich sehne mich auch nach dem Bett. Waikiki kann uns morgen bezaubern“, flüstert er und strubbelt mir durch die Haare. Ich kann mich gegen seine Nähe nicht wehren, denn ich vermisse sie. Egal wie wütend ich auf ihn bin, ich wünsche mir nichts so sehr, als in den Arm genommen zu werden. Trotzdem ist diese Mauer zwischen uns und ich habe keine Ahnung, wie wir sie einreißen können. Im Grunde ist es nur ein gestohlener Moment, der vergeht, sobald der Fahrstuhl zum Stehen kommt. Ich habe kaum einen Blick für unser Zimmer, werfe mich stattdessen aufs Bett und möchte am liebsten gar nicht mehr aufstehen.

Eigentlich gibt es auch gar keinen Grund, um mich noch einmal zu erheben. Schließlich besitze ich im Moment nicht mal eine Zahnbürste. Ich ziehe mich im Liegen aus, werfe die Klamotten auf den Boden und rolle mich unter die dünne Decke. Kadir ist durch eine Tür verschwunden, hinter der ich das Bad vermute. Es dauert auch nicht lang, bis ich das Rauschen der Dusche vernehme und meine Annahme sich bestätigt. Ich schließe die Augen, kann nichts dagegen machen, dass sich meine Fantasie auf die Reise begibt und ich in Gedanken neben ihm unter dem heißen Wasser stehe. Ich lege meine Hand auf seine Brust und spüre sein Herz schlagen. Wir lächeln uns an und dann beugt er sich zu mir und unsere Lippen berühren sich sanft und verspielt, werden gieriger und Kadirs Zunge dringt besitzergreifend in meinem Mund ein. Ich kann ihn schmecken und reiße stöhnend die Augen auf, um die Bilder aus meinem Kopf zu bekommen. Die große Glasfront nimmt meinen Blick gefangen. Die Gardinen sind nicht zugezogen und so hat die Dunkelheit die Fenster in Spiegel verwandelt, die mir Kadir zeigen, der nur mit einem Handtuch um die Hüften aus dem Bad kommt.

„Willst du auch noch duschen?“

„Nein, ich stehe heute nicht mehr auf.“ Ich presse die Augen fest zusammen und versuche das sehnsuchtsvolle Gefühl in mir zu ignorieren.

„Hast du Durst?“, erkundigt er sich und ich wundere mich über seine Fürsorglichkeit. Wir haben seit heute Morgen kaum ein Wort miteinander geredet. Weder im Flugzeug, noch während des langen Aufenthaltes in Los Angeles. Beinahe die ganze Zeit herrschte eisiges Schweigen zwischen uns. Und jetzt ist auf einmal alles anders?

„Ich kann mir allein was holen, falls es nötig sein sollte“, brumme ich in das Kissen, das fremd, aber frisch nach Waschmittel riecht. Erneut spüre ich diesen Schmerz.

Die Matratze gibt neben mir nach. Ich öffne die Augen einen Spalt breit und sehe eine Wasserflasche direkt vor meinem Gesicht. Brummend greife ich doch zu und trinke gierig, denn ich hatte bereits am Flughafen unbändigen Durst.

„Danke“, murmle ich und rolle mich erneut zusammen.

Kadir seufzt, dann löscht er das große Licht und legt sich auf seine Seite des Bettes. Eine Weile leuchtet noch seine Nachttischlampe, dann ist es dunkel im Zimmer. Ich höre die fremden Geräusche und Kadirs Atem dicht neben mir und weiß, dass ich trotz der Müdigkeit nicht schlafen kann. Es ist nicht allein die Umgebung, die mich wachhält, es ist diese Mauer zwischen uns, gegen die ich einfach nicht ankämpfen kann. Dabei weiß ich, dass ich sie gezogen habe. Nicht erst gestern oder vor einer Woche. Ich habe sie Stück für Stück hochgezogen, weil ich ... weil es ... Ich kann die Worte nicht einmal denken, denn sie sind falsch und trotzdem nagen sie an mir, verunsichern mich und zerstören, was mir wichtig ist.

Frustriert schlage ich die Decke zurück, gehe leise zu der großen Glasfront und öffne die Balkontür. Ich strecke mich, genieße die frische Luft, die nach Meer und Blumen duftet. Die Wellen rauschen leise und Partylärm dringt von unten an mein Ohr. Waikiki schläft tatsächlich nicht, denn alle Geschäfte sind hell erleuchtet und die Straßen sind voller Menschen. Ich höre Gelächter und den Lärm der vorbeifahrenden Autos und Motorräder. In der Ferne bilde ich mir ein, die Umrisse des Diamond Heads zu sehen, aber ich bin mir nicht sicher und schon jetzt sehr gespannt darauf, welche Aussicht mich bei Tageslicht erwartet.

„Kannst du nicht schlafen?“, werde ich plötzlich aus den Gedanken gerissen.

„Nein, obwohl ich so verdammt müde bin“, erwidere ich leise.

Zwei Arme umschlingen mich von hinten und hüllen mich in eine Decke, dann geht Kadir zurück, setzt sich auf einen der Balkonsessel und zieht mich auf seinen Schoß. Er hält mich fest und die Decke bildet einen Kokon, der mich leise seufzen lässt. Ich schmiege mich an seine Brust, lausche dem Herzschlag und wünsche mir, dass dieser Moment niemals vergeht.

„Du musst endlich mit mir reden“, durchbricht Kadir das Schweigen. „Unser Streit war echt scheiße und du hast mich wirklich wütend gemacht ...“ Seine Worte bringen mich dazu, mich aus seiner Umarmung zu befreien. Ich will diese verdammten Vorwürfe nicht hören, aber Kadir drückt mich fest an sich und mein Widerstand ist nicht groß genug, um gegen seine starken Arme anzukämpfen.

„Du wirst nicht schon wieder abhauen. Ja, ich war wütend und eigentlich bin ich es immer noch, denn ich weiß, dass es nicht allein um diesen Job hier auf der Insel geht. Glaubst du wirklich, ich bekomme nicht mit, dass du dich schon seit Wochen von mir abwendest? Ich verstehe nur nicht, wieso. Ich liebe dich, Alex. Du bist mein Leben und ich … ich weiß nicht, womit ich bei dir so dermaßen in Ungnade gefallen bin. Ich dachte, es läuft gut zwischen uns. Nein, nicht gut, sondern … Ich bin so verdammt glücklich mit dir und ich weiß gar nicht, was passiert ist. Wieso kann ich dich nicht mehr glücklich machen? Ich würde alles tun, das weißt du doch.“

Ich kann nichts sagen, meine Kehle ist wie zugeschnürt, aber ich kuschle mich dichter an ihn heran, spüre seine nackte Haut und genieße das Kribbeln, dass unsere Nähe verursacht.

„Wir sind auf Hawaii, Alex. Das ist doch der absolute Wahnsinn!“

„Ich habe mich auf den Urlaub gefreut ...“, nuschle ich gegen seinen Hals.

„Und jetzt nicht mehr? Etwa weil ich einen Auftritt habe?“ Er klingt gleichermaßen entsetzt und erstaunt und ich schäme mich, weil mir dir Worte fehlen, während in meinem Kopf alles durcheinander gerät.

„Bitte sag mir, dass es nicht allein dieser Auftritt ist. Willst du, dass ich ihn absage? Ich mache das, er ist nicht so wichtig. Eigentlich war es nur so eine Idee und … ein bisschen Eifersucht, weil du … Versteh mich nicht falsch, aber ich war wütend, als du gesagt hast, dass du diesen Bericht schreiben sollst und ich wollte … Aber das war wirklich dumm von mir. Verzeih mir bitte, denn ich kann dieses Schweigen zwischen uns einfach nicht mehr aushalten.“

Ich weiß noch immer nicht, was ich ihm antworten soll, aber ich spüre, dass es Kadir ernst meint. Ich kenne ihn gut genug, um zu wissen, dass er diesen Auftritt wirklich absagen würde, nur leider ist damit das Problem nicht gelöst und wenn ich nicht anfange, zu reden, werden wir es wohl niemals lösen. Aber wenn ich rede und … Was ist dieser Moment dann noch wert?

„Du musst nichts absagen“, erwidere ich leise und befreie mich aus seiner Umarmung. „Es ist … Ich bin einfach schrecklich müde. Wir sollten ins Bett gehen, damit wir morgen die Insel erkunden können.“

Ohne mich umzudrehen, gehe ich nach drinnen und krabble zurück ins Bett. Ich bin so ein elender Feigling, dass ich am liebsten laut schreien würde, aber ich verstecke mich lediglich unter der Decke.

Es dauert eine ganze Weile, bis Kadir zurück ins Zimmer kommt. Er bleibt mitten im Raum stehen. Ich sehe ihn nicht an, aber ich spüre seinen Blick deutlich und verkrieche mich noch ein bisschen mehr. Dann gibt die Matratze nach, die Decke raschelt, Kadir knurrt und bearbeitet das Kopfkissen, bis er leise seufzend zur Ruhe kommt. Das Schweigen zwischen uns ist bedrohlich laut und ich weiß, dass ich auch in dieser Nacht keinen Schlaf finden werde. Egal, wie müde ich bin, meine Gedanken vollführen einen wilden Tanz im Kopf und mein Körper steht dermaßen unter Spannung, dass ich es kaum noch aushalten kann.

Wirre Träume begleiten meinen unruhigen Schlaf. Mal versinke ich in riesigen Wellen, kann das Salzwasser auf meiner Haut fühlen und den Strudel, der mich tiefer reißt. Ich höre, wie das Wasser über mir zusammenschlägt, und schaffe es nicht aus eigener Kraft an die Oberfläche. Dann wiederum stehe ich auf einem hohen Berg. Ich spüre den Wind und breite die Arme aus, falle in die Tiefe ... Ich höre das Rufen der Vögel, sehe, wie die Erde immer näher kommt und fürchte mich vor dem Aufschlag, der weniger hart ist als erwartet, denn ich lande im Sand und laufe und laufe … Meine Füße schmerzen, aber ich kann nicht stehen bleiben, traue mich nicht, mich umzudrehen und weiß, dass ich das, was so verlockend vor mir liegt, niemals erreiche. Meine Lunge schmerzt und ich habe Durst, aber ich bleibe nicht stehen und renne und renne … und manchmal spüre ich eine warme Hand, atme einen vertrauten Geruch ein und mein Herz quillt vor Liebe über. Es fühlt sich so verdammt richtig an und doch ist das Wissen, dass ich das Gefühl nicht festhalten kann, so überdeutlich, dass ich keine Luft mehr bekomme. Alles vermischt sich, reißt mich mit sich und ich habe keine Kraft mich dagegen zu wehren.

Ich wache auf und liege in Kadirs Armen. Im Zimmer ist es hell und ich schmiege mich dichter an ihn.

„Ich liebe dich“, murmle ich gegen die warme und duftende Haut. Ehe ich mich versehe, rollt sich Kadir über mich. Erschrocken keuche ich auf, denn ich war mir sicher, dass er noch schlafen würde. Sein Blick mustert mich intensiv, bevor sich sein Mund auf meinen legt und ein gieriges Spiel beginnt.

„Ich liebe dich auch und ich werde nicht zulassen, dass du diese Mauer zwischen uns errichtest“, raunt er gegen meine Lippen, bevor er seinen Kopf ein Stück zurückzieht, um mich erneut anzusehen. „Ich nehme meinen Hammer ...“ Er grinst mich anrüchig an und macht eine eindeutige Bewegung mit seinem Unterleib. „... und damit werde ich jeden einzelnen Stein zertrümmern, so lange, bis du keine Chance mehr hast, dich vor mir zu verstecken.“

„Dein Hammer ist beeindruckend“, sage ich leise und schenke ihm ein Lächeln. Ich spüre seine Härte und schlinge meine Beine um seine Hüfte, um ihn näher an mich heranzuziehen.

„Ich weiß“, sagt er und wackelt anzüglich mit den Augenbrauen. „... und es gibt nichts Geileres als Sex mit dir, aber das ändert nichts daran, dass wir zuerst reden müssen. Du kannst nicht jedem Problem mit Sex aus dem Weg gehen.“

„Das will ich ja gar nicht.“ Ich rutsche unter ihm hervor. „Wir sollten frühstücken, außerdem hast du auch noch einen Termin heute Morgen.“ Dass meine Stimme zickig klingt, bleibt selbst mir nicht verborgen.

„Alex“, brummt Kadir frustriert und wirft sich auf den Rücken. „Ich bewege mich kein Stück, bis du mit mir redest. Du bist doch der Journalist, kannst mit Worten umgehen … also benutze deine Kenntnisse und beende dieses Theater. Ich werde nicht länger auf uns verzichten.“

Ich setze mich auf und ziehe die Beine dicht an den Körper.

„Ich kann nicht mehr ...“, flüstere ich und spüre, wie sich das Chaos in meinem Kopf langsam lichtet.

„Was meinst du?“, fragt Kadir und Unsicherheit schwingt in seiner Stimme mit. Ich drehe mich zu ihm und platziere einen flüchtigen Kuss auf seine Lippen.

„Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll … Dein Jobangebot war wirklich großartig und ich konnte mir nichts Schöneres vorstellen, als mit dir die Welt zu erobern. Miami, Los Angeles, Tokio und Sydney in einem Jahr, das war schon fast eine halbe Weltreise. Die Vorstellung, dieses Abenteuer mit dir zu erleben, war überwältigend.“

Ich spüre Kadirs Hand an meinem Haaransatz. Er beginnt, mich bedächtig zu kraulen. Ich schließe die Augen und konzentriere mich auf meine Worte.

„Jetzt waren wir bereits ein Dreivierteljahr in Miami. Los Angeles ist ausgefallen, weil diese Lehrerin plötzlich krank geworden ist und sie dich noch brauchten. Tokio ist ausgefallen, wegen der großen Show, für die du dir den Arsch aufgerissen hast.“

Kadir schnauft leise.

„Ich verstehe das … wirklich, aber alles dreht sich ausschließlich um dich und um Bauchtanz. Natürlich ist es dein Job, der uns überhaupt über den Ozean gebracht hat, aber es waren doch auch irgendwie unsere Pläne. Am Ende hast du das alles allein entschieden. Selbst dieser Urlaub … Der großartige Kadir kann einfach nirgendwo hinfahren, ohne eine Show in der Tasche zu haben, ohne einen Auftritt. Alex und Kadir, das gibt es eigentlich gar nicht mehr.“

„Das stimmt doch überhaupt nicht. Es waren unglückliche Umstände und Miami ist doch auch ganz schön ...“

„Es waren keine unglücklichen Umstände, du wolltest es doch genau so. Klar ist Miami schön, aber nicht auf Dauer. Ich dachte, wir sind in keiner Stadt lang genug, um uns dort einzugewöhnen. Ich wollte dieses schnelle Abenteuer und stattdessen habe ich ... Heimweh bekommen.“

Kadirs Hand in meinem Nacken verharrt einen Augenblick, dann packt er zu und zieht mich nach hinten.

„Du hast Heimweh?“, fragt er und seine Augen durchbohren mich regelrecht.

„Ja“, erwidere ich mit erstickter Stimme. Das Blut rast mit einer Höllengeschwindigkeit durch meinen Körper. Es rauscht in meinen Ohren und bringt meine Hände zum Zittern. Ich beiße mir unsicher auf die Unterlippe und versuche, Kadirs Blick standzuhalten.

„Du hast Heimweh?“, wiederholt er und schüttelt ungläubig den Kopf.

„Ich hatte nicht damit gerechnet, dass du so … eingespannt sein würdest. Versteh mich nicht falsch, was du auf die Beine stellst, ist großartig, aber ich …“

„Du kommst zu kurz“, stellt er leise fest und ich nicke vorsichtig. Es auszusprechen fühlt sich genauso kindisch an, wie ich erwartet hatte. Das ist auch der Grund, weshalb ich nichts gesagt habe. Heimweh zu haben, ist albern und trotzdem kann ich nichts dagegen machen. Vielleicht liegt es an Miami. Die Stadt hat es einfach nicht in mein Herz geschafft und mit jedem Tag spüre ich die Sehnsucht nach zu Hause deutlicher.

„Und da gibt es noch etwas ...“, sage ich und schließe erneut die Augen. „Bei der letzten Probe kurz vor der Show, als du erst am frühen Morgen nach Hause gekommen bist, da habe ich eine SMS mit einem Bild bekommen. Einem Bild von dir und dieser Tänzerin und ich ...“

„Nein“, flüstert er und haucht einen Kuss auf meine Nase. „Niemals ...“

„Ich weiß, aber ich kriege es trotzdem nicht aus meinem Kopf. Wir hatten diesen Mist schon einmal und ich versuche es zu ignorieren, aber das ist nicht so leicht.“

„Wieso redest du dann, verdammt noch mal, nicht mit mir?“ Kadir springt aus dem Bett und rennt im Zimmer auf und ab.

„Die Show war vor über einer Woche. Die Probe liegt noch länger zurück. Wieso trägst du diesen Mist so lange mit dir herum, während ich mir den Kopf zerbreche, was mit uns schiefläuft?“ Er bleibt stehen und verschränkt die Arme vor der Brust.

„Weil ich weiß, dass es nicht wahr ist, weil ich nicht noch einmal darauf hereinfallen wollte, aber es ist nicht so einfach, wie ich es mir vorgestellt habe.“ Ich versuche zu lächeln, aber ich habe das Gefühl, dass es nicht mehr als ein schiefes Grinsen ist.

„Merkst du denn nicht, was dieses Wissen mit uns gemacht hat? Ich habe nichts mit einer der Tänzerinnen gehabt. Wieso sollte dir jemand so ein Bild schicken? Und vor allem: Wer hat das getan?“

„Das weiß ich nicht. Es kam auch nur diese eine Nachricht“, erwidere ich tonlos.

„Du hättest mir davon schon eher erzählen müssen. Ebenso wie von deinem Heimweh. Ich verstehe nicht, was in dir vorgeht, frage mich die ganze Zeit, ob du mit mir Schluss machen willst und nur auf den richtigen Moment wartest. Ich traue mich kaum, mit dir zu reden, weil ich denke, dass du mir diese verdammten Worte um die Ohren haust und ich keine Ahnung habe, wie ich damit umgehen soll. Scheiße, ich hatte echt Angst und jetzt … jetzt muss ich feststellen, dass du mich für ein egoistisches Arschloch hältst.“

„Das stimmt doch überhaupt nicht. Ich bin ein Feigling, sonst hätte ich schon längst was gesagt.“

Wir sehen uns an und ich spüre, wie sich der Knoten in meinem Magen allmählich löst. Auch das Band, das meine Brust so fest eingequetscht hat, lockert sich. Ich atme tief durch und bin so unendlich erleichtert.

Plötzlich kommt Bewegung in Kadir. Er geht zur Balkontür und reißt sie auf. Eine frische Brise weht ins Zimmer und verscheucht endgültig die düsteren Gedanken.

„Waikiki ist der absolute Wahnsinn, schau dir das an“, ruft Kadir und streckt mir seine Hand entgegen. Ich zögere einen Moment, dann klettere ich aus dem Bett und stelle mich neben ihn. Er legt seinen Arm auf meine Schulter und zieht mich dicht an sich heran.

„Heimweh, hm?“ Er küsst meine Schläfe. „Ich kenne ein echt gutes Mittel dagegen.“

„Wirklich, was soll das sein?“, erkundige ich mich neugierig.

„Zuerst sorge ich dafür, dass du keinerlei Zweifel an meiner Liebe hast und dann machen wir die Insel unsicher.“ Kadir dreht sich um, haut mir lachend auf den Hintern und zieht mich zurück zum Bett. Wir fallen eng umschlungen auf die Matratze.

„Ich habe keine Zweifel an deiner Liebe“, flüstere ich und knabbere an seinem Ohrläppchen, bis Kadir leise stöhnt und ich die Gänsehaut auf seinem Körper spüren kann.

„Verdammt, Alex. Ich habe Todesängste ausgestanden und dieser Streit gestern Abend …“

„Ich war einfach schrecklich gereizt“, sage ich und lecke entschuldigend über die empfindliche Haut an seinem Hals.

„Du kannst es wieder gut machen“, nuschelt er und reibt sein Becken aufreizend an mir.

„Das werde ich … und noch viel mehr“, verspreche ich. Wir halten uns fest, erspüren die Nähe des anderen von Neuem. Es ist schwer, sich zu öffnen, auch wenn es keinen Grund gab, an Kadir zu zweifeln. Ich erobere ihn Stück für Stück zurück, lasse mich fallen und genieße es, wie Kadirs Küsse meine Haut verbrennen.

 

***

 

Die Besprechung mit dem Eventmanager verläuft während des Frühstücks. Wir haben es zehn Minuten vor Ende der Frühstückszeit mit knurrendem Magen und den ersten Anzeichen von Koffeinentzug aus dem Zimmer geschafft. Immer wieder sucht Kadir meine Zustimmung, sodass ich am Ende ein unglaublich warmes Gefühl im Bauch habe, aber trotzdem genervt die Augen verdrehe. Er weiß, dass ich es liebe, wenn er tanzt, und ich weiß, dass Tanzen sein Leben ist.

Nach dem Essen setzt Kadir seine Vorstellung davon, wie er mein Heimweh heilen will, in die Tat um. Wir gehen als Erstes neue Klamotten für mich kaufen. Der Gutschein ist schnell aufgebraucht und ich schleppe schätzungsweise ein Dutzend Taschen mit mir herum. In einer davon befinden sich zwei Hawaiihemden, auch wenn ich mir sicher bin, dass ich meins niemals anziehen werde. Auch die Idee mit dem Partnerlook kann Kadir vergessen, außer vielleicht zum Karneval oder zu irgendeiner Mottoparty.

Als wir bepackt das Hotel am späten Nachmittag betreten, erklärt uns der Mann am Empfang freudig, dass meine Reisetasche mittlerweile angekommen ist. Wir brechen beide in so lautes Gelächter aus, dass die anderen Gäste sich pikiert nach uns umsehen. Erst im Zimmer haben wir uns wieder einigermaßen im Griff. Vermutlich werde ich meinen Zuwachs an Klamotten gar nicht in die Tasche bekommen und entweder ein paar von meinen eigenen Sachen entsorgen oder eine zweite Reisetasche kaufen müssen. Die Modenschau, auf die Kadir besteht, endet erneut im Bett.

Den Rest des Abends verbringen wir am Strand von Waikiki und beobachten die Surfer. Angeblich sind die Wellen nicht besonders groß, aber ich bin von der Höhe trotzdem ziemlich beeindruckt und würde mich vermutlich keine Sekunde auf dem Brett halten.

„Willst du mich eifersüchtig machen?“, erkundigt sich Kadir und knurrt mir leise ins Ohr.

„Der ist doch viel zu jung“, murmle ich und spüre, wie sich meine Wangen trotzdem verfärben, denn ich habe tatsächlich die ganze Zeit den gleichen Mann beobachtet, der sich immer wieder verbissen in die Wellen gekämpft hat.

„Morgen sehen wir uns den Wettkampf an der North Shore an. Bin gespannt, wie hoch die Wellen dort sind“, sinniert Kadir. „Dein Vergehen kannst du übrigens heute Abend wiedergutmachen.“

„Hast du genaue Vorstellungen?“, erkundige ich mich und sehe ihn grinsend an.

„Ja, ich habe eine ziemlich genaue Vorstellung davon, wie du tief in mir steckst und mir das Gehirn rausvögelst.“

„Möglicherweise bekomme ich das hin“, erwidere ich lapidar.

„Ich bin mir sicher, dass du das kannst“, raunt mir Kadir zu, legt seine Hand auf meinen Schwanz und drückt leicht zu. Obwohl es noch nicht lange her ist, dass wir das Zimmer verlassen haben, spüre ich, wie die Lust erneut in meine Lenden schießt.

„Nach dem Urlaub packen wir unsere Sachen zusammen und fliegen nach Hause“, wechselt Kadir das Thema und ich brauche einen Moment, ehe ich seine Worte begreife.

„Du machst Witze!“ Ich richte mich auf und suche neugierig nach Anzeichen für einen Scherz.

„Nein, das ist kein Witz, wir fliegen nach Hause. Dieses Jahr hat ohnehin nicht so funktioniert, wie es sollte. Ich habe vor ein paar Tagen mit dem Rektor der Tanzschule gesprochen. Auch wenn ich noch nichts von deinen Problemen wusste, hatte ich zumindest das Gefühl, dass etwas zwischen uns falsch lief. Ich war mir nicht sicher, ob du überhaupt mit mir weiterziehen oder noch länger in Miami bleiben wolltest. Für Sydney ist es mittlerweile auch zu spät, aber eigentlich … Also wenn du möchtest, dann könnten wir Weihnachten zu Hause bei unseren Freunden verbringen.“

„Und ob ich das will!“ Freudig werfe ich mich auf Kadir. Wir rollen über den weichen Sand, lachen und küssen uns. Weihnachten mit Hannes und Farid und Anja … Ich kann es kaum erwarten!

„Aber zuerst genießen wir noch diesen Urlaub“, murmelt Kadir und schmiegt sich dicht an mich.

„Hawaii darf uns noch ein bisschen verzaubern!“

 

Ende

 

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Karolina Peli: Ein zusätzliches Häppchen?

(Tom & Maurice, Anthologie »Klang der Liebe«)

 

Vorwort

Tom und Maurice sind mein Pärchen aus der Kuschelgang Anthologie ‚Klang der Liebe`. Eine kleine Mauer, dazu eine hübsche Melodie, beides bringt Toms Welt gehörig ins Wanken. Wer scheint nur für ihn zu spielen? Und dann dieser Abend im Club, der ihn gehörig durcheinanderbringt. Ein Konzert bringt ihm Gewissheit. Nun ist Maurice auf Konzertreise. Und Tom bekommt eine Einladung, nach Hawaii zu reisen. Und erlebt sein eigenes kleines Abenteuer, bis er mit Maurice richtig urlauben kann …

 

 

Aus den ehemaligen Straßenmusikern aus London wurde eine der Newcomerbands des Jahres. Die Band von Maurice hatte so viel Erfolg, dass man sie öfter buchte, als sie sich je erträumt hatte. Sie hatten bislang vier Singles veröffentlicht, daneben zwei CDs, die sehr gut liefen. Ihr Manager, den Tom überhaupt nicht mochte, drängte sie, wieder auf Tour zu gehen. Bislang hatten sie vehement abgelehnt. Aber sie sahen ein: Wollten sie präsent bleiben, mussten sie sich zeigen.

Tom hatte gerade sein einjähriges Zusammensein mit Maurice gefeiert, als es auch schon losging. Eine Tour durch England, das Heimatland der Band. Maurice lebte als einziger in Deutschland. Er freute sich sehr, seine Heimat wieder zu sehen, was Tom natürlich verstand. Fünf Wochen sahen sie sich nur spärlich. Maurice rief jeden Abend nach dem Konzert Tom an, um ihm ausführlich zu berichten, wie sein Tag war. Sein Freund konnte die Begeisterung geradezu fühlen, also war es richtig gewesen.

Die Tour wurde ein derartiger Erfolg, dass ihr Manager darauf drängte, im nächsten Jahr eine weitere anzuhängen. Es war Maurice, der nur ungern zusagte. Sein Zögern hatte etwas mit Tom zu tun. Maurice wollte seinen Freund nicht zu lange im Stich lassen. Nicht, das Maurice dies ihm gegenüber offen zugegeben hätte. Nein, Brian, Maurice bester Freund, und Bandmitglied, hatte es Tom gesteckt. Brian hatte sich köstlich darüber amüsiert. Allem Anschein nach wollte Maurice Tom keine Gelegenheit geben, seinen Gedanken über eine etwaige Untreue seines Freundes freien Lauf zu geben. Tom konnte sehr eifersüchtig sein. Maurice hatte ihm bislang kein Grund dazu gegeben, im Gegenteil, er fühlte sich sehr geliebt.

Maurice war deutlich zurückhaltender, was seine Eifersucht betraf. Er lächelte, blieb ruhig, wo Tom schon an die Decke ging. Und wer nicht ganz so dumm war, verstand sofort, dass Maurice der Mann an der Seite Toms war.

Tom hatte nichts dagegen, als die Band beschloss, zwei Jahre später auf eine sechswöchige Tour durch die USA zu gehen. Er war nicht gerade angetan davon, sah aber ein, dass sie sich diese Chance nicht entgehen lassen sollten. Er würde Maurice sicher sehr vermissen, aber sein Freund war nun mal mit seiner unvergleichlichen Stimme das Zugpferd der Band.

***

Als Maurice weg war, überkam Tom wie beim letzten Mal der Putzteufel. Keine noch so kleine Ecke war im Haus, wie auch in der Werkstatt, vor ihm sicher. Seinen Aktionismus weitete er auch auf den Garten aus. Der Rasen hatte sogar Wimbledon Qualität, wie sein Freund Paul, der gerade zu Besuch war, schmunzelnd feststellte.

„Du werkelst jetzt seit Tagen im Haus herum. Musst dich ablenken? Ja, kann ich verstehen. Ohne Maurice bist du hilflos“, stichelte sein Freund gutmütig. „Aber wieso strahlst du dabei, als hättest du einen Preis gewonnen? Alter, das hast du schon gemacht, als Maurice zum ersten Mal länger weg war. Vorausgesetzt du kannst dich noch daran erinnern …“

Paul zog Tom gerne mal auf.

„Ich leide nicht an Gedächtnisschwund.“

Tom sah sichtlich genervt zu seinem Besucher. Paul verstand als Langzeitsingle überhaupt nichts. Der hatte nur sein Vergnügen im Kopf. Als dieser einsah, dass er heute Tom nicht hinterm Ofen hervorlocken konnte, verdrückte er sich wieder.

Tatsächlich stimmte es. Mit der Aktion Sauberes Haus, versuchte sich Tom von Maurice Abwesenheit abzulenken. Beim ersten Mal, als die Band auf Tournee gegangen war, hatte sein Freund kurz bevor er gegangen war, überall im Haus und sogar im Garten, kleine Geschenke versteckt. Er wusste genau, dass dies Tom gefallen würde. Mal fand er Süßigkeiten, mal ein Buch oder eine CD. Immer da, wo er nie im Leben gesucht hätte. Maurice hatte ihm, wenn er ihn angerufen hatte, aber stets Tipps gegeben. Die größte Überraschung war per Post gekommen. Ein Flugticket nach London. Mit dem dazugehörigen Konzert, verstand sich.

Am zweiten Tag nach Maurice Abflug, hatte er Tom während ihres Gesprächs gebeten, ins Gästezimmer zu gehen. Dort hatte Tom lauthals über den Teddy gelacht, der auf dem Gästebett thronte. Die schöne neue Sonnenbrille, die sorgfältig auf seinem Gesicht drapiert war, stand im krassen Gegensatz zum kleinen grauen Winterschal, den er um den Hals trug. Gestern hatte er im Vorratsschrank ein Tütchen seiner Lieblingspralinen gefunden. Heute hatte er etwas in der Hand, was ihn noch einen Tick mehr freute. Schicke Sommerlatschen! Absolut hipp und bequem. Tom stand auf diese Dinger.

Stand ein Urlaub in südlichen Gefilden an, den ihm Maurice schmackhaft machen wollte? Denn sein Partner wusste genau, dass Tom ungern flog. Was würde Maurice sich noch alles einfallen lassen, um ihn zu überzeugen?

Ein andermal hatte ihn Maurice zu seinem Kleiderschrank gelockt. Dort fand er, gut versteckt, ein Päckchen. „Ist das für mich?“, fragte er überflüssigerweise. Als er Maurice warmes Lachen hörte, öffnete Tom gespannt wie ein Flitzbogen sein Geschenk. Er grinste breit, als er mehrere einfarbige Shirts und Hemden auspackte. In verschiedenen Blautönen, die ihn an einen Sommertag am Mittelmeer erinnerte. Und in Gelb, Grün, Schwarz. Alles Farbkombinationen, die ihm ausgezeichnet standen. Vor Wochen waren sie bummeln gewesen. Tom erinnerte sich, dass er lange einige dieser Shirts und Hemden, die ihm gefielen, angesehen hatte. „Die hole ich mir, aber heute habe ich keine Lust, zu probieren.“ Maurice hatte ihn zweifelnd ansehen, wohl genau wissend, dass Tom es nicht auf die Reihe bringen würde, gefühlte tausend Shirts anzuprobieren. Also musste er wohl allein losgezogen sein.

Möchte Maurice den Sommer mit mir einfangen? Bis jetzt ist ihm das ausgezeichnet gelungen.

„Wow, mein Schatz, und gleich all die Sachen, die mir sehr gefielen. Da hast du wirklich gut aufgepasst. Na gut, sag mir, wo es hingehen soll, ich bin dabei.“

Er lachte ausgelassen, als er ein langgezogenes, glücklich klingendes „Yeah“, hörte.

„Wusste ich’s doch. Ohne dich ist Urlaub kein Urlaub für mich. Hab schon was in petto. Du wirst staunen. Ich liebe dich, Tom.“

Weg war Maurice. Tom schüttelte nur den Kopf. Das war mal wieder typisch sein Kerl. Alles organisieren und annehmen, das Tom schon Ja und Amen sagen würde. Und wenn er es recht bedachte, hatte Maurice sogar Recht. Er ließ sich gerne leiten.

***

Die nächsten Tage waren angefüllt mit Arbeit. Maurice meldete sich, wann immer er Freizeit hatte. Beim letzten Telefonat mit Tom hatte er ordentlich Dampf abgelassen. Die Band ärgerte sich schon wieder über ihren Manager. Ohne sie vorher zu informieren, hatte er noch zwei Konzerte in Washington angehängt. Die jedoch lagen so, dass es ungünstig war, zwischendurch nach Hause zu reisen. Maurice hatte nichts gegen diese Konzerte. Trotzdem durchkreuzten sie allem Anschein nach nicht nur seine Pläne, wie er Tom verärgert gestand, sondern auch die der ganzen Band.

Ihr Manager war ein äußerst gut aussehender Bursche. Aber ein charakterlicher Schmierlappen, wie ihn Tom insgeheim bezeichnete. Colin stand im Ruf ein Frauenheld zu sein. Zu Toms Leidwesen stand Colin auch auf Männer, besonders auf Maurice. Um diesen schöne Augen zu machen, ließ er keinen Augenblick verstreichen. Nur in Gegenwart von Maurice war er vorsichtig. Trotzdem legte er ein Benehmen an den Tag, das unmissverständlich war. Mal streichelte er Maurice über den Rücken, mal stand er deutlich näher als er sollte. Und er zeigte Tom, dass er ihn nicht mochte. Kein Zweifel, er war höchst eifersüchtig auf Tom. Wenn er mit ihm zusammentraf, versuchte er Tom so weit wie möglich zu ignorieren. Maurice schien das nicht zu tangieren. Für ihn zählte nur Tom. Und der tat so, als würde er nichts bemerken. Aber er merkte sich jedes Detail, was Colin betraf. Irgendwann, davon war Tom felsenfest überzeugt, würde er ihn festnageln, ihm die Meinung sagen.

Beim nächsten Anruf von Maurice lotste ihn dieser unter ihr Schlafzimmerbett. Dort fand er ein Päckchen mit zu den Shirts passenden Shorts. Er fragte sich, wann dieser alles besorgt hatte. Aber so war sein Mann eben, er sorgte immer für Überraschungen.

„Den Urlaub haben wir uns verdient. Schließlich haben wir beide das letzte Jahr durchgearbeitet. Dein Laden läuft und ich kann mich beruflich auch nicht beklagen. Ab in die Sonne mit uns, meinst du nicht? Dafür musst du aber fliegen, zu mir, ich sag dir rechtzeitig, wohin.

Tom hielt den Atem an. Fliegen, na toll. Mit seiner Flugangst. Wenn jemand dabei war, ging das. Aber allein … „Darling, ich höre deine Begeisterung bis hierher, aber da musst du durch…“ Sein Lebensgefährte lachte liebevoll ins Telefon. „Du schaffst dass …Du hörst von mir, Honey.“

Ja, sie hatten beide in ihren Jobs geackert. Toms Goldschmiedekunst war gut gefragt. Und Maurice als Songschreiber und Produzent, konnte sich auch nicht beklagen.

Das Vierteljahr war wie im Flug vergangen, Tom hatte kaum das Gefühl gehabt, allein zu sein.

In der letzten Woche, bevor die Tour endete, bekam Tom per Post ein flaches Päckchen. Er legte es beiseite und vergaß es erst einmal. Spät am Abend erinnerte er sich daran und verfiel in Jubel. Hatte ihm sein verrückter Kerl doch tatsächlich ein Ticket nach Hawaii geschickt. Dort sollte er im Aston Waikiki Beach Resort einchecken. Maurice wollte dann im Laufe des nächsten Tages zu ihm stoßen. Grinsend betrachtete er sein Flugticket. Er freute sich zwar, wunderte sich jedoch gleichzeitig, dass Maurice ihn ausgerechnet nach Hawaii eingeladen hatte. Nicht, dass er gegen Hawaii etwas hatte. Aber Tom fuhr eher auf den europäischen Kontinent ab. Und warum nicht mal Neues entdecken? Und was sollte dieses fürchterlich hässliche Hawaiihemd? Außerdem, war er nicht noch auf Tour?

`Damit du schon mal gerüstet bist. Nimm meinen mittleren Koffer, du brauchst nicht extra los, um dir einen zu kaufen.`, stand in krakeliger Schrift auf einer Karte. Was ihn wunderte. Er sollte wirklich den sündhaft teuren Koffer nehmen? Allein wenn er über das wunderbare Leder strich, bekam er schon Gänsehaut. Aber wenn Maurice das sagte … Es war ebenfalls seltsam, dass Maurice nicht besonders leserlich geschrieben hatte. Er, der so viel Wert auf gutes Schriftbild legte. Verwundert starrte Tom auf die Karte.

Sein Bauchgefühl meldete sich. Das gewisse, welches ihn immer dann piesackte, wenn ihn etwas störte. Nur was, konnte er momentan nicht sagen. Er ignorierte es, packte stattdessen im Geiste schon sein Gepäck. Spät in der Nacht rief Maurice an. Als sich Maurice verabschiedete, fiel Tom ein, dass er vergessen hatte, mit seinem Freund über seine Ankunft zu sprechen. Der Redefluss von seinem Geliebten war kaum zu stoppen gewesen. Wieder ärgerte er sich über den Bandmanager. Sie hatten vorher den Tourverlauf miteinander besprochen. Doch Colin hatte wieder alles umgeworfen. Was bezweckte Colin damit, ihn zu ändern? Er ahnte auch, dass Colin wohl zum Frontalangriff auf Maurice übergegangen war. Sein Vertrauen in seinen Freund war jedoch unerschütterlich. Wenn er gewollt hätte, wäre er mit Colin schon weit vor Tom zusammen gekommen.

Aus reiner Neugier googelte Tom, welche Unterkunft Maurice gebucht hatte. Aston Waikiki Beach. Ein Betonklotz? Es wunderte ihn, dass Maurice ihn in so ein Hotel lockte. Wo er doch eigentlich wusste, dass Tom jemand war, der sich lieber in ein kleineres, aber feines Hotel einmietete, oder in eine Ferienwohnung. Am liebsten aber in ein Haus mit Pool. Er mochte es absolut nicht, in einem Hochhaus zu wohnen. Da bekam er Angstzustände. Maurice konnte diesen hoch gezüchteten Hotelburgen ebenso wenig etwas abgewinnen.

***

Tom entschloss sich, vierzehn Tage lang sein Atelier zu schließen. Vor dem Urlaub arbeitete er hochkonzentriert Auftrag um Auftrag ab. Trotzdem musste er einige Kunden bis nach dem Urlaub vertrösten. Zehn Tage später setzte er sich frohgemut in den Flieger. Voll bepackt mit den neuen Sachen, die er von Maurice bekommen hatte. Er hatte seinen Freund in den letzten Tagen nur spärlich an der Strippe gehabt. Einmal musste er ihn im Tourbus vor einem Konzert erwischt haben. Voller Vorfreude, sagte er ihm, wann er am Flughafen in Honolulu ankommen würde. Dabei war er sich nicht sicher, ob er Maurice endgeistertes „Was? Wie? Ist das dein Ernst? …“, richtig interpretiert hatte. Er wusste doch, wann er ankommen würde … oder etwa nicht?

Ganz so wohl war Tom jetzt nicht mehr. Wobei, wohl war ihm ehe nicht, da er allein fliegen musste. Das gefiel ihm überhaupt nicht. Er hatte Maurice eher zugetraut, ihm wenigstens die Business Class zu gönnen. Stattdessen saß er in der sprichwörtlichen Holzklasse. Mit wenig Beinfreiheit, die Stuhlbezüge waren leicht abgewetzt, das Essen schmeckte wie schon einmal gegessen, kurz, Tom war von seinem ersten Atlantikflug enttäuscht. Aber was soll’s, ich komme endlich an einen Ort, wo ich schon ewig hinwollte.

Trotzdem taten sein Rücken und seine Beine weh. Er war es eben nicht gewohnt, sich zusammenzufalten. Um dem Ganzen etwas zu entgehen, beschloss Tom, zu schlafen. Schlafen konnte er immer, egal, wo er war. Er träumte von Maurice, wie sie ihre Hüllen fallen ließen und wie Gott sie schuf Hand in Hand in das wunderbare Nass hüpften. Wie sie sich im Meer leidenschaftlich küssten und er dabei eine Standfestigkeit bewies, die Maurice geradewegs in den siebten Himmel beförderte …und da war noch dieser einsame, wunderschönen Strand an dem sie eng umschlungen entlang gingen. Und sich später leidenschaftlich liebten …

Tom entwich ein leises Stöhnen. Und setzte sich entsetzt auf. Hatte er etwa gerade herumgestöhnt? Seine Sitznachbarin quittierte das jedenfalls nicht gerade freundlich, während der attraktive Steward ihn mit den Augen verschlang. Was ein schöner Traum, er konnte es kaum erwarten, bis er in Erfüllung ging.

Es war gegen zehn am Morgen, als sie watteweich in Honolulu landeten. Tom war äußerst froh, dass er wieder festen Boden unter den Füßen hatte. Seine gute Stimmung hielt sogar den Einreiseformalitäten stand. Und dem Warten auf seinen Koffer. Und allein schon, wie man begrüßt wurde, hatte was. Hula tanzende Hawaiianerinnen. Von denen eine ihm eine Blumenkette um den Hals hängte.

Als er nach dem Willkommensspektakel unschlüssig in der Nähe des Taxistandes wartete, entdeckte Tom einen Bus, dessen Fahrer ein Schild mit verschiedenen Hotelnamen hochhielt. Seines war auch dabei. Zielstrebig ging er auf den Mann zu, sagte zu welchem Hotel er wolle. Dieser antwortete freundlich, dass der Bus schon voll sei und in wenigen Minuten ein zweiter ihn zum Hotel bringen würde. Seufzend trat Tom zurück. Ein Mann hinter ihm zeigte sich jedoch sehr erbost und machte lautstark seinem Ärger Luft. Tom zuckte nur mit den Schultern. Ein unsympathischer Bursche, dachte er und entfernte sich ein Stück von ihm. Der jedoch kam hinter ihm her gerannt.

„Sie wollen doch bestimmt auch schnellstens ins Hotel? Meines liegt auf dem Weg zu ihrem, nehmen wir ein Taxi zusammen?“

Erwartungsvoll sah ihn der andere an. Tom musterte ihn, nickte kurz und im Handumdrehen wurden ihre Koffer ins Taxi verfrachtet. Tom setzte sich nach vorn, denn sein Mitfahrer roch übel nach Schweiß. Auf dem Weg zum Hotel plapperte dieser in einer Tour. Er ignorierte ihn völlig. Voller Interesse beobachtete er das bunte Treiben auf den Straßen. Und doch war ihm nicht wohl. Da war es wieder, sein Bauchgefühl, das ihm sagte, dass sich etwas zusammenbraute.

Kaum hatte das Taxi vor dem Hotel von Toms Mitfahrer gehalten, da stieg dieser auch schon in Windeseile aus, streckte dem Fahrer das Geld hin und eilte nach hinten. Schon hatte dieser den Kofferraum aufgemacht, noch bevor der Taxifahrer ihm helfen konnte. Tom schüttelte mit dem Kopf. Der Fahrer stieg wieder ein und ein paar Minuten später hielt er vor Toms Hotel. Tom griff nach seinem Koffer. Wieso war der auf einmal so schwer? Er hatte doch nur Sommersachen eingepackt. Er sah ihn nicht näher an …

Die Hotellobby hatte ein charmantes Flair, obwohl er dieser Art nichts abgewinnen konnte. Die Leute an der Rezeption waren freundlich. Es lag an ihm, dass sein Lächeln entgleiste, als er erfuhr, wie hoch sein Zimmer lag. Tapfer schritt er auf den Aufzug zu. Seine Beine zitterten, eine Hand umklammerte den Griff seines Koffers, die andere ruhte auf dem Träger seines Rucksacks. Sicher sah ihm niemand seinen Stress an, da er seine Angst mit einem Lächeln kaschierte. Menschen die ihm nahe standen, wie Maurice, Paul oder Brian hätten es bestimmt gespürt.

Er musste nicht lange suchen, die Karte durch die Sicherung gezogen und schon stand er in einem kleinen, minimalistisch eingerichteten Zimmer. Rechts am Eingang war das Bad. Tom lugte kurz hinein. Alles da, was man brauchte. Klein und funktional. Einen Schrank suchte er vergebens. Aber das war ihm im Endeffekt egal. Was ihn eher wunderte, war, warum er in einem Einzelzimmer stand. Hier wollte er nicht bleiben! Nur langsam konnte er sich wieder auf ein normales Level bringen. Ihm war nach frischer Luft. Jedoch nach draußen zu blicken, um die fantastische Aussicht zu genießen, das konnte er auf keinen Fall. Sonst würde er sich in Schockstarre katapultieren. Diese verdammte Höhenangst machte ihm zu schaffen. Trotzdem schaffte er es in einer Eingebung, die kleine Kamera aus seinem Handgepäck zu ziehen. Todesmutig trat er auf den Balkon und fotografierte in Windeseile alles, was ihm vor die Linse kam

Danach trat er schweißgebadet ins Zimmer zurück, zog sich aus, weil er duschen gehen wollte, setzte sich aber zuerst auf das Bett, das wie ein Trampolin nachgab. Es dauerte, bis er sich entspannen konnte. Er saß da, schloss die Augen, und träumte vor sich hin.

Maurice und er saßen bei einem Abendessen am Strand. Auf einem wunderschönen großen Bett, mit hohen Beinen. In der Mitte war ein Tisch eingelassen, den man hoch und runter fahren konnte. Allerhand Köstlichkeiten luden dazu ein, sich an ihnen zu laben. Sein Geliebter lag in seinen Armen, dieser war damit beschäftigt, Toms Brustwarzen mit Eiswürfeln zu malträtieren. Tom keuchte, versuchte Maurice Hand davon abzuhalten, ihn zu necken. Aber Maurice lachte nur. Er legte Tom sanft zurück, seine Lippen suchten Toms Mund, verharrten und zogen sich wieder nach einem kurzen Spiel zurück. Maurice leckte ihm am Kinn entlang, küsste die Grube des Halses, und neckte die vorwitzig hervorstehenden Brustwarzen. Dieser wusste, was jetzt kommen würde. Ein scharfer Schmerz durchzuckte ihn, automatisch bäumte er sich auf. Ein leises Lachen war die Antwort auf seine Reaktion. Da er nichts weiter tat, wurde er belohnt, Maurice Zunge wanderte in Richtung seines Bauchnabels. Sie tippte mehrmals hinein, liebkoste den festen Bauch und schon hatte Maurice Toms feuchte Spitze im Mund. …

Tom schreckte auf, schläfrig fuhr er mit seiner Hand an seinem Glied entlang, mit der anderen traktierte er seine Brustwarzen. Sich unruhig windend genoss er sein Tun, dann keuchte er einmal kurz auf und schon überfiel ihn ein seichter Orgasmus, von dem er das Gefühl hatte, ihn nicht sonderlich entspannt zu haben. Unruhig sah er sich um. Er war noch immer allein. In einem verdammt hohen Haus, in einem verdammt kleinen Zimmer. Warum zum Teufel hatte er das Gefühl, dass mehr als eine Sache schief gelaufen war?

Rasch suchte er das Bad auf, und kühlte sein Gesicht. Das kühle Nass weckte seine Lebensgeister. Zurück im Zimmer, wollte er sich frische Wäsche greifen und den Koffer öffnen. Überrascht wich er zuerst einen Schritt zurück. Das, war eindeutig nicht seiner! Sicher, auf den ersten Blick sah er so aus … aber dieser hier war eher ein Allerweltskoffer, wie sie zu Tausenden vorkamen …

Wo war seiner? Besser gesagt, Maurice Koffer. Sein Schatz würde ihn in den Boden stampfen, wenn er das gute Stück nicht mehr auftreiben würde … Hatte dieser stinkige Knilch etwa seinen Koffer gegrapscht? Er musste ihn finden.

Zu allem Überfluss ließ sich dieser hier nicht so einfach öffnen. Der Reißverschluss klemmte.

Was hatte sich Maurice nur gedacht? Es gibt hier doch andere Unterbringungsmöglichkeiten. Besonders für jemand wie mich, der Höhe nicht verträgt. Müsste er nicht normalerweise schon hier sein?

Fragen über Fragen, die sich im Moment nicht klären würden. Er wusste nur eines, dass er sich etwas Neues suchen wollte. Höhe machte ihn kirre. Ein unerklärliches, negatives Gefühl, das rational nicht zu erklären war. Es war einfach da. Tom schnappte sich den Koffer und ging zielstrebig auf den Lift zu. Kleine Schweißperlen liefen ihm übers Gesicht, als er eintrat und nach unten fuhr. Er atmete tief durch, als er zum Glück unversehrt die Lobby erreichte. An der Rezeption erfuhr er, dass das Zimmer für vier Tage gebucht und schon bezahlt worden war. Ja hatte Maurice sie nicht alle?

Tom hatte keineswegs vor, hier zu bleiben, egal ob es schon bezahlt worden war. Schlafen würde ihm hier sowieso nicht gelingen. Und was seinen verschwundenen Koffer betraf, den wollte er unbedingt wiederhaben. Mitsamt dem Inhalt, verstand sich. Er teilte daher der freundlichen Dame an der Rezeption mit knappen Worten mit, dass er auschecken würde.

Natürlich wusste er nicht wirklich, wohin er sich wenden sollte. Trotzdem schlenderte er gelassen umher, den fremden Koffer fest im Griff. Wie hieß dieses Hotel noch mal, in dem der Kerl abgestiegen war? Momentan wollte ihm der Name nicht einfallen.

Er wurde nicht müde, umher zu schlendern. Immer mit dem Koffer im Schlepptau. Gegen Abend entdeckte er per Zufall ein ansprechendes Hotel, das in unmittelbarer Nähe des berühmten Strands von Waikiki seinen Platz gefunden hatte. Es war nicht eines der typischen Waikiki Beach Ressorts. Schon allein der kleine Eingangsbereich wirkte wie ein gemütlich eingerichtetes Wohnzimmer. Spontan mietete er sich für zwei Nächte ein Doppelzimmer. An der Rezeption stand ein junger, hübscher Hawaiianer, der ihn charmant anlächelte. Juno Kawake, war auf seinem Brustschild zu lesen. Er geleitete Tom sogar zu seinem Zimmer. Und er verzog keine Mine, als dieser ihn fragte, ob er seine Kleidung reinigen lassen könnte.

„Selbstverständlich“, sagte er nur. Er bot ihm an, dass er seine Kleidung in den Korb vor seiner Tür legen solle. Sie würde sofort abgeholt und in einer Stunde wiedergebracht werden. Mit dieser Aussicht konnte Tom gut leben.

Gerade als er mit dem Handtuch um die Hüften seine Sachen vor die Tür legte, kam der Angestellte wieder. Beide standen einen Augenblick schweigend voreinander. Tom mit einem mehr als fadenscheinigen Handtuch um die Hüften und der überaus attraktive Einheimische. Diesem war deutlich anzusehen, dass ihm Tom gefiel. Und auch Tom fand ihn anziehend. Heiße Luft entstand, die gegenseitige Anziehung war zum Greifen spürbar. Tom gab nicht nach, unverwandt blickte er den anderen Mann an. Keinesfalls würde er auf ihn zukommen. Wenn der andere schlau war, würde er dies merken und respektieren. Sich räuspernd murmelte der andere etwas, bückte sich und war auch schon verschwunden. Nicht, ohne noch einen höchst interessierten Blick auf Toms nacktem Oberkörper geworfen zu haben.

Tom lächelte leicht, als er sich in sein gemütlich wirkendes Zimmer begab. Nicht, dass er ihn hatte ins Bett zerren wollen, nein, Tom machte so was nicht. Lachte da im Hinterstübchen ein kleines Teufelchen? Vor Maurice hätte er ihn vernascht. Aber sein Kerl gab ihm alles, was er brauchte. Wäre er anwesend, hätte er gespürt, dass Tom den anderen gerne flachgelegt hätte. Das stand irgendwie im Raum, ein gemeinsamer Dreier. Aber bis dahin blieb noch Zeit. Eines nach dem anderen, wie Maurice immer zu sagen pflegte. Und so ließ er Juno Kawake ziehen …erst einmal, verstand sich.

Tom griff wieder zu seinem Handy. Maurice nahm auch nach mehrmaligem Anwählen nicht ab. Er hinterließ ihm eine Nachricht.

„Maurice, ich bin nun also hier. Ich war in diesem Hotel, nein, ich warte dort nicht auf dich. Das halten meine Nerven nicht durch. Ruf zurück.“

Und was jetzt? Tom war ein pragmatischer Mensch. Als erstes musste neue Kleidung her. Somit konnte er sich umsehen und einkaufen. Mit seiner Kleidung, die er gerade anhatte, konnte er sich zwar sehen lassen. Sie war luftig genug. Trotzdem, wenn er schon mal hier war. Danach wollte er einen Happen essen gehen. Per Zufall kam er an einem ansprechenden Restaurant namens Azure vorbei. Obwohl sie nicht ganz billig war, genehmigte er sich eine Meeresfrüchteplatte, dazu einen leichten Weißwein. Eigentlich war alles perfekt. Das Wetter, die Umgebung. Nur, dass eben sein Kerl nicht bei ihm war.

Er rief noch mal Maurice an. Jemand nahm ab, es war jedoch nicht Maurice.

„Colin? Hier ist Tom. Ist Maurice in der Nähe?“ Im Hintergrund hörte er Wasser rauschen. Er nahm sich sehr zusammen. Nein, er würde Colin nicht fragen, was er an Maurice Handy zu schaffen hatte.

„Hach ja, Maurice …er duscht gerade. War ne heiße Nacht.“ Colins Stimme kam im Grunde viel zu verträumt durch den Äther, fand Tom. Colin fragte in einem unhöflichen Ton, was Tom wolle. Der runzelte die Stirn. Moment mal, verträumt? Was hatte denn den gestochen?Etwa Maurice? Störte er etwa?

„Falls du Zeit erübrigen kannst, sag ihm bitte, ich hätte angerufen. Danke. “ Er sprach’s und legte auf. Langsam sah er überall Fragezeichen. Die Koffer, das Hotel, Colin am Handy von Maurice. Gut, das konnte Zufall sein. Aber wie sich Colin eben gegeben hatte, fand Tom nicht besonders beruhigend.

Aus lauter Frust, weil er Maurice immer noch nicht persönlich erreicht hatte, genehmigte er sich in der Lewers Lounge, einer schicken Bar, ein paar ebenso schicke Cocktails. Danach hatte er leichte Schieflage und wankte in Richtung Strand.

Kichernd ließ er sich in den Sand plumpsen. Ein Geistesblitz überkam ihn, doch endlich mal bei Brian, ein Bandkollegen und der beste Freund von Maurice, anzurufen. Aber er hatte kein Glück. Langsam wurde Tom stinksauer. Hatten die sich gegen ihn verschworen?

Ob er hier schlafen konnte? Ein wenig unheimlich war es hier schon. Es war nichts los. Tom blieb trotzdem sitzen. Auch um die Alkoholgeister in seinem Hirn loszuwerden. Diese Biester kicherten nämlich allzu schadenfroh. Er zuckte heftig zusammen, als sein Handy klingelte. Es war Brian.

„Hi Tom, was gibt’s? Wir wollten gerade Proben, dann essen gehen. Möchtest du Maurice sprechen? Der ist schon bei den anderen Jungs.“

Anscheinend wunderte sich Brian, dass Tom ihn anrief. Er klang mehr als erstaunt, als Tom ihm mittelte, wo er war.

„Du bist nicht im Ernst schon auf Hawaii …“ Brians Lachen klang ungläubig. Tom hickste.

„Do … doch, bin ich. U …und wieso sollte ich nicht hier sein? Schließlich hat sich mein Freund extra die Mühe gemacht, mich in eine „Wahnsinns“ Hotelburg einzumieten. Jetzt lässt er mich warten.“ Den vorwurfsvollen Unterton konnte Brian kaum überhört haben. Tom war sich durchaus bewusst, dass er einen leichten Zungenschlag hatte. Aber das war ihm so was von egal.

„Wahnsinns Hotel? Ihr seit doch beide keine Anhänger von solchen Burgen …Hu?“, das war wohl alles, was Brian herausbrachte.

„Mein Koffer ist auch weg. Nein …Schatzens Koffer is weg. Der reißt mir den …Kopf ab. Macht mich klein …und wie er schimpfen wird …“ Tom tat sich gerade unerhört leid. „Wie es aussieht, von irgendeinem Spinner vertauscht“, brachte er stockend heraus. „Ich hatte dafür einen Koffer ergattert, der nicht …sechsi…sexy ist.“ Tom lächelte stolz, weil er das Wort doch noch richtig herausbekommen hatte. „Und ich musste meine Klamotten waschen lassen. Ah, dieser hübsche Hotelboy, Schuno heißt er. Zum Vernaschen, sach ich dir. Ich war ehrlich gesagt, nicht abgeneigt ….wenn, der mir wieder begegnet, will ichs wissen, jawohl.“

Tom musste eine Pause machen. Er fühlte seinen Ärger hoch kochen. Brian schnaufte am Handy nur. Er wusste wohl im Moment nicht viel zu sagen. Tom konnte hören, wie es laut an seinem Ohr krachte. Anscheinend hatte sein Gesprächspartner heftig eine Tür zugeknallt.

„Sprich weiter Tom“, bat Brian ihn mit ruhiger Stimme.

„Weit oben ..ei .. ein Einzelzimmer, wieso ein Einzelzimmer, Brian? Und das, wo mein Herzallerliebster doch weiß, dass ich grausame Höhenangst habe“, nuschelte er sehr leise ins Handy.

„Wo bist du genau?“ Tom nannte Brian den Namen der Pension.

„Wäre ich d…dort geblieben, wäre mir das nicht gut bekommen. Ich wäre mir zu stark bewusst, in der Höhe zu sein.“ Zu allem Überfluss, bekam Tom jetzt auch noch einen herzhaften Schluckauf. „Brian, mein Freund weiß das doch. Was ist los mit ihm?“

Er wollte nicht mehr auf Hawaii sein. Maurice sollte kommen.

„Er geht nicht ans Telefon. Ich habe ihn ständig angerufen. Er weiß doch, wann ich ankomme. Und da ist noch was, Brian.“

Sollte er Brian von seinem Verdacht erzählen, dass sich Colin Maurice gekrallt hatte? Ob ihm Brian das in seinem Brausebrand glauben würde?

„Tom? Sag’s mir.“ Brians Stimme tröstete ihn.

„Sei ehrlich, hat Colin mit Maurice …geschlafen?“ Brians lautes Schnaufen kam postwendend.

„Diese Frage habe ich jetzt überhört. Ich werde ihm natürlich sagen, dass du angerufen hast. Denke, er wird dich, sobald es ihm möglich ist, anrufen. Wenn du mich fragst, stimmt irgendetwas nicht. Und dem werde ich jetzt auf die Spur gehen. Und du, mach keine Dummheiten. Bis bald, Tom.“

Brian legte auf und ließ einen noch ratloseren Tom zurück.

Dieser verdammte Koffer, wie kann man nur so nachlässig sein, Koffer zu vertauschen, dachte er erzürnt. Wieso denke ich jetzt an diesen blöden Koffer? Was meinte Brian damit, dass etwas nicht stimme? Das weiß ich doch selbst.

Als er meinte, wieder halbwegs schwankungsfrei gehen zu können, verließ er den Strand und fand zu seinem Erstaunen schnell zum Hotel zurück. Dort schritt er hocherhobenen Hauptes an der Rezeption vorbei. Er spürte durchaus den höchst interessierten Blick Juno Kawakes. Aber selbst wenn er gewollte hätte, er würde keinen mehr hoch bekommen, wie er sich kichernd eingestand.

Er schlief sich aus und erwachte voller Tatendrang. Zum Frühstück begab er sich in den hübschen Innenhof. Während er sich über das reichhaltige Buffet hermachte, überlegte er, was er heute unternehmen könnte. Es nutzte nichts, hier herumzusitzen. Maurice fehlte ihm, kein Zweifel.

Die nette Hawaiianerin an der Rezeption empfahl ihm auf seine Nachfrage ein paar gute Einkaufsläden. Zuerst jedoch wollte er mit dem fremden Koffer zu dem Hotel, in das der Mann abgestiegen war. Der Name war ihm gegen Morgen wieder eingefallen. Kurzerhand nahm er sich ein Taxi dorthin.

An der Rezeption beschrieb er wie der Mann ausgesehen hatte. Aber niemand konnte sich an ihn erinnern, oder dass er überhaupt eingecheckt hatte.

Verdammt, wo ist mein Koffer? Und was mache ich jetzt mit dem fremden Koffer? Ob ich nicht mal probieren sollte, ihn zu öffnen? Noch nicht, später.

Er gönnte sich eine weitere Taxifahrt und brachte den Koffer in sein Hotel zurück. Am Mittag setzte er sich in ein Cafe, bestellte sich Schokoladenkuchen und Kaffee. Es nutzte im Moment nichts, zu sehr darüber nachzudenken, was Sache war. Einigermaßen entspannt genoss er die besondere Stimmung, die um ihn herum herrschte. Die Menschen wirkten locker, freundlich. Mit der Sprache kam er auch zurecht, hatte er doch in Maurice einen exzellenten Lehrer, der seine schon vorhandenen Englischkenntnisse hervorragend vertiefte.

Er kaufte sich einen Stadtplan, fuhr mit öffentlichen Verkehrsmitteln hin und her, was ihm ungeheuer viel Spaß machte. Und er entdeckte ein paar Museen, die es wert waren, besucht zu werden. Im Moment spürte er dermaßen viel Energie in sich, wie immer, wenn er irgendwo fremd war.

Nach und nach deckte sich Tom mit einigen neuen Klamotten ein. Shirts, Hemden, Hosen und leichte Schuhe. Während er gerade eine Badehose in der einen Hand hielt und mit der anderen Maurice Nummer wählte, wurde er von der Seite angesprochen.

„Wen haben wir denn da?“

Tom steckte sein Handy in seine Hosentasche. Musste er ausgerechnet diesem Juno über den Weg laufen? Sofort überfiel ihn wieder eine Art süße Lähmung, als er in dessen ebenmäßiges Gesicht blickte. „Hast du meinen Koffer gefunden?“, fragte Tom zusammenhanglos.

„Wieso, du bist doch mit einem gekommen?“

Mit einem fragenden Gesichtsausdruck sah der Hawaiianer Tom an. Der grinste etwas schief, während er Juno das Dilemma mit dem Koffer erzählte. „Anscheinend ein dreister Dieb. In der Zwischenzeit wird er sich den Inhalt angesehen und gesagt haben; den behalte ich. Sag mal, bist du allein unterwegs?“

Tom grinste und verstand sofort. Hatte ihn sein Gefühl nicht betrogen. Seit er mit Maurice zusammen war, hatte er einiges dazu gelernt. Er war nicht mehr ganz so verpeilt. Heute merkte er sofort, wenn ein Typ was von ihm wollte. Früher war er eher blind durchs Leben gelaufen.

„Frag nicht“, winkte Tom halbherzig ab. Maurice meldete sich nicht, oder wollte es nicht, je nachdem. Ergo konnte er machen, was er wollte. Das war sein erster Gedanke. Der zweite winkte ihm mit einem roten Tuch. Von wegen: Das mach besser nicht …

„Hast du Zeit? Und Lust, mir ein wenig die Stadt zu zeigen?“, forderte er Juno heraus. Er war sich im Klaren, das dies nicht besonders klug war. Denn das Aufblitzen in Junos Augen sagte ihm genug. Tom musterte ihn offen. Er sah Juno kurz in die Augen, bevor er langsam seinen Blick vom Hals, zur Brust und dann zur Körpermitte gleiten ließ. Das Objekt seiner Begierde leckte sich über die Lippen … Tom genoss es, dass dieser Hübsche ganz offensichtlich heiß auf ihn war. Er fragte sich, was Maurice jetzt in seiner Situation machen würde. Im Innern wusste er die Antwort. Das hier, hatte nichts mit seiner Liebe zu Maurice zu tun. Toms Augen ließen auch nicht von Juno, als sein Handy klingelte.

„Tom?“ Es war tatsächlich Maurice. Endlich, endlich hörte er ihn. Er war unglaublich erleichtert. Sofort war Juno abgemeldet. Er sah ihn bittend an. Dieser hatte verstanden und entfernte sich einige Meter von Tom, behielt ihn jedoch genau im Auge.

„Ich bin hier, Maurice, ja auf Hawaii.“ Tom hörte seinen Freund, wie er kurz mit jemand in einem höchst ärgerlichen Ton sprach. „Ich habe es schon gehört. Von Brian. Das ist großartig. Vor allem, weil ich nichts davon weiß“, klang Maurice Stimme etwas zynisch aus dem Äther. „Ich weiß nicht, warum du dich wunderst, Maurice. Schließlich warst du es, der mich hergeschickt hat und mich jetzt sitzen lässt.“

Als Tom ein empörtes Aufschnauben hörte, kam ihm zum ersten Mal der Gedanke, dass sein Freund wirklich von nichts wusste. „Maurice? Sag was …“, drängte er. Trotz dieser seltsamen Situation, musste er lachen.

„Schatz, ich hab jetzt keine Zeit, weil ich etwas Wichtiges regeln muss. Ich rufe dich nachher zurück. Okay?“

Wimmelte sein Kerl ihn etwa ab? Nein, das war nicht seine Art. Maurice war direkt.

„Ja gut“, knurrte Tom und setzte hinzu „Ich werde jetzt mit Juno einen Gang durch die Gemeinde machen. Bis später.“

Das hatte er loslassen müssen, bevor sein Freund dachte, er würde miesepetrig irgendwo in einer Ecke hocken.

„Juno? Aha. Bis nachher.“ Und weg war Maurice. Tom wusste genau, dass Maurice sich eher die Zunge abbeißen würde, als Tom zu fragen, wer dieser Juno war. Er gab sich lieber locker. Mit Sicherheit hatte ihn Brian von ihrem Gespräch erzählt. Tom fragte sich, ob sein Schatz ihm jemals eine Eifersuchtsszene machen würde. Ob er ihn hinterm Ofen hervorlocken sollte?

Grinsend wandte er seine Aufmerksamkeit Juno zu. Dieser hatte ein wenig an Anziehungskraft eingebüßt. Maurice war eindeutig stärker in Tom vertreten, als er je angenommen hatte. Auch wenn dieser angeblich mit Colin Sex hatte, Liebe verband sie nicht. Liebe konnte man das nennen, was sich zwischen ihm und seinem Partner abspielte. Das ganz besondere Gefühl eben. In diesem Bewusstsein konnte er den Abend deutlich besser genießen. Trotzdem tat es ihm weh …obwohl, Colin hatte nur angedeutet, ob es stimmte, wusste er nicht. Es half alles nichts, er musste abwarten.

Juno entpuppte sich als aufmerksamer Guide. Er zeigte ihm wunderschöne Ecken von Honolulu, wohin sich kaum Touristen verirrten. Stylische Bars, urige Kneipen, mal am Strand, mal mitten in der pulsierenden Stadt. Läden, in denen Tom nach Herzenslust stöbern konnte. Sein Begleiter hatte anfangs versucht, ihn zu küssen. Doch das hatte dieser vehement abgelehnt. Was Juno nicht davon abhielt, seine Hände auf Wanderschaft gehen zu lassen. Tom konnte sie überall an seinem Körper spüren. Einerseits wollte er genau das …Andererseits hörte er Brians Kommentar: Mach keine Dummheiten. Aber verflixt, er war ein Kerl …Diese Aussage klang ziemlich hohl, wie Tom sich eingestand.

Außerdem wurde er das Gefühl nicht los, dass, seit er mit dem Koffer aus dem Hotel gekommen war, ihn jemand verfolgte. Oder war er paranoid? Nein, da war der kleine, schnauzbärtige Kerl wieder. Er sah dem Taxifahrer ähnlich, der ihn dort abgesetzt hatte. Immer wieder sah er sich möglichst unauffällig nach ihm um.

Anscheinend bemerkte Juno dass er unruhig wurde. Er erntete immer wieder mehr oder weniger prüfende Blicke. Um sich von seinem Unwohlsein abzulenken, fragte er seinen Begleiter, was er beruflich mache.

„Ich bin in einer Werbeagentur beschäftigt“, sagte er kurz. „Wenn es klappt, komme ich etwa zwei Mal im Jahr hierher, zum Urlauben. Und auch um meiner Tante und meinem Onkel in der Pension zu helfen. In dieser Zeit machen sie Urlaub. Dann kommt auch meine Schwester her und hilft mir. Ich lebe normalerweise in New York.“

Juno zeigte sogar Fotos von sich, als sie hinten im Garten saßen. Er wirkte gelöst, betonte, dass er selten jemand Fremden so viel von sich erzählen würde. Tom selbst erzählte nicht viel über sein Privatleben. Irgendwie kam ihm dies hier unwirklich vor. Auch weil sich schon wieder eine sexuelle Spannung aufbaute, die entladen werden wollte. Vielleicht lag es an den Blumen, die einen betörend süßlichen Duft verströmten. Oder an dem blauen Himmel …Tom meinte Junos Körperwärme, dessen anziehenden Duft doppelt stark wahrzunehmen. Der andere stand jetzt herausfordernd vor ihm. Die kleine Beule, die sich unter seinem Blick darbot, war zu verführerisch, als dass er sie unbeachtet lassen könnte. Tom ertaste, was der andere bot. Es war nicht wenig, wie er schnell feststellte. Er nestelte an Junos Hose und zog sie etwas hinunter. Seine Hand legte er an dessen warmes Glied und massierte es gekonnt. Es dauerte nicht lange, bis er spürte, wie dieser sich verkrampfte. Gerade noch rechtzeitig zog er sich zurück. Juno stöhnte lauthals seine Lust heraus.

Tom lächelte leicht, während er das hübsche, lustverzerrte Gesicht des Mannes betrachtete. Er würde Maurice mit Sicherheit gefallen. Ja, das hätte was, würde sich Juno von Maurice und ihm vernaschen lassen.

Sein Begleiter hatte sich gefangen. „Du hast eine geschickte Hand“, grinste er. Das tat er auch noch, als Tom sich im offiziellen Teil des Gartens auf eine Bank setzte. Er zeigte somit, dass er keine weitere Annäherung wollte. Im Moment war es gut, wie es war, dachte er sich. Er hatte den anderen ausgelotet.

„Ich würde gerne schwimmen gehen. Nicht im Pool. Im Meer. Du auch?“ Tom schüttelte den Kopf. Momentan hatte er keine Lust auf diese Art der körperlichen Bewegung. „Willst du hier warten oder begleitest du mich?“

Tom entschied sich, Juno zu begleiten. Dieser ging noch kurz ins Haus. Mit einer Badehose, die verboten sexy an ihm aussah, kam er wieder heraus, um sich sogleich ins Meer zu stürzen. Tom setzte sich auf das mitgebrachte, überdimensional große Handtuch und bewunderte die hübsche Kehrseite Junos, als sich dieser kraftvoll ins Meer stürzte.

Toms Handy klingelte. Er fand, dass es genau das richtige Timing war. Die Ruhe um ihn herum, würde dem Gespräch gut tun.

„Ja?“, raunte er. Maurice dunkles Lachen bescherte ihm eine satte Gänsehaut.

„Dir geht es gut.“ Das war typisch sein Kerl. Er fragte nicht, wie es ihm ging oder wo er war. Das wäre auch zu einfach.

„Ja, da hast du recht. Und weißt du was?“ Ja, es ging ihm gut.

„Es ist alles gut so, wie es ist.“ Er hörte das Geräusch eines Kusses.

„Der ist für dich.“ Maurice wollte ihm wohl damit sagen, dass er ihm beipflichtete. Tom wollte reden. Juno schwamm noch immer seine Runde. Anscheinend hatten sich Bekannte zu ihm hinzugesellt, denn er lachte ausgelassen mit ihnen.

„Kennst du das Gefühl, manche Genüsse nicht ausreizen zu wollen? Auch wenn es kribbelt?“ Er war sicher, dass ihn Maurice verstand.

„Sicher, Tom. Du willst mir sagen, dass du einen gewissen Genuss hattest, aber das Sahnestückchen in deiner Begleitung nicht vernaschen möchtest.“

„So sieht es aus. Ich kenne dich, kenne mich …und ich habe Juno, soweit es die vergangenen Stunden zuließen, ein wenig kennengelernt. Er würde durchaus passen …“

Er lachte leise ins Telefon hinein.

„Du hast nicht zugegriffen.“ Tom lächelte, obwohl Maurice ihn nicht sehen konnte.

„Doch, ich habe zugegriffen, Maurice. Bei ihm, er ist gut bestückt. Ein netter Handjob. Aber er durfte nicht … Ich sitze nun hier, völlig unbefriedigt.“

Das letztere knurrte er spontan heraus. Maurice ausgelassenes Lachen sagte ihm alles.

„Selber schuld, Kleiner. Ich sage dir jetzt nicht, ob ich es anders gemacht hätte. Erst schaue ich mir den Knaben genauer an … Deine kleine minimale Untreue wirst du jedenfalls bezahlen müssen.“

Tom grinste breit. Hinsichtlich der „Bestrafung“ fühlte er jetzt schon wohlige Schauer über seinen Körper rinnen.

„Dann überlege dir etwas, mein Schatz. Ich freue mich darauf.“

Maurice Antwort kam auch sofort. „Das werde ich, glaub mir.“ Er bat Tom zu erzählen, warum er allein aufgebrochen war. „Tom, sag mal endlich, wie es dazu kam, dass du jetzt am Strand sitzt. An welchem Strand sitzt du überhaupt? Erzähle mir, was du siehst …damit ich wenigstens in Gedanken bei dir sein kann.“

Tom berichtete.Erwähnte auch den komischen Kerl, der ständig auftauchte. Was Maurice zu einem laufen Schnaufen veranlasste. Juno war aus dem Wasser gekommen, und wickelte sich in ein trockenes Handtuch. Tom wechselte automatisch in seine Muttersprache. Er hörte Maurice belustigt auflachen. „Ach mein armer Schatz, du hast mein Mitgefühl. Deine Sachen habe ich dir damit wohl umsonst gekauft. Nur meinen Koffer hätte ich schon gerne wieder“, seufzte Maurice.

„Du hast mir schöne Sachen besorgt, wieso dann aber das hässliche Hawaiihemd? Warum dieses Hotel? So hoch oben, wo du doch mich in und auswendig kennst…ich habe ständig versucht, dich zu erreichen …“

„Mein Telefon ist mir abhanden gekommen.“ Tom schnaubte kurz. „Ja wirklich, Tom. Ich habe jetzt keine Zeit, dir alles zu erklären. Ich sag’s dir noch mal. Das war ich nicht! Ich kenne weder das Hotel, noch das Hemd. Ich liebe dich, Tom. Ich würde dir niemals etwas zumuten, von dem ich weiß, dass du es nicht magst.“

Maurice hatte so überzeugend geklungen, dass Tom ihm unbesehen glaubte. Juno sah ihn merkwürdig an

„Hör zu Tom, es bringt nichts, das jetzt am Telefon zu diskutieren. Was diesen seltsamen Typ betrifft, da pass mal besser auf Ich liebe dich, Darling.“

Tom überfiel wieder ein ungutes Gefühl.

„Ist dieser Juno in der Nähe? Dann gib ihn mir mal ans Rohr.“

Maurice klang so bestimmt, dass Tom nicht lange fragte, warum Maurice Juno sprechen wollte. Der sah ihn höchst irritiert an, als ihm Tom das Handy in die Hand drückte und ihn aufmunternd anlächelte. Juno lauschte zuerst Maurice Worten, dann erklärte er ihm, dass er selbst auf gepackten Koffern säße. In schneller Reihenfolge sagte er, Yes oder No, lachte amüsiert auf und mit einem abschließenden Okay, übergab er Tom das Handy. Tom hatte so dermaßen schnell gesprochen, dass er kaum etwas mitbekommen hatte. Hatte er richtig verstanden, dass Junos Urlaub zu Ende war?

„Tom? Juno weiß Bescheid. Bleib bitte, wo du bist und warte ab. Bis bald.“

Tom rollte mit den Augen. Hatte Maurice Juno gewarnt, Tom anzufassen oder ihm gar etwas versprochen? Nein, er wollte lieber nicht darüber nachdenken.

Er hatte Maurice nicht mal fragen können, wann er kommen würde. Ich tue jetzt einfach, wie mir befohlen, dachte er grimmig. Langsam ging ihm dieses Hin und Her auf die Nerven. Und Junos Gegenwart machte für ihn die Situation auch nicht besser. Seine neue Bekanntschaft setzte sich neben ihn. Und sagte erst mal gar nichts.

„Und, sollst du auf mich aufpassen?“, platzte Tom unwillig heraus. Was seiner Begleitung ein herzhaftes Lachen entlockte.

„Auf dich aufpassen? Du hast sie nicht alle. Denke, du weißt, was du tust. Dein Herr und Gebieter auch, schätze ich …“

Allein wie er das sagte, ließ die beiden in ausgelassenes Gelächter ausbrechen.

„Nein, im Ernst. Er bat mich nur, die Augen aufzuhalten, was deinen Schatten betrifft. Und das werde ich tun.“ Junos Entschlossenheit stand ihm im Gesicht geschrieben. „ Dein Kerl wirkte recht taff.“

Juno leckte sich mit der Zunge über die Lippen, und fixierte dabei Tom, dem es schon wieder heiß wurde. „Ich kann gerne in deiner Nähe bleiben. Das macht mir nichts aus; nur geht in zwei Tagen mein Urlaub zu Ende. Bis dahin, lasse ich dich nicht aus den Augen. Aber sag mal, warum sagtest du nicht, dass du beschattet wirst?“

Tom war nicht sehr überrascht, als Juno damit anfing.

„Meinst du, ich habe etwas, das ich nicht haben sollte?“

Juno nickte nur und ging nicht weiter darauf ein. Was Tom nicht gefiel. Zur Sicherheit ging er den ganzen Tag, und auch nicht den Abend nicht weg. Juno stand hinter der Rezeption oder saß im Büro. Hin und wieder leisteten sie einander Gesellschaft. Spät am Abend verzog sich Tom in sein Zimmer, fand sich aber schon früh am Morgen wieder im Garten ein, wo er die Stille genoss. Gegen sieben Uhr kam Junos Schwester, um das Frühstück für die Gäste vorzubereiten. Juno war nicht zu sehen. Ein Gast kam an und als er sprach, hielt Tom nichts mehr. Maurice. In Windeseile war er ihm um den Hals gefallen. Endlich, dachte er überglücklich. Sein Schatz hielt ihn fest an sich gepresst, den Kopf von Tom haltend, ihm über den Rücken streichelnd. Im Augenwinkel sah er Juno, wie dieser ungläubig, und auch sehr interessiert beide musterte. Nichts da, dachte Tom, du kannst ihn später betrachten. Er entzog sich Maurice Armen. Dieser lächelte breit, erledigte den Rest der Formalitäten mit Junos Schwester und ging langsam mit seinem großen Koffer hinter Tom her.

Aber kaum waren sie aus dem Blickfeld verschwunden, stieß Maurice Tom an die Wand und küsste ihn gierig. So ging es weiter, bis sie in Toms Zimmer angelangt waren. Sie sprachen nicht viel. Zuerst mussten ihre körperlichen Bedürfnisse gestillt werden. Maurice stieß Tom aufs Bett und warf sich auf ihn. Er verschlang Tom förmlich mit seinem unbeherrschten Kuss. Ihre Hände streichelten, lockten sich, entpuppten sich als rücksichtslos dem störenden Stoff gegenüber, der sie von der Haut des anderen trennte. Endlich waren sie wieder vereint. Maurice zog Toms Hände über dessen Arme. Ehe dieser sich versah, machte es `Klick` und Tom war in Handschellen gefangen. Ungläubig sah er seinen Geliebten an, der ihn frech angrinste.

Tom stöhnte verhalten auf, als sein Freund mit der Zunge über sein Glied streichelte. Er wollte mehr …doch Maurice ließ wieder von ihm ab. Widmete sich stattdessen Toms Füßen, deren Zehen er ausgiebig knetete. Er wusste genau, dass Tom diese Zärtlichkeit liebte. Maurice Hände streichelten grausam langsam über seine Beine, kratzte mit Fingernägeln über dessen Schenkel, wobei er kleine Kratzer hinterließ. Ruppig stellte er Toms Beine auf, legte sich zwischen sie und schnupperte ausgiebig an Toms Hoden.

„Dein Duft ist nur genial“, murmelte er und saugte sie vorsichtig in den Mund. Er entließ sie wieder, um sich dem Hintereingang seines Gespielen zu widmen. Finger drangen in Tom, frech, mal kurz, mal länger, sie rieben sich an ihm, führten in seinem Innern Tänze auf …

„Maurice …mach schon …“, flüsterte Tom. Ungeduldig warf er den Kopf hin und her. Wieder kamen Maurice Lippen zum Einsatz. Nasse Spuren überzogen Toms Bauch, den eine Gänsehaut nach der anderen überfiel. Fast war er versucht, seinen Partner anzubrüllen, dass er ihn endlich nehmen sollte. Doch das würde nichts bringen. Fasziniert betrachtete Tom den sehnigen Körper seines Geliebten, der leicht vom Schweiß glänzte. Also musste ihm seine Aktion auch ein wenig Selbstbeherrschung gekostet haben, konstatierte Tom. Die Härte seines Freundes stand schon länger wie eine Eins. Immer wieder mal rieb er sich, keuchte und unterbrach sein Spiel. Seine Augen mit dem ungemein sexy Blick, schienen durch Tom hindurch zu sehen, direkt in sein Herz. Er streichelte Toms Körper, massierte ihn mit einem duftenden Öl, das er in Windeseile herbeigezaubert hatte.

Maurice gab ihm noch nicht die ersehnte Erlösung. Immer wieder, wenn er Tom an den Rand der Klippe brachte, holte er ihn wieder abrupt zurück. Sein Gesichtsausdruck wirkte angespannt. Seine Bewegungen fahriger. Und schon schoss sein Samen hervor.Tom liebte es, wenn Maurice sich auf ihn verströmte. Er selbst bekam seine Erlösung nicht. Und Tom begriff endlich, dass dies Maurice Bestrafung war. Maurice würde es momentan nicht zu Ende bringen wollen. Sein Herz schlug wie wild, er zwang sich, an etwas anderes zu denken, als an Sex. Und lächelte, als Maurice ihn von den Handschellen befreite.

Engumschlungen genossen sie die Gegenwart des anderen.

„Endlich, hab ich dich wieder“, nuschelte Maurice an Toms Hals. Sie verloren kein Wort über das eben Geschehene. Das war eben so. Sie küssten sich, zärtlich, sich selbst vergessend.

Viel später saßen sie in einem Restaurant, wo sie ausgiebig zu Mittag aßen. Und Tom erzählte Maurice noch mal, was geschehen war. Sein Freund schüttelte ungläubig den Kopf.

„Ich kann das durchaus nachvollziehen, im Prinzip sah alles so aus, als hätte ich es vorbereitet. Dieses Resort hätte ich nie im Leben ausgesucht…aber ich kann dir flüstern, wer uns da verarscht hat.“ Tom musste nicht lange raten.

„Colin?“ Maurice nickte. „Er stahl mein Handy, las meine Nachrichten, richtete eine Menge Unfrieden und Durcheinander an. Die Band hat heute Abend einen Auftritt ohne mich. Brian ist ein toller Sänger, der wird das machen. Wenn Colin das mitkriegt, dass ich abgehauen bin, wird er toben. Doch wir haben uns schon miteinander beraten. Er wird gehen müssen.“

Maurice attraktive Gesichtszüge hatten einen harten Ausdruck angenommen. Tom sagte nichts dazu. Im Moment wollte er nur noch mit seinem Geliebten Urlaub machen.

„Hast du es schon bemerkt? Da starrt seit einiger Zeit ein Kerl zu uns rüber. Ein finster wirkender Typ“, fragte ihn Maurice. Tom drehte sich wie zufällig und verneinte.

„Dass ich verfolgt werde, seit ich aus dem Hotel ausgecheckt habe, weiß ich. Aber das jetzt ein zweiter dazu kommt, ist mir neu. Wir sollten zurück. Den Koffer endlich öffnen.“

Maurice nickte. „Seltsam, warum wirst du verfolgt? …Ach ja, mein teurer Koffer. Ich möchte ihn wieder. Ja, du hast Recht. Mal sehen, was der andere beinhaltet. Und im Übrigen werden wir zwei Hübschen uns heute in ein anderes Quartier begeben. Versteh mich nicht falsch, es ist hübsch hier. Aber ich hab was anderes im Sinn.“

Tom nickte Maurice erheitert zu. „Du willst ein anderes Waikiki Beach Resort, schätze ich.“ Maurice lachte. „Yes Sir, möchte ich!“

Miteinander scherzend schlenderten sie zielstrebig zum Hotel. Sie taten so, als würden sie nicht bemerken, dass ihnen jemand folgte. Tom wollte gerade die Eingangstür aufmachen, als sie wie von selbst aufschwang und Juno überrascht davor stand.

„Aloha Mister, so temperamentvoll? Hast du was vor?“, sagte er und lächelte Tom an. Hinter diesem stand Maurice, der Juno sicherlich gründlich musterte, wie Tom annahm. Er trat zur Seite, und grinste verschmitzt.

„Ja, ich habe viel vor“, sprach’s und sah liebevoll seinen Freund an. Junos Blick ging vom einen zum anderen. „Du liegst schon richtig mit deiner Vermutung, Juno. Das ist Maurice, mein Lebensgefährte. Maurice, darf ich dir Juno vorstellen, der mich seit meiner Ankunft hier, ein paar Stunden abgelenkt hatte?“

Beide Männer sahen sich kurz in die Augen, nickten sich nur zu. Was Maurice gerade dachte, konnte Tom nicht ausmachen. Juno dagegen leckte sich über die Lippen, ein leichtes Lächeln erschien. Aha, angebissen, dachte Tom. Ihm gefällt mein Schatz. Juno hätten wir also an der Angel, der Gedanke hat was

„Wir wollten gerade den Koffer öffnen. Es wäre mir recht, wenn du mitkämst“, sagte er zu Juno. Der hatte nichts dagegen und ein paar Minuten später standen sie in Toms Zimmer. Maurice wuchtete den fremden Koffer aufs Bett, direkt neben die Handschellen, die Juno mit großen Augen anstarrte. Maurice hatte deutlich mehr Geduld mit dem Öffnen des Koffers, als Tom. Als er den Deckel zurückschlug, machten sie große Augen. Ein großes graues Handtuch, das schon bessere Zeiten hinter sich gehabt haben musste, versperrte den Blick auf das Darunterliegende. Mit spitzen Fingern hob Tom es ein wenig an. Darunter lachte sie großkarierte Damenleggins an. Daneben lagen mehrere Herrenhosen, dazu Hemden in schrillster Optik. Dazu ein Trainingsanzug, im Siebziger Jahre Stil. Und alles in Zeltgröße. Waren das etwa …Lockenwickler? Und weiße Feinrippunterwäsche?

Die Männer bekamen einen unbändigen Lachanfall. Tom bemerkte Maurice belustigten Blick, mit dem er ihn ansah. „Oh nein, mein Schatz, du stellst dir jetzt hoffentlich nicht vor, wie ich darin aussehen würde?“ Und schon prusteten sie wieder los. „Nie und nimmer, Darling“, flötete Maurice scheinheilig. Er war dabei, den Koffer gründlich zu durchsuchen. „Es muss einen Grund haben, dass dir jemand nachging. Dich kennt hier schließlich niemand, also kann es nur am Koffer liegen …“

Im Nu wurden sie ernst. Es war Juno, der entdeckte, dass ein doppelter Boden vorhanden war. Was er heraus zog, waren Papiere. Sie setzten sich auf das Bett. Tom, der in der Mitte saß, genoss es, die Wärme der beiden anderen Männer zu spüren. Doch nach Sex war ihm gerade nicht. Im Gegenteil, ihm wurde mulmig, als Juno aussprach, was er dachte.

„Pferderennen. Wetten. In Amerika, wie auch Europa. Manipuliert, behaupte ich jetzt mal. Wenn das in die falschen Hände gerät, sind die Typen dran. Schaut, da stehen Namen. Sogar hier bekannte. Oha …“

Maurice seufzte. „Ich habe einen guten Freund, der sich derzeit auch mit solchen Sachen herumschlägt, das heißt, eher sein Freund. Santi scheint tief beunruhigt. Vielleicht sollte ich ihn kontaktieren.“

Die drei beratschlagten, was sie tun sollten.

„Ihr werdet besser nichts tun. Macht Urlaub. Lasst den Koffer da, ich werde mich darum kümmern, erstens um ihn loszuwerden, zweitens, damit ihr euren Koffer wieder bekommt. Ich werde mir etwas einfallen lassen.“

Er ging aus dem Zimmer und kam mit einer hochwertigen Kamera zurück, um sorgfältig Blatt für Blatt abzulichten.

„Wir werden heute abreisen“, entschied Maurice. Juno schien es zu bedauern. „War nett dich kennenzulernen. Unter anderen Umständen hätte man das eventuell vertiefen können …“

Maurice lächelte ihn an. „Dito. Schauen wir mal …“

Tom umarmte Juno herzlich zum Abschied. Ein Gefühl sagte ihm, dass er heute den jungen Hawaiianer nicht das letzte Mal gesehen hatte. Auch Maurice umarmte Juno, und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Der grinste breit und verzog sich, um ihnen ein Taxi zu rufen, das sie zum Flughafen brachte. Tom sah sich hin und wieder um, ob ihnen jemand folgte. Er konnte jedoch niemand ausmachen.

Dieses Mal herrschte in Tom vollkommene Ruhe, als er im Flugzeug saß. Sein Freund hatte gleich während es Starts nach seiner Hand gegriffen. So konnte er den Flug nach Oahu in vollen Zügen genießen. Blauer Himmel und unten das Meer, mit exakt der gleichen Farbe. Allein die Ankunft war ein Traum. Sie mussten nur ein paar Meter durch eine Halle und schon standen sie an einem breiten, schneeweißen Steg, an dem sie ein freundlicher Mann lächelnd begrüßte und sie zu ihrer Unterkunft geleitete.

Tom war hin und weg. Und auch Maurice schien beeindruckt zu sein. Nichts hier erschien auf irgendeine Art und Weise gekünstelt. Und doch war hier jemand zugange gewesen, der sich allem Anschein nach bis ins kleinste Detail Gedanken gemacht hatte, wie er seine Umgebung gestalten konnte. Die Farbauswahl der Blumen, war eher zurückhaltend. War im anderen Resort Wert auf Farbenvielfalt gelegt worden, herrschten hier kaum mehr als drei Farben vor. Grün, Weiß und ein knalliges Rot. Ob Büsche oder Rabatten. Die ganze Außenanlage strömte eine Harmonie aus, die sich sofort auf die Seele legte. Diese fantastische Harmonie setzte sich auch in ihrem Zimmer fort, das von außen eher an ein kleines Haus erinnerte. Im unteren Bereich, ein sehr geräumiger Raum, harmonierte ein dunkles Lila mit strahlendem Weiß und einem dezenten Lindgrün. Der Raum wurde von einer bequemen Sitzgruppe beherrscht, die an Gemütlichkeit kaum zu übertreffen war. Hinzu kam eine exzellent sortierte Hausbar. Daneben hatte ein Kaffeeautomat Platz gefunden, der Kaffeeträume wahr werden ließ, wie Maurice lachend meinte. Alles in allem war hier kaum an hervorragenden Materialien gespart worden. Über eine kleine Wendeltreppe erreichte man den offenen Schlafbereich. Der geräumige Raum bestand aus einem diskret angebrachten Schrank, den beide beinahe übersehen hätten. Ein großes Doppelbett stand so, dass man bequem auf den Pazifik blicken konnte. Auch das Bad entpuppte sich als Hit. Es war zum Meer hin voll verglast. Man konnte nach draußen sehen, jedoch nicht denjenigen, der sich darin befand.

„Hat was“, murmelte Maurice und ließ sich aufs Bett plumpsen. Tom gesellte sich zu ihm. „Schlafen“, nuschelte er und war auch sofort weggenickt. Keine zwei Stunden später standen sie gemeinsam unter der geräumigen Dusche und ließen es sich gut gehen. Und endlich bekam auch Tom seine ersehnte Erlösung. Sein Herz schlug wie verrückt, als er an Maurice gelehnt, versuchte, sich wieder in den Griff zu bekommen.

Später erkundeten sie ihre Umgebung. Anscheinend verteilten sich die zehn Lodges rund um eine große Bar. Und unterhalb des Restaurants, wo sie abends köstlich dinierten. Während ihres Dinners sah sich Tom unauffällig um.

„Sag mal, ist es das, was ich vermute? Hier sind nur Männer …“

Maurice lächelte. „Japp, Darling. Als Gäste auf jeden Fall. Wobei, die Betreiber sind ein Geschwisterpaar, mit ihren jeweiligen Partnern. Und zwei Töchter sind auch involviert. Ich habe dieses Resort sofort ins Auge gefasst, dass hier nur Jungs sind, fiel mir erst bei näherem Nachsehen auf. Aber ich denke, das können wir verschmerzen, meinst du nicht?“

Tom kicherte. „Was mir eher zu denken gibt, ist, dass ich keine Badehose dabei habe. Ich denke mal nicht, dass hier nackt spazieren zu gehen, erlaubt ist. Ich wollte welche kaufen, wurde dann aber abgelenkt.“

Maurice schüttelte den Kopf. „Darling, mach dir keine Gedanken. Ich habe genügend Sachen mit. Nicht nur für mich. Bevor ich bei dir erschien, konnte ich in Honolulu nicht widerstehen und habe eingekauft. Kennst mich doch …“

Tom war total gerührt. „Das mit dem Koffer, tut mir sehr leid. Ich weiß doch, wie sehr du ihn mochtest. Und auch die tollen Sachen …Das ist typisch für mich, immer mal wieder in die Bredouille schlittern.“

Maurice griff nach seiner Hand. „Ich sehe das anders. Der Koffer ist, was er ist, ein Koffer. Sicher war er teuer, so ein Teil gibt es nicht sehr oft. Ich habe mich eher über mich geärgert. Aber warum, will ich dir noch nicht erzählen, außer, das dieser Kerl meine Pläne durchkreuzte. Aber wie gesagt, Honey, lass gut sein. Und seit du mit mir zusammen bist, passe ich doch auf dich auf. Und du auf mich…“

Maurice beugte sich zu Tom, um ihm einen zärtlichen Kuss zu geben.

Als es Nacht wurde, schlenderten sie am Strand entlang. Das Gefühl, wie beide einander gestanden, konnte man einfach nur als perfekt bezeichnen. Hier hatte Sex eine ganz andere Bedeutung, wie Tom fand. Liebe machen, dachte er. Auch wenn es fürchterlich abgedroschen klang. Er fühlte sich ungeheuer zufrieden, als er schweißgebadet Maurice umarmte und sich seinem abklingenden Orgasmus hingab.

Am anderen Morgen musste Tom ein paar neue Badehosen anprobieren.

„He, die sind ja noch schärfer, als die anderen.“ Mit großen Augen sah er seinen Freund an.

„In den Badehosen siehst du rattenscharf aus, Kleiner. Da muss ich besonders auf dich achten.“ Sein Kerl sah ihn lüstern an. „Ja, ich gefalle mir auch, ich wäre auf jeden Fall hinter mir her“, gluckste Tom.

Am anderen Tag besuchten sie das Polynesian Culturel Center. Sie informierten sich eingehend über die polynesische Kultur und ihre Tradition. Tom gefiel bei einer Vorführung der Charme des Hula Tanzes. Er wiegte sich eifrig in den Hüften, ahmte Mimik und Gestik der Männer nicht ganz talentlos nach. Und auch Maurice sah man an, dass er keine Steine um die Hüften hatte. Die beiden wurden freundlich gefragt, ob sie nicht an einem kleinen Tanzkurs teilnehmen wollten. Natürlich sagten sie begeistert zu. Maurice stellte dann am Ende fest, das man auf mehr achten musste, als gedacht.

„Das sieht so dermaßen leicht aus, ist aber wirklich körperliche Arbeit“, stöhnte er bei ihrem abendlichen Spaziergang am Strand.

„Baby, du packst das, so wie aus den Hüften kommst …“, gigelte Tom drauflos.

Sein Freund überfiel ihn dann doch tatsächlich am Strand …

Sie hatten das Vergnügen, von ihrer Tanzlehrerin als einzige des Kurses, zu einem traditionellen Grillfest eingeladen zu werden. Was da abgehen sollte, davon hatten sie natürlich keine Ahnung. Kurzerhand fragte sie Claire, einer der Köchinnen, die sie am Grill verwöhnte. Zu der älteren Polynesierin hatten sie sofort einen herzlichen Draht. Sie war schon in Deutschland gewesen, zum Arbeiten. Als ihr Mann verstarb, war sie wieder in den Schoß der Familie zurückgekehrt. Maurice lud sie ein, sie in Deutschland zu besuchen. Tom wusste, dass Maurice es durchaus möglich machen würde, dass Claire kommen konnte.

Überhaupt, er liebte Maurice von Tag zu Tag mehr. Über Juno hatte er nur gesagt, dass er bestimmt nicht zusehen würde, würde dieser einen Frontalangriff auf Tom starten. Daraufhin hatte dieser nur gelacht.

„Den hast du eingeschüchtert. Wenn er kein Zeichen von dir bekommt, startet der keinen Angriff. Warte es ab, ob er sich meldet. Ob er den Mumm hat.“

Tom war etwas eingefallen. „ Außerdem …Wenn wir ihn getestet haben, stelle ich ihn Paul vor …“

„Oha, das gäbe ein Pärchen ...“ Es war eindeutig, Maurice glaubte nicht an diese Konstellation. Tom schon. Hatte Maurice etwa jemand anderen im Sinn?

Zum Grillfest brachten sie einen Kartoffelsalat Made in Germany mit, der ein voller Erfolg wurde. Eigentlich war dies das Geheimnis gewesen. Jeder sollte nach alter Tradition etwas mitbringen. Der Gastgeber stellte ein Spanferkel zur Verfügung. Als es dunkel wurde, fingen die Frauen an, Hula zu tanzen. Alle waren hin und weg.

Einer ihrer Höhepunkte in diesen Tagen war ein Besuch im Hawaii-Volcanoes Nationalpark Allein die Anreise war für sie beide schon abenteuerlich. Ein kleines Wasserflugzeug brachte sie hin und holte sie auch wieder ab. Ein paar Stunden verbrachten sie mit einer kleinen Wanderung um den Mauna Loa, ein immer noch aktiver Vulkan. Auch dieser Tag war für sie überwältigend. Maurice fotografierte ohne Ende.

Einige Tage dienten der körperlichen Entspannung. Sie machten ausgedehnte Strandspaziergänge, liebten sich ausgiebig in ihrer Lodge oder auch mal am Strand. Wobei Tom es so gar nicht mochte, da Sand zu finden, wo er ihn so gar nicht haben wollte … Maurice lachte sich immer schief, wenn Tom maulte.

 

Zu guter Letzt gönnten sie sich noch eine Lomi Lomi Massage, die direkt am Strand den Gästen angeboten wurde. Mit ruhigen Bewegungen und sehr viel wohlriechendem Öl erlebten sie Entspannung pur. Hinzu kamen die Kulisse einer wunderschönen Landschaft, der Pazifik und ein äußerst ansprechender Masseur. Der zugleich auch ihr Surflehrer war. Wobei es Tom bewusst wurde, dass dies nicht unbedingt sein Sport werden würde. Und auch Maurice winkte ab.

„Urlaub mit dir, ist auch wirklich Urlaub, Darling. Du bist voll auf meiner Wellenlänge.“ Das Kompliment Maurice` ging Tom runter wie Öl

 

Schweren Herzens nahmen sie Abschied von ihrer Urlaubsidylle. Es ging zurück nach Honolulu. Von dort aus flogen sie in ihre Heimat zurück. „Was war das für einen seltsamer Auftakt unseres Urlaubes, findest du nicht?“, fragte Tom Maurice, als sie Wochen später in ihrem Häuschen bei einem Glas Wein in ihrem Bett kuschelten. Und über den Urlaub und Juno sprachen.

Er hatte sie tatsächlich kontaktiert. Via Skype hatte er sie informiert, dass der Mann vom Taxi jemanden hatte erpressen wollen. Aber ihm war die ganze Sache zu heiß geworden und Tom war ihm gerade rechtzeitig in den Weg gelaufen. Aber wo er jetzt sei, das entziehe sich im Moment noch seiner Kenntnis. Er jedenfalls wolle dranbleiben. Und Tom und Maurice wollten an ihm dranbleiben …irgendwie. Es war nichts beschlossen, keine Gedanken ausgesprochen. Sie genügten sich vollkommen. Er wäre nur ein zusätzliches Häppchen …

Maurice hatte es endlich geschafft, die vielen Bilder, die er geschossen hatte, zu katalogisieren. Voller Stolz präsentierte er Tom ein wunderschön aufbereitetes Fotoalbum. „Du bist ein Genie, deine Bilder betreffen. Ich frage mich immer noch, wo der Koffer ist. So schön, so interessant es auch war, aber ich möchte die nächste Zeit nicht nach Hawaii“, sagte Tom entschieden. Er wollte weiter sprechen, doch Maurice verschloss seinen Mund mit einem Kuss.

„Ich auch nicht, Honey.“

Damit war dies schon mal beschlossene Sache.

Ob der Koffer auftauchte, Juno sie wirklich besuchen kam, und wie Paul und noch ein anderer wegen Juno so drauf war, das ist wieder eine andere Geschichte!

 

ENDE

 

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M. S. Kelts: Tanlines

(Jamie & Mike, »Loving Silver«)

 

 

Und es sieht doch scheiße aus, denke ich, während ich die Szene durch meine Kamera betrachte. Der Übergang zwischen Mikes weißem Hintern und seinem deutlich dunkleren Rücken ist wie mit einem Lineal gezogen. Ich könnte aus der Haut fahren, wenn ich an die Arbeit denke, die mir das einbringt. Ich hasse Tanlines! Vor allem, wenn man sie eigentlich vermeiden könnte.

Mann, bin ich urlaubsreif und mir wird klar, dass mich nicht nur Mikes weißer Hintern, sondern auch sein Drehpartner Carter auf die Palme bringt.

Es ist jetzt das dritte Mal, dass sie gemeinsam vor der Kamera stehen. Eindeutig drei Mal zu viel! Der Kleine ist zwei Jahre jünger als ich, schmaler und hellblond. Keine Tattoos, ein täuschend unschuldiges Miststück, das es faustdick hinter den Ohren und ein Faible für meinen Mann hat! Ich weiß nicht, mit wem er ins Bett geht, um immer wieder Szenen mit Mike zu ergattern. Das ist völlig untypisch. Die Fans verlangen nach neuen Paarungen, aber Northman und Shade kommen gut an. Viel zu gut für meinen Geschmack.

Und mein werter Mann kriegt nicht mal mit, dass der Junge auf ihn steht und das hier längst mehr als ein Fick für die Kamera ist.

Northman, der sanfte Ritter! Bäh! Grandios, dass er inzwischen das Prädikat Wertvoll auf dem Schwanz kleben hat und die Neueinsteiger auf einem goldenen Tablet serviert bekommt.

Szenenwechsel. Ich seufze und wische mir den Schweiß von der Stirn, während ich aus der Sonne trete.

Mike springt in den Pool, taucht kurz unter und streicht seine blonden Haare lächelnd zurück. Was gäbe ich darum jetzt dort drüben am Rand zu sitzen und an Carters Stelle zu sein. Wunschträume. Wir haben kein einziges Mal zusammen gedreht, purer Selbstschutz und … die Narben auf meinem Körper sind höchstens für einen Horrorfilm, nicht aber für einen Porno der gehobenen Klasse geeignet.

Ich umrunde den Pool ebenfalls und knie mich links neben ihnen in den Schatten einer Mauer. Mikes blaue Augen folgen mir, jetzt lächelt er mich liebevoll an und zwinkert mir zu. Ich kann gar nicht anders und erwidere die Geste grinsend. Ich sehe ihm an, dass er meine Gedanken bezüglich des gemeinsamen Drehs wohl teilt. Aus Vernunftgründen haben wir uns gleich ganz zu Anfang unserer Partnerschaft geeinigt Privates mit Geschäftlichem in diesem Bereich zu trennen, aber jedes Mal überkommt uns die Sehnsucht. Wir arbeiten nun mal gern zusammen und haben keinerlei Problem damit unsere Liebe offen, weder auf Fotos noch vor der Filmkamera, auszuleben.

Noch ein paar Stunden und ich werde ihm Carters Arsch aus dem Gehirn und seiner Erinnerung treiben! Wäre ja noch schöner. So ein junger Hüpfer!

Es geht weiter. Ich sinke auf die Fersen und winke meinem Assistenten, dass er die Aufhellplane anders drehen soll.

Mikes breites Kreuz wirft Schatten auf Carters Unterleib. Aber auf der anderen Poolseite ist kein Platz für die Kamera und man würde die Aussicht auf das Meer hinter ihnen nicht sehen. Also trotz der Hitze ein paar gut platzierte Scheinwerfer und es funktioniert.

Carter lässt sich geschmeidig mit gespreizten Beinen am Poolrand nieder und leckt sich die Lippen. Ich möchte ihn schlagen! Echt! Und meinen Ehemann gleich mit dazu. Mein Göttergatte geht arglos auf die Neckerei ein, streicht dem Jungen über die Oberschenkel und strahlt ihn an. Ich kneife kurz meine Augen zu und atme tief durch.

Film! Dreh! Arbeit! Nichts Persönliches! Es gab mal eine Zeit, da habe ich das Mike immer wieder vorgebetet und jetzt steh ich selbst hier und kämpfe mit Eifersucht.

Aber der Junge treibt es echt auf die Spitze mit seinem Getätschel und den viel zu intimen Gesten, die alle mitbekommen, nur Mr. Northman nicht. Mir bleibt nur ein Trost: Noch ein paar Stunden, dann geht’s an in den Urlaub. Endlich! Nach einem halben Jahr Dreh- und Shootingmarathon haben wir uns das echt verdient.

Das Gepäck ist bereits aufgegeben und wir fliegen direkt von Miami nach Hawaii in ein teures Resort. Drei Wochen nichts tun, keine Termine und keine Handys. Nur wir beide und so was wie zweite Flitterwochen!

Carter stöhnt laut unter Mikes kraftvollen Stößen. Er liegt am Rand, seine Beine auf Mikes Schultern und krallt sich an seinen Unterarmen fest. Ich atme tief durch und drücke auf den Auslöser. Manchmal, so wie heute, verfluche ich die Steherqualitäten meines Mannes. Er schafft es hervorragend, sich auf den Jungen einzustellen, gibt ihm Zeit und mir die Gelegenheit, gute Bilder zu schießen.

Nach einigen Minuten ist das Spektakel dann endlich vorbei. Sie liegen nebeneinander vor dem Becken auf einem Handtuch. Beide Cumshots sind im Kasten und ich packe meine Kamera ein.

Mike grinst mich an, als ich ihn passiere und das kühle Innere des Hauses anstrebe. Hmmm, er kann auch zufrieden sein, nicht zu glauben, dass er erst seit etwas über einem Jahr im Geschäft ist, so gut wie er die Sache macht. Naturtalent eben! Das habe ich von Anfang an gewusst! Jetzt beugt er sich zu Carter, spricht leise mit ihm und küsst ihn liebevoll auf die Lippen. Würg … weg hier. Ich weiß, es gehört zum guten Ton und mein Mann ist ja gerade so beliebt, weil er seinen Drehpartnern immer das Gefühl gibt mehr, als nur ein Kamerafick zu sein. Dafür bewundere und liebe ich ihn, aber nicht, wenn er diese Bitch jedes Mal in ihrer Bewunderung bestärkt und sie noch weiter anheizt.

Kurze Zeit später erscheint er frisch geduscht und gut gelaunt. Mikes Hände liegen fest auf meinen Hüften, während er über meine Schulter späht und mir beim Einpacken zusieht.

„Bist zu zufrieden, Schatz?“, verlangt er zu wissen und küsst mein Ohrläppchen.

„Dank dir darf ich jetzt im Urlaub die Bilder bearbeiten. Dein weißer Arsch polarisiert ein wenig zu sehr. Wenn ich das nächste Mal sage, du sollst dich ohne Hose sonnen, machst du das bitte auch.“ Mein Ton ist spitz, ich ärgere mich über mich selbst, weil dieses Greenhorn von Carter mich so aus der Reserve lockt.

„Dann würde ich jetzt wie ein Pavian aussehen, nachdem ich eingepennt bin und mir fast einen Sonnenbrand geholt habe.“ Er kichert leise.

Ich schüttle den Kopf und versuche das Bild daraus zu vertreiben. „Dann solltest du im Urlaub an deiner nahtlosen Bräune arbeiten, wie wäre das?“

Mike dreht mich schwungvoll zu sich herum und schmunzelt mich an. „Ich würde viel lieber an verschiedenen Stellungen mit dir arbeiten.“

„Darfst du, ich liege unten und dein Hintern bekommt Sonne!“

„Toll! Am Strand zwischen all den gut betuchten Touristen?“

„Ja, ich stell eine Sammelbüchse auf, dann ist unser Urlaub nach einer Nummer bezahlt.“

Wir lachen beide und er zieht mich in seine Arme.

„Ich freu mich so auf die freie Zeit mit dir, Zuckerschnecke. Nur wir beide, Sonne, Sand, ein großes Bett, was gibt es Schöneres?“

Ich schmiege mich an seine breite Brust und genieße das exklusive Recht seiner Nähe. Blondie hin oder her. Mike ist mein Mann und wir sind, in unserem dritten Jahr noch genauso heiß aufeinander wie zu Anfang. Und ja, ich gedenke, die Tage und Nächte mit ihm reichlich zu nutzen.

Ich weiche voll Bedauern zurück, küsse seinen Hals, was ihm ein leises Seufzen entlockt und schaue zu ihm auf. „Hilfst du mir, die Taschen in den Wagen zu tragen?“

Mike nickt lächelnd, platziert seine Lippen auf meiner Nase und schnappt sich die Ausrüstung. Ich folge ihm umgehend und bringe das kleine Kameracase zu unserem Auto, weil ich es mitnehmen möchte. Das Equipment fährt Mike, ein befreundeter Security, später in mein und Kents Studio.

Meine Vorfreude verflüchtigt sich in Windeseile, als ich in die Villa zurückkehre und mich verabschieden möchte. Wieder hat sich Carter meinen Mann gekrallt und steht mit ihm etwas abseits, wo sie sich angeregt unterhalten. Der Junge muss echt aufpassen, dass ich ihm nicht eine verpasse. Ah, und jetzt grinst er mich auch noch unverschämt an. Fuck! Geht mir das auf den Geist! Diese Bitch weiß haargenau, dass mich diese Dreistigkeit auf die Palme bringt.

Gezwungen ruhig mache ich die Runde und verabschiede mich von allen Anwesenden. Auf dem Rückweg stehen die beiden noch immer beieinander. Carters Hand liegt auf Mikes Oberarm, streichelt ihn vertraulich. Mit zusammengebissenen Zähnen gehe ich zu ihnen und treibe den Jungen einen Schritt zurück.

„Babe? Bist du so weit? Wir sollten langsam zum Flughafen.“

Carter schluckt hektisch, kein Zweifel, der ist in meinen Mann verknallt. Da wird er sich aber die Zähne ausbeißen. Um das zu bestätigen, lege ich meinen Arm um Mikes Hüfte und strahle ihn an, egal wie es in mir brodelt.

„Klar Schatz, ich sag nur noch kurz tschüss, okay? Also Carter, mach´s gut und bis bald.“

Der Angesprochene wird leicht rot, heckt wahrscheinlich schon wieder Pläne für einen erneuten Dreh aus. Na warte, ich werde dafür sorgen, dass du Northman nicht wieder zwischen die Beine bekommst.

„Ich wünsch` euch einen schönen Urlaub. Schickst du mir eine Karte?“

Iiihhh … Mir entgleiten die Gesichtszüge. Geht’s noch? Fassungslos lausche ich Mikes Antwort.

„Mal sehen, wenn wir dazu kommen und das Bett verlassen …“ Dann knufft er mich seitlich an und grinst wie ein Honigkuchenpferd.

Ich kneife die Augen zusammen und starre Carter finster an. Er hat wenigstens so viel Anstand, zu schlucken und sucht das Weite.

Bis Mike endlich die Villa verlässt, habe ich den Wagen gewendet und warte mit laufendem Motor auf ihn. Immer noch strahlend fällt er auf den Beifahrersitz, drückt mir einen Kuss auf die Wange und schnallt sich an.

„Auf jetzt … ab in die Ferien“, verkündet er fröhlich.

So sehr ich mich auf den Urlaub auch freue, die Szene von vorhin nagt an mir.

„Du willst dem Kerl aber nicht wirklich eine Karte schicken, oder?“, frage ich vorsichtshalber, wende aber meine Augen nicht vom regen Verkehr um uns herum ab.

„Warum denn nicht? Ist doch noch alles recht neu für ihn?“

Ich werfe Mike einen kurzen Seitenblick zu, aber er meint das ernst. „Dann schick ihm ein Bild von deinem Schwanz unter der Sonne Hawaiis, damit er ihn in Erinnerung behält!“, fauche ich leise und ernte ein fröhliches Lachen.

„Hey, Süßer, die Idee ist gut. Er hat mir vorhin gesagt, wie gern er mit mir dreht und wieviel Spaß es ihm mit mir macht.“

Großer Gott! Ich ramme gleich einen Brückenpfeiler, wenn mein Mann nicht aufhört.

„So? Pass bloß auf, dass du dir keine Gehirnerschütterung holst, wenn du auf seiner Schleimspur ausrutschst.“

Stille!

Nach Sekunden, es kommen keine imaginären Rauchwolken mehr aus meiner Nase, wage ich einen Blick hinüber. Mike betrachtet mich nachdenklich.

„Was?“, blaffe ich ihn an. Super, der Urlaub fängt ja wirklich toll an.

„Was hast du für ein Problem? Wurmt es dich, dass ich freundlich zu ihm bin? Du selbst hast mir mal gesagt, wie viel Wert du auf Sympathie zu deinen Drehpartnern legtest.“

„Sympathie schon, davon ist Carter allerdings weit entfernt.“ Ich schnaube unwillig und biege zum Flughafen links ab. „Und ich will jetzt nicht mehr über ihn reden, geht das?“

„Mit Vergnügen“, erwidert Mike leise, aber ich spüre seinen nachdenklichen Blick auf mir, bis ich den Wagen in einer Tiefgarage parke.

 

Der Flug verläuft problemlos und ruhig, dank gutem Wetter. In Hawaii ist es ebenso sonnig wie in Miami, auch die Temperaturen unterscheiden sich kaum. Da wir beide jede Menge Schlaf nachholen müssen, dösen wir im Flieger. Aber dieses blöde Gefühl lässt mich einfach nicht mehr los.

Jetzt warten wir am Gepäckband auf unsere Koffer. Mike steht hinter mir, sein Kinn liegt auf meiner Schulter. Ich genieße diese intime Nähe, seine Zärtlichkeit ist so viel bedeutender als jeder Sex es sein könnte und versöhnt mich für die vergangenen Stunden.

Wo bleibt der verdammte Koffer? Wir haben drei aufgegeben, zwei sind schon vor Minuten angekommen, aber der letzte fehlt. Nachdem das Band zum fünften Mal leer an uns vorbei gefahren ist, sinkt Mikes Kopf resigniert auf meinen Hinterkopf.

„Das ist jetzt nicht wahr, oder? Das war mein Koffer mit den Klamotten drin.“

„Echt?“ Ich grinse leicht, verstecke es aber vor ihm. Ein wenig Schadenfreude kann ich nicht leugnen.

„Komm, lass uns das melden und dann will ich bloß noch was essen und schlafen.“

Mike schließt sich mir brummend an. „Na, wenigstens brauchen wir heute nichts mehr aus dem Koffer. Ich schlafe ja ohnehin nackt.“

Es dauert noch gute zwei Stunden, bis wir endlich erschöpft ins Bett kommen. Mike fällt auf mich drauf und knurrt an meinem Brustkorb. „Mann, bin ich K.O.!“

Ich umarme ihn fest und kann auch kaum noch die Augen offen halten. „Dann raus aus den Klamotten und schlafen. Wie wäre das?“

„Ziehst du mich aus?“, nuschelt er schläfrig und macht es sich auf mir bequem. Wenn der Kerl bloß nicht so schwer wäre! Ächzend schiebe ich ihn von mir runter und knie mich über ihn.

„Also helfen könntest du schon ein wenig“, fordere ich lachend und versuche sein T-Shirt recht erfolglos unter ihm hochzuziehen.

Statt einer Antwort streckt er mir die Zunge raus und macht sich absichtlich schwer. Na warte. Statt dem T-Shirt widme ich mich seiner Jeans. Langsam öffne ich den Knopf, ziehe den Reißverschluss runter und warte, bis er mir endlich die gebührende Aufmerksamkeit schenkt.

Mike öffnet ein Auge und blinzelt zu mir rauf. „Worauf wartest du?“

„Was bekomme ich für diesen selbstlosen Dienst am Mann?“

Mein Mann seufzt theatralisch und reibt sich das Gesicht. „Einen dicken Kuss?“

Ich schnaube leise und zeichne Kreise auf sein Sixpack, bis eine Gänsehaut seinen Leib überzieht. „Bekomme ich ohnehin.“

Er schnaubt und legt seine großen Hände auf meine Oberschenkel. „Was willst du?“

Ich grinse breit und falle nach vorne. Er zieht hart die Luft zwischen seinen Zähnen ein, als ich meinen Unterleib auf ihm kreisen lasse. Wie immer hat Mikes bloße Berührung eine sehr erfrischende Wirkung auf meinen Schwanz, was er jetzt zweifelsfrei spürt.

„Oh, du Nimmersatt! Das schaffe ich jetzt ehrlich nicht. Ich krieg keinen hoch, so müde, wie ich bin.“

Aua! Na, das ist mal eine Klatsche. Meine Erregung verpufft in Sekundenschnelle.

„Na, Gott sei Dank, hat sich wenigstens Carter noch an deinem Schwanz erfreuen dürfen.“ Die Worte sind mir entschlüpft, ehe ich sie runterschlucken kann. Ich weiß selbst, dass sie dumm und kindisch sind. Muss an der Müdigkeit liegen.

Mike starrt mich überrascht an, jeder Schlaf ist aus seinem Blick verflogen. Er greift nach mir, als ich aufstehe, aber ich wehre ihn ab. Das ist … Bullshit! Mann, wir sind glücklich, es gibt nichts, worüber wir uns Sorgen machen müssen, ich vertraue ihm blind, genauso wie er mir. Und dann kommt dieser blonde Schnösel und nagt an meinem Selbstbewusstsein!

Meine Flucht endet im Badezimmer, wo ich mich im Spiegel betrachte. Die Narben auf meinem Arm sind gerötet, liegt an der Anstrengung, außerdem habe ich sie in letzter Zeit vernachlässigt. Ich lebe jetzt seit fast zwei Jahren mit ihnen, aber in solchen Momenten, kommen mir Zweifel, ob Mike wirklich zufrieden ist, bei all der Auswahl, die ihm geboten wird.

Ich hasse diese Gedankengänge! Ich hasse es, dank Dylan, dem ich sie aufgrund einer Messerattacke zu verdanken habe, in diese passive Lage gezwungen worden zu sein. Fuck!

Ich zucke zusammen, als sich Hände unter mein Hemd schieben und auf meine nackten Hüften legen. Liebevoll streichelt Mike meine Seite, zeichnet die Wundmale auf meinem Rücken nach. Er kennt mich in- und auswendig, weiß genau, worüber ich mir zum millionsten Mal den Kopf zerbreche.

„Ich liebe dich, Jamie!“, flüstert er leise und sieht mir im Spiegel in die Augen.

„Ich weiß, aber …“

„Psst. Nicht! Lass uns schlafen, wir sind beide gestresst und fertig. Reden wir morgen darüber, okay?“ Seine Lippen finden den Weg in meine Haare, ich sehe, wie er meinen Geruch inhaliert. Das tut er immer, ich auch, wenn ich in seinen Armen liege und Frieden finde. Man könnte sagen, wir sind süchtig nacheinander. Der Gedanke lockt ein müdes Lächeln auf mein Gesicht. Er hat ja so Recht.

Ich drehe mich zu ihm um und kuschle mich an seine Brust. Ich liebe es, mich bei ihm fallen lassen zu können. Dieser massige Körper und seine starken Arme, die mich immer festgehalten und mir Zuflucht geboten haben, solange ich ihn kenne.

„Sorry“, nuschle ich dicht an seiner warmen Haut.

„Lass gut sein. Jetzt komm, Schatz.“ Er zieht mich mit sich und hilft mir aus meiner Kleidung. Erst als ich nackt bin, entledigt er sich auch seiner Sachen und schlüpft zu mir unter das dünne Leintuch. Mike legt sich auf den Rücken und streicht durch meine Haare.

„Jetzt komm bitte her, Süßer“, fordert er mich leise auf.

Wie könnte ich dem widerstehen? Ich kann es nicht, konnte es noch nie. In seinen Armen zu schlafen ist schlichtweg perfekt. Seufzend komme ich seinem Wunsch nach und robbe zu ihm. Sein maskuliner Duft hüllt mich ein, erfüllt mich mit Frieden und Schwere. Seine Arme winden sich um mich, drücken mich einmal fest.

„Schlaf gut, mo fhear“, haucht er, schon am Eindämmern.

„Du auch, Babe“, erwidere ich automatisch und schmunzle wie jeden Abend über den gälischen Ausdruck.

Mein Mann!

Ja, das bin ich! Sein Mann!

 

Die Stimmung morgens ist viel gelöster, als am Abend zuvor. Uns hat tatsächlich Schlaf gefehlt. Nach einer ausgiebigen Dusche zu zweit, um Wasser zu sparen natürlich, gehen wir Hand in Hand in den Speisesaal. In Ermangelung seines Koffers, trägt er noch mal seine Sachen von gestern. Der Plan, einkaufen zu gehen, ist schnell gefasst.

Wir genießen das exzellente Buffet und füttern uns gerade albern mit dem köstlichen Obst der Insel, als sein Handy klingelt.

Wir warten noch auf die Bestätigung eines Fotoshoots, direkt nach dem Urlaub, deshalb stört es mich nicht. Das ändert sich allerdings innerhalb eines Augenblicks.

Mike runzelt die Stirn und sieht mich unverwandt an, als er die SMS öffnet.

„Carter.“

Carter!? Das Stück Wassermelone fällt mir aus der Hand und klatscht auf meinen Teller. Super! Hellrote Tropfen zieren mein Hemd, ganz toll.

„Was will der den?“

Mike seufzt und liest den Text. „Hmmm, er lässt durchblicken, dass er wohl Karl gebeten hat, mit mir einen längeren Film drehen zu wollen, eine Art Spielfilm. Keine Ahnung …“

„Nein!“ Boah, ich bin echt stocksauer! Was denkt der Typ sich eigentlich? Ich schüttle genervt den Kopf und hacke mit einer Dessertgabel die Melone auf meinem Teller klein. Erst, als das passiert ist, sehe ich wieder auf und in das fragende Gesicht meines Mannes.

„Jamie, mal ehrlich. Was ist los? Du gehst jedes Mal hoch wie eine Rakete, wenn der Junge ins Spiel kommt. Er sucht doch nur einen Platz in dem Business, mehr …“

„Vor allem sucht er einen Platz an deiner Seite. Sag mal … Mike, du bist manchmal so, so … vernagelt! Er steht auf dich! Das geht längst über alles hinaus, was ich gutheißen kann. Ich weiß, dass dir die Neulinge liegen und dafür bewundere ich dich auch, aber Carter ist in dich verknallt. Er wird nicht mehr mit dir drehen! Ich werde Karl sagen, dass es nicht geht …“

Mike unterbricht mich unwirsch. „Du übertreibst, Jamie. Carter ist nicht in mich verknallt, er …“

„Doch! Ruf ihn an, klär das! Ich habe keine Lust, unseren Urlaub mit Streitereien wegen ihm zu verderben. Rede mit ihm, meinetwegen tröste ihn, aber dann ist Schluss damit.“ Ich schiebe energisch meinen Teller beiseite und stehe auf.

„Wo willst du hin?“

„An den Strand. Ich will nicht mit dir streiten, aber es ist echt besser, wenn du das heute klärst. Du musst ja ohnehin einkaufen, dazu brauchst du mich nicht. Und … rufst du Karl an und beendest die Zusammenarbeit mit Carter, oder soll ich das erledigen? Denn eines ist klar: Jedes Mal, wenn du mit ihm schläfst, wird es für ihn schwerer, sich einzugestehen, dass es nur beruflich ist. Deine Liebenswürdigkeit und Freundlichkeit machen ihm Hoffnung, die ja wohl nicht besteht.“ So blöd, ich höre selbst, wie im letzten Satz eine deutliche Frage steckt. Dabei muss mir Mike nichts bestätigen. Ich weiß, ich kann ihm absolut vertrauen.

Ein Blick in sein völlig verdattertes Gesicht bestätigt das.

„Siehst du? Genau das meine ich. Ich will diese Gedanken nicht. Der Kerl verschwindet heute aus unserem Leben! Basta!“ Seufzend umrunde ich den Tisch und lege meine Hände auf seine Wangen.

„Ich liebe dich, Babe! Vielleicht tut uns ein Tag Abstand mal ganz gut, hmmm?“

Er starrt mich perplex an. „Das ist jetzt nicht dein Ernst, Jamie.“

„Doch.“ Ich trete einen Schritt zurück. „Rede mit ihm, bitte. Schaff das aus der Welt, sonst tu ich es, und dann werde ich diesem Kerl, der dich anmacht, auch wenn ich anwesend bin, mehr als nur ein paar höfliche Worte an den Kopf knallen.“ Ich drücke ihm einen Kuss auf die Wange. „Wir sehen uns heute Abend, okay?“ Mit diesen Worten lasse ich meinen völlig fassungslosen Mann sitzen und gehe aufs Zimmer zurück.

 

Mit gepackter Tasche gehe ich wenig später an den breiten, gut besuchten Hotelstrand. Die Stunden ziehen sich wie Kaugummi. Ich genieße abwechselnd Sonne und Schatten, plansche im warmen Meer und schlafe immer wieder ein. Eigentlich schön, eigentlich … denn mein Mann fehlt mir unglaublich. Wir verbringen extrem viel Zeit gemeinsam. Nach dem desaströsen Beginn unserer Beziehung, könnte man meinen, wir hätten Angst, den anderen für Stunden aus den Augen zu lassen.

Nun, Angst nicht, aber es ist ein saublödes Gefühl, zu wissen, dass er ganz in der Nähe ist, und trotzdem nicht bei mir.

Mittags esse ich eine Kleinigkeit an einem Stand, Fisch mit Gemüse und Reis. Aber auch das schmeckt ohne Mike nur halb so gut. Soll ich zurückgehen? Wird er mir böse sein? Das glaube ich eigentlich nicht, weil er eher überrascht, als wütend gewirkt hat.

Unwillkürlich muss ich dann doch grinsen. Immerhin dürfte es heute Abend heißen, hemmungslosen Versöhnungssex geben. Wenn der ganze Mist schon für nichts gut ist, dann wenigstens dafür.

Ich bleibe am Strand und fröne in Tagträumen der Vorfreude. Es ist kurz nach vier Uhr, als ich mich entschließe, ins Zimmer zu gehen. Ich freue mich auf Mike, schon witzig, es waren nur ein paar Stunden, aber ich kann kaum erwarten, dass er mich in die Arme nimmt. Seine Nähe ist einfach unvergleichlich, beruhigt und erdet mich.

Lächelnd schließe ich die Türe auf und trete ein. Ich kann einen enttäuschten Laut nicht unterdrücken, denn – kein Mike da!

Okay, ich kann ja auch schlecht verlangen, dass er den ganzen Tag in der Bude bleibt, nur weil ich rumzicke. Trotzdem hätte ich ihn gern hier gehabt. Seufzend lasse ich die Tasche fallen und tigere Richtung Bad, als mir ein Zettel auf meiner Bettseite auffällt.

Mein Herz stolpert los. Für einen widerwärtigen Augenblick keimt die Befürchtung in mir auf, dass sich mein Gatte aus dem Staub gemacht hat. So ein Bullshit!

Dennoch beben meine Finger ein wenig, als ich das Blatt Papier aufhebe.

 

‚Hi mein Schatz!

Ich hoffe, Du hast die Zeit ohne mich genossen. Jetzt mach dich frisch, zieh Dir was Bequemes an und geh an die Rezeption. Ich habe eine Überraschung für Dich!

Love

Mike’

 

Ui! Ich liebe Mikes Überraschungen! Wenn dieser Mann eines drauf hat, dann genau das! Und – er ist nicht sauer! Hüpfend entledige ich mich meiner sandigen Klamotten, springe unter die Dusche und wasche das Salz von meinem Leib. Dann die Qual der Wahl. Was Bequemes? Gut, aber es wird Abend, gehen wir aus? Lädt er mich zum Essen ein? Fuck! Was soll ich jetzt bloß anziehen? Mike steht auf schicke Sachen, aber wir sind in Hawaii. Hemd und Anzughose dürften doch ein wenig overdressed sein. Oder nicht?

Ahhh … ich hasse so was! Es wird schließlich eine modische, leichte Stoffhose und das lilafarbene Hemd, das er so mag. Haare gestylt, mein Lieblingsaftershave aufgesprüht und los.

Ich bin tatsächlich aufgeregt, als wäre das ein Date. Gut, ist es ja auch, aber ich bin mit diesem Prachtexemplar immerhin schon über ein Jahr verheiratet!

Der Mann hinter der Rezeption lächelt mich an, als ich ihm sage, weshalb ich hier bin.

„Ah, Mr. Declaire. Ja, ich weiß Bescheid. Einen Augenblick bitte.“ Er greift nach dem Telefonhörer und spricht hinein. Als er aufgelegt hat, sieht er mich wieder an. „Sie werden gleich abgeholt. Darf ich Ihnen so lange ein Getränk bringen lassen?“

Ich bin etwas überrascht und lehne dankend ab. Nervös falle ich in einen der bunten Korbsessel in der Lobby und harre dem Kommenden. Was hat Mike bloß ausgeheckt? War ich doch so barsch zu ihm? Langsam bekomme ich echt ein schlechtes Gewissen.

Ein Taxifahrer betritt das Hotel und sieht sich suchend um. Es ist definitiv keiner der einfachen Fahrer, sondern ein richtiger Chauffeur. Er sieht mich an und grinst. Was? Der meint mich? Ich drehe mich fragend zum Portier um, der meine Vermutung umgehend bestätigt.

„Mr. Declaire? Ich darf Sie abholen, wenn Sie mir bitte folgen wollen?“

Ich tue, was er verlangt und sitze gleich darauf in einem Auto, welches mich an einen Bootsanleger bringt. Dort werde ich weitergereicht und wir verlassen, im Licht der untergehenden Sonne, mit einer schnittigen Yacht den kleinen Hafen. Wir passieren unseren Hotelkomplex rechter Hand und dann geht es für eine viertel Stunde in Sichtnähe der Insel entlang, bis der Bootsführer einen Steg ansteuert.

Oh! Ich bin etwas sprachlos, was wirklich sehr selten vorkommt. Mir wird mulmig zumute, als der Kapitän mich an Land bittet und einem weiß gekleideten, sehr schnuckeligen Kellner übergibt.

Ich folge ihm und schaue mich geflasht um. Okay! Ich sollte mich wirklich in aller Form bei Mike entschuldigen, denn das hier ist … unglaublich!

Auf dem Steg stehen unzählige Kerzen in großen Windlichtern. Am Strand brennen hier und da Feuer, im Hintergrund sehe ich verstreute Bungalows, aber sonst ist es menschenleer und außer dem Rauschen des Meeres, kann ich nur ganz leise einheimische Musik hören.

Ich schlüpfe aus meinen Slippern und folge dem Mann barfuß, dicht an der Wassergrenze entlang. In etwa zweihundert Metern macht der Strand einen Knick, dank dichter Palmen und ausladendem Gebüsch kann ich nicht sehen, was mich erwartet.

Was ich dann allerdings zu sehen bekomme, als ich um die kleine Landspitze biege, veranlasst mich, stocksteif stehen zu bleiben.

Er ist verrückt! Soviel steht fest! Habe ich mich so danebenbenommen? Ich klappe hörbar den Mund zu und erwidere das Lächeln meines Führers. Das ist … mir fehlen die Worte und ich schäme mich. Was bin ich doch für ein Idiot! Man gebe mir einen Stein, damit ich doch bitte meinen Holzkopf darauf schlagen kann.

Zweifel? Irgendetwas in der Richtung? An Michael Dohlinger? Ich habe diesen Traummann echt nicht verdient.

Mein Begleiter deutet in die angegebene Richtung und entfernt sich auf dem gleichen Weg zurück. Kopfschüttelnd bleibe ich in der Dunkelheit zurück. Mike hat uns bereits kommen sehen und steht inmitten des Lichtkegels unzähliger Fackeln und Kerzen.

Ich kann nicht sofort zu ihm, zuerst lasse ich dieses unglaubliche Bild auf mich wirken. Inmitten einer halbkreisförmigen, kleinen Bucht, zum Land hin von Büschen und Palmen abgeriegelt, steht ein kleiner, gedeckter Tisch mit zwei Stühlen. Daneben ein Sektkübel in einem Ständer, aus dem Mike jetzt eine Flasche nimmt und zwei Gläser füllt. Wunderschön und so romantisch, dass meine Kehle trocken wird. Das an sich, ist schon ein Grund, um dahinzuschmelzen, aber ein paar Schritte hinter ihm, befindet sich die absolute Krönung. Etwas abseits der Tafel wächst ein großer, breit gefächerter Baum, an dessen unteren Ästen, an massiven Seilen, ein Bett befestigt ist. Auch dort stehen Kerzen und allein das Versprechen, mit meinem Mann dort die Nacht verbringen zu dürfen, macht mich an.

Das ist so schön … und peinlich! Ich möchte im Erdboden versinken und weiß nicht, wie ich ihm in die Augen sehen soll. Kopfschüttelnd überbrücke ich den Abstand und gehe zu ihm.

Er sieht umwerfend aus! Wie sehr ich diesen Mann begehre und liebe, ist nicht normal. In einem Moment wie diesem, sind die intensiven Gefühle fast schmerzhaft.

Schicke dunkle Hosen, ein weißes Hemd, aufgeknöpft bis auf die Brust. Es unterstreicht seine braune Haut und lässt seine blonden Haare leuchten. Die silberne Kette mit dem keltischen Emblem, das ich ebenfalls trage. Barfuß steht er da, lächelt mir entgegen und breitet einfach seine Arme aus.

So sexy!

Stark!

Mein!

Wortlos gleite ich in die Umarmung und drücke ihn fest. Lange stehen wir einfach so beieinander und genießen die Nähe des Anderen. Schließlich küsst er mein Ohr.

„Hi Schatz. Schön, dass du gekommen bist.“

Ich weiche ein Stückchen zurück und schaue auf. „Mike … das hier. Ich sollte mich wohl bei dir entschuldigen.“

Er lacht auf, lässt mich los und reicht mir ein Glas eisgekühlten Weißwein, da wir beide weder Sekt noch Champagner mögen.

„Nein, musst du nicht. Ich stand mal wieder auf der Leitung. Ich habe echt geglaubt, du wärst wegen meinen dezenten Bräunungsstreifen so sauer. Auf die Idee, dass Carter der Grund ist, wäre ich nie im Leben gekommen.“ Er schiebt mich sanft Richtung Tisch, zieht den Stuhl für mich zurück und bittet mich Platz zunehmen.

„Lass uns essen und dann reden, okay?“ Seine Hände liegen auf meinen Schultern, kneten sachte die Muskeln, während er das sagt.

Ich beobachte wie ein Verhungernder seine kraftvolle Ausstrahlung, als er sich mir gegenüber niederlässt. Fahrig streicht er seine langen, blonden Haare hinter die Ohren zurück und grinst mich an. Schön zu wissen, dass er auch ein wenig nervös ist.

„Du willst aber hoffentlich nicht nur reden in diesem … Traumbett da drüben, oder?“

„Mal sehen.“ Er weicht ein Stück zurück und macht zwei Kellnern Platz, welche die Vorspeise bringen.

Das Essen ist der pure Wahnsinn! Mike ist sehr aufmerksam, schenkt nach, sobald mein Glas leer wird, wartet auf mich, da er viel schneller isst, mit dem nächsten Gang und so weiter. Der perfekte Gentleman eben.

Zum Nachtisch entführt er mich direkt an den Strand auf eine Decke. Arm in Arm genießen wir das frische Kokoseis und himmlische Früchte. Als wir fertig sind, hält er mich einfach fest.

So langsam fühlt es sich doch wie Urlaub an. Mike seufzt an meinem Hals, zupft mit den Lippen an der besonders empfindlichen Stelle hinter meinem Ohr.

Ich will die Stimmung nicht verderben, aber mich plagt die Neugierde, weshalb ich das Gespräch beginne. Besser jetzt und später die Stimmung nicht mehr damit stören.

„Hast du mit Carter gesprochen?“ Gut, meine Stimme ist fest, obwohl ich ein leichtes Flattern im Bauch spüre.

Mike lässt mich los und setzt sich neben mich. „Ja. Hab ihn gleich nach dem Frühstück angerufen und gefragt, ob es sein kann, dass er mehr von mir will, als nur gemeinsame Drehs.“

Ich schau meinen Mann an, er wirkt ehrlich zerknirscht. Nach dem Desaster mit Kevin, seinem Schottenkumpel, und unserer Trennung zu Beginn, ist er extrem vorsichtig geworden, was er wie zu wem sagt.

„Und?“

Er lacht leise und sieht mich verschmitzt an. „Erst hat er rumgedruckst und sich rausgeredet mit Sachen wie, ich sei halt vorsichtiger als andere, würde meinen Bottom nie aus den Augen lassen und so weiter. Nach mehrmaligem Bohren hat er zugegeben, dass er sich in mich verknallt hat, aber wüsste, dass es keinen Sinn hat, weil ich ja mit dir zusammen bin …“

Mir entweicht ein abfälliges Schnauben. Diese Bitch! Als ob es ihn jemals gestört hätte, wenn ich ihn dabei erwischt habe, wie er meinen Mann anmacht. „Kleiner, verlogener Scheißer!“

„Jamie, sei nicht so hart.“

„Doch! Er wickelt dich schon wieder um den Finger! Er …“

Uh. Ehe ich reagieren kann, hat mich Mike auf den Rücken geschmissen und drückt mich grinsend in den warmen Sand. „Klappe, Zuckerschnecke. Es ist vorbei! Ich habe ihm gesagt, dass ich mit dem tollsten Mann des Universums verheiratet bin und er nicht die Spur einer Chance hat. Danach habe ich Karl angerufen, ihm die Situation erklärt und ihm nahegelegt, auf weitere Zusammenarbeit zu verzichten, weil es sonst sein könnte, dass sein begabtester Fotograf eines unserer Models killt.“

Ehe ich antworten kann, küsst er mich hart und unterbindet jegliches Denkvermögen wegen Mangeldurchblutung meines Gehirns. So geil! Ich liebe es, seinen schweren Körper auf mir zu spüren, diese massigen Muskeln unter dem Stoff … Stoff! Richtig!

Ich drücke ihn ein Stückchen weg und lächle zu ihm auf. „Mike, du hast für meinen Geschmack noch viel zu viel an.“

Er lacht gelöst. „Gleich. Lass mich noch etwas erklären, okay?“

Sachte streiche ich eine Strähne aus seinem Gesicht und ziehe ihn am Nacken an meine Lippen. Erst nach einem weiteren, innigen Kuss gebe ich ihn frei und nicke ihm auffordernd zu.

Mike richtet sich auf und zieht mich mit sich, bis wir einander gegenübersitzen. Das Licht der Kerzen erhellt sein markantes Gesicht und ich sehe seine Liebe zu mir in seinen blauen Augen leuchten.

„Schatz, hör zu. Ich war so blöd, ehrlich. Ich habe echt gedacht, du machst so einen Aufstand, wegen meiner Tanlines. Das hat mich so sauer gemacht …“

„Wow, hör mal, du glaubst, wegen so einer Kleinigkeit geh ich an die Decke?“ Ungläubig schaue ich ihn an, finde jedoch nur liebevolle Nachsicht auf seiner Miene.

„Mal unter uns: Du bist ein Tyrann, wenn es um so was geht. Perfektionist wäre noch geschmeichelt, ich …“

Weiter kommt er nicht, weil ich mich auf ihn stürze und wir Sekunden später durch den Sand rollen. Aber wir lachen beide, ich weiß, dass ich manchmal unerträglich sein kann, wenn ein Bild in meinem Kopf partout nicht mit den realen Personen und Gegebenheiten in Einklang zu bringen ist. Das führt oft genug am Set zu Kabbeleien zwischen uns und verjagt dann meistens sämtliche Assistenten und andere Beteiligten, bis wir uns ausgetobt haben. Aber wir verstehen uns, auch jetzt, ich weiß, wie er es meint.

Ich lasse mich von ihm einfangen und bewege probehalber meine gefangenen Hände über meinem Kopf.

„Lässt du mich jetzt ausreden?“

„Wenn das dann das Letzte ist, was aus deinem Mund kommt, und du danach etwas in deinen Mund nimmst, könnte ich mich überzeugen lassen.“

Er schnaubt und schüttelt den Kopf. „Ernsthafte Gespräche und Jamie sind irgendwie nicht kompatibel.“

„Hey, schau dich mal um. Du Romantiker hast mich an diesen traumhaften Ort geschleppt, kredenzt ein himmlisches Essen, lockst mit diesem Traumbett und willst dich unterhalten?“

Wir lachen beide auf. „Wenn du mich endlich mal ausreden lassen würdest, wären wir schon ein gutes Stück weiter, Süßer.“

Ich seufze ergeben und zucke mit den Schultern, soweit er es zulässt. „Dann raus mit der Sprache, was hast du noch auf dem Herzen?“

Er nickt und hilft mir erneut in die sitzende Position. „Gut, also … Carter hat gemeint, ich soll nicht so tun, als merke ich nicht, dass viele der jungen Darsteller in mich verschossen sind … Stimmt das?“

Mikes Dackelblick entlockt mir ein Lächeln. Wie kann dieser starke, große und unverschämt sexy Mann, so … so naiv sein? Ich fasse es wirklich nicht! Er guckt in den Spiegel, betrachtet wie selbstverständlich sein Wikingerpackage, bestehend aus himmlischen, blauen Augen, Irrsinnsmuskeln, blonder Haarpracht und fragt sich wirklich, was man an ihm findet?

„Sagen wir mal so. Ich bin froh, dass du meinen Ring am Finger trägst und ich dich kennenlernen durfte, ehe du alle Herzen im Sturm erobert hast. Ja, es stimmt.“

„Scheiße, Jamie, das … ich …“ Er schnauft und fährt sich durch die Haare. „Ich kriege das nicht mit und weißt du auch warum?“ Sein Blick hängt an meinen Augen, schließlich streicht er über meine Wange, sein Daumen berührt sachte meine langen Wimpern. Ein kurzer, sanfter Kuss. Er schluckt, sein Kehlkopf hüpft auf und ab.

„Ich sehe diese Männer nicht, kann ich gar nicht, weil … weil mein Herz und meine ganze Seele nur dich sehen! Du bist alles, was ich will, Schatz. Ich meine es nicht böse, wenn ich auf diese Neckereien eingehe, weil sie mir nichts bedeuten …“

Ich halte ihm den Mund zu. Was für eine unglaubliche Liebeserklärung. Zwischen seinen Beinen kniend, umklammere ich ihn fest und drücke ihn an mich. Was für ein Mann! Erst dieses romantische Dinner und dann so was? Ehrlich, er schafft es immer wieder, mich mit seiner Offenheit umzuhauen. Nach Minuten gebe ich ihn frei und sehe auf ihn hinab, außerstande, etwas Vernünftiges zu sagen, so sehr wühlen mich seine Worte auf.

Stattdessen ergreift er wieder das Wort. „Jamie, ich weiß, du haderst mit deinen Narben, aber sie ändern nichts, wann glaubst du mir das endlich?“

„Ich glaube dir ja, wirklich. Es tut mir leid, können wir das jetzt ein für alle Mal begraben? Hmmm? Ich möchte unseren Urlaub genießen. Danke, dass du es geklärt hast, und danke für … deine Worte. Ich liebe dich so sehr!“

Mike grinst und küsst meine Brust. „Sehr gerne. Dann darf ich dir meine nächste Überraschung präsentieren?“

„Noch mehr als das hier?“ Ich lehne mich zurück und sehe ihn lange an.

„Nur eine Kleinigkeit!“, meint er und zieht mich auf die Füße. Als wir voreinander stehen, nimmt er mich an der Hand und führt mich an den Tisch zurück, wo das Licht deutlich heller ist.

„Hilfst du mir beim Ausziehen?“ Ha, als ob ich dazu eine Aufforderung bräuchte! Er zieht mich für einen unverschämt heißen Kuss in seine Arme und schält mich aus meinem Hemd, während ich gleichzeitig seines aufknöpfe.

Als es auseinanderklafft, weiche ich zurück und betrachte seinen muskulösen Torso, der mich jedes Mal umgehend scharfmacht. Ich liebe diese Muskeln! Das unnachgiebige Gefühl unter meinen Händen und das Wissen, mit welcher Kraft mich dieser Prachtkerl in naher Zukunft vernaschen wird. Sein Hemd landet achtlos im Sand, ebenso wie meines, während unser nächster Kuss gieriger und heftiger ausfällt. Meine Hände nesteln an seinem Hosenbund, aber er unterbindet es mit einem festen Griff und drückt mich einen Schritt nach hinten.

„Das nicht, Zuckerschnecke. Du darfst meine Überraschung gern sehen, aber erst danach vollends auspacken.“ Mike dreht sich ins Licht und öffnet den Hosenknopf, zieht den Reißverschluss nach unten, gibt aber den Blick nicht frei. Bastard! Echt! Ich will ihn! Jetzt!

Tänzelnd weicht er noch einen Schritt zurück. Gut, tanzen kann mein Mann nicht, aber er hat inzwischen wenigstens gelernt, sich einigermaßen sexy zu bewegen. So wie jetzt, er dreht mir den Rücken zu, wackelt mit dem Hintern und schaut mich grinsend über die Schulter hinweg an.

„Ich dachte mir, ich kauf mir eine neue Badehose, die in Zukunft verhindert, dass ich wie ein Zebra aus der Sonne zurückkomme.“

Die Hose sinkt ein Stückchen hinab und gibt seinen hellen Hintern frei. Olala! Ein dünnes Bändchen um die Taille und zwischen seinen, noch unsichtbaren, aber gut bekannten, knackigen Backen. Millimeter für Millimeter rutscht die Hose und heizt mir mächtig ein. Ich liebe Mikes Arsch! Gut, noch mehr seine Vorderseite und das, was er hoffentlich gleich damit tun wird.

„Na, gespannt?“

Ich lache und schaue zu ihm auf. Mike klimpert mit den Wimpern und macht ein paar seltsam anmutende Bewegungen. Hmmm, soll wohl erotisch wirken, aber er ist eindeutig ein Bewegungslegastheniker, was das angeht.

„Jetzt mach schon, in meiner Hose wird es langsam eng und feucht. Was hast du gekauft, einen Slip in Elefantenform, oder so was?“

Er schnaubt abfällig. „Hallo? Die gibt es nicht in meiner Größe. Erklär mir mal, wie ich meinen zierlichen Schwanz in so einen kleinen Rüssel bekommen soll?“

Wir lachen beide auf. Ich pfeife und feure ihn an, als die Hose weiter fällt. Ah, jetzt schiebt er sie hinab, beugt sich vor und bietet mir einen grandiosen Anblick auf seine Kehrseite, während er, wenig grazil, das Kleidungsstück wegschleudert.

„Und? Gefällt dir das?“, verlangt er zu wissen.

„Umdrehen Mike, oder ich falle über dich her.“

Er folgt meiner Anweisung, hält aber beide Hände über seinen Schritt.

„Oh Mann … zeig mir dein Schätzchen.“

„Schätzchen? Lieber Mann … das, was ich mühsam, weil ich total heiß auf dich bin, in Schach halte, ist ein ausgewachsener Schatz.“

Wir kichern los. Ich liebe dieses Geplänkel!

Ich gehe einen Schritt auf ihn zu und schlüpfe wesentlich geschmeidiger aus meiner eigenen Hose. „Ich weiß! Und ich möchte jetzt wirklich, wirklich diesen Schatz aus der Nähe betrachten. Und dann würde ich gern kosten, ob er noch schmeckt wie vor zwei Tagen und mich anschließend davon überzeugen, dass er die gewohnte Größe hat, indem du ihn mir in den Hintern schiebst.“

„Na gut, Süßer. Bist du bereit?“

Ich greife nach seinen Händen, aber er weicht aus und schubst mich stattdessen ein Stückchen zurück.

„Na, na, na … wirst du wohl warten.“

Zähneknirschend lehne ich mich an den Tisch hinter mir und betrachte meinen Göttergatten schmunzelnd, während ich langsam meinen eigenen Schwanz reibe.

Mike rollt mit den Augen. „Du bist echt unmöglich.“

„Mach schon, Mike, sonst nehm´ ich ein Messer und schneide das Bändchen einfach durch.“

„Okay! Bereit?“

Ich steige in sein Kichern ein. „Schon längst.“

„Wirklich?“

Ich erspare mir jedes Wort und folge stattdessen seinen Fingern, die wenige Millimeter hinabsinken.

„Gaaanz sicher?“

Die Serviette segelt in seine Richtung, stürzt aber wirkungslos, ohne ihr Ziel auch nur im Entferntesten zu treffen, vorher ab.

„Dann schau genau hin. Keine Tanlines mehr!“ Seine Hände gleiten zur Seite und geben seinen Intimbereich frei. Die sehr große Beule wird verhüllt mit …

Ich breche lachend zusammen! Mir schießen die Tränen in die Augen und ich schnappe krampfhaft nach Luft. Scheiße! Dieser Mann hat echt einen Knall! Ich kann nicht mehr! Mit verschränkten Armen falle ich nach Sekunden auf die Knie und kippe auf die Seite.

Minutenlang kugle ich mich vor ihm und jedes Mal, wenn ich ihn ansehe, wie er feixend die Hüften vorstreckt, geht es wieder von vorne los.

Irgendwann schaffe ich es hicksend in den Schneidersitz, wische meine Hände an den Oberschenkeln ab und trockne meine Augen. Glucksend zeige ich auf seine neue Badehose. Ich muss mehrmals ansetzen zu sprechen, weil ich immer wieder loskichere.

„Wo … wo, um Himmels willen, hast du die aufgetrieben?“ Ich starre auf … auf einen Minikilt, der lediglich seinen Intimbereich verhüllt. Wieder kitzelt mich ein Lachen in der Kehle.

„Gefällt er dir?“ Mikes Stimme holpert, genauso wie meine.

„Babe, das ist … mir fehlen die Worte“, erwidere ich gepresst und beiße die Zähne zusammen.

„Na, ich muss doch meinem Image treu bleiben!“

Ich kann nicht mehr. Torkelnd rapple ich mich auf und werfe mich kurzerhand in seine Arme. Grob ziehe ich ihn zu mir herunter. Er verschlingt mich genauso, wie ich ihn.

Atemlos weichen wir kurz voneinander. Mike dirigiert mich Richtung Bett, seine großen Hände auf meinem Hintern.

„Verrätst du mir, Highlander, was du darunter trägst?“

Er klatscht mir auf den Arsch, während er mich weiter drängt.

„Etwas sehr Hartes, das dir gleich das Lachen austreiben wird.“

„Meinst du?“

„Oh ja, ich werde dir jetzt zeigen, was keiner der Jungs während des Drehs bekommt. Zuckerschneckenspezialbehandlung sozusagen.“

„So? Na hoffentlich halten das die Seile aus.“

Wir lachen beide unvermittelt wieder los und purzeln kurz vor dem Bett in den Sand.

„Scheiße, Jamie! Ich stell mir das gerade bildlich vor. Das ist saublöd.“

Ja, allerdings. Das Bild in meinem Kopf, wie eine, oder zwei Halterungen reißen, das Bett in Schräglage gerät, wir nackt und mitten in einer Nummer rausrutschen und ins Meer rollen führt zu einem erneuten Lachflash.

Die Stimmung kippt langsam, als wir nackt im Sand liegen und uns streicheln. Das Lachen verebbt, macht unserer Lust aufeinander Platz. Es ist alles gesagt. Carter ist kein Streitthema mehr und seine Tanlines … na ja. Daran müssen wir noch arbeiten.

Er hält mich fest, streicht über meinen Rücken, lässt seine Augen über meinen Körper wandern, als müsse er mich neu entdecken. Dort sind keine Zweifel, er sieht meine verfluchten Narben tatsächlich nicht.

„Du bist so schön, Jamie“, flüstert er bewegt und schüttelt den Kopf. „Ich glaube, ich werde nie begreifen, dass du mir gehörst.“

Mir schnürt es den Hals zu. Wenn Mike so etwas sagt, ist es nicht kitschig, sondern einfach ehrlich … und wunderschön.

„Du bist ein unverbesserlicher Romantiker!“

Er lacht sanft und küsst mich liebevoll. „Woran du schuld bist. Du wirkst auf mich wie … unbezahlbarer, schottischer Whiskey: Mir wird warm und ich beginne zu träumen.“

Ich lache und drücke mein Bein zwischen seine. „Beinhaltet dein Traum auch Sex? Mir wäre nämlich danach.“

Mike drückt sich an meinen Oberschenkel. Sein harter Schwanz hinterlässt eine feuchte Spur, als er sich aufreizend daran reibt.

„Das ist sogar der Titel meines Traumes!“ Spricht´s und geht direkt zum Angriff über. Seine Hand wandert zwischen meine Beine, er drückt einen Finger auf meinen Eingang und lässt ihn kreisen. Ja, genau so! Direkt, ohne Umwege und mit unmissverständlichem Ziel.

Let´s rock!

Ich mache ihm Platz, während ich sein Glied massiere und gezielt seine Spitze reize. Unser Atem wird schneller und wir stöhnen in den nächsten Kuss. Unsere Zungen liebkosen einander, wie immer betäubt mich der herbe Geschmack meines Mannes und lässt meine Ungeduld explodieren.

„Komm schon, zwei Tage Wartezeit sind wirklich genug.“

Statt einer Antwort, gibt er mich frei, steht auf und zieht mich auf die Beine. Küssend, meinen Hintern knetend, bugsiert er mich an das schwingende Bett und dreht mich dort um. Die Hand im Genick drückt mich mit dem Oberkörper auf die weiche Unterlage, während er mit einem Bein meine Füße zur Seite schubst.

Ich liebe es, von ihm geführt zu werden. Früher undenkbar, aber bei ihm … ohne Worte. Kräftig massiert er meinen Rücken, streichelt die erogene Zone unter meinen Rippen, bis ich fast den Verstand verliere und mich ihm stöhnend entgegen recke. Sein Penis liegt in der Falte meines Hinterns, er gleitet auf und ab, sorgt dafür, dass ich es kaum noch erwarten kann, ihn in mir zu spüren.

„Komm, Mike!“, fordere ich leise und greife nach hinten, führe seinen Schwanz dahin, wo ich ihn dringend haben will.

Er lacht und beißt mir in die Schulter. Rechts von mir, unter einem Kissen holt er das Gel hervor und lässt die Tube aufschnappen. Ein geiles Geräusch! Ich bin noch immer darauf konditioniert und reagiere fast automatisch. Drei Jahre als Bottom mit den unterschiedlichsten Männern sorgen dafür, dass sich mein Körper fast von selbst entspannt, noch ein zwei Tricks angewandt und ich bin sofort bereit für meinen Mann.

Und er weiß das! Nichts gegen Fingern, aber jetzt will ich nur seinen Schwanz schnell und tief!

Ich sehe ihm zu, wie er seine Eichel positioniert und mit seinen Daumen meine Backen spreizt. Konzentriert schiebt er sich in mich, beobachtet mich, analysiert mein Verhalten, ist in jeder Sekunde bei mir, bis er sicher ist, dass ich keinen Schmerz empfinde.

Dann ist es endlich so weit! Sein Rhythmus wird schneller, er gleitet beinahe vollständig aus mir, füllt mich mit seinem warmen, harten Schwanz und entführt mich in reine Lust.

Ich falle, wie jedes Mal, wenn wir miteinander schlafen. Mike ist da! Bei mir, in mir! Das Bett schwingt träge mit, gleicht sich unserem Takt an und sorgt dafür, dass er sich weit in mich schiebt.

Plötzlich hält er inne, fordert mich auf, hochzukommen. Seine Hand an meiner Kehle und die andere um mein Glied, pinnen mich an seinen athletischen Körper. Mikes Größe und Stärke haben mich von der ersten Sekunde an völlig vereinnahmt und tun es noch heute.

„Komm Schatz, lass uns dem Herrn der Seile ein kurzes Gebet widmen und dann rauf da“, murmelt er leise in mein Ohr, beißt hinein und presst sich in mich.

Mein Lachen bleibt auf halbem Wege stecken, denn die Hand an meiner Kehle wandert nach unten und zwirbelt meine rechte Brustwarze.

„Oh fuck … Hoffentlich reicht ihm mein Stöhnen, mehr bringe ich nicht zusammen.“ Die Worte fahrig und kaum hörbar.

Mike lacht sanft und gibt mich frei, was mir ein lautes „Uff“ entlockt. Ich schwanke, aber er hält mich sofort fest.

Gemeinsam erklimmen wir das traumhafte Lager. Der Baum über uns raschelt, die Äste knarren leise, aber kein Splittern oder Knacken. Sehr gut. Das kaum spürbare Wiegen vermittelt das Gefühl, als würden wir tatsächlich fliegen oder sanft über Wasser gleiten.

Dann ist er wieder bei mir, betrachtet mich in der Dunkelheit, die Kerzen rings herum sind fast alle niedergebrannt. Wir sind eins mit der Nacht.

Ich weiß, was er will, und auch mir steht der Sinn danach. Anfangs hat es mich zutiefst verunsichert. Er ist mir viel zu nahe gekommen, wenn er mich so achtsam und langsam genommen hat. Heute nicht mehr. Ich rücke das Kissen unter meinem Kopf zurecht, spreize die Beine und ziehe ihn auf mich.

Auge in Auge, dringt er in mich ein, erobert meinen Leib und mein Herz mit jedem Stoß. Wir sehen uns an, da ist kein Ärger mehr, nur noch diese aberwitzige Liebe zwischen uns. Seine Hände und Lippen gleiten über meinen Oberkörper, während ich seinen Rücken streichle und ihn bei jedem Stoß an mich ziehe.

Nur noch wir! Nichts anderes zählt in diesen Minuten. Seine blauen Augen funkeln, er sieht mich an, wie … ein Wunder! Immer noch, obwohl wir schon so lange zusammen sind. Das rührt mich zutiefst. Ich packe seine langen Haare und verlange einen Kuss.

Dann richtet er sich wieder auf, seine Stirn liegt an meiner, unser Atem vermischt sich ebenso wie unsere Namen.

„Oh Jamie, Jamie!“, haucht Mike leise, immer wieder, wie sein ganz persönliches Mantra.

„Komm“, erwidere ich irgendwann, weil mir diese Intensität fast körperliche Schmerzen bereitet. „Komm in mir, lass mich dich spüren.“

Mike nickt, seufzt und verstärkt die Stöße, reißt mich mit und verwandelt meine gefühlsduseligen Tränen in solche, reiner Erregung. Nicht lange und ich spüre, wie er in mir anschwillt, er stockt, seine Augen lassen mich nicht mehr los. Dann entlädt er sich stöhnend in mir und gibt mir damit den letzten Kick, ebenfalls zu kommen.

Die Zeit zerrinnt. Eng umschlungen bleibt er in mir und schenkt mir dieses unvergleichliche Empfinden, ganz mit ihm verbunden zu sein. Seine Lippen bewegen sich träge an meinem Hals, hin und wieder leckt er über meine Haut.

Ein durch und durch perfekter Moment!

Als die Natur ihren Lauf nimmt und er aus mir gleitet, gibt er mich lächelnd frei und kramt Taschentücher hervor, um mich zu säubern.

Wir müssen nicht mehr sprechen, alles Wichtige ist für heute gesagt. Stattdessen krabbelt er über mich hinweg und legt sich mit dem Rücken Richtung Baum.

Seine Fingern zeichnen meine Gesichtskonturen nach.

„Ich liebe dich, Mike!“, flüstere ich leise.

„Ich dich auch, Jamie. Dreh dich um und schau.“

Ich folge seiner Anweisung und kuschle mich mit dem Rücken an seine warme, starke Brust. Sorgfältig breitet er die Decke über uns aus und hüllt uns in Wärme und unseren Duft. Sein Arm dient meinem Kopf als Stütze und seine Hand auf meinem Herzen gibt meiner Seele Halt.

Dicht an dicht, verbunden, liegen wir in diesem Himmelbett und schauen aufs Meer hinaus. Das Licht des Mondes zaubert kleine Funken auf die sanften Wellen, am Ufer vermitteln die kleinen, gelben Sonnen vereinzelter Fenster den Eindruck von Leben.

Aber wir sind hier allein. Geborgen beieinander. Zusammen!

 

Ich glaube, das wird der schönste Urlaub meines Lebens.

 

Ende

 

 

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Nele Betra: Alles, nur nicht Honolulu!

(Joh & Eric, »Autumn ... facettenreich, wie die Liebe«)

 

 

 

»Viel mehr als unsere Fähigkeiten

sind es unsere Entscheidungen, die zeigen,

wer wir wirklich sind.«

- Joanne K. Rowling

 

 

Nach gefühlten hundert Stunden im Flugzeug sind wir endlich da. Wer hätte gedacht, dass wir überhaupt ankommen.

 

Na gut, zugegeben, fliegen in der ersten Klasse bringt einen nicht unbedingt um. Aber kennt ihr Murphys Gesetz? Ganz genau. "Alles, was schiefgehen kann, wird auch schiefgehen"

 

Erst verpassten wir, um ein Haar, den Flieger von Washington nach Los Angeles, weil der Taxifahrer meinte, er könnte ja die kürzeste Route nehmen, anstatt über I-495, wo wir garantiert nur fünfundzwanzig Minuten gebraucht hätten.

In LA verspätete sich der Anschlussflug nach Honolulu um drei Stunden, die wir zähneknirschend in der VIP-Longe verbrachten.

Endlich an Bort, sagte uns die Stewardess, dass leider die Bordküche defekt war. Alles nicht so tragisch. Aber als Krönung platzierte man uns vor einem sehr lebendigen kleinen Kerlchen, dessen Mutter sich mit Kopfhörern aus der Realität klinkte und die Augen schloss, was für den Strolch einem Freibrief gleichkam.

 

Diese Reise war von vornherein zum Scheitern verurteilt, da ich wusste, worauf es im Grund hinauslief.

Mein Partner hatte mir vor einer Woche sein aktuellstes Hirngespinst eröffnet. Ein Hotelier bot ihm eine Stelle im Management eines seiner Häuser auf Hawaii an. Er sollte dort die Aufgabe übernehmen, eben jenes Hotel im Waikiki Beach Resort gewinnbringend umzustrukturieren.

 

Eric ist ein leidenschaftlicher Analytiker. Berichte ihm von irgendeinem Problem und er fängt unmittelbar an, Lösungswege zu erarbeiten und die Möglichkeiten der Umsetzung zu prüfen. Hört sich nicht spannend an, aber im realen Leben war er alles andere als fantasielos oder langweilig.

Ich lernte ihn vor drei Jahren durch eine meiner besten Freundinnen kennen. Sie brachte ihn zu einem der regelmäßig stattfindenden Freitagstreffen in unserem Lieblingspub mit. Er erschien auf der Bildfläche und es grub sich mir Amors Pfeil mitten ins Herz.

Er war auch der Auslöser dafür, dass ich mich damals outete, obwohl ich zu dem Zeitpunkt keine Ahnung hatte, dass er ebenfalls schwul war.

Meine Freunde schickten ihn zu mir in den Pub, wo ich mich ihnen gegenüber outete, um mir in dieser Phase meines Lebens beizustehen. Seit dem Tag waren wir unzertrennlich.

 

Aus beruflichen Gründen zogen wir kurze Zeit später nach Washington. Eine Entscheidung, die wir zu Erics Gunsten fällten. Innerhalb der letzten zwei Jahre päppelte er ein Hotel aus den roten Zahlen. Er war so erfolgreich in seinem Job, dass sich Besitzer von insolvenzgefährdeten Häusern um ihn rissen.

 

Ob ich angefressen war? Ja, das war ich. Endlich hatte ich mein Leben so gut wie möglich eingerichtet und konnte einige Nachbarn Freunde nennen, als er auch schon wieder ankam und mich an den Arsch der Welt verschleppen wollte.

Wirklich alles super. Ich beschwere mich auch nicht. Aber ich bin es leid, mir immer, wie das fünfte Rad am Wagen vorzukommen. Nur weil ich mein Hobby zum Beruf gemacht habe, heißt das noch lange nicht, dass er meinen Hintern überall hinschleifen kann.

 

Mein größtes Interesse galt schon immer der Schriftstellerei. Nachdem ich das Literaturstudium abschloss, widmete ich mich zu hundert Prozent meinen Geschichten. Auch wenn es nicht viel war, was meine Eltern für mich erübrigten, so war es doch zumindest finanzielle Sicherheit durch einen Treuhandfonds, welcher mir nach Studienabschluss überschrieben wurde.

 

Vielleicht kam mir die Reise nur aus den genannten Gründen wie ein Horrortrip vor. Ich versuchte, mich zu beruhigen. Selbst wenn ich stocksauer war, kam mir langsam die Einsicht, dass es nichts brachte, sich auch noch die geplante Woche zu vermiesen. Das probierte ich mir so lange einzureden, bis wir am Gepäckband standen und alle Reisende ihre Koffer entgegennahmen und gingen. Jeder außer wir.

Eric und ich verharrten wie angewurzelt an Ort und Stelle und schauten zu, wie eben jenes Band zum Stillstand kam und wir prompt von Sicherheitsbeamten höflich aufgefordert wurden, den Bereich zu verlassen.

 

"Das ist jetzt nicht wahr. Das kann nur ein schlechter Scherz sein." Ich kochte vor Wut und marschierte geradewegs in Richtung Service.

 

"Joh, warte bleib ruhig, das bringt doch nichts, wenn du ausflippst." Rief er mir hinterher und beschleunigte seinen Gang, da ich im Stechschritt auf die Dame hinter dem Schalter zusteuerte. Diese sah mir ins Gesicht und wurde etwas nervös. Das war wohl meine größte Schwäche. Ich konnte mich zur Raserei steigern und - oh Übel - man sah es mir an der Nasenspitze an, was ich für eine Laune hatte.

 

Eric holte mich auf den letzten Metern zum anvisierten Opfer ein und ergriff meinen Arm. Ich stoppte abrupt und drehte mich automatisch zu ihm. Meine Lunge pumpte mit voller Kraft Sauerstoff rein und raus, so dass mir schwindlig wurde.

Mein Freund schaute abwartend. Er wusste schon immer, wie er mich zu nehmen hat. Oh, das hörte sich zweideutig an. Obwohl ... na ja, wenn ich es recht überlege, traf es ja auch in allen Lebensbereichen zu. Also ebenso in unserem Sexleben.

 

Ich sah in seine Augen und wurde, wie so oft, weich. Ein Blick genügte und er nahm mir die Kraft, auf irgendetwas oder irgendjemanden sauer zu sein.

Seine Hand legte sich sanft an meine Wange und er fuhr mir mit dem Daumen liebevoll über den Mundwinkel. Selbst nach drei Jahren machte mich diese zärtliche Geste immer noch verrückt. Er wusste es und grinste provokativ. "Ich weiß, du bist nicht sauer auf die nette Dame hinter dem Schalter, also lass sie bitte am Leben. Ich werde den Verlust melden und sehen, was die Fluggesellschaft machen kann. Es sind doch nur Klamotten. Bis unsere Koffer auftauchen, können wir genauso gut welche kaufen. Was hältst du von einem wunderschönen Hawaii-Hemd, einer Bermudashorts und Flipflops?"

Schon die Vorstellung ich sollte in derartiger Verkleidung rumlaufen, brachte mich zum Prusten.

"Na siehst du, ist alles halb so schlimm. Über den wirklichen Grund für deinen Frust reden wir beim Abendessen. Okay?" Ich versank in wunderschöne herbstbraune Augen, die mich immer an frisch gefallenes Laub erinnerten, lehnte unsere Stirn aneinander und hauchte: "Ja sicher." Die Augenfarbe passte so sehr zu seinem Gemüt. Eric war beruhigend, wie ein sonniger Herbsttag im goldenen Oktober, an dem eine leichte Briese durch die Bäume rauschte und die Sonne einem das Gesicht wärmte. Der perfekte Tag. Und Eric war gleichermaßen perfekt, zumindest für mich und das war alles, was zählte.

 

"Bleib einfach hier stehen, ich kümmer mich um alles." Er setzte seinen Plan in die Tat um, ging zum Serviceschalter und meldeten den Verlust der Koffer. Wir fuhren mit dem Taxi in die nächste Boutique und kleideten uns komplett neu ein.

 

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Im Nachhinein stellte es sich als Glücksfall heraus, dass wir uns neu ausstatten mussten. Ich hatte zwar Geld wie Heu, sah hingegen nicht unbedingt einen Nutzen darin Sachen wegzuschmeißen, die sich gut und gerne noch eine oder zwei Saisons tragen ließen. Das Thema mutierte regelmäßig zu einem Disput, da sich Eric grundsätzlich dem Modetrend entsprechend kleidete. Sah ja auch gut aus, gebe ich ehrlich zu. Aber bei mir war es sowieso egal, was ich trug. Ich sah stets wie der alternde Nerd aus.

 

Nach der Shoppingtour fuhren wir direkt zum Waikiki Beach Resort. Mit Einkaufstüten bepackt schlenderten wir ins Hotel. Kaum, dass wir die Lobby betraten, wurden wir regelrecht von Hulamädchen, mit typisch hawaiianischer Musikuntermalung überfallen. Sie begrüßten uns enthusiastisch und erdrosselten uns beinahe mit ihren Blumenketten, die sie uns umlegten. Der Rhythmus der Musik und die Lebensfreude, welche tanzende Frauen in Baströcken und Oberteilen, die ebenfalls aus Blüten bestanden, ausstrahlten, nahm jeden Frust und zauberte mir ein Lächeln ins Gesicht. Ich feixte heftig, als mir auffiel, dass auch ein paar stattliche Männer ihre Hüften schwangen. Natürlich nur im Lendenschurz, was der ganzen Sache einen gewissen Reiz gab.

Über den tosenden Lärm der Musik hinweg wurden wir kurz von einem Concierge begrüßt. Er begleitete uns zum Empfang und gab die Einkaufstüten einem Hotelboy, dem er die Zimmernummer zuraunte. Er wand sich uns wieder lächelnd zu und streckte uns die Rechte zur Begrüßung entgegen. "Hier dürfte es etwas leiser sein. Darf ich mich vorstellen? Ich heiße Makaio. Auf Mr. Kendricks Wunsch, bin ich Ihr persönlicher Ansprechpartner. Ich werde für die Dauer Ihres Aufenthaltes alles in meiner Macht stehende tun, damit Sie sich so wohl wie nur möglich fühlen können."

 

Eric schaute unschlüssig zwischen uns hin und her. "Warte bitte einen Augenblick." Ratlos nickend lehnte mich abwartend an den Tresen der Rezeption.

 

Makaio eilig hinter sich herschleifend, suchte er eine ruhige Ecke. Sie wechselten ein paar Worte, die ich auf Grund der Entfernung natürlich nicht hörte. Eric und der Concierge nickten strahlend und klopften sich gegenseitig konspirativ auf die Schulter, bevor sie wieder in meine Richtung schlenderten.

Was sollte das denn bitte? Seit wann hatte Eric Geheimnisse vor mir? Wir checkten unter Makaios Argusaugen ein und bekamen endlich die Zimmerschlüssel, was mich vom Grübeln abhielt. Er deutete zu den Aufzügen und verkündete: "Meine Herren, ich darf sie auf Ihre Suite bringen."

Merkwürdiger Kauz. Von einer Frage fehlte jede Spur. Nein, es war eine Feststellung.

 

Beim Betreten des Fahrstuhls stockte mir von dessen Anblick der Atem. Was Pompöseres war mir noch nie untergekommen. Er erinnerte mich mehr an eine Loge, der ich selbst in einem Opernhaus nicht das Geringste abgewann, als an einen Aufzug. Davon abgesehen, dass über einen Lautsprecher eine Arie ertönte, war sogar genug Platz für ein äußerst hässliches Kanapee. War dieser Luxus wirklich notwendig, um Etagen zu wechseln?

Der Aufzug stoppe, die Türen glitten auseinander und wir fanden uns im Zentrum einer Suite wieder. Nein, wir mussten uns nicht mit den einfachen Hausgästen im Flur rumdrücken. Uns wurde ein höchstpersönlicher, durch Zahlencode geschützter, Zugang mitten ins Wohnzimmer gewährt.

 

"Danke Makaio, ich denke, ab hier kommen wir allein zurecht." Sie grinsten sich abermals verschwörerisch an und Eric drückte dem Mann einige Dollarscheine in die Hand.

"Mr. Bahlbeck? Mr. Kendrick erwartet sie. Natürlich erst, sobald sie sich eingewöhnt und akklimatisieren konnten. Geben sie mir bitte Bescheid, wann er für sie Zeit einplanen darf."

"Selbstverständlich Makaio. Nach dem Abendessen werde ich ihn gern in seinem Büro aufsuchen. Ich weiß, dass es nicht lange dauert, daher würde ich es so bald als möglich erledigt wissen."

Makaio verabschiedete sich mit einer Verbeugung zu mir, dann zu Eric und verließ die Suite ohne ein weiteres Wort.

 

"Was willst Du? Ich dachte, der heutige Abend gehört uns. Kannst du die Besprechung nicht wenigstens auf Morgen verschieben?" Oh, ich klang wie eine nörgelnde Hausfrau. Aber mich kotzte es an, dass er heute noch zu Kendrick wollte.

Leichtfüßig schlenderte er herüber, strich mir mit den warmen Händen übers Hemd, ließ sie auf meinen Hüften liegen und musterte mich liebevoll. Woher nahm er immer diese Engelsgeduld, wenn ich wieder Mal im Gefühlschaos steckte. An seiner Stelle hätte ich bei der erstbesten Gelegenheit das Weite gesucht.

 

"Joh sei nicht so mürrisch. Wir gehen uns jetzt frisch machen." Er wackelte süffisant mit den Augenbrauen. "Perfekterweise zusammen. Wir wollen ja Mr. Kendrick keinesfalls zumuten, dass seine Wasserrechnung ins unermessliche steigt. Danach genießen wir ein gepflegtes Essen. Ich werde mich anschließend kurz mit ihm unterhalten und folge dir etwas später in die Bar. Außer, du willst schon ins Bett, dann treffen wir uns natürlich dort."

Ich konnte nicht anders, als lächeln. Er schaffte es immer wieder, die grottenschlechte Laune meinerseits zu vertreiben. "Ja, ist in Ordnung. Tut mir leid, dass ich so ein Sturkopf bin. Aber du weißt, warum ich mich gegen diese Woche Urlaub sträube. Das Ergebnis ist für mich schwer vorstellbar."

"Schatz, es ist noch nichts in Stein gemeißelt. Lass uns den Abend genießen und die Nacht. Morgen wird alles anders aussehen. Du musst mir nur vertrauen."

 

Er hatte das letzte Wort kaum über die Lippen gebracht, als er meine mit den seinen versiegelte und mich liebevoll küsste. Uns fehlte einfach die Energie, um darin mehr als nur Zärtlichkeiten einfließen zu lassen. Ich war durchaus zufrieden damit die Nähe nachzuspüren und in seiner Aura von Stärke und Selbstbewusstsein zu versinken.

Hand in Hand gingen wir ins Bad. Er betätigte die Duscharmatur und ließ heißes Wasser laufen, um uns in eine wohlig warme Wolke einzuhüllen. Honolulus fünfundzwanzig Grad Durchschnittstemperatur konnte man keinesfalls als kalt bezeichnen, aber die Reise hatte uns ausgelaugt. Ich spürte bereits die Müdigkeit in den Knochen und meinem Lebensgefährten ging es nicht anders.

 

Eric begann meine Hemdknöpfe zu öffnen und nahm sich unendlich Zeit, mir die Sachen vom Leib zu schälen. Ich liebte es, wenn er so zärtlich besorgt war. Völlig nackt vor ihm stehend, schlang er mir die Arme um den Körper und küsste mich so leidenschaftlich, dass plötzlich andere Regionen hellwach wurden und sich interessiert regten. Sein feuchter Mund eroberte küssend einen Weg zu meinem Ohrläppchen. Er sog es ein und knabberte daran. Eine Welle der Erregung durchflutete mich, als er mir ins Ohr flüsterte: "Du bist wunderbar, hör auf dich selber schlecht zu machen", worauf ich seufzend nachgab.

Er heizte mir zwar gehörig ein, dennoch sollte es zu nichts Weiterem führen, nur die versprochene Dusche und dem anschließenden Essen.

 

Zwei Stunden später saß ich wie verabredet an der Bar und wartete auf ihn. In Gedanken versunken genoss ich einen Whisky. Ja, schon klar. In Honolulu trinkt man keinen Whisky. Aber mir stand nicht der Sinn nach irgendwelchen pappsüßen, kunterbunten Getränken, die einem alles verklebten. Selbst das Hirn war am darauffolgenden Morgen so vernebelt, dass es wie in Sirup getaucht funktionierte.

Ich wartete geschlagene anderthalb Stunden, ehe ich stocksauer den Rückzug antrat. In der Suite angekommen fiel ich ins leere Kingsizebett. Auch wenn ich mich gegen diese Woche sträubte, so wollte ich garantiert nicht die erste Nacht einsam in einem riesigen Bett verbringen.

 

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Laute scheppernde Geräusche rissen mich aus einem unruhigen Schlaf. Verheddert in Laken, startete ich den Versuch, mich auf den Rücken zu rollen. Um zu ergründen, woher dieser Tumult kam, lauschte ich mit geschlossenen Augen. Ich quälte mich noch durch meine Aufwachphase, da wurde die Schlafzimmertür geöffnet und Eric schob vorsichtig seinen Kopf hindurch. "Oh, du bist schon wach? Tut mir leid, wenn ich dich geweckt habe. Aber wir müssen uns beeilen. In einer Dreiviertelstunde steht die Limousine vorm Hotel."

 

Ich wuchtete meine Oberkörper hoch und lehnte anschließend auf dem linken Unterarm. "Toll, wirklich toll! Wenn wir, nach deinem Reden, in ein paar Minuten unten in ein Auto steigen sollen, das uns wer weiß, wohin fährt, hättest du mich ja ohnehin geweckt. Was du gelinde gesagt schon mal rücksichtsvoller hinbekommen hast. Also, entschuldige dich nicht für längst beschlossene Sachen", blaffte ich ihn an.

Er besaß doch wirklich die Frechheit hier aufzutauchen, mich aus dem Bett zu zerren, in dem ich die Nacht allein verbringen musste, und dann so zu tun, als wäre alles in bester Ordnung.

 

"Ach komm schon Schatz. Sei nicht sauer. Es dauerte leider doch länger, als erwartet und ich wollte dich schlafen lassen. Weshalb ich auf der Couch gepennt habe."

 

"So einen Quatsch hast du noch nie gemacht, selbst wenn du um drei Uhr morgens aufgetaucht bist. Also sag mir gefälligst sofort, was los ist! Da ja gestern unser Gespräch für jemand anderes abgesagt wurde, können wir es gleich hier an Ort und Stelle führen. Das erspart uns das nette Getue." Meine Wut kochte hoch, ohne dass ich etwas dagegen unternehmen konnte.

 

"Es gibt sicher einiges zu besprechen. Aber ich bitte dich nochmal um deine Geduld. Ich habe einen Ausflug gebucht. Lass uns frühstücken und den wundervollen Tag nicht im Streit beginnen." Er stand wie angewurzelt im Türrahmen. Es gab auch keinen Guten-Morgen-Kuss. Was war hier los? Die ganze Sache stank zum Himmel. Langsam begann ich, mir wirklich Sorgen zu machen. Meine unter der Oberfläche lauernde Unsicherheit ergriff wieder einmal Besitz von mir. Und ich hasste es, wenn ich so empfand, da ich dieses Gefühl mit Aggression zu kaschieren versuchte.

 

"Alles klar. Ich geh´ schnell duschen und komme dann zu dir", maulte ich vor mich hin.

 

Bevor er die Tür schloss, sah ich ein verständnisvolles Lächeln aufblitzen. Dieser Mann war die pure Verwirrung.

 

Ich verschwand ins Bad, brachte mein Äußeres so gut, wie es nun mal in zehn Minuten möglich war, auf Vordermann und gesellte mich zu ihm ins Wohnzimmer. Dort drohte der Esstisch, vom reichhaltigen Angebot zusammenzubrechen. "Hatten sie nicht mehr zur Auswahl? Das ist wirklich ein spartanisches Frühstück", provozierte ich ihn, als ich den Stuhl vorzog und mich setzte.

 

Das Lächeln von vorhin hatte ihm jemand ins Gesicht gemeißelt, denn es haftete immer noch dort und machte keine Anstalten verschwinden zu wollen. "Ironie steht dir nicht. Das bist nicht DU, also hör bitte auf damit", sagte er, reichte mir eine von ihm zusammengestellte Auswahl an Speisen und schenkte mir duftenden Kaffee ein.

Hätten wir vorgehabt länger als die erwähnte Woche zu bleiben, müsste ich mir gewaltige Sorgen um meine Figur machen. Auf dem Teller lagen mindestens zehntausend Kalorien.

 

Ich stopfte mir ein extrem leckeres Stück Eierkuchen in den Mund und nuschelte: "Wo dehts ben überhaupt him?"

 

"Das siehst du schon noch. Lass dich einfach drauf ein, dann wirst du auch Spaß haben."

 

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Die Limo setzte uns nach einer zwanzigminütigen Fahrt in der Nähe einer Bucht ab. Das glaubte ich zumindest zu diesem Zeitpunkt. Eric bedankte sich beim Chauffeur und bat ihn darum in Bereitschaft zu bleiben, da er vorhatte, ihn anzurufen, sobald wir wieder abgeholt werden wollten.

 

Wie immer hatte ich keine geeigneten Sachen an. "Du hättest mir wenigsten sagen können, was ich anziehen soll. Bermuda-Shorts und Schlappen wären passender gewesen."

 

Stillschweigend umfasste er mein Handgelenk und zog mich hinter sich her. "Komm, ich zeig dir was", war alles, was ich für die nächsten fünfzehn Minuten von ihm hörte. Wenn ich es nicht besser gewusst hätte, wäre ich auf die irrwitzige Idee gekommen, dass er nervös war. Ich bemerkte seine kalte feuchte Hand auf meiner Haut. Aber so war er nicht. Er war in jeder Lebenslage Herr Seinerselbst.

 

Wir überquerten einen Hügel und stoppten mitten im Wald auf einem Plateau. Der Blick, der sich uns offenbarte, war atemberaubend. Mich überwältigte ein Naturschauspiel, was seines gleichen suchte.

Es zeigte sich, dass unser Ziel keine Bucht, sondern ein Kleinod von Naturwunder darstellte. Mitten im Wald öffnete sich eine Lichtung, die den Blick auf einen kleinen See, umrahmt von Bäumen und Büschen, freigab. Die Sonne zauberte hunderttausende Diamanten auf die Wasseroberfläche und Mutter Natur hatte bei der Erschaffung dieses Fleckchen Erde ihre Fantasie freien Lauf gelassen. Ein Wasserfall von gut und gerne achtzig Meter Höhe ließ stetig und mit wahnsinniger Wucht glasklares Wasser ins Becken stürzen. Das Seeufer schien vor Farben zu explodieren. Es gab verschiedenartige Variation von Blüten. Einige Pflanzen mussten mannshoch sein. Andere wiederum bedeckten gerade so den Boden. Aber alle hatten eines gemein: Sie blühten in den wundervollsten Formen und Farbschattierung, die ich je gesehen hatte.

 

"Mein Gott, ist das schön", hauchte ich andächtig. Ich befürchtete, dass alles wie eine Seifenblase zerplatzt, sollte ich auch nur zu laut sprechen.

 

Eric legte den Arm um meine Hüfte und zog mich an seine Seite. "Ja, das ist es. Oder? Meinst du, es hat sich für dich gelohnt herzufahren?"

 

Ergriffen ruhte mein Kopf an seiner Schulter und wir bewunderten den Anblick. "Natürlich ... Danke ... dass du es mir zeigst."

 

„Lass uns einen Spaziergang um den See machen. Der Ort ist reine Magie."

Es war so beeindruckend, dass ich wie ein kleiner Junge staunend durch den Wald lief, bis wir an einem Uferplateau anhielten und den Anblick nochmals auf uns wirken ließen.

 

"Jetzt weißt du auch, warum du keine Strandsachen benötigst. Da du sowieso nicht der Typ für Beachpartys bist, ist das genau der richtige Ort für dich."

 

Ich wand mich in seine Richtung, verringerte den Abstand zu ihm und lächelte. "Ja, du kennst mich mittlerweile besser als ich mich selber." Meine Finger glitten über seine Arme, ich schmiegte mich an seine Brust und sucht seinen wunderbaren weichen Mund. Ich bat mit meiner Zunge um Einlass, den er mir augenblicklich gewährte und wir in einem intimen Tanz schwelgten. Wir vertieften den Kuss, fordernder und hingebungsvoller. Reflexartig presste ich mich an ihn und spürte sofort seine wachsende Erregung. Meine Hose spannte ebenfalls über meinem besten Stück, welches um mehr Aufmerksamkeit bettelte. Plötzlich unterbrach mein Freund unser leidenschaftliches Spiel und meinte: "Ich möchte dir noch etwas anderes zeigen."

 

"Oh ja. Du weißt, ich bin experimentierfreudig. Sex in der Natur ist eine sehr gute Idee. Wir suchen uns ein Plätzchen und ... ", säuselte ich ihm verführerisch ins Ohr, worauf pure Lust seinen Körper erbeben ließ. Er atmete tief durch, um sich zu sammeln und hielt mich an den Schultern auf Abstand. Er grinste überrascht und führte mich weiter um den See herum. "Nein, das meinte ich nicht. Und seit wann bist du so fordernd?"

 

Wir folgten gemächlich einen Trampelpfad, bis aus heiterem Himmel ein königlich gedeckter Tisch für zwei Personen mitten in einer kleinen Einbuchtung im Wald auftauchte. Erst auf den zweiten Blick bemerkte ich Makaio in einem kunstvoll gestalteten Livre. Er sah aus, als entstammte er dem 19. Jahrhundert.

 

Konfus schaute ich Eric und dann wieder Makaio fragend an. "Was soll das werden? Mittagsmahl am See? Ihr zwei seid ja verrückt. Wie kommt man nur auf so eine Idee. Allein die Umsetzung muss ein Haufen Arbeit und Zeit gekostet haben ... warte ... Das war der Grund, weshalb du mich die letzte Nacht hast sitzen lassen?" Ich verstand die Welt nicht mehr. Wofür der ganze Aufwand? Damit ich leichter zu überzeugen war? "Du willst um jeden Preis nach Hawaii oder?" Fragte ich ihn bestürzt.

 

Eric schaute mich irritiert an, in mir waberte der Frust von heute Früh wieder hoch und es kostete all meine Willenskraft, um nicht auszurasten. Was glaubte er, wen er vor sich hatte? Einen kleinen bockigen Jungen, den er ein bisschen bestechen konnte, damit er gefügiger wurde? Da hatte er sich gewaltig geschnitten.

Empört stapfte ich von dannen, blieb auf seiner Höhe nur kurz stehen, um ihn enttäuscht anzuschauen und sagte: "Wenn du wirklich denkst, du könntest mit einem romantischen Essen eine lebensverändernde Entscheidung zu deinen Gunsten beeinflussen, dann kennst du mich doch nicht so gut, wie ich erst dachte."

 

Meine Ansprache führte dazu, dass er völlig perplex mit offenem Mund da stand und mich mit schreckgeweiteten Augen sprachlos anstarrte.

Nun gut, dann sollte er ruhig eine Weile hier glotzend in der Gegend rumstehen. Er benötigt sicher noch einige Minuten, um meine Entrüstung zu verstehen. Somit machte ich mich auf den Rückweg.

 

Ich kam genau genommen fünf Schritte weit, als mich auch schon zwei Stahlklammern umfingen und ein Weiterkommen verhinderten. Er presste meinen Rücken an seine Brust und raunte mir ins Ohr. "Du bist ein verrückter Kerl. Ich lass dich erst wieder los, wenn ich mit Reden fertig bin. Eigentlich hatte ich mir das etwas anders vorgestellt, aber nun ja ... dann muss es eben so gehen."

 

Seine Nase fuhr mir über den Nacken und mich durchströmte glutheiße Lust. Ich hatte im Moment allerdings wirklich nicht das Bedürfnis, solcher Gefühle ausgesetzt zu sein. Nur erzählt das mal meinem Körper, der entwickelte dahingehend ein Eigenleben. Daher versteifte ich mich und zeigte so meinen Widerwillen.

 

Er drückte mir die warmen Lippen auf die sensible Stelle zwischen Hals und Schulter, bevor er leise zuflüsterte: "Ich werde dir ein paar Fakten aufzählen und habe danach einige Fragen. Wenn ich fertig bin und du immer noch den Wunsch zu gehen hegst, dann werde ich dich nicht aufhalten. Versprichst du mir, dass du mich bis zum Schluss ohne Unterbrechung anhören wirst?"

 

Meine Stimme versagte, ich schluckte hart und nickte.

 

"Wir sind seit nunmehr drei Jahren zusammen. Es gab Höhen und Tiefen, die wir miteinander erlebten. Ich habe Honolulu und im Einzelnen diesen Ort für mein heutiges Vorhaben ausgewählt, weil ich dachte, es wäre der einzig passende, um dir zu sagen, dass ich dich mehr liebe als mein Leben und den Rest davon mit dir an meiner Seite verbringen möchte."

 

Hatte ich richtig gehört? War das ein Heiratsantrag? Ich versuchte, mich in seinen Armen zu drehen, aber er hielt mich weiterhin im Klammergriff. "Du hattest versprochen, bis zum Schluss zuzuhören. Das war noch nicht alles und ich möchte von dir noch keine Antwort."

 

Nickend forderte ich ihn auf, fortzufahren. Im gleichen Moment ging mir mein Verhalten der letzten Tage durch den Kopf und in mir wuchs Scham. Ich hatte mich aufgeführt wie ein Idiot und konnte nicht fassen, dass er dies hier nur für mich auf sich genommen hatte. Selbst meine Anfeindungen ließ er geduldig über sich ergehen.

 

"Gut, dann beginne ich am Anfang. Die Koffer sind nicht verloren gegangen. Ich musste irgendwie verhindern, dass du siehst, was ich eingepackt hatte. Sie stehen mittlerweile in unserer Suite. Dort werden sie auf Wunsch wieder abgeholt. Ich habe auch kein Jobangebot von Kendrick erhalten. Er ist ein alter Freund und schuldete mir noch einen Gefallen, den er hiermit einlöst. Er pflegt sehr gute Kontakte zu den Inselbehörden, welche den See auf seinem Wunsch hin heute für Touristen gesperrt haben und ich benötigte Makaios Verbindungen, damit er uns diesen Lunch ermöglichte. Ich hatte gehofft, dass du eventuell meinen Antrag annimmst. Sollte das der Fall sein, möchte ich dir die Entscheidungen über Ort und Zeitpunkt unserer Hochzeit überlassen. Eine Sache wäre da noch: Es sind mehr als nur sieben Tage Urlaub geplant. Ich hatte in den letzten Jahren zu wenig Zeit für dich, weshalb ich mir eine Auszeit genehmige. Nur du bestimmst, wann diese beendet ist. Für die nächsten vier Wochen steht uns ein Strandhaus zur Verfügung. Wie es danach weitergeht, entscheiden wir, wenn es so weit ist. Und jetzt komme ich nochmal auf die Koffer zu sprechen. Sie enthalten keine Bekleidung. Die bekommen wir hier zuhauf. Da wir einige Zeit von zu Hause fernbleiben - natürlich nur, wenn du dich dafür begeistern kannst - habe ich deine Unterlagen und technischen Geräte, wie Laptop und so weiter, eingepackt. Ich möchte dich ungern auf Dauer von der Schreiberei abhalten. Ich weiß, dass sie dir sehr wichtig ist."

 

Seine immer rauer werdende Stimme verklang und ich konnte mich keinen Millimeter bewegen. Ich schämte mich in Grund und Boden. Obendrein musste ich die Neuigkeiten erst begreifen.

Ich konzentrierte meine Gedanken auf das Hier und Jetzt und startete abermals den Versuch, mich ihm zuzuwenden. Er es geschehen. Die Fassungslosigkeit stand mir offensichtlich ins Gesicht geschrieben, denn er schaute mit einer Spur Unsicherheit und wartete auf eine Reaktion.

 

Meine Hände waren schneller als mein Verstand. Sie lagen bereits an seinen Wangen, bevor ich den nächsten Schritt auch nur zu Ende denken konnte. Unsere Blicke verfingen sich und ich versank auf ein Neues in die goldbraunen Herbstaugen. "Du bist ein liebevoller, starker, beschützender, witziger und vor allem verrückter Mann. Ich bin zu tiefst berührt und schäme mich unsagbar für dass, was ich dir in den letzten Tagen angetan habe. Mein Verhalten ist unentschuldbar. Aber ich kenne Dich und weiß du wirst mir wie immer verzeihen. Also, warum sollte ich so einen wundervollen Menschen nicht lieben. Wie dumm wäre ich, wenn ich dich gehen ließ? Ich wurde mal gefragt, ob ich an Liebe auf den ersten Blick glaube. Die Antwort kenne ich erst seit drei Jahren. Ich habe dich vom allerersten Augenblick an geliebt. Du bist in den Club gekommen und ich sah dich unschlüssig in der Tür stehen. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich nicht, wer du warst und ob du Frauen oder Männer mochtest. Aber ich kann dir sagen, dass es genau der Moment war, als du dich in mein Herz geschlichen hast. Du hattest es in Besitz genommen, ohne es zu wissen."

 

Kein Wort. Kein einziges Wort kam über seine Lippen. Mein Blick wanderte wieder zu seinen Augen, die vor Feuchtigkeit glänzten. Mein umwerfender, zukünftiger Mann kämpfte mit den Tränen. Ich zog ihn für einen weiteren Kuss an mich und legte in diesem all meine Liebe. Meine Arme glitten um seinen Hals und ich hielt ihn einfach nur fest.

Wir standen eine gefühlte Ewigkeit so da, bis ich mich räusperte und ihm wieder tief in die Augen schaute. Er sollte die Überzeugung spüren und sehen, die ich in mir trug. "Selbstverständlich nehme ich deinen Antrag sehr gerne an. Und natürlich werde ich mit dir hier auf Hawaii bleiben, so lange, wie du wünschst. Dass du an meine Rechercheunterlagen und den Laptop gedacht hast, würde mich dazu bringt dich noch mehr zu lieben, wenn es denn überhaupt möglich wäre."

 

Ich legte meinen Zeigefinger unter sein Kinn und schloss den vor Fassungslosigkeit offenstehenden Mund. "Du dummer, liebenswerter Mann. Lass uns den armen Makaio erlösen. Er sieht ziemlich verschwitzt aus, in dieser Uniform."

 

Eric schüttelte den Kopf, schloss seine Arme fester um meine Taille und presste mich unglaublicherweise noch enger an sich. Sein Mund schwebte über meinem, als wollte er mich küssen. Das tat er nicht. Ich spürte eher seine Worte, als das ich sie hörte. "Mein Antrag ist anders verlaufen als geplant. Gib mir aber bitte eine Chance, dir noch etwas auf meine Art zu schenken."

 

Mir war es unbeschreiblich peinlich, dass ich mich am liebsten in ihm verkrochen hätte. "Du hast mir doch schon alles von dir gegeben."

 

Wir gingen zum Tisch und ich setzte mich. Eric ließ sich von Makaio eine kleine, mit blauem Samt bezogene Schachtel geben und kniete sich vor mich.

 

Die Szene hätte kitschig wirken können, tat sie aber nicht. Im Nachhinein glaube ich, dass es in unserer Beziehung der romantischste Augenblick überhaupt war. Er steckte so voller Hoffnung und Zuneigung.

Er öffnete die kleine Schmuckschatulle und entnahm zwei Ringe. Sie sahen absolut nicht feminin aus. Sie waren silberfarben und mindestens einen Zentimeter breit. Er reichte mir einen und meinte, ich solle die Inschrift lesen.

Der Reif wog schwer in der Hand. Folglich kein Silber, ich tippte auf Platin. Ich schaute auf die filigran geschwungene Gravur, welche den gesamten Platz im Ring einnahm und formte die Inschrift lautlos mit dem Mund, als ich seine raue Stimme gleichzeitig die Worte sagen hörte. Es klang, wie ein Schwur. "Eric und Johann - Gestern - Heute - Morgen - auf Ewig verbunden"

 

Ich war so gerührt, sodass ich es war, der diesmal mit den Tränen kämpfte.

 

Er nahm mir den Ring ab und steckte ihn mir mit einem liebevollen Blick auf den linken Mittelfinger. Ich ließ es mir nicht nehmen, eben dies auch bei ihm zu tun.

 

Plötzlich begriff ich, was er damit gemeint hatte, als er diesen Ort als magisch bezeichnete.

 

Er war für diesen perfekten romantischen Moment mehr als nur geeignet und würde immer einen besonderen Platz in unseren Erinnerungen einnehmen.

 

 

ENDE

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Text © Bianca Nias, Blake Heartland, Cat T. Mad, Chris P. Rolls, Devin Sumarno, Francisca Dwaine, Juan Santiago & Celine Blue, Karo Stein, Karolina Peli, M. S. Kelts, Nele Betra

 

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Texte: Blake Heartland, Chris P. Rolls, Francisca Dwaine, Nele Betra, Karo Stein, Devin Sumarno, Karolina Peli, Bianca Nias, M.s. Kelts, Cat T. Mad, Juan Santiago, Celine Blue
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Tag der Veröffentlichung: 22.10.2014

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