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Träume am Fenster und Anderswo





Da in der Gegenwart das geschriebene Wort
nicht mehr Feder noch Tinte bedarf
und das vertraute Klappern der Schreibmaschine
längst seine Arbeit eingestellt hat,
fühle auch ich mich genötigt, mit viel Mühe,
den Weg einer für mich neuen Technologie zu gehen,
um meine Gedanken und Gefühle,
für wen auch immer,
zu bewahren.


Traüme am Fenster und Anderswo

Erstausgabe 2010


Copyright: Erhard B. Neef
Bilder im Innenteil: Erhard B. Neef
Umschlaggestaltung: Erhard B. Neef
Verlag:
Druck und Bindung:
ISBN:



Inhaltsverzeichnis

Erinnerungen Erzählung 8
Der Aufdringliche Bild 40
Was bleibt schon übrig Gedicht 41
Nur eine Frage der Definition Erzählung 42
Nicht nur die Zeit ist relativ Erzählung 45




Erinnerungen



Ich danke meinen Lehrern, dass sie mich das Schreiben gelehrt haben, bitte sie aber gleichfalls um Verzeihung, da es keinen ersichtlichen Grund gibt andere damit zu belästigen.

Ich bin mir ganz und gar nicht sicher warum ich gerade jetzt das Bedürfnis verspüre Dinge niederzuschreiben, die mir eigentlich nie sonderlich wichtig waren und darüber hinaus Schnee von gestern sind. Möglich, dass mich die Gegenwart an die Vergangenheit erinnert oder die Vergangenheit in mein Gedächtnis zurückgekehrt ist, weil ich jetzt einfach die Zeit dafür habe. Ich weiß es nicht, und ehrlich gesagt, es ist mir auch ziemlich egal. Der Witz an einer autobiographischen Erzählung ist, dass eine Erinnerung sofort andere nach sich ziehen. Erst hat man die Eine, dann eine Zweite, eine Dritte und alle scheinen plötzlich wichtig zu sein und sich genau so zugetragen zu haben, wie es nun schwarz auf weiß zu lesen ist. Da die, aus der Vergangenheit kommenden Begeben-
heiten, nur Fragmente unscharf und oft kaum nachvollziehbar sind, möchte ich die Glaubwürdigkeit meiner Geschichte dem werten Leser überlassen.


Ich wurde im April, einen für die Jahreszeit typischen Tag geboren. Laut Überlieferungen war der 18.04.1939 bewölkt, stürmisch und verregnet, aber auch durch sonnige Abschnitte geadelt, was sich selbstverständlich auf meine Psyche auswirken sollte. Obwohl mein Vater zu berichten wusste, dass ich schon mit sehenden Augen zur Welt gekommen sei, kann ich mich an nichts, aber auch an rein gar nichts erinnern. Immer wenn mein Vater diese Behauptung aufstellte und er tat dies oft und gern, wusste dies meine liebe, duldsame Mutter vehement zu bestreiten.
„Nur weil dein Sohn nach einem Klaps auf seinen Hintern nicht schrie, stattdessen der Hebamme in den Ausschnitt pinkelte, bildest du dir noch immer ein, er hätte schon als Neugeborener den vollen Durchblick gehabt.“
Wer von beiden auch immer Recht hatte, dem Charakter nach zu urteilen sollte eine derartige Handlungsweise mir nicht unbedingt widersprechen. Komisch ist nur und sie könnten mich schlagen, ich kann mich daran nicht, aber auch gar nicht mehr erinnern.
Eines jedoch scheint sicher! Ich lebe! Also bin ich.

Wie bedeutsam ist ein Vorname?

Obwohl mein Rufname Bruno war, wie gesagt, „Bruno war!“, besitze ich heute, dank meines vorlauten Vaters, einen anderen Vornamen, nämlich Erhard, der auf lateinisch soviel wie Stark und Ehre bedeutet.
Bruno hieß mein Onkel mütterlicher Seite und wenn gleich Vater und Onkel sich nicht besonders gut verstanden, so wusste es meine Mutter trotzdem einzurichten, dass ich mit Rufnamen Bruno genannt wurde. Ich mochte den Onkel als Kind besonders gern, da es immer so schön laut zuging, wenn sich die beiden Männer trafen.
Einmal, ich glaube mich zu erinnern, stritten sie sich über meine Zukunft, obwohl sie weit größere Differenzen miteinander hatten.
Es begann damit, dass ich als vierjähriger Bub Zeuge wurde, wie meine Tante ihrer zweijährigen Tochter, also meiner jüngeren Cousine, bei einem ihrer Darmvorfälle den selbigen mit dem Finger in den kleinen Hintern zurück beförderte. Ich weiß wie sich das anhört, aber genau so wurde der Darmvorfall meiner Cousine behandelt, was mich selbst redend veranlasste, gleiches mit einem Huhn meines Onkels durchzuführen, in dem ich den Versuch unternahm ein Porzellanei in einer seiner Hennen zurück zu befördern.
Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube der Vogel musste notgeschlachtet werden, denn der Onkel nannte mich nur noch Metzger oder Schlächter. Nur meine Tante, die sagte:
„Ich bin mir sicher, aber er wird mal ein guter Veterinär.“,
was meiner Mutter glücklich zu machen schien, denn sie lächelte Tante Gertrud daraufhin dankbar an, bevor sie mir einen Klaps auf den Hintern gab. Wer oder was auch immer ein Veterinär ist konnte ich damals nicht nachvollziehen, aber am nächsten Tag gab es Hühnchen und alle schienen sich darüber zu freuen. Nur der Onkel sah mich schief von der Seite an und sagte leise:
„Du Metzger du! Du brutaler!“
Doch entschuldigen sie bitte, ich schweife vom eigentlichen Thema ab. Also noch mal von vorne, mein Rufname war Bruno!

Mein Onkel Bruno, der laut eigener Aussage ein Marxist ohne Kompromisse war, was selbstverständlich meinem Vater missfiel, hatte er doch im Sinne von Kaiser, Volk und Vaterland schon von 14 bis 18 als Soldat der ersten Stunde gedient.
Im Übrigen, ich habe meinen Vater nie in einer Uniform gesehen, aber er trug als aufrechter Deutscher, kurze Haare und einen Lippenbart. Ich kann nur sagen, vom feinsten.
Es war am Geburtstag meiner Mutter. Wir waren alle in der Wohnstube, die eigentlich nur an Sonn- oder Feiertagen betreten werden durfte. Trude deckte den großen, ausgezogenen Wohnzimmertisch, der nur bei besonderen Anlässen seiner eigentlichen Funktion zugeführt wurde.
Ich, Bruno der Erste, saß mit meinem Bruder erwartungsvoll auf der gut gepolsterten Couch und beobachtete die Szenerie.
Ganz nebenbei, Trude war eine Art Kindermädchen für uns.
Wie gesagt, ich saß erwartungsvoll auf der Couch und harrte der Dinge die da kommen sollten. Mein Bruder Hubertus, wir nannten ihn alle nur Hubert, hatte seinen Arm um mich gelegt und sah mich mit seinen dunklen Augen freundlich an.
„Vater“,
sagte er fast kleinlaut.
„kommt Tante Gertrud und Onkel Bruno zu Besuch?“
Hubert stupst mich leicht von der Seite her an und grinst.
„Ich denke schon, wenn er nicht gerade wieder Flugblätter verteilt oder mit seinen Genossen fremder Leute Wände beschmiert!“
„Friedrich Wilhelm!“,
rief meine Mutter.
Hubert lachte jetzt über das ganze Gesicht. Er wusste genau, dass Mutter sauer war, wenn sie Vater „Friedrich Willhelm“ nannte.
„Ich denke das diese Bemerkung fehl am Platze ist. Sprich bitte nicht so verleumderisch von meinem Bruder vor den Kindern!“
Ich spürte das erste Mal das in meiner Mutter Zorn aufkam, den sie nicht zu bekämpfen gedachte. Etwas verängstigt beobachtete ich deshalb die Beiden. Während sich Vater verlegen grinsend mit der Hand die Kopfhaut kratzte, kam Trude mit einen Teller Streuselkuchen ins Zimmer, stolperte über die Teppichkante und landet der Länge nach auf dem Boden. Na ja, der Länge nach scheint mir schon ein wenig übertrieben, war sie doch selber nur einen Kopf größer als unser Pekinesenspitz und der war klein.
Vater kam ihr schnell zur Hilfe, in dem er ihr auf ihre kurzen Beine half. Als sie dann mit Puderzucker und Streuseln verschmiertem Gesicht vor uns stand, konnte niemand mehr an sich halten und alle mussten lachen, bis auf Trude, die heulte.
Später saßen wir vereint am Tisch. Während Hubert seine Schokolade trank, popelte ich die Streusel vom Kuchen, den Trude mit der Bemerkung,
„Schmier bloß nicht wieder den ganzen Tisch voll, du kleines Ferkel!“,
vor mir abgestellt hat.
Ich sah Trude für einen Augenblick strafend an, dann tauchte ich den Rest meines Kuchenstückes demonstrativ in die Tasse Schokolade und grinste sie provozierend an.
Vater sah aus dem Fenster. Er musste noch immer über Trudes Missgeschick lachen, was meine Mutter wohl übertrieben fand, denn sie fragte ihn, was er denn jetzt schon wieder lustig fände? Er sah Mutter an und sagte stattdessen grinsend:
„Hat sich dein roter Bruder schon gemeldet?“.
Mutter verzog keine Miene als sie sagte:
„Ich bitte dich Fritz! Einfach Bruder reicht doch wirklich vollkommen aus.“
Sicher hatte auch mein Vater, wie wir alle auch, den Unterton in ihrer Stimme mitbekommen, aber es schien so, als wolle er Mutter ein wenig provozieren.
„Schatzimaus! Weißt du eigentlich was der Name unseres kleinen Hosenscheißers auf Latein heißt?“
Er machte eine bedeutsame Pause und während die anderen gespannt warteten, ich mir immer noch über den Hosen-
scheißer meine Gedanken machte, sah Mutter Vater fragend an. Plötzlich prustet er laut lachend los:
„Bruno! Der Name deines roten Bruders bedeutet auf Latein, der Braune! Ich könnte mich totlachen, wenn ich daran denke was seine roten Genossen dazu sagen würden!“.
Vater sieht mich demonstrativ an und sagt nicht ohne Stolz in seiner Stimme:
„Siehst du mein Sohn! Ich wusste schon warum ich nichts gegen deinen Rufnamen einzuwenden hatte.“
und er klopft sich dabei voller Übermut auf seine Ober-
schenkel.
Heute glaube ich zu wissen was den Ausschlag gab, dass ich von Stund an nur noch mit meinem zweiten Namen „Erhard“ gerufen wurde. Was selbstredend nur bedeuten konnte, dass Mutter Stärke und Ehre schon damals der Farbe Braun den Vorzug gab.
Ein Spitzname kommt eben selten von allein.

Während ich mit meinem Verdauungsapparat zu kämpfen hatte und mein Gewichtsverlust gravierende Formen annahm, schlug sich Deutschland mit der halben Welt herum. Sicher habe ich heute zu dieser, unser aller Vergangenheit, einiges mehr zu sagen. Aber damals konnte ich, Erhard Bruno der Erste, noch nicht begreifen was gut oder böse war. Es gab so viele Dinge die mir wichtiger waren als das Geschrei der Straße und die vielen Fahnen mit ihren unterschiedlichen Symbolen, sowie schwarze, braune und grüne Uniformen, deren Bedeutung ich nicht kannte, sie waren mir egal. Das immer gegenwärtige klappern der Sammelbüchsen ging mir auf die Nerven.
Fanfaren, Schalmeien und die Trommeln - halt! – die Trommeln nicht. Trommeln interessierten mich schon immer, ich glaube weil Trude sie nicht mochte. Eigentlich gefiel mir alles was sie nicht mochte!
Meine Ernährungsstörung hatte eine gute und eine schlechte Seite. Gut war, ich wurde fast nur mit Bananen gefüttert, schlecht dagegen, dass es bald keine mehr gab.
In dieser Zeit wurde mir, was später noch öfter passieren sollte, die erste politische „Ente“ meines Lebens aufge-
bunden. Bezeichnend dafür war, dass ich noch Jahre später jeden schwarzen Menschen misstraute der eine Banane aß.
„Du musst wissen!“,
erzählte mir Trude mit erhobenem Zeigefinger, die mir in ihrer BDM (Bund Deutscher Mädchen) Uniform gar nicht so schlecht gefiel. Sah sie doch sonst, mit ihren zum Zopf gebundenen Haaren, eher doof aus.
„Du musst wissen! Es wachsen in Deutschland keine Bananen und die bösen schwarzen Neger geben uns keine mehr ab, weil sie die alle allein auffressen!“
Eigentlich war ich eher gewillt Trude nicht zu glauben, aber hier ging es um mein Grundnahrungsmittel, um einen elementaren Einschnitt in mein gewohntes Nahrungsan-
gebot. Das konnte und wollte ich nicht einfach hinnehmen und so beschloss ich alle zu bestrafen, indem ich andere Speisen zu verweigern begann.
Trotz meiner anhaltenden Proteste, gab es von nun an nur noch Möhren, Haferschleim und Lebertran, eine Kombination die mir noch heute zu schaffen macht, wenn ich nur daran denke. So war es kein Wunder, dass mein kleiner, durch Südfrüchte verwöhnter Körper, sich mit aller Macht zur Wehr zu setzen suchte. Doch was blieb mir übrig. Irgendwann hatte ich Hunger.
Mutter musste dafür sorgen das ich aß und das tat sie auch, wenngleich mir ihre Mittel und Wege nicht gefielen. Sie erreichte immer was sie wollte und so wurde ich satt. Ich liebte es, wenn Mutter mir nach dem Mal des Grauens bestätigte, dass ich ihr tapferer kleiner Junge bin. Vaters Worte dagegen klingen mir noch heute wie Drohungen in den Ohren, wenn er seine Sprüche machte.
„Der Lancer muss viel schwerer darben, kämpft er im Feld um Ruhm und Ehr und doch steht er für uns auf Wacht, mit seinem Schießgewehr.“
Wenn ich ihm aber mit meinem Geschrei richtig auf die Nerven ging, ließ er mich dies wissen:
„Verflixt! Du wirst noch mal Schafsscheiße fressen!“
Damals konnte er noch nicht ahnen, wie nah seine Prophe-
zeiung an die Realität herankommen sollte. Auf jedem Fall zeigte sich, dass meine Endscheidung wieder zu essen, Früchte trug.

Die radikale Umstellung des Speiseplanes meiner Mutter tat mir gut und so war eine schnell durchgreifende Gesundung das Ergebnis ihrer Bemühungen. Mein zarter, geschwächter Körper wuchs prächtig und so war ich bald in der Lage einige grundlegende Veränderungen in meinem Leben vorzuneh-
men. So konnte ich zum Beispiel die Toilettentür öffnen, das Becken erklimmen und meine Notdurft verrichten. Mit einiger Übung gelang es mir auch bald, wenn ein Hocker in der Nähe stand, mich auf den Selbigen zu stellen und ins Küchenbecken zu pinkeln, was mir wiederum die ersten Katzenköpfe von Mutter einbrachte. Aber auch dies muss mal erwähnt werden! Von Stund an machte ich am Tage nicht mehr in die Hose, was mir aber bei Nacht seltener gelang. Trotz allem war ich stolz auf meine Erfolge und nahm es Mutter auch nicht übel, als sie mir demonstrativ einen Nachttopf unter mein Bett schob. Im Übrigen, er war aus weißem Porzellan mit wunderschönen blauen Vergissmein-
nicht-Blumen bemalt und die passten genau zu meinen Augen. Das jedenfalls behauptete meine Mutter. Nur Trude ließ mich in ihrer freundlichen Art und Weise wissen:
„Das sind keine Vergissmeinnichte, dass sind ganz gewöhnliche Pissnelken für undichte Jungs und die passen auch zu dir!“.
Zu dieser Zeit konnte sie mich noch verulken und Zweifel in mein kleines Herz pflanzen, doch bald sollte sich das Blatt zu meinen Gunsten wenden. Trude war eigentlich immer sehr freundlich, aber ich bin mir ganz sicher, richtig leiden mochte sie mich nie.
Jetzt, da ich als gesundet galt, brach die Zeit der ständigen Belehrungen an. Wie aus heiterem Himmel fühlte sich alle Welt berufen mir etwas beizubringen. Da hieß es dann ganz plötzlich, man hat zu sagen:
„Bitte und Danke. Ich möchte, selbstverständlich wenn ich darf. Messer, Gabel, Schere, Licht, ist für kleine Kinder nicht.“
Solche und ähnliche Sprüche waren an der Tagesordnung und hemmten mich in meinen Aktivitäten ungemein. Am perfidesten trieb es selbstredend Trude mit ihren Anord-
nungen. Sie sorgte dafür, dass ich fast die Freude an meinem jungen Leben verlor. Immer wenn ich mir verzückt den Finger in die Nase schob, war sie zur Stelle. Sie brachte es sogar fertig meine kleinen Hände in Fäustlinge zu stecken, um so ihren Willen durchzusetzen, was mich selbstver-
ständlich gewaltig wurmte. Doch was mich besonders in Rage brachte, wenn sie es darauf anlegte mich beim Naschen zu erwischen, um mir dafür umgehend auf die Finger schlagen zu können. Ich fühlte mich in meiner persönlichen Entwicklung durch sie dermaßen bedroht und eingeschränkt, dass ich nur noch an Vergeltung denken konnte, jedenfalls gegenüber meinem Kindermädchen Trude. Ich glaube es wird Zeit, dass ich Ihnen Gertrud Stahl näher vorstelle.
Trudchen, so wurde Sie allgemein gerufen, war ein etwa sechzehnjähriges, durchschnittlich intelligentes Mädchen, mit einem nervenden Hang zur Dramatik und schlimmer noch, zur Autorität.
Ich weiß noch heute nicht sehr viel über Ihre Familie, nur soviel, dass sie die Jüngste von acht Geschwistern war und wie mein Vater ausdrücklich zu bestätigen wusste, schon jetzt das Rückgrad ihrer Familie sei. Vielleicht eins noch, ihre Familie war sehr nett und sehr klein, fast winzig zu nennen. Ich meine so richtig klein! Nur Trude, sie überragte mit ihren anderthalb Metern dennoch alle ihre Familienmitglieder und war somit die Chefin im Ring.
Gertrud Stahl! Ein Name hinter dem man eher eine Walküre vermuten würde, war nur ein Walkürchen. Ich habe erst viel später begriffen, dass sie eigentlich zu bemitleiden war, hatte ihr das Leben doch viele Dinge vorenthalten. Doch nichts desto Trotz! Sie ging mir konzentriert auf die Nerven.
Als im Sternkreiszeichen des Widder Geborener, bin ich von Hause aus ein ganz klein wenig cholerisch veranlagt. Eigensinnig, rechthaberisch, aber auch freundlich und großzügig. Ein wenig rachsüchtig, doch mit dem Gedächtnis eines Elefanten ausgestattet, wenn es darauf ankam. Ich glaube, dass die Gerechtigkeit nichts mit Rache zu tun hat, sehr wohl aber mit Vergeltung und Selbstverteidigung. So empfinde ich auch nur wenig, bis gar keine Scham, wenn ich an meine Auseinandersetzungen mit Trudchen denke. Da es häufiger dazu kam das Trude etwas tat was mich brüskierte, wartete ich meistens geduldig ab, denn ich wusste sehr wohl das der Augenblick kommen würde an dem ich es ihr mit gleicher Münze heimzahlen würde.

Ich glaube, jeder Mensch liebt es im Mittelpunkt des Geschehens zu stehen. Um sehr viel mehr trifft das auf einen lustigen kleinen Jungen zu, der davon überzeugt ist, dass sich alles um ihn und nur um ihn zu drehen hat. Bald musste ich aber feststellen, dass mein Umfeld dafür Tribut verlang-
te. Ich wurde fortwährend gestreichelt, geknuddelt und zu allem Überfluss liebevoll in die Wange gekniffen, was mir nicht wehtat, ich aber als einen tätlichen Angriff bewertete. Fest steht, dass Liebesbezeugungen dieser Art ganz schön sind, aber auch zur Belastung führen können. Vater hat mal gesagt:
„Ich muss immer wieder staunen das der kleine Bruno,“
Vater nannte mich noch immer so, vor allem wenn der Onkel dabei war,
„das klein Hosenscheißer Bruno alles so ruhig über sich ergehen lässt. Mir würde das ständige Gefummel gehörig auf die Nerven gehen.“
„Nun ja, immerhin ist er, neben seiner Mutter, in dieser Familie das Hübscheste und das wird eben gern honoriert.“,
erwiderte darauf mein Onkel.
Um hin und wieder Ruhe vor den Liebesbezeugungen zu bekommen, entwickelte ich eine Strategie die es mir ermöglichte Freiraum für mich zu schaffen. Ich begann fort an zu schmollen, schamlos kalkuliert, aber die Rechnung ging fast immer auf. Man ließ mich nun häufiger als sonst zufrieden. Die so entstandene, relative Freiheit wurde von mir umgehend genutzt. Mein abenteuerliches Wesen trieb mich nun zu fernen Ufern. Bevorzugte Ziele waren Müllkäs-
ten, Kohleneimer, Russklappen, sowie der pyromanische Drang nach Feuer. Logischer Weise kam ich nach erfolgter Expedition entsprechend verschmutzt ins Land der Gullivers zurück, was mir auch umgehend einen Spitznamen einbrach-
te. Liebevoll nannte man mich von nun an “Mohrle“, nur Trude nicht, die nannte mich “Dreckschwein“.

Ein durchaus menschliches Bedürfnis

Ich glaube es war im Monat Mai. Mein Geburtstag war vorbei und Mutters Tomatenpflanzen standen schon eine weile in den Blumenkästen auf dem Balkon. Im Wildrasen zwischen den Mietshäusern wuchs der gelbe Löwenzahn. Hin und wieder waren Tulpen zu sehen, noch nicht ganz aufgeblüht, doch ihre Köpfe standen schon hoch aufgeschossen über dem Gras. Ich erinnere mich deshalb so genau, weil es mir ein teuflisches Vergnügen bereitet hätte mit meinen Füßen dazwischen zu gehen, gesetzt den Fall, ich hätte eine Chance gehabt.
Unsere Straße war wie immer fast leer. Nur ein Auto mit einem Lautsprecheraufbau, den man insgeheim “Göbbel-
schnauze“ nannte, fuhr immer wieder an unserem Haus vorbei. Eine Stimme, die stets aufs Neue von lauter Marschmusik unterbrochen wurde, schrie irgendwelche Dinge die ich nicht verstand. Anscheinend kündigte sie etwas an, dass die Hausbewohner später veranlasste Fahnen aus ihren Fenstern zu hängen auf denen das gleiche Zeichen zu sehen war, wie das, was Vater an seinem Jackett trug. Doch all das interessierte mich herzlich wenig. Hatte ich doch ein Problem zu bewältigen, dass meine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nahm.

Mutter hatte mich gleich nach dem Frühstück in den Buddelkasten gesetzt der unmittelbar neben unserem Haus angelegt war. Eine uralte Kastanie die dabei war ihre Blätter zu entfalten, stand wie ein riesiger Wächter inmitten des Spielplatzes und überragte ihn fast völlig. Das gesamte Areal wurde von breiten, grauen Betonpfeilern, die einen Eisenzaun trugen, eingefasst. Da eine schwere Tür den Weg nach außen verschloss und Trude, wie so oft, sich in meiner Nähe aufhielt, ließ Mutter mich ohne Sorgen allein spielen.
Mein Problem stellte eine blaue Leinenlatzhose dar. Sie verschaffte mir große Bewegungsfreiheit, aber um an meinen Pullermann heranzukommen, war ich gezwungen sie auszuziehen, was mir einiges an akrobatischen Leistungen abverlangte und selbstverständlich Zeit in Anspruch nahm.
Ich bin sicher nicht sehr ehrgeizig, doch um ein Ziel zu erreichen das mir lohnenswert erscheint, konnte ich schon als Pimpf Kräfte freisetzen, die mich oft selbst in Erstaunen versetzten. Ich hatte es gerade geschafft mich meiner Hose zu entledigen und in den Sand zu pinkeln um die Eierkuchen-
produktion anzukurbeln, als ich unsanft von Trude aus meiner Arbeit gerissen wurde. Trotz erbitterter Gegenwehr, das Spucken und Stoßen mit den Füssen durchaus einschloss, wurde ich von ihr überwältigt. Einfach unter den Arm geklemmt, was ich als äußerst entwürdigend empfand, schleppte sie mich in den ersten Stock unserer Wohnung. Erst als meine Mutter, Trude hatte mich bis in unsere Küche getragen, sich mit der Waschschüssel voll Wasser näherte, ließ mich das Monstermädchen los. Dann, als hätte sie nicht schon genug angerichtet, zog sie mir alles vom Leibe was ich im Buddelkasten nicht schon selbst erledigt hatte. Bis auf meine festen Schuhe war ich aller Kleidung entledigt. Als Trude mich auf den Küchenboden stellte, sah ich meine Zeit für gekommen. Mit einer geschickten Drehung meines Körpers brachte ich mich in eine günstige Position und schon krachte mein gut beschuhter Fuß, sehr platziert, gegen ihr ungeschütztes Schienbein. Mit Befriedigung konnte ich feststellen, dass das Trottelchen, wie mein Vater sie bei Gelegenheit zu nennen pflegte, Tränen in ihren Augen hatte. Vielleicht tat sie mir in diesem Augenblick sogar leid, aber irgendwer musste für die Schmach die mir zugefügt wurde, zahlen und warum nicht Trude? Als Reaktion auf ihr Gewim-
mer, bekam ich von Mutter ein paar hinter die Ohren, während Trude schon wieder grinsend da stand, was ich selbstverständlich nicht ohne Interesse zu registrieren wusste.
Ich wurde gründlich gewaschen, was nicht zu vermeiden war, da ich nun von beiden festgehalten wurde. Die Tortur wollte kein Ende nehmen. Erst als mein Vater den Kopf in die Küche steckte und nervös fragte:
„Kann ich mich nun bald rasieren oder muss ich euch erst zeigen wie man mit so einen Knirps fertig wird?“,
bekam ich wieder Luft. Mutter lacht und Trude sagte:
„Manchmal habe ich den Eindruck ihr Sohn ist kein Mensch sondern eine Krake.“
Ich sah meinen Vater fragend an. Mich interessierte bren-
nend was eine Krake ist und ob ich so was überhaupt sein wollte. Da alle lachten, entschied ich mich vorsichtshalber keine zu sein, denn ich traute Trude nicht über den Weg.
Nun wurde ich von Mutter gepackt, unter den Arm gesteckt und ins Schlafzimmer getragen. Ich war bis in die Tiefe meiner Seele empört. Einer solchen geballten Kraft wehrlos ausgesetzt zu sein ist schon ein Kreuz, aber wie eine Nebensache behandelt zu werden ist mehr als deprimie-
rend. Um meinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen, ließ ich alles willenlos über mich ergehen. Als ich angezogen im Sonntagsstaat vor dem großen Schlafzimmerspiegel saß, setzte ich meine bitterböseste Miene auf und schmollte. Da niemand gewillt war auf mich einzugehen, machte ich mir Luft indem ich laut „Scheiße!“ schrie.
Übrigens, dies war mein erstes Schimpfwort. Später, viel später, kamen noch einige dazu.
Trude sah mich mit entsetztem Blick an und Mutter drohte mir mit der Faust.
„Erhard Bruno, das sagt man nicht!“
und um ihren Worten Nachdruck zu verleihen, bekam ich den, nun schon traditionellen Katzenkopf. Was soll's, ich war wieder im Gespräch. Trude grinste und ich registrierte weiterhin ihre Zufriedenheit. Wofür bloß das ganze Theater, fragte ich mich.
In meiner nagelneuen schwarzen Samthose, der weißen Sonntagsbluse und den schwarzen Lackschuhen fühlte ich mich nicht so recht wohl. Mutter hatte ein hellgrünes Sommerkleid an und eine grob gehäkelte Mütze auf ihrem Kopf, die ihr besonders gut stand. Und Trude? Naja, aus einer grauen Gans wird eben nie ein weißer Schwan. Dies jedenfalls pflegte mein Vater zu sagen, wenn ihm jemand nicht gefiel. Trude, auch wenn sie in ihrer Uniform besser als sonst aussah, aber es war eben nur Trude!
Polternd kam Vater ins Zimmer. Er schimpfte das sein Schlips nicht richtig sitze, das Hemd viel zu steif gestärkt sei und überhaupt sähe er um sein Kopfhaar herum aus wie ein Spatz um seinen Arsch!
„Warum beschwerst du dich?“,
sagt Mutter.
„Dein Kumpel und Volksgenosse Willy, Frisör und Block-
wart seines Zeichens, hat dir doch die Haare geschnitten. Bei Opa Sternenthal hättest du sicher besser ausgesehen und weniger bezahlt.“
„Aber das ist doch ein Jude!“,
quasselt Trude dazwischen. Mutter gab ihr darauf hin keine Antwort und Vater sah verlegen zur Seite. Es schien ihm nicht recht zu sein das darüber gesprochen wurde. Damit er sich nicht weiter aufregte, zog Mutter ihn am Schlips zu sich heran und streichelte ihm über die ziemlich kurzen Haare, was ihm mit großer Wahrscheinlichkeit gefiel, denn er strahlte sofort über das ganze Gesicht und grunzte zufrieden irgendetwas, wie:
„Wird schon gehen Mutter.“
Dann wandte er sich mir zu.
„Was meinst du? Dein Vater ist doch fast so propper anzusehen wie unser kleines Goldlöckchen. Habe ich Recht! Oder hab ich Recht?“
Vater sah mich fragend an. Dann sagt er und seine Stimme klang mir fremd:
„Na, dann wollen wir mal sehen ob wir dem Führer gefallen!“
Er nahm mich erst auf den Arm, dann flog ich hoch über seinen Kopf und als ich wieder in seinen Armen landete setzte er mich in den Sportwagen. Soweit ich mich erinnern kann, wurde durch das Auf und Ab mein Darm in Aktion versetzt. Ich begann ihn kräftig zu entlüften, was mir das Lachen meines Vaters, ein Kopfschütteln meiner Mutter und ein „Pfui Teufel!“ von Trude einbrachte.

Als wir das Haus verließen, waren die Straßen voller Men-
schen. Das bunte Treiben zog sich kreuz und quer über die Bürgersteige, doch alles schien sich letzt endlich in eine Richtung zu bewegen. Mutter hatte sich bei Vater unterge-
hakt und Trude durfte den Sportwagen schieben, während ich mich interessiert nach allem umsah. Doch was ich zu ent-
decken suchte war weit und breit nicht zu sehen.
„Trudchen?“,
sagte ich deshalb honigsüß, ich wollte ihr eine Chance ein-
räumen ihr Schuldenkonto bei mir abzutragen,
„Trudchen, kannst du den Eismann sehen?“
Sie hielt den Wagen an, bückte sich zu mir herunter, zupfte geschäftig an meiner Kleidung herum und sagte halblaut, so das nur ich es verstehen konnte:
„Du kleiner Fresssack, du wirst schon früh genug dein Eis bekommen, ich warte selbst schon darauf!“
Dann sagte sie an meine Mutter gewand:
„Unser Schleckermäulchen fragt nach einer Eiswaffel, aber ich denke da wird er noch einen Moment warten müssen.“
Sicher konnte ich mich noch nicht so artikulieren, so dass ich es geschafft hätte Trude vor meinen Eltern bloß zu stellen. Aber ich wusste das sie eine falsche Henne war und das machte mich ihr gegenüber stärker.

„Schingderasserbum, Schingderasserbum.“

Ein ohrenbetäubender Lärm erregte meine Aufmerksamkeit. Gegenüber unserer Straßenseite, dort wo das blaue Schild mit der Aufschrift „Zum armen August“ hing, hatte sich eine Marschkapelle aufgestellt und zog jetzt mit Musik in die Richtung in die alle gingen. Wir reihten uns in den Zug ein und bald konnte ich vor lauter Menschen nicht mehr erkennen wohin der Weg führte. Die Kapelle spielte einen Marsch nach den anderen. Vater schien es zu gefallen, denn er trommelte im Gehen mit seinen Fingern den Takt auf meinen Kopf, während ich mir die Ohren zuhielt. Mutter schaute zu mir herunter und lächelte nachsichtig. Mein Versuch den Radau von mir fernzuhalten, belustigte sie. Ja wenn Mutter das Lied vom „Rösleinrot“ oder vom „Mond“ sang der am dunklen Himmel wandert, da hörte ich gern zu. Selbst wenn Trude vom schönen Westerwald sprach, denn sie sprach ein Lied mehr als sie sang, so konnte ich es ertragen. Aber das hier! Das war mir einfach zu viel.
Mutter hatte wirklich eine schöne Stimme. Selbst Frau Biederlich, unsere Nachbarin, die mit dem lautstarken Organ meines Vaters so ihre Schwierigkeiten hatte, macht ihr Fenster ganz weit auf wenn Mutter ihre Küchenlieder sang. Einmal habe ich gehört wie sie zu Mutter sagte:
„Wenn doch die Stimme deines Mannes nur einen Bruchteil dessen an Qualität besäße, wie die deine.“
Wenn Frau Biederlich mich auf der Treppe oder anderswo traf, bekam ich immer eine Süßigkeit. Ich glaube sie ist eine ganz Nette, obwohl Vater zu ihr immer Frau Widerlich sagte. Ich war wohl immer noch in Gedanken bei Frau Biederlich, als das plötzliche Gegröle der Menge mich in die Gegenwart zurück brachte.
„Heil mein Führer!“ und „Heil, wir folgen Dir!“
und immer wieder
„Heil! Heil! Heil!“
Das waren die Worte die alles andere verstummen ließen. Ganz plötzlich wurde es still. Von einer Mauer schweigender Menschen umgeben, konnte ich aus meinem Sportwagen nur noch einen kleinen Fetzen blauen Himmels erkennen. Ich bekam Angst. Panik erfasste mein Herz und ich suchte vergebens die Hand meiner Mutter zu finden. Als eine unsichtbare schrille Stimme nach den „Deutschen Volksge-
nossen“ schrie, machte ich mir in die Hose. Die Stimme sprach weiter, barsch und unpersönlich, dann wieder einschmeichelnd, aber immer im Befehlston so wie Trude.
Und wieder ein vielfaches „Heil!“. Der Mensch ließ die Stimme endlich verstummen. Musik war wieder zu hören und langsam kam die Masse in Bewegung. Wie von Geisterhand öffnete sich die Menschenmauer erst ein Spalt, dann immer weiter, bis ich aus meiner Position freie Sicht auf das Geschehen hatte. Braune und schwarze Uniformen mit viel Lametta umringten mich und meine Familie. Ein Mann, nicht größer als Vater, löste sich aus der Gruppe und kam ein paar Schritte auf uns zu. Ohne Vorwarnung flog ich in die Höhe und als ich am Gesicht meines Vaters vorbei kam, hörte ich ihn rufen:
„Mein Führer! Mein Sohn!“
Noch immer verwirrt vom plötzlichen Flug durch die Luft, landete ich auf Vaters Schultern und dann zu meiner größten Überraschung in den Armen des Mannes, den alle nur den Führer nannten. Die Gesichter in meinem Umfeld grinsten mich wohlwollend an. Nur der Führer, dem wie ich glaube, der Ärmel seiner Uniform nass wurde, sah mich prüfend an. Dann rief er etwas in die Menge, was sich wie „schlank und rank“ und „unsere Zukunft“ anhörte und dann noch „Heil!“, was durch die Masse der Menschen lautstark erwidert wurde. Bei diesem unerwarteten Ausbruch seiner Stimme entleerte ich zum zweiten Mal meine Blase, was mich umgehend in die Arme meiner Mutter zurückbrachte.
Nicht lange, nach diesem für mich unangenehmen Erlebnis, wurde ich von Mutter und Trude nach Hause kutschiert. Vater ging in den „Armen August“ um abzuschalten, wie er sagte. Ein Eis bekam ich nicht, aber der Tag zahlte sich trotzdem für mich aus. Jetzt wollte mich alle Welt kennen lernen, was mir manch schönes Geschenk einbrachte. Selbst Trude trug mich in dieser Zeit häufiger auf dem Arm, was mir auch anfänglich gut gefiel, bis sie mich an ihre BDM-Freun-
dinnen für Fotoaufnahmen weitergab. Ich glaube sie bekam Geld dafür, wenn sie mich zur Verfügung stellte.

Mal so und mal anders

Es gibt solche Tage und andere. Schöne Tage sind, wenn man von Mutter im Sportwagen geschoben durch die Gegend fährt, wenn man Speiseeis zu schlecken bekommt und den Rest Trude auf das Kleid schmieren kann. Schlechte Tage sind, wenn ich laufen soll, Eis essen darf und Trude nicht dabei ist, um sie zu ärgern. Heute aber sollte es ein ganz besonders guter Tag werden.
Mutter hatte mich in eine weiße Latzhose gesteckt. Sie besaß breite Hosenträger und zwei schöne blaue Taschen, die so tief waren, dass ich meine Arme bis zu den Ellenbo-
gen darin verstecken konnte. Ich war mir noch nicht sicher ob sie mir etwas nutzen würden, aber schaden konnten sie ja nicht. Ich durfte sogar meine Lieblingsbluse anziehen und die schwarzen Lackschuhe. Jedenfalls deutete alles darauf hin, dass wir etwas Besonderes vorhatten, was allerdings zur Folge haben musste, dass ich permanent überwacht werden würde. Das bedeutet, Trude lässt mich ganz sicher nicht eine Minute aus den Augen. Selbstverständlich hatte sich mein Kindermädchen wieder einmal unentbehrlich ge-
macht und so knurrte ich sie erst einmal unfreundlich an, als sie zu mir sagte:
„Wir gehen heute in den Zoologischen Garten.“
und sie schien sich sichtlich darüber zu freuen.
„Gehen?“,
nicht gut, dachte ich, zumal ich mit dem Wort „zoologisch“ nichts anzufangen wusste, aber sehr wohl den Unterschied zwischen gehen und fahren kannte. Schon wollte ich in Opposition machen, indem ich meine Unterlippe in Schmoll-
stellung brachte, musste ich doch befürchten das der Tag gekommen war an dem man mich zwingen würde zu laufen, doch als der Sportwagen für mich bereitgestellt wurde, brach ich meine Protestaktion sofort ab.
„Gut!“,
dachte ich, also wird mich Trude auch diesmal noch durch die Gegend schieben.
Ich muss gestehen das es mir ein teuflisches Vergnügen bereitete, wenn Trude, durch mich animiert, den Sportwagen auf Höchsttouren brachte, was ihr auf die Dauer selbstver-
ständlich keinen Spaß machen konnte, da sie dabei schwer außer Atem geriet, was mich wiederum amüsierte und in gute Laune versetzte. Ich weiß nicht, aber damals schien mir die Zeit überhaupt nicht zu vergehen. So kam mir der Weg bis zu unserem Ziel unendlich lang vor. Ich muss wohl in mei-
nem Luxus-Coupé eingeschlafen sein, denn erst als meine Mutter mich mit den Worten weckte:
„Auf! Auf! Spricht hier der Fuchs zum Hasen, hörst du nicht den Jäger blasen?“,
öffnete ich verschlafen meine Augen.
Das Verdeck meines Wagens war zurückgeklappt und die Sonne die mir voll ins Gesicht schien bewirkte, dass ich ge-
blendet meine Umwelt nur schemenhaft wahrnehmen konn-
te. Ein riesiges Tier, dass ich nur von Bildern her kannte, stand vor mir und schien mich mit seinem langen Rüssel greifen zu wollen. Mein Schreck war so gewaltig, dass ich mit einem Satz aus dem Wagen sprang und mich hinter Trude verbarg, die das graue Ungetüm ohne Angst zu füttern schien. Mutter und alle Anderen um uns herum lachten, was Trude veranlasste ihren Arm schützend um mich zu legen. Ich bin sicher, in diesen Moment stieg meine Hochachtung für sie ins Unermessliche. Selbst als wir die Elefanten schon lange verlassen hatten und im Kinderzoo vor den Hausschweinen standen, ließ ich es ungestraft über mich ergehen das sie gewisse Ähnlichkeiten mit mir und den Schweinen feststellte. Ohne jeden Zweifel, Trude war mu-
tiger als ich gedacht habe. Leider aber hatte sie die unange-
nehme Eigenschaft mich immer wieder vor Anderen lächerlich zu machen.
Ich hatte mich seit der Begegnung mit dem grauen Riesen nicht mehr in den Wagen gesetzt. Wir liefen an großen und kleinen Gehegen vorbei und über die meisten Tiere wusste mein Mutter etwas zu erzählen. Von lachenden Hyänen, fliegenden Hunden und kleinen Tieren, die sich exzellent zur Wehr zu setzen wussten. Aber am besten gefiel mir die Geschichte vom Stinktier und dem Elefanten. Trude hatte eine Bank entdeckt, die unter den herabhängenden Ästen einer alten Trauerweide stand.
„Wollen wir uns ein wenig setzen?“,
fragte sie und zeigte in Richtung der Sitzgelegenheit.
„Na schön.“,
sagte meine Mutter und während sie auf die Bank zusteu-
erte, hatte ich es mir schon auf ihr bequem gemacht. Als wir alle unseren Platz eingenommen hatten, sagte Mutter zu mir:
„Da gibt es eine Geschichte, die man sich unter den Tieren erzählt und die ihr sicher noch nicht gehört habt.“
Sie machte eine kurze Pause. Trude und ich sahen sie er-
wartungsvoll an und während ich nervös auf dem Hintern hin und her rutschte, begann sie zu erzählen.

„Ein Eletier, ihr kennt es wohl, ein Tier mit langem Rüssel, es saß im Busch und trank vergnügt, aus einer blauen Schüssel.
Da kam ein Stinktier, Skunk genannt und sprach lass mich mal saufen, wenn nicht, so sag ich frank und frei, werd ich auch mit dir raufen.
Ich glaube gar du meinst es ernst und würdest mich er-
schlagen, um mich verpackt als Proviant, in deinen Bau zu tragen.
Wart ab du Spötter, denkt der Skunk, ich will dich schon be-
siegen, dann werd ich diesen kühlen Platz und auch dein Wasser kriegen.
Und flink hat sich der Skunk gedreht und spritzt vom Rand der Schüssel, ein übel riechendes Sekret, dem Grauen in den Rüssel.
Entsetz schnaubt da das Eletier, dann fängt es an zu rasen, doch der Gestank quält ihn so sehr, als hät er tausend Nasen.
Verzweifelt schüttelt er den Kopf und lässt den Rüssel sinken, was er auch tut, es nützt ihm nichts, es hört nicht auf zu stinken.
Besiegt läuft fort der graue Berg, er wird es überwinden, dass ausgerechnet er im Skunk, sein Gegner musste finden.“

„Und die Moral von der Geschicht?“
Mutter sieht uns fragend an. Dann sagt sie und richtet dabei Ihre Worte an Trude.
„Der Elefant war wohl im Recht, man halt ihm das zu Ehren, doch hat er Pech das er geglaubt, ein Skunk könnt sich nicht wehren.“

Trude und ich klatschten Beifall spendend in die Hände und verbeugten sich vor ihr als stände sie auf einer Bühne und ein fremdes Publikum würde ihr den Applaus zollen. Trude erhob sich schnell, während ich langsam von der Bank herunter rutschte. Dann gingen wir gemeinsam lachend weiter.
Wir hatten eine große Portion Vanilleeis gegessen und waren auf dem Rückweg, als Trude einfiel wir sollten doch noch den Affen einen Besuch abstatten. Trude wandte sich an mich.
„Was meinst du? Die Affen sind immer so lustig und mit ihrem roten Hintern sehen sie aus als hätten sie vergessen ihre Hosen hoch zu ziehen.“
Ich war schon ziemlich müde, aber Mutter wollte Trude den Wunsch nicht abschlagen und so schlugen wir den Weg in Richtung Pavianhaus ein. Ich war die ganze Zeit auf den Beinen und so taten mir meine Füße weh, was ich meiner Mutter auch zu verstehen gab.
„Du bist so tapfer neben uns her gelaufen das du dir eine Ruhepause verdient hast.“
Sie streichelte mir über das Haar und setzte mich in das Sport-Coupe. Bald waren wir an der Freianlage der Affen angekommen. Eine Menschenmenge umringte den Wasser-
graben, der die Affen von den Gaffern fern hielt. Es war uns nicht möglich nach vorn zu gelangen, deshalb schob Mutter mich auf einen kleinen Hügel neben der Anlage, von wo ich alles beobachten konnte. Trude hatte sich von uns gelöst und war ganz nach vorn gekommen, von wo sie alles ganz genau sehen konnte. Die Menschen lachten, als ein paar Affen dem Wasser so nahe kamen, dass einige von ihnen kopfüber in den Graben rutschten. Trude winkte uns gerade zu, als die Besucher plötzlich wie eine Herde wilder Antilopen auseinander stoben. Alles schrie und lachte durcheinander und es dauerte eine geraume Zeit ehe sich die Aufregung gelegt hatte. Trude kam mit gesenktem Kopf, das Gesicht in ihr Taschentuch versteckt, auf uns zu.
„Mein Gott Trudchen!“,
sagt Mutter und wischte nun auch ihrerseits mit einem Taschentuch an ihr herum. Dann nahm sie beide Tücher, drückte sie Trude in die Hand und wies sie an, die Selben in den Abfalleimer zu werfen. Mit spitzen Fingern brachte sie die verschmutzten Tücher fort. Ich wusste nicht was vor-
gefallen war, aber ich bekam mit, dass Trude etwas Unangenehmes passiert sein musste. Als sie dann in meine Nähe kam, hielt ich mir demonstrativ die Nase zu und erklärte ihr lächelnd,
„Trudchen du stinkst wie die Affen!“.
Während Trude heulend davon lief, machte ich ein unbeküm-
mertes Gesicht. Mutter sah mich strafend an und sagte kopfschüttelnd:
„Manchmal bist du wirklich ein wahrer kleiner Teufel!“
Ich vermied es Mutter anzusehen, aber Trude stank wirklich entsetzlich, schlimmer wie ich in meinen unreinsten Zeiten. Jahre später erzählte mir meine Mutter, dass damals am da-
rauffolgenden Tag in der Berliner Presse ein Artikel mit der Überschrift stand:

„Primaten aus dem tiefsten Afrika bewarfen Berliner Zoo-
besucherin mit ihren Exkrementen.“

Jahre später, als Mutter mir diese Geschichte erzählte, war ich schon längst aus den Kinderschuhen herausgewachsen. Vater war nun viel ruhiger geworden, immer noch Kaiser-
treu, doch zwischenzeitlich entnazifiziert und seit dem „Potsdamer Abkommen“, dass unsere Heimat in vier Zonen teilte, auch bartlos. Ich besuchte die Grundschule, wo ich bei sogenannten Junglehrern krampfhaft bestrebt war die Deu-
tsche Grammatik zu erlernen, was mir bis heute nicht ge-
lungen ist.
Trude? Trude ging mir noch immer auf die Nerven, doch konnte sie mich nicht mehr unter den Arm klemmen und einfach wegschleppen, dafür dachten wir uns gegenseitig andere Boshaftigkeiten aus.
Deutschland lag in Schutt und Asche und der „Berliner Zoo“ war nur noch ein Schatten seiner selbst. Aber schon bald hatten die tierliebenden Berliner es geschafft einen Teil des zerstörten „Zoologischen Gartens“ wieder herzurichten. Meine Mutter, die wie die meisten Frauen als Trümmerfrau ihren Beitrag zum Aufbau der Stadt geleistete hatte, bekam, woher auch immer, zur Wiedereröffnung des „Zoologischen Gartens“, Freikarten. Da wir schon damals im Ostteil Berlins lebten, war es für mich ein Erlebnis der besonderen Art. Mein Vater, dem die Welt in der er nun leben sollte fremd geworden war, versteckte sich hinter seiner Arbeit und so zogen wir in alter Formation in den „Berliner Zoo“ ein. Trude war noch immer nicht die Attraktivste, aber seit dem sie Hosen trug sah sie sportlicher aus und fühlte sich sichtlich auch wohler in ihrer Haut.
Ich, Erhard Bruno, Sohn von Ida und Fritz, war Trude körper-
lich überlegen. Allerdings musste ich bei ihr Nachhilfeun-
terricht nehmen, was nicht viel genutzt hat, aber selbstver-
ständlich zu neuen Sticheleien ihrerseits und Attacken meinerseits führen musste. Wie auch immer!
Was glauben sie wem ich im zoologischen Garten als erstes meine Aufwartung machte? Ich werde ihnen einen kleinen Tipp geben.
Trude kam nicht mit! Sie setzte sich mit Mutter und der Aus-
rede, ich würde mich nicht gebührend zu benehmen wissen, in eines der kleinen, neu eröffneten Cafes.
Was für ein Unsinn!
Selbst die Hyänen hörte man noch in der Ferne, wie sie über die Ausrede von Trude lachten!




Der Aufdringliche









Was bleibt schon übrig



Noch jung im Herzen und reich an Jahren,
hab’ ich so manchen Scheiß erdacht.
Wer mich nun fragt was das wohl waren,
hab jede Dummheit mit gemacht.

Noch Gestern hat’ ich arge Zweifel,
ob sich das Leben heut noch lohnt.
Egal wo du auch immer hingehst,
ein anderer über dich schon thront.

Was hilft es da das ich mich plage,
vielleicht ist mir das Glück mal hold.
Mein Packen muss ich trotzdem tragen,
auch wenn man noch so häufig schmollt.




Nur eine Frage der Definition



Wenn es meine Zeit erlaubt, was nicht sehr häufig der Fall ist, besuche ich gerne ein Museum, eine Ausstellung oder was gerade in der Kulturszene unserer Stadt so anfällt. So kam ich vor ein paar Tagen in eine Galerie, der ich bis dahin noch keinen Besuch abgestattet hatte. Es wurden Arbeiten junger Künstler gezeigt, die sich dem Thema Ökologie und Umwelt verschrieben und so meine Aufmerksamkeit erregt hatten. Ich war von ihren Arbeiten, Fotografien und Grafiken beeindruckt, aber auch ermüdet, so dass ich mich unweit der Galerie in ein kleines Cafe zurück zog. In Ruhe betrachtete ich noch einmal den mitgebrachten Prospekt, während ich genussvoll einen Espresso schlürfte und mir dazu einen Weinbrand genehmigte.
Einen Tisch weiter saßen ein paar junge Leute, die, wie es mir schien, gerade die gleiche Ausstellung besucht hatten und schwer am diskutieren waren. Da ihre Auseinanderset-
zung immer lauter wurde und ich befürchten musste in Mitleidenschaft gezogen zu werden, sagte ich beschwichti-
gend zu ihnen:
„Aber meine Herren! Kunst liegt doch immer im Sinne des Betrachters. Im Übrigen bin auch ich der Meinung das Kunst kein elitäres, unverständliches Medium sein darf, da Sie sonst Gefahr läuft zur geistigen Onanie einiger Kunstfreaks und Berufskritiker zu verkommen.“
Wie es den Anschein hatte, wurde ich von ihnen nicht ernst genommen. Als sie das Cafe verließen sagte einer zu mir:
„Weißt du überhaupt was Kunst ist?“
Als ich keine erschöpfende Antwort parat hatte, grinste er impertinent und sagte, so dass es auch alle hören konnten:
„Sie sind ein inkompetentes Arschloch das sich erst einmal mit der Wortbedeutung 'Kunst' auseinandersetzen sollte, bevor sie sich anmaßen überhaupt eine Meinung zu haben.“
Ich war so perplex, dass ich keine Widerworte fand. Später trat die Kellnerin zu mir und sagte:
„Machen sie sich nichts daraus. Die sind meistens so, die jungen Herrn Künstler aus dem Kiez.“
Ich gab ihr ein reichliches Handgeld, lächelte ihr dankbar zu und verließ kurz darauf das Cafe.
Um sich einer solchen Peinlichkeit und Frechheit nie mehr aussetzen zu müssen, unternahm ich später den Versuch zu rekapitulieren, was Kunst auf einen einfachen Nenner ge-
bracht heißt. Nun erwarten Sie von mir keine philosophische Abhandlung, aber es scheint mir wie ich finde gelungen zu sein, mit wenigen Worten 'Kunst' im weitesten Sinne defi-
nieren zu können. So würde ich einen Künstler als unvorein-
genommenen, die Welt darstellenden Menschen betrach-
ten, der durch persönliches Empfinden die Wirklichkeit wider gibt.
Sollten Sie also einmal in die Verlegenheit kommen mit Rotwein saufenden, halbintellektuellen Kunstfreaks ins Ge-
spräch zu kommen und man Sie nötigt auf die Frage 'Was ist Kunst?' zu antworten, gebe ich Ihnen hiermit für diese Typen eine absolut verblüffende Antwort auf den Weg.
Kneifen Sie ihre Augen ein wenig zusammen, ziehen Sie ihre Mundwinkel verächtlich nach unten und dann sagen Sie mit einer arrogant, ausladenden Handbewegung:
„Kunst! Kunst ist die objektive Widerspiegelung subjek-
tiver Realität.“
Lassen Sie ihren Gesprächspartner mit dieser Aussage allein und wenden Sie sich interessiert einem anderen Objekt zu. Ich garantiere Ihnen, man betrachtet Sie von Stund an mit anderen Augen. Glauben Sie mir, es macht Spaß! Ich habe es seit dem peinlichen Zwischenfall schon öfters praktiziert.




Nicht nur die Zeit ist relativ



Selbstverständlich ist uns allen klar, dass wir, die Menschen, was die Lebensdauer anbelangt, im Vergleich mit der Ein-
tagsfliege relativ gut abschneiden. Ob das aus der Sicht des Insektes genau so gewertet wird, werden wir an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, kaum in Erfahrung bringen. Fest steht jedenfalls, ihre lebenserhaltende Planung ist kon-
sequenter, effektiver, punktgenau und so eigentlich un-
schlagbar. Relativ gesehen!
Gäbe es da nicht ein paar Vögel und den Menschen mit seinen Pestiziden. In jedem Falle ist der Eintagsfliege gan-
zes Streben, im Gegensatz zu uns, auf den unbedingten Erhalt ihrer Gattung ausgerichtet. Wofür das Insekt fast die ganze Zeit seines Lebens aufwendet, benötigt der Mensch nur einen Augenblick der Unachtsamkeit, wenn er Pech hat. Aber auch das ist alles relativ.
Manch einer muss sich ehrlich bemühen, wenn gleich der Spaßfaktor den meisten wichtiger ist als die Fortpflanzung. Relativ gesehen!
Es ist eben wirklich nicht so einfach. Einer bohrt in der Nase und bricht sich den Finger, ein anderer findet Öl.
Was ich damit sagen will! Man kann die Dinge von vielen Seiten betrachten.
Zum Beispiel lebt eine Suppenschildkröte relativ länger als ein Mensch, sei denn, sie wird vor ihrer Zeit von dem Sel-
bigen verspeist.
Ob nun Schicksal oder Gesetzmäßigkeit, in jedem Fall kann man das Los der Suppenschildkröte so oder so betrachten. Es ist eben alles relativ.
Nun, ich persönlich sehe ihr Schicksal eher als privates Un-
glück an, denn sie schmeckt einfach zu gut!



Impressum

Tag der Veröffentlichung: 15.09.2010

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