"Willkommen, willkommen, ein ganz herzliches Willkommen, liebe Gäste, hier in der Olympia-Halle und daheim vor Ihren Mediageräten! Wir danken Ihnen allen für den so herzlichen Applaus, jajaja, Applaus! Applaus! Dankeschön, danke!"
Der Moderator streckt beide Arme hoch zum Hallenhimmel wie der Oberpriester einer Massensekte und wartet geduldig, bis der frenetische Jubel der Fans etwas abflaut. Endlich senkt er die Arme wieder, greift nach dem Mikrofon und flüstert fast, als er sich wieder an die Zuschauer wendet:
"Wir alle haben jetzt phantastische Vorauswahlveranstaltungen erleben dürfen. Mit den Kandidaten haben wir mitgefiebert und es uns nicht leicht gemacht.
Jemanden aus unserer Gemeinschaft zu finden, aus unseren Freundeskreisen, aus unserer Nachbarschaft, der sich der Challenge stellt und sich traut, gegen jemand aus dem selben Milieu, aus der gleichen Gruppe, der gleichen sozialen Kategorie anzutreten, das ist relativ leicht. Aber hier bei uns geht es ja nicht um Germany's next Schnürsenkelbinder, nicht um den besten Trallala-Singsang-Dilettanten und nicht um die Faxenmacher und Hüpfdohlen der Nation, die von noch untalentierteren Juroren zum Gaudium der Leute niedergemacht werden. Oder, liebes Publikum, geht es darum?"
"NEEEEEIIIIINNNN!"
"Richtig! Darum geht es bei uns nicht! Es geht auch nicht darum, ob jemand mit 500 Euronen heimgehen muss oder mit einem dicken Batzen zum Gewinner wird. Nein!
Worum geht es dann? Geht es um hunderttausend?"
"Nein!"
"Wie bitte? Bin ich taub? Ich höre nichts! Geht es um hunderttausend?"
"NEEEEEIIIIINNNN!"
"Geht's vielleicht um Millionen?"
"NEEEEEIIIIINNNN!"
"Worum geht es dann? Es geht um …?"
"MILL-IAR-DEN! MILL-IAR-DEN! MILL-IAR-DEN! MILL-IAR-…"
"Ganz, ganz genau! Es geht um Milliarden! Bei unserer ersten Challenge war es ja noch relativ einfach. Wir hatten die Wahl aus über 150 Kandidatinnen und Kandidaten, aber so leicht, dass wir einfach diejenige oder denjenigen zur Siegerin oder zum Sieger erklärt hätten, die oder der oder das – zum Teufel mit dem Genderwahnsinn …"
Das Gelächter und der Beifall der Halle lassen den Moderator stocken, und es dauert etwas, bis er fortfahren kann.
"Danke, danke, ich lass den Genderschmarrn jetzt einfach sein; also so leicht haben wir es uns zusammen ja nicht gemacht, dass wir einfach den Reichsten zum Sieger erklärt hätten. Sie alle haben ja mit abgestimmt, dass die drei ersten Plätze von Susanne Klatten, Maria-Elisabeth Schaeffler-Thumann und Stefan Quandt erreicht wurden. Nach unserer Meinung haben sie von den zahlreichen Milliardären Deutschlands am wenigsten für ihr Vermögen getan, außer zu erben oder zu heiraten. Na ja, die Wahl war schwierig, es gab ja einige Kandidaten, die ihnen nahe kamen, aber das Publikum hat entschieden, und das Publikum hat immer recht! Danke, danke, danke!
In der zweiten Runde galt es dann, unter den größten Ego-Aktivisten zu wählen, und da lag ja eindeutig die seit der Nazi-Zeit skrupellose Familie Flick vorn, obwohl die Schleckers ja auch nicht gerade auf dem letzten Platz landeten. Applaus, bitte!"
Wieder dauert es längere Zeit, bis der Entertainer weitersprechen kann.
"Leute, Leute, die Zeit vergeht! Ich will nur noch eine weitere Folge unserer so erfolgreichen Sendung erwähnen, die ja für so viel Gelächter gesorgt hat: Die armen Schlucker, die im Vergleich zu den vorher erwähnten Kandidaten überhaupt nichts besitzen, waren am Start. Jajaja, überhaupt nichts - das ist relativ. Wie gesagt, im Vergleich. Sie wissen ja, welche Gruppe ich meine. Politiker. Aber nicht die, die eh keiner kennt - oder wissen Sie, wer gerade das Ministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit leitet? Oder Bildung und Forschung? Klar: Anja Karliczek und Svenja Schulze. Jajaja! Erwischt! Umgekehrt! Oder jetzt in die Olympia-Halle in Bayern gefragt: Wer ist denn der Minister für Bildung, Jugend und Sport in Brandenburg? Wer's weiß, kriegt ein Weißbier! Keine Ahnung? Ich auch nicht. Und googeln brauchen Sie jetzt auch nicht. Da findet man auf die Schnelle höchstens Staatssekretäre. Diese NoNames waren nicht gefragt. Im Wettbewerb war die Gruppe, die keine Milliarden besitzt, sondern verschleudert. Wer verschleudert die meisten Milliarden an Steuergeldern, ohne etwas zu bewirken, ja, schlimmer noch, ohne überhaupt eine Ahnung von etwas zu haben? Sie lachen schon, ich weiß. Flinten-Uschi von der Leyen, Alex-Maut Dobrinth, Herumeierminister Horsti Seehofer und – Trommelwirbel – der Sieger: Andi-Ichtunix Scheurer! Nomen est omen. Jetzt hören Sie schon auf zu lachen. Wir senden aus Bayern. Ich bin Bayer und schäme mich schon genug! Außerdem löst der Andi jetzt unsere Verkehrsprobleme. Mit Flugtaxis und E-Rollern. Und die Uschi ist nicht aus Bayern, sondern aus … äh? Oder der Wowi Wowereit. Arm, aber sexy. Es gibt genug Milliardensteuergeldverschwender in der Republik."
Beifälliges Gemurmel in der Münchner Olympia-Halle.
"Sooo. Nach der musikalischen Einlage der Abba Cover Group mit
'Money, money, money,
must be funny,
in the rich mans world'
werden wir jetzt zum eigentlichen Thema dieses Abends kommen. Heute haben wir zum Schluss und Höhepunkt dieser Staffel die Crème de la Crème am Start. Diesmal treten die Mitglieder einer Gruppe an, die nicht demokratisch gewählt wurden, nicht aus Familiendynastien ähnlich wie in arabischen Staaten stammen, sondern die Milliarden raushauen, als gäb's kein Morgen. Eingeteilt haben wir sie nach einem Vorschlag des Nachrichtenmagazins stern in folgende vier Kategorien:
So, meine sehr verehrten Damen und Herren, nach der Vorstellung unserer Kandidaten unter dem Thema 'Nieten in Nadelstreifen', frei nach dem Buch von Günter Ogger aus dem Jahr 1992, sind jetzt Sie am Zug. Überlegen Sie gut und treffen dann Ihre Wahl.
Nach einer Einlage unserer Band mit 'I need a dollar, a dollar is what I need' kommen wir dann zur Abstimmung.
FÜNF, VIER, DREI, ZWEI, EINS … jetzt bitte den richtigen Code eingeben, auf der Tastatur am Platz oder zuhause unter der bekannten Nummer."
Trommelwirbel, Spannungsmusik, die Balken auf der überdimensionalen Leinwand schaukeln rauf und runter, dann stehen sie still.
"Ja, meine Damen und Herren, das Ergebnis steht fest, herzlichen Dank! Und hier noch mal zum Mitschreiben:
- Kategorie 1, die Gierigen: The winner is:
Stefan Heidenreich, Ex-Vorstand Beiersdorf.
Als Nivea-Chef erhielt er 23,45 Millionen Euro Vergütung und noch mal 18 Millionen Bonus obendrauf, weil er die Gewinnmarge des Konzerns, von der sein Bonus abhängt, nach oben trieb, anstatt wichtige Investitionen zu starten.
- Kategorie 2, die Ahnungslosen: The winner is:
Ursula Gather, Krupp-Stiftungsvorsitzende.
Leitet die Krupp-Stiftung, der 21 Prozent des Industriegiganten Thyssen-Krupp gehört und als größter Aktionär den Zusammenhalt der Firma sichern soll, von der 160.000 Mitarbeiter abhängig sind. Gewinne runter, Schulden rauf – das verdankt der Konzern der Ahnungslosen.
- Kategorie 3, die Größenwahnsinnigen: The winner is:
Werner Baumann, Bayer-Chef.
Er hat den idiotischen und unmoralischen Kauf von Monsanto zu verantworten und aus Egoismus und Dummheit Bayer an den Rand des Abgrunds geführt. 13.000 Krebskranke in den USA klagen, Tendenz steigend. Baumann betont: "Glyphosat-basierte Produkte sind nicht der Grund für ihre schweren Erkrankungen." (Münchner Merkur, 27./28.4.19)
- Kategorie 4, die Dauerflops: The winner is:
Paul Achleitner, Aufsichtsratschef Deutsche Bank.
Die 'Volksaktie' Telekom, die Übernahme der Dresdner Bank durch die Allianz, der Zusammenschluss von Daimler und Chrysler – das alles und noch viel mehr hat Achleitner zu verantworten und kostete die Unternehmen viele Milliarden Euro. Und die dicksten Böcke schoss er als Vorsitzender der Deutschen Bank. Viel Skandale, null Strategie.
Applaus, Applaus, meine lieben Gäste! Ich danke Ihnen ganz, ganz herzlich, meine Damen und Herren, es war eine faire, wenn auch sehr enge Wahl, ein Hartmut Mehdorn hätte ja locker gleich drei der Kategorien belegen können – ahnungsloser, größenwahnsinniger Dauerflop, und auch viele seiner Kollegen sind leider aus der Wertung gefallen, aber c'est la vie.
Wir haben beschlossen, keinen Gesamtsieger zu benennen, denn bei diesen gewaltigen Fehlleistungen ist keiner der Spartengewinner dem anderen unterlegen, weder was den Konzernverlust noch der Vernichtung von Arbeitsplätzen betrifft – also stehen alle vier auf dem Siegerpodest.
Und nun, meine Damen und Herren, jetzt sind Sie alle am Zug. Für jeden von Ihnen und auch für unsere Zuschauer in den großen Städten liegen auf den Rathausplätzen genügend Gelbwesten bereit. In zwei Stunden starten die Demonstrationen gegen die Erzkapitalisten, Geld- und Machtgierigen, Größenwahnsinnigen und Gewissenlosen. Machen Sie ihnen Dampf! Sagen Sie Ihnen, was Sache ist, ganz demokratisch und ohne Gewalt, bevor wieder eine Revolution wie 1789 ausbricht und wahllos Köpfe rollen!
In diesem Sinne will ich Sie mit einem Zitat von Papst Julius III. entlassen:
'An nescis, mi fili, quantilla prudentia mundus regatur?'
'Weißt du nicht, mein Sohn, mit wie wenig Verstand die Welt regiert wird?'
ENDE
Tag der Veröffentlichung: 29.04.2019
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