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Das Haus der Liebe

Sonny war auf der Suche nach einem schönen ruhigen Feriendomizil. Sie durchforstete das Internet und wurde fündig. In einem kleinen Holzhaus an einem ruhigen See konnte sie sich den Urlaub mit Jörg, ihrem Ehemann, gut vorstellen. Endlich ein paar Tage ganz in Ruhe mit ihm zusammen sein, das war ihr geheimer Wunsch. Außerdem wünschte sie sich seit einiger Zeit Kinder, das wäre vielleicht die Gelegenheit, ihn umzustimmen. Doch nach dem ersten Satz, mit dem sie das Thema ansprechen wollte, rastete er schon aus.

"Ach hör doch auf" schalt Jörg auf sie ein. "Du hast nur dumme Ideen im Kopf!" "Aber...", versuchte Sonny, ihm ihre Gedanken näher zu erklären. Doch es war wie immer, er ließ keine ihrer Gedanken auch nur zu. Wütend schlug die Tür hinter ihm zu, gleich darauf heulte der Motor seines protzigen Jaguars auf, den er sich ohne ihr Wissen gekauft hatte. Jörg war einfach gegangen.

Ratlos stand Sonny am Fenster, nicht einmal der schöne Sommer-Sonnentag konnte ihre Laune noch heben. Es war einfach unfair. Er lebte sein Leben, einfach ohne ihr Zutun. Doch ihr Leben wurde hundertprozentig von ihm bestimmt. Was hatte sie ihm sagen wollen, dass sie ein wunderschönes rustikales Häuschen am Praunsee gefunden hatte, in dem sie gerne mit ihm die kostbaren Urlaubstage hätte verbringen können. Doch nach dem ersten Satz war er schon so ausgerastet.

Ja, er hatte recht, sie wohnten hoch über dieser lebendigen Großstadt in einem sündhaft teuren Penthouse, ja, sie konnten sich alles leisten, gingen sieben Mal die Woche schick essen und hatten Unmengen von "Freunden". Sonny sah in ihnen nur Schmarotzer, die sich an Jörg hängten, nur um "etwas zu sein".

Und das Thema Kinder. Das war langsam ihr Thema, doch leider nicht das von Jörg. Immer wenn sie vorsichtig davon sprach, fand er alle möglichen Argumente dagegen. Keine Zeit, zuviel Verantwortung, oder dass Kinder das Leben einschränken, oder zu teuer waren. Als würde sich Jörg ein neues Auto ansehen! Sonny begann zu weinen. Sie hatte bisher alles akzeptiert. Doch irgend etwas veränderte sich gerade in ihr. Geweint hatte sie noch nie, sie war bisher einfach zu ihrem Tagesablauf zurück gekehrt und damit war die Sache erledigt.

Sie ging durch das lichtdurchflutete, sehr geräumige Wohnzimmer und setzte sich an ihren PC. Die Seite des Reisebüros war noch offen. Sie besah sich das Angebot, das sie ihm vorhin hatte zeigen wollen. Ja, es war ein herrlicher kleiner See, an dem eine rustikale Holzhütte stand, die sie gemietet hatte. Zwei Bilder zeigten es von außen und den zum See hin offenen Wohnbereich. Schöner und idyllischer konnte sie sich einen gemeinsamen Urlaub nicht vorstellen. Doch Jörg war eben nicht dafür. Wenn überhaupt, dann wollte in den Society-Hochburgen sein Geld verschleudern. Doch das war noch nie das Leben von Sonny gewesen.

Was auch immer Sonny bewog, plötzlich stand sie auf, packte in Windeseile zwei große Koffer, verstaute sie in ihrem Auto und fuhr einfach davon. Ohne eine Nachricht zu hinterlassen fuhr sie ihrem Sommer-Domizil entgegen. Sie konnte sich ihre Entscheidung selbst nicht erklären, es war, als würde sie geführt. Es war seltsam, doch mit jedem Meter, den sie sich weiter von ihrer Wohnung weg bewegte, wurde sie freier und freier.

Zwei Stunden später stand sie vor ihrem gemieteten Kleinod und ihr Herz klopfte. Es war noch weitaus schöner, als sie gedacht hatte. Es war ein Schmuckstück. Gepflegt und sauber lag das Grundstück vor ihr, das bis hin zum Ufer reichte. Ein Garten voller Blumen strahlte sie an. Die Türen zum See hin waren weit geöffnet und sie meinte, den Geruch von frisch gebrühtem Kaffee zu riechen. Ja, Kaffee könnte sie jetzt gut gebrauchen. So ging sie durch das kleine Gartentor langsam den schmalen gepflasterten Weg zur Terasse hin.

"Hallo", rief plötzlich eine Männerstimme vom Nachbargrundstück. Sie schaute zu ihm hin und wurde von einem freundlichen Lächeln begrüßt. "Sie sind sicher Frau Brokus?" "Ja", fragend sah Sonny den Mann an. "Ich bin ihr Nachbar für diesen Sommer und die Vertretung der Vermieter. Sie haben mich beauftragt, Sie zu empfangen und Ihnen falls nötig behilflich zu sein. Mein Name ist Bastian Schauter."

Sonny gab ihm die Hand, er hatte weiche, warme Hände. Und er war sympathisch. "Mögen Sie einen Kaffee?", fragte er und deutete in die Richtung seines kleinen Fereinhauses. Ja, den wollte sie sehr gerne. So saß Sonny kurze Zeit später auf der Terrasse ihres neuen Nachbarn und trank bei einem regen Gespräch mit ihm Kaffee.

Plötzlich hielt er inne und sah erschreckt auf seine Uhr. "Oh, tut mir leid, ich muss kurz weg. Ich habe die Zeit aus den Augen verloren, sorry. Ich bin in ein paar Minuten wieder hier, wenn Sie möchten, können Sie schon mal ihr neues Domizil in Augenschein nehmen. Ich komme dann nochmal. Ok!" Er drehte sich um, eilte zu einem Fahrrad mit Kinderanhänger und fuhr davon.

Erstaunt über den Kinderanhänger sah Sonny ihm nach. Was hatte er damit im Sinn?`Sie ging den kurzen Weg durch den Garten und betrat ihr kleines Häuschen. Es war sehr rustikal eingerichtet, doch alles in allem passte es sehr gut zu diesem kleinen ruhigen See und dieser herrlichen Landschaft. Alles war gut. Noch während sie da stand und versonnen über den spiegelglatten See schaute, hörte sie vom Nachbargrundstück fröhliches Kindergeplapper und einen Augenblick später hatten die zwei kleinen Mädchen Sonny entdeckt.

Sie kamen ohne Umschweife durch den Garten direkt auf Sonny zu. "Bist du die Neue?" fragte eines der Mädchen. "Ja, ich bin die Neue!", lachend setzte sich Sonny in die Hocke, um den beiden süßen Mädchen näher zu sein. "Das sind Mona und Lisa", sagte Basti. "Meine Töchter". Die beiden Mädchen hatten an Sonny viele Fragen, auch einige etwas peinliche. Doch der Vater beeilte sich immer wieder, die Situation zu entschärfen. Dabei erfuhr Sonny vom Tod der Mama und dass sie nun hier wohnten.

 

Zehn Monate später...

 

Sonny hatte sich wider Erwarten viel schneller eingelebt, als gedacht. Sie hatte das Häuschen einfach gekauft. Hier fühlte sie sich sehr wohl, neben Basti und den Mädchen. Jörg hatte in den ersten Wochen einige Male versucht, sie anzurufen, doch sie hatte plötzlich kein Interesse mehr an seinen Anschuldigungen und Vorwürfen. Also schrieb sie ihm eine Whattsapp, dass sie sich von ihm trennen würde. Es kamen nur Drohungen und Beschimpfungen zurück. Doch dann war Ruhe. Einige Zeit später rief ihre Freundin bei ihr an und erzählte, dass Jörgs Sekretärin bei ihm eingezogen war. Sie lebte nun auf Jörgs Kosten ein feudales Leben.

Sonny jedoch verschwendete keine Gedanken mehr an ihn. Sie hatte sich mit Basti angefreundet, dann war aus ihrer Freundschaft Liebe geworden. Mona und Lisa liebten sie. Basti war ein liebevoller Mann und ein unglaublich herzlicher Vater. Sonny war angekommen.

An einem sonnigen Tag im darauffolgenden Jahr, nachdem Sonny zwei Wochen geschieden war, heirateten Basti und Sonny in der kleinen Dorfkirche. Blumenmädchen waren zwei glücklich strahlende kleine Mädchen. Sonny hatte nun einen liebevollen Ehemann und gleich zwei Mädchen, die sie wie ihre eigenen Töchter von Herzen lieb gewonnen hatte.

Das kleine Holzhaus am See, das sie für einen Sommerurlaub mieten wollte, war ihr Schicksal geworden!

 

ENDE

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Tag der Veröffentlichung: 14.09.2018

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