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Das Haus am See

Es war ein schöner, sonniger Morgen, als ich an meinem Schreibtisch saß und die Post sichtete, die ich heute bekommen hatte. Bis auf einen Brief, den ich als letztes lesen wollte, waren es nur Rechnungen, die ich zu begleichen hatte.

Ich schaute hinaus in meinen Garten, ließ mich nicht stressen und trank in Ruhe meinen Milchkaffee. Nach einiger Zeit öffnete ich den letzten Brief und begann zu lesen.

 

Liebe Frau Sommer,

 

inzwischen bin ich in die Jahre gekommen und habe mich deswegen entschieden, meine Ferienhäuser allesamt zu verkaufen. Es kostet mich zu viel Zeit und Mühe mit den Feriengästen und dem Housekeeping in Kontakt zu bleiben.

Da Sie viele Jahre Gast in meinem Haus waren und sich jedes Mal so begeistert über ihrem Aufenthalt äußerten, wollte ich Sie fragen, ob Sie eventuell ein Interesse daran hätten, diese Imobilie zu erwerben?

 

Über die Kosten, die auf Sie zukommen würden, könnten wir uns auch gerne am Telefon unterhalten, wenn Sie mögen.

 

Herzlichst

 

Ihre Gabriele Hornbach

 

Nachdenklich legte ich den Brief beiseite und biss in mein Croissant. Ich liebte dieses wunderschöne Holzhaus am See, in dem ich während einiger meiner Schreibphasen viel Ruhe genießen konnte.

Morgens sprang ich vor dem Frühstück ins kalte Nass und schwamm ein paar Runden, um meine Lebensgeister zu wecken. Danach fuhr ich mit dem Fahrrad zum Bäcker, um mir frische Brötchen zu holen.

Jede Mahlzeit auf der Terrasse war ein Genuss für Gaumen und Augen. Nirgends konnte ich so gut entspannen und schreiben, wie an diesem Ort. Natürlich fuhr ich nicht für jedes meiner Bücher zum Haus am See. Schließlich hatte Frau Hornbach auch andere Feriengäste außer mir, aber mindestens einmal im Jahr verbrachte ich einige Wochen in diesem Haus, wo mich meine Muse noch nie im Stich gelassen hatte.

Bevor ich eine Entscheidung treffen konnte, musste ich es mir noch einmal ansehen. Wie gut, dass ich gerade wieder mit einem neuen Buch begonnen hatte. Bisher lief es eher schleppend. Meine Kreativität würde sicher wieder fließen, wenn ich nur einen Fuß in dieses zuckersüße Haus setzen würde.

Sogleich rief ich Frau Hornbach an und teilte ihr mit, dass ich auf jeden Fall Interesse an ihrem Haus hätte, aber sehr gerne vor einer Entscheidung noch ein paar Wochen dort verbringen wollen würde.

Als sie mir sagte, dass es derzeit frei war, buchte ich mich gleich für die folgenden zwei Monate ein. Ich fackelte nicht lang und packte ein paar Kleider zusammen, rief eine Freundin an, um sie zu bitten, sich um meine Pflanzen zu kümmern und machte mich danach auf den Weg zum Haus am See.

 

 

Nach mehreren Stunden kam ich endlich an. Unterwegs hatte ich einige Lebensmittel besorgt, sodass ich mir gleich an diesem Abend etwas kochen konnte.

Lächelnd betrat ich mein Traumhaus, sah mich ganz in Ruhe um und stellte fest, dass alles noch genauso schön war, wie bei meinem letzten Besuch.

Meine Kleider sortierte ich gleich in den Schrank. Auch die Lebensmittel fanden schnell ihren Platz. Nun war es Zeit auf die Terrasse zu gehen und die herrliche Aussicht zu genießen. Bevor ich nach draußen ging, kochte ich mir aber noch schnell einen Tee, der mir noch besser helfen würde zur Ruhe zu kommen.

Wie wundervoll diese Natur doch war. So heilsam und erdend. Ich ließ mich auf einem der bequemen Sessel nieder und genoß den wundervollen Blick auf den See und die Bäume, die ihn umsäumten.

Plötzlich störte etwas die Ruhe. Ein kleines Boot mit einem knatternden Motor fuhr direkt auf den Steg meines Ferienhauses zu. Wer war das denn, fragte ich mich. Normalerweise war ich doch hier immer alleine. Niemals zuvor hatte sich jemand hierher verirrt.

Ich staunte nicht schlecht, als ein sehr attraktiver, junger Mann lächelnd auf mich zukam. "Entschuldigen Sie bitte die Störung, Frau Sommer! Mein Name ist Eric Henderson und ich bin der Enkel von Frau Hornbach. Meine Großmutter besitzt am anderen Ende des Sees ein weiteres Ferienhaus, welches sie mir zu meinem Dreißigsten Geburtstag geschenkt hat. Sie bat mich, mal bei Ihnen vorbeizuschauen und ihnen meine Hilfe anzubieten, sodenn sie diese überhaupt benötigen."

Mit offenem Mund starrte ich ihn an, dann räusperte ich mich, stand auf, gab ihm die Hand und sagte: "Schön Sie kennenzulernen! Sagen Sie doch bitte "Monika". Wenn Sie möchten, können wir auch gerne "Du" sagen. Schließlich sind wir im gleichen Alter."

Mit blitzenden, grünen Iriden sah mich Eric direkt an und entgegnete: "Sehr gerne, Monika".

"Nimm doch bitte Platz, Eric!", bot ich ihm an. "Magst Du vielleicht einen Tee oder einen Kafffee?"

"Zu einem Kaffee würde ich nicht "Nein" sagen. Mit Milch und ohne Zucker bitte."

Lächelnd nickte ich und begab mich in die Küche, wo meine Gedanken sofort um den attraktiven Enkel meiner Vermieterin kreisten. Wow! Was ein Mann, dachte ich. Wenn er sich öfter in dieser Gegend rumtreiben sollte, würde ich sehr gerne alle meine Bücher hier schreiben und das hübsche Haus am See tatsächlich noch kaufen.

Mit einer großen Tasse Kaffe und einem Milchkännchen kehrte ich zurück zu ihm, stellte alles vor ihm ab und setzte mich wieder.

"Vielen Dank! Es ist schön zu wissen, dass ich nicht allein bin am See. Obwohl ich in meinem derzeitigen Urlaub die Ruhe suche, ist es mir doch ein wenig zu einsam an diesem Ort. Es ist nicht das erste Mal, dass ich hier bin. Inzwischen sind zwar ein paar Jahre vergangen, aber ich erinnere mich noch sehr gut an unsere Ferien, die wir hier sehr oft verbrachten."

"Oh, wie schön! Ich stelle es mir sehr herrlich vor, an einem solch bezaubernden Fleckchen Erde seine Ferien zu verbringen", erwiderte Monika.

Eric lachte auf und fing sogleich an, mir ein paar Sommergeschichten zu erzählen. Es war wundervoll seinen Erlebnissen zu lauschen, denn er hatte eine lebhafte Art mir seine Erinnerungen mitzuteilen. Seine Augen blitzten und sein ganzes Gesicht strahlte. Im Gegensatz zu mir, hatte er scheinbar eine wundervolle Kindheit erlebt. Fast neidisch musste ich an meine eigene denken, die ich in einem Kinderheim verbracht hatte. Mir wurde nur selten Liebe im Leben geschenkt. Da ich keine Verwandten hatte, waren mir meine Freunde alles im Leben. Ich wüsste nicht, wo ich heute ohne sie wäre.

Mit den Männern hatte ich bisher leider auch kein Glück gehabt. Ich hatte es schon längst aufgegeben meinem Mr. Right zu begegnen und lebte meine Gefühle in den Romanen aus, die schrieb.

Zu meiner großen Freude konnte ich irgendwann von den Tantiemen meiner Bücher leben, sodass ich wenigstens den Beruf ausüben konnte, den ich über alles liebte, wenn ich schon Pech in der Liebe hatte.

Irgendwann bemerkte Eric, dass ich nicht mehr zuhörte und fragte: "Alles okay bei Dir, Monika? Habe ich etwas Falsches gesagt? Du siehst plötzlich so traurig aus."

Ein wenig Zeit brauchte ich schon, um mich zu sammeln, bevor ich antworten konnte.

"Alles okay! Keine Sorge! Und, nein, Du hast nichts Falsches gesagt. Ich habe an meine eigene Kindheit denken müssen und die war lange nicht so toll wie Deine!", gestand ich ihm.

Nun war auch das Lächeln aus seinem Gesicht verschwunden. "Das tut mir sehr leid. Wir haben uns zwar eben erst kennengelernt, aber wenn Du mir davon erzählen möchtest, kannst Du das gerne tun. Jeder der mich kennt, weiß, dass ich ein guter Zuhörer bin."

"Vielen Dank für Dein nettes Angebot, Eric, aber ich möchte Dir diesen herrlichen Nachmittag nicht mit meinen Kindheitserinnerungen vermiesen. Hast Du denn heute Abend schon etwas vor? Wir könnten zusammen kochen, wenn Du magst", bot ich ihm an.

"Das ist eine tolle Idee! Da bin ich direkt dabei! Müssen wir noch einkaufen gehen? Das könnte ich gerne übernehmen", schlug er vor.

"Bevor ich zum Haus fuhr, war ich noch einkaufen. Wenn Du magst, können wir gleich loslegen."

Eric stand sofort auf, nahm unsere leeren Tassen in die Hand und sagte: "Na, dann mal los, junge Dame! Lass uns loslegen. Ich habe schon jetzt einen riesen Hunger!"

Lächelnd folgte ich ihm in die Küche und dachte: das könnte eine schöne Zeit werden.

 

Es sah ganz danach aus, dass ich Frau Hornbach bald ein Angebot für ihr zauberhaftes Haus machen würde und dann würde ich sicher auch sehr viel Zeit an diesem herrlichen Fleckchen Erde verbringen. Und wer weiß? Vielleicht würde mir Eric ab und an sogar Gesellschaft leisten.

 

 ENDE

 

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Tag der Veröffentlichung: 06.09.2018

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