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162 Seiten
BRIX-Mix-erster Teil
Editorial
von Sonya
=====10=====
Kolumne: Sir Brixelot denkt nach über...
von gnies.retniw
=====11=====
Lyrik: Der Atem
von Eva Haring-Kappel
=====15=====
Aus dem imaginären BRIX-Redaktionsbüro
von gnies.retniw
=====16=====
Vielseitigkeitswettbewerb Runde 3 - Beiträge
Fröhliche Kurzgeschichte zum Thema: Steine im Weg
=====20=====
Vielseitigkeitswettbewerb Runde 4 – neues Thema
=====30=====
Vielseitigkeitswettbewerb Runde 2 – Ergebnis
=====33=====
BRIX befragt BX-Autoren
Ich liebe Waldspaziergänge, bin regelrecht mit Bäumen verwachsen
Interview mit Stephanie Berth-Escriva
geführt von Phil Humor
=====38=====
Thrill, Thriller, *thrilling stories*
Interview mit Anja Ollmert und Matthias März
geführt von Signe Winter und Phil Humor im BRIX-Talk-Studio
=====60=====
die für mich seelenreinigende Wirkung des Schreibens
Interview mit Toralf Mier
- geführt von Phil Humor
=====88=====
Vom Schreiben
Satire : Vom Nichtlesen und vom Wunsch, gelesen zu werden
von Signe Winter
=====98=====
Bericht: Schreiben als Beruf – Texten als Job?
von soka.amy84
=====102=====
Feuilleton: „Für ein Lied und hundert Lieder“ oder Ein Friedenspreis für ein Leben in Unfrieden
von Signe Winter
=====106=====
*K* - Täglicher Terror ist unter uns: Reflexionen zum Konsum
Lyrik: Konsumjunkie
von René Deter
=====110=====
Satire: Proletarier aller Länder – verkauft euch! oder ein smartphone macht nicht satt, aber glücklich
von Signe Winter
=====111=====
Essay: Kaffee-Genuss mit Folgen - Von der Saat bis zum fertigen Produkt
von vampirella91
=====114=====
Satire: Mein Einkaufs-Phantom
von Anja Ollmert
=====118=====
Essay: Tierquälerei und Tierschutz
von teetrinkerin
=====122=====
Märchen: Pin und Pan
von Eva Haring-Kappel
=====131=====
Lyrik: Ein schöner Traum
von René Deter
=====136=====
Satire: Das Ende des Euros
von Matthias März
=====137=====
Was sonst noch geschah
Reportage: Vom Leben, Dichten und Vergessenwerden
von Rudi Ratlos
=====140=====
Das (vorerst) Letzte
Kurzreport im Twitter-Format von gnies.retniw
=====148=====
BRIX-Fortsetzungsgeschichte
=====150=====
BRIX-Mix-zweiter Teil
Epilog
von Phil Humor
=====156=====
Das BRIX Dreamteam - Buchlinks anklickbar
=====158=====
beteiligte Autoren
=====160=====
Impressum
=====161=====
Editorial
Haben wir uns Zeit gelassen? Na ja, vielleicht ein bisschen. Was ist passiert seit der letzten Ausgabe? Der Sommer ging zur Neige, der erste Schnee kam und ging wieder. War ihm anscheinend noch zu viel los draußen. Momentan herrscht eigentlich recht gewöhnliches Herbstwetter. Nasse, windige, kalte und Blätter regnende Tage, aber natürlich auch sonnige, warme Momente, manchmal auch zum länger genießen.
Was erwartet euch nun in dieser Ausgabe?
Wie es unsere „Tradition“ so will, gibt es eine große Auswahl an Artikeln, Beiträgen, Meinungen und Interviews. Der Herbst bringt Veränderungen. Einige Beiträge befassen sich genau damit. Veränderung im Denken, Veränderung in der Wahrnehmung. Blättert euch durch den Kaffeekonsum, entdeckt, warum manches gut klingt, aber es nicht ist. Informiert euch über Wahrheiten und das liebe Geld. Stöbert ein bisschen in den Texten übers Schreiben, Lesen und was sonst noch passierte.
Falls euch das jetzt zu pathetisch klang, noch mal in Kurzform:
Viel Vergnügen und Inspiration!
Vergesst aber nicht, uns zu sagen, wie es euch gefallen hat!
lg und Adios. Sonya
Kolumne: Sir Brixelot denkt nach über ...
Weltuntergang und Zukunft
Nun hat es sich wohl herum gesprochen: die Welt wird nicht untergehen. Das wird immer wieder in populärwissenschaftlichen Fernsehsendungen ausdrücklich betont. Der Maya-Kalender wurde schlichtweg nur bis 2012 vorgeschrieben und Nostrada-
mus’ Voraussagen sind mehr eine Frage des Glauben-Wollens als Hellseherei.
Sir Brixelot bleibt kritisch und denkt: Gut, die ganze Welt auf einmal wird also nicht untergehen, das ist ziemlich sicher; jedenfalls nicht im Dezember 2012. Aber was ist mit der Weltordnung? Ist da nicht ständig etwas im Untergehen und Neuentstehen? Betrachtet man nur die Finanzwirtschaft. Nichts funktioniert mehr so, wie es die Politiker orakelt haben. Die Finanzkrise ist keine, weil sich die Finanzmärkte einmal kräftig geschüttelt und kurz gehustet haben, jedoch nunmehr weiter-
machen wie zuvor. Da müsste wohl eher von einer Systemkrise gesprochen werden. Die darf so aber nicht genannt werden, weil dann Einiges bis Alles in Frage gestellt würde. Lieber wird von Politik-Seite, mit medialer Unterstützung, herumgedoktert, beschwichtigt und angeheizt: die börsendotierten Firmen bekommen eine Frauenquote, weil sich die für diesen Job ungeeigneten Frauen anders nicht durchsetzen können; die Eltern erhalten das Elterngeld, aber nur wenn sie mit ihren Kindern zu den entsprechenden U-Untersuchungen gehen; der Hartz-IV-
Mensch bekommt ab 2013 acht Euro mehr, um an der Konsum-
Wirtschaft Teilhabe zu haben; die kleine Gruppe der radikalen Muslime, die gerne mal Terroranschläge weltweit durchführt, wird in den Medien konsequent *Islamisten* genannt, obwohl es diesen Begriff so eigentlich gar nicht gibt.
Sir Brixelot schlägt vor, den Begriff *Muslimisten* einzuführen, damit alle ca. 1,5 Milliarden dem Islam anhängigen Gläubigen weltweit gleich unter Generalverdacht gestellt werden können. Jedoch würde dann die noch einzuführende *Heckler & Koch* - Quote die Besitzer derselben von diesem Verdacht (vorerst) ausschließen. Die Eltern, die ihr Elterngeld nicht beantragen, kommen in U-Haft, dafür dürfen ihre Kinder ihr Leben lang kostenlos U-Bahn fahren, ohne Mitglied der Piraten sein zu müssen. Der Hartz-IV-Mensch muss die acht Euro an karitative Organisationen spenden, denn schließlich kann ja nicht von den 1% Reichen verlangt werden, dies alleine zu schultern.
Ja, denkt Sir Brixelot: Die alte Welt versinkt und geht unter. Anders als von den Hellsehern, Scharlatanen und Panikmachern ersonnen, denn sie geht nicht punktgenau im Dezember unter, sondern jeden Tag, Stück für Stück. Könnte natürlich auch sein, dass die Panikmache im Auftrag geschah, um abzulenken vom täglichen (kleinen) Weltuntergang. Das ist jedoch reine Spekulation.
Keine Spekulation ist die Zukunft. Sie kommt – so oder so. Jeder nächste Moment ist quasi schon Zukunft. Sprachlich war dies bisher im Deutschen ausreichend geregelt über das Futur eins, welches eine klare Aussage über die Zukunft tätigte, wie z.B. „Morgen werde ich ...“ und dem Futur zwo, welches eine abgeschlossene Handlung in der Zukunft beschrieb, wie z.B. „Morgen werde ich dies und das getan haben...“.
Wie wird jedoch lingual das Problem gelöst, wenn das Ereignis zwar in der Zukunft liegt, jedoch nicht eintrifft, weil es immer wieder verschoben wird? Man denke an den Flughafen Berlin BER oder an die Elbphilharmonie. Die Zeitschrift „Der Postillon“ unterbreitete Mitte August den Vorschlag der Einführung eines Futur drei. Das würde dann wie folgt gebildet werden müssen: „Nächstes Jahr um diese Zeit werde ich gerade meine Koffer aufgegeben hätten gehabt.“
Sir Brixelot denkt: „Jawoll, zurück in die Zukunft, eins bis vier!“ und hält es mit dem Altmeister BB: „Und sie sägten an den Ästen, auf denen sie saßen und schrien sich ihre Erfahrungen zu, wie man besser sägen könne. Und fuhren mit Krachen in die Tiefe. Und die ihnen zusahen beim Sägen, schüttelten die Köpfe und sägten kräftig weiter.“
Und schön kritisch bleiben, meint Sir Brixelot!
gnies.retniw
*Aus dem imaginären BRIX-Redaktionsbüro*
Schwungvoll reiße ich die Tür zum Redaktionsbüro auf, darauf achtend, dass mein Kaffee, seit der letzten Ausgabe natürlich Bio-Kaffee, nicht aus der Tasse schwabt. Ich grüße mit einem fröhlichen: „Hallo, die Ente!“. Sir Brixelot, der vornehme Ziegelstein schaut mich etwas pikiert von seiner Ziegel-Stein-
Mauer an. „... und hallo an Sir Brixelot, Kurt S. Tory und Faffi“, füge ich schnell hinzu. Die Maskottchen, aktive und inaktive, nicken mir zu und führen ihre Unterhaltung fort.
Nun merke ich erst, dass mein Hund an meinem Schreibtisch sitzt ... „Das ist ja ein dicker Hund!“, denke ich und sage laut: „Was ist denn hier nicht los?“ „Ja, ähhh ...“, setzt Rudi an, „dein Hund bellt mich die ganze Zeit schon an, nachdem er sich an Sir Brixelot die Zähne ausgebissen hat – kurz und nicht gut: er möchte sich beschweren.“ Ich ziehe die rechte Augenbraue hoch und Sir Brixelot sagt: „Meinste?“ Chaos im Redaktionsbüro! Genau DAS hat noch gefehlt, denke ich. Doch weit gefehlt ... Plötzlich sehe ich, dass Kurt S. Tory wie wild mit einem Feuerlöscher herumfuchtelt. „Für ein inaktives Maskottchen, ganz schön aktiv!“, denke ich, während Rudi gelassen sagt: „Faffi hatte vergessen, den Feuer-Spei-Modus auszustellen während unserer Diskussion ...“ Faffi grinst friedlich: „Meinste?“ Sir Brixelot zieht genervt seine rechte Augenbraue hoch. Rudi und Faffi grinsen.
Entsetzt sehe ich auf einen Klumpen verbranntes Zeugs, sehe vorwurfsvoll den top-fidelen, grell-orangen Drachen Fafnir an, der gerne Faffi genannt werden möchte. Der schlägt vor: „Ich könnte noch einige Eschen einäschern ...“ „Och Nö!“, sage ich und ermahne ihn: „Und bitte auch KEIN Lagerfeuer!“ „Nun gut, ich kann euch mein Drachengold ja mal zeigen. Was ist schon Besitz, wenn man nicht die funkelnden Augen sieht von denen, die begehren, was man selber im Überfluss besitzt“, zitiert sich Faffi aus seiner Geschichte „Siegfried und der Drache Faffi“. Sir Brixelot stöhnt auf und sagt energisch zu Faffi: „Das hier ist eine Redaktionssitzung!“ „Jedenfalls ist das der Plan ...“, murmele ich. „Dein Drachengold, verehrter Fafnir, begehren wir mitnichten. Hier in der Redaktion geht es um Geschichten!“, reimt Rudi blöde rum. Sir Brixelot zieht genervt seine rechte Augenbraue hoch. Rudi und Faffi grinsen.
Tief durchatmen, denke ich und tue dies auch. „Kinnings ... Also, ich meine ... ähhh ... liebe Kuscheltiere, sehr geehrte Maskottchen ... Freunde der russischen Tanzmusik ... nee ... ähhh ... liebe Redaktionsmitglieder! Bitte der Reihe nach! Faffi, du bringst dein Gold bitte zur Bank dort“, sage ich und zeige auf die Holzbank, die in der Ecke steht. Gut gelaunt hüpft Faffi zum angewiesenen Platz. „Ein Drache als Banker!“, murmelt Kurt S. Tory entsetzt. „Nicht zu fassen! Oder ist der Drache nun ein Bankert?“ Kurt S. Tory versinkt in Gedanken darüber, ob er einen Drachen-Feuerlösch-
Ratgeber als eBook verfassen sollte: „... Und dann komme ich zu den Amazonen oder war das der Amazonas? ...“ Sir Brixelot zieht die Augenbraue hoch und denkt: „Was für 'ne Kater-Strophe ...“ Faffi grinst.
Nun wende ich mich an Rudi und frage: „Warum möchte sich denn mein Hund beschweren und muss er deshalb mit seinem Gewicht meinen Schreibtisch beschweren?“ Rudi erklärt mir gelassen: „Bei der Runde Zwei im Literatur-Athleten-Fünfkampf ist wohl 'was schief gelaufen ... Der Hund, der HUND!, behauptete doch, sein Schwippschwager sei die Bulldogge und er müsse beschützt werden! Nun ... dein Hund möchte dringend klarstellen, dass der Hund, der HUND ein Angsthase ist und deshalb der Wettbewerb wegen des falschen Themas annulliert werden müsse ...“ Bevor Rudi weiter sprechen kann, unterbricht ihn Faffi und schlägt vor: „*Katz und Drache* wäre auch ein schönes Thema gewesen!“ „Ja! Oder *Drache und Drachme*!“, sagt Rudi genervt. Kurt S. Tory grinst. Ich gebe meinem Hund ein Handzeichen, sich unter dem Schreibtisch zu platzieren und sage: „Ihr habt Sorgen! ...“ Und frage: „Wo sind übrigens Fianna, Sonya, Jen und Phil?“ „Sind auf dem Weg - müssten jeden Moment hier sein.“, sagt der vornehme Ziegelstein Sir Brixelot von der Ziegelsteinmauer zu mir. „Dann ist es ja gut!“, sage ich erleichtert und murmele: „Einen Sack Flöhe hüten ist einfacher, als ein Redaktionsbüro voller Kuscheltiere!“ „Meinste?“, fragt Rudi. Sir Brixelot, Kurt S. Tory und Faffi grinsen.
co gnies.retniw
BRIX Vielseitigkeits-Wettbewerb
Literatur-Athleten im Fünfkampf
3 . Runde => fröhliche Kurzgeschichte
1. Runde => Drabble
2. Runde => Gedicht
3. Runde => fröhliche Kurzgeschichte
4. Runde => Double Drabble (200 Worte Story)
5. Runde => ? (Kategorie-Nennung folgt noch)
Bei dem Buch-Kommentar könnt Ihr dann Euren Favoriten nennen. Und vielleicht eine Begründung. Jeder Teilnehmer sammelt auf diese Art Punkte – und wer nach 5 Runden am meisten Punkte hat, ist Gesamt-Sieger. Werbung ist nicht erlaubt.
Der Sieger-Text jeder Runde wird dann im BRIX Magazin veröffentlicht – und auch ein Interview mit dem Autor.
Die BRIX Redaktion spendiert dem Gesamt-Sieger einen Amazon-Gutschein von 20 EUR
. Allerdings muss er dafür Kindle eBooks kaufen von BookRix-Autoren. :-)
Thema für die dritte Runde – also die fröhliche Kurzgeschichte – war: Steine im Weg
Abstimmungsberechtigt: wer seit mindestens einem Monat bei BX angemeldet ist. Abstimmen könnt Ihr bis 31.12.2012
.
Hier kommen die zwei Beiträge:
Vielseitigkeitswettbewerb Runde 3 - Beiträge
Beitrag 1
Abrax, der kleine Trobold
– Eine märchenhafte Geschichte –
Die Sonne stand hoch am Himmel, als Abrax durchs Tichtel-
gebirge wanderte. Er musste gerade eine kleine Schlucht durchqueren, als aus der Höhe ein Donnern und Grollen erklang. Abrax schaute nach oben. Steine und größere Felsbrocken stürzten hinab und versperrten ihm den Weg. Was sollte er jetzt machen? Vor ihm und auch dahinter lagen Steine auf dem Weg.
Jetzt fragt ihr euch sicher, warum Abrax nicht über die Steine hinweggestiegen ist. Dazu müsst ihr wissen, dass er nicht größer als fünfzehn Zentimeter war. Das war für einen Trobold schon richtig groß. Er hatte eine kleine dicke, knubbelige Nase, spitze Ohren und braunes zerzaustes Haar. Mit seinen kurzen Beinen konnte er auch nicht so schnell laufen und ein guter Kletterer war er leider auch nicht. Abrax musste darauf warten, dass jemand vorbeikam, um ihn aus seiner misslichen Lage zu befreien.
Es dauerte auch nicht lange, da kam eine ältere Dame den Weg entlang. Sie war gut gekleidet und trug einen großen Hut mit Feder. Mit aller Kraft rief Abrax in die Höhe.
„Hallo! Hallo da oben!“
Die Dame schaute sich nach allen Seiten um, konnte aber nichts entdecken. Und wieder rief Abrax ganz laut.
„Hallo! Hier unten bin ich!“
Die Dame schaute nach unten und erschrak so sehr, dass sie nach ihm mit ihrer Handtasche schlug.
„Iiiihhhh ... eine Ratte ...“, quiekte sie laut.
Dann lief sie schreiend davon. Abrax stand wieder auf und versuchte sich von dem Staub zu befreien.
„Ich bin keine Ratte!“, rief er noch hinterher.
Doch das konnte sie nicht mehr hören. Dafür war sie zu schnell wieder verschwunden.
„Wenn das so weitergeht, komm ich nie hier raus“, sagte er so zu sich, da näherte sich schon die nächste Frau.
Diesmal ging Abrax gleich in Deckung. Als die Frau nah genug herangekommen war, rief er wieder hoch.
„Hallo! Hallo da oben!“
Auch dieses Mal schaute die Frau sich nach allen Seiten um und konnte niemanden erkennen.
„Ist da wer?“, fragte sie.
„Ja. Hier unten bin ich“, sagte Abrax.
Die Frau blickte nach unten und sah den kleinen Kerl am Boden sitzen.
„Kannst du mir bitte helfen? Ich komme nicht weiter. Die Steine versperren mir den Weg“, fragte er höflich.
Die Frau schüttelte sich.
„Igitt, was bist du denn für ein hässliches Tier?“
„Ich bin kein Tier ...“, sagte Abrax wütend, „Ich bin ein Trobold!“
„Du bist ja von oben bis unten total dreckig. Nein! Nachher beißt du mich noch oder ich fange mir eine Krankheit ein.“
Mit diesen Worten verließ die Frau Abrax auf schnellstem Wege. Er schüttelte den Kopf und setzte sich auf die Erde.
„Warum sind denn alle so gemein zu mir? Ich habe ihnen doch nichts getan.“
Als er da so traurig auf dem Boden saß, kam ein Wandersmann vorbei. Vielleicht gab es ja doch noch Hoffnung. Abrax sprang hoch und rief wieder nach oben.
„Hallo! Hallo da oben!“
Wie schon die beiden vor ihm schaute sich auch der Wandersmann um und konnte nichts erkennen.
„Ich bin hier unten.“, sagte Abrax.
„Was bist du denn?“, fragte der Mann, „du bist ja hässlich!“
Abrax kochte schon fasst vor Wut, doch er wollte schließlich über die Steine.
„Ich bin ein Trobold. Die Steine auf dem Weg versperren mir ein Weiterkommen. Kannst du mich bitte auf die andere Seite heben?“
Der Wandersmann dachte nach, dann sagte er, „Hmm, was bekomme ich dafür, wenn ich dir helfe?“
„Ich erfülle dir einen Wunsch, wenn du mir hilfst“, sagte der kleine Trobold.
„Ich wünsche mir einen großen Sack mit Goldstücken.“
Abrax schaute etwas grimmig, dann schloss er die Augen und murmelte ein paar Worte. Wie aus dem Nichts stand ein Sack mit Gold auf dem Weg.
„So da ist dein Gold. Jetzt hilf mir bitte.“
Ohne auch nur auf den kleinen Kerl Rücksicht zu nehmen, machte der Wandersmann einen Satz auf das Gold zu. Er schnappte sich den Sack und rannte lachend davon.
Erneut war Abrax zurückgelassen worden. Wütend und traurig setzte er sich hin. Große Tränen kullerten ihm über die Wangen.
Er bekam gar nicht mit, wie ihm sich ein kleinen Mädchen näherte und sich neben ihn setzte.
„Hallo, warum weinst du denn?“, fragte ihn das Mädchen.
„Alle sind so gemein zu mir. Sie sagen, dass ich hässlich bin. Schlagen mich, laufen vor mir weg und betrügen mich. Dabei möchte ich doch nur auf die andere Seite der Steine, damit ich nach Hause kann.“
„Darf ich mir dich ansehen?“, fragte das Mädchen.
„Wenn du willst! Du läufst sowieso gleich weg. Aber du schaust mich doch schon die ganze Zeit an ...“
„Nein, das mache ich nicht.“
Da strecke sie die Hände nach Abrax aus und tastete sein Gesicht und seinen Körper ab. Erst jetzt erkannte er, dass das kleine Mädchen blind war.
„Du bist doch nicht hässlich“, sagte das kleine Mädchen, „lass dir so etwas nicht einreden. Jetzt wird nicht mehr geweint. Wie kann ich dir helfen?“
„Ich möchte auf die andere Seite der Steine. Alleine schaffe ich es nicht. Ich erfülle dir auch jeden Wunsch?“
Das Mädchen hob Abrax behutsam hoch und setzte ihn auf der anderen Seite der Steinbarriere wieder ab.
„Ich danke dir. Welchen Wunsch soll ich dir erfüllen? Das habe ich dir ja versprochen“, sagte Abrax jetzt.
„Danke. Keinen. Ich habe alles, was ich brauche. Eltern, die mich lieben und immer genug zum Essen. Wir sind gesund und glücklich. Mehr brauche ich nicht. Komme gut nach Hause.“
Abrax schloss die Augen und murmelte wieder einige Worte.
„Ich danke dir für deine Hilfe. Geh du auch schnell zu deinen Eltern nach Hause. Sie erwarten dich voller Sehnsucht“, sagte Abrax und da war er auch schon verschwunden.
Das Mädchen machte sich auf den Weg nach Hause und freute sich darüber geholfen haben zu können.
Als sie zu Hause ankam, klopfte sie wie immer an die Tür ihrer Hütte. Ihre Mutter öffnete ihr und fing an zu weinen. Sie fiel ihrer Tochter um den Hals. Auch das kleine Mädchen weinte. Es waren aber keine Tränen der Trauer, sondern der Freude. Zum ersten Mal in ihrem Leben erblickte sie ihre geliebte Mutter. Abrax hat ihr von sich aus einen Wunsch erfüllt. Die Liebenswürdigkeit und Hilfsbereitschaft des kleinen Mädchens hat ihn so gerührt, dass er ihr das Augenlicht geschenkt hat.
Sie lebten noch lange und glücklich in der kleinen Hütte. Hatten immer genug zu Essen und von Zeit zu Zeit sah man einen kleinen Trobold in der Nähe der Hütte.
Abrax beschützte sie, aus Dankbarkeit für ihre Güte ...
Beitrag 2
Der Kiesel
Eigentlich war er ganz zufrieden mit seinem Leben. Er lag schön warm an einem langen Sandstrand. Ganz flach und strahlendweiß glänzte der Kieselstein in der Sonne. Er konnte glücklich sein, wenn da nicht die anderen Steine gewesen wären, die ihm besser gefielen.
Sie waren größer und nicht so flach. Manche hatten Dellen und Löcher, durch die der Wind blasen konnte. Sie waren schwarz oder gelb, einige schimmerten bräunlich. Er war gewöhnlich, nichts Besonderes. Wenn die Menschen am Strand entlang bummelten, dann riefen sie oft laut aha oder oho. Sie sammelten dann ganz besondere Exemplare ein. Nur an ihm gingen alle achtlos vorbei.
Außerdem hätte er gern mal das Wasser gespürt. Manchmal regnete es oder die Gischt spritzte ihn nass. Das war angenehm, zumal die Sonne ihn bald wieder wärmte. Er wusste, dass er aus dem Meer kam und die See ihn so glatt geschmirgelt hatte. Nur erinnern konnte er sich nicht an diese Zeit.
Er schaute oft in den Himmel, sah die Wolken ziehen und hörte die Möwen kreischen. Sie hatten es gut, sahen etwas von der Welt und mussten nicht dumm am Strand liegen. Am liebsten hätte er sich schwarz geärgert, aber sein Weiß blieb unverändert, egal ob er sich grämte oder mit seinem Schicksal haderte.
So verging eine lange Zeit. Immer wenn Flut war, fühlte er Hoffnung, seinem Ziel endlich näher zu kommen, aber immer wieder wurde er enttäuscht. Seine Kollegen lachten über ihn, sie waren zufrieden mit ihrem Dasein und genossen das ruhige Leben am Strand.
Eines Tages hörte er Stimmen, das passierte häufiger und war nichts Besonderes. Diesmal aber war es Kinderlachen und eine ganz tiefe alte Stimme. Sie kamen näher und konnte die Schritte hören. Auf einmal fiel ein Schatten auf ihn und eine Hand packte ihn. Was war denn das, dachte der Kiesel und hatte kaum Zeit, sich zu erschrecken.
„Passt mal auf Kinder!“, rief die alte Stimme „Wollen doch mal sehen wie oft er hüpfen kann?“
Schon sauste er durch die Luft und ab und zu berührte er die Wasseroberfläche. Was für ein Gefühl. Er war frei und … Da war die Reise auf einmal zu Ende.
Er fiel tiefer und tiefer, bis er am Meeresgrund liegen blieb. Es war ganz still. Verwundert blickte der Kiesel in die Runde und was er sah, gefiel ihm. Bunte Korallen, Fische mit riesigen Augen und Seesterne. Fremd, aber interessant. Blubberblasen zogen nach oben. Er war angekommen, irgendwann würde er wieder unzufrieden jammern, aber im Augenblick überwog die Zufriedenheit.
BRIX Vielseitigkeits-Wettbewerb
Literatur-Athleten im Fünfkampf
Da in dieser Runde kaum Interesse vorhanden war - lediglich zwei Beiträge - bieten wir in der 4. Runde eine andere Kategorie an: Double Drabble
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4. Runde => Double Drabble
Thema: Gib Gummi !
1. Runde => Drabble
2. Runde => Gedicht
3. Runde => fröhliche Kurzgeschichte
4. Runde => Double Drabble (200 Worte Story)
5. Runde => ? (Kategorie-Nennung folgt noch)
Werbung ist nicht erlaubt. Abstimmungsberechtigt: wer seit mindestens einem Monat bei BX angemeldet ist.
Ihr könnt Eure Beiträge bis zum 31.12.2012
an den BRIX Account senden: brix.das.magazin
Double Drabble: 200 Worte Story - die Überschrift wird nicht mitgezählt.
Klingt simpel, aber um das Interesse des Lesers zu wecken und wachzuhalten, bedarf es ausgeschlafener Protagonisten oder einer Überraschung oder eines munteren Handlungsverlaufs.
Viel Erfolg wünscht Euch Phil Humor im Namen des BRIX-Teams.
Drabble Info
Ein Drabble zwingt dem Autor kompromisslos Kurzweiligkeit auf.
Ein Drabble ist ein sehr beengter Raum, um seiner ausufernden Fantasie eine Heimstatt zu bieten. Drum begrenze sich der Meister auf das Wesentliche, streiche gnadenlos, was nicht dazugehört.
Welches Wort ist wirklich notwendig?
Was gehört unbedingt zum Gesamt-Gefüge - ohne dass alles aus den Fugen geht?
Ein Drabble ist allerdings kein Witz - sondern es ist eine Story. Prägnant; und deutbar auf mehreren Ebenen - so wie jede gute Literatur.
Drabble: mit wohlüberlegten Worten Inhaltsreiches aussagen auf knappem Raum.
Auch das scheinbar Überflüssige kann eine Daseins-Berech-
tigung haben im Text und in der Rede. Doch muss es dem Autor Rede und Antwort stehen, inwiefern es nun doch nützlich ist - obwohl es entbehrlich ist. Eine heikle Frage. Und das Drabble-
Training schärft das Gespür für solche Nuancen.
Infos zu Drabble: http://www.bookrix.de/_group-de-drabbles
BRIX-Vielseitigkeitswettbewerb
Runde 2 - Ergebnis
Wie schön, dass trotz der vielen stattfindenden Wettbewerbe auf BookRix und des „Sommerlochs“, das irgendwie das ganze Jahr zu dauern scheint, sechs Autoren sich dem anonymisierten Wettbewerb bei BRIX stellen. Interessante Beiträge mit völlig unterschiedlichen Umsetzungen zeigen einmal mehr die Vielfalt der Gedanken und die unterschiedlichen Assoziationen bei der Vorgabe eines Themas. Danke an die beteiligten Autoren, eure Beiträge habe ich sehr gerne gelesen!
Beitrag 1 - vielleser9
Ein feines kleines Gedicht, welches das Thema in seinem Wortsinn bearbeitet und auf eine menschliche Beziehung transferiert. Prima Umsetzung und angenehmer Rhythmus, so dass das Lesen Freude bereitet.
Beitrag 2 - scheherazade
Hier scheint dem Autor mit dem eingereichten Beitrag etwas durcheinander gekommen zu sein? Die Genre-Vorgabe war *Lyrik*, aber offensichtlich wurde das vorgegebene Thema als Drabble bearbeitet. Nun, wenn auch keine Lyrik im klassischen Sinne zu lesen ist, handelt es sich dennoch um einen lesenswerten Text.
Beitrag 3 - monirapunzel
Eine völlig andere Umsetzung des vorgegeben Themas, da *Katz und Hund* hier metaphorisch eingesetzt wird, um die Seelenqual des Protagonisten zu beschreiben. Die Reime sind ordentlich gesetzt, so dass ein lesbarer Rhythmus entsteht. Schade, dass es am Ende des Gedichtes ein wenig ins (übliche) Klischee abgleitet.
Beitrag 4 - susymah
Ein Muttertagsgedicht der anderen Art: die Abrechnung mit der Mutter, mit der es keinen Frieden gab. Das Verhältnis des Protagonisten als Kind zur Mutter wie Hund und Katz – feindlich, unversöhnlich ... Freie Lyrik, die einen beim Lesen den Atem anhalten lässt. Ist es nicht das, was man sich als Leser von einem Text wünscht?
Beitrag 5 - buecherwurm1972
Die Umsetzung des Themas ist gelungen! Hier wird die Geschichte zweier Schwestern in Form einer Ballade erzählt. Und auch wenn der Reim den Leser verführt, einen seichten Inhalt zu vermuten, wiegt doch die Aussage des Gedichts bei weiterem Nachdenken schwer.
Beitrag 6 - hanna1110
Die Irrungen und Wirrungen menschlichen Handelns in lyrischer Form verarbeitet. Das vorgegebene Thema wurde als Ausgangs-
punkt für die erzählte Geschichte von *ihr* und *ihm* verwendet und ist somit eine weitere interessante Umsetzung des zu bearbeitenden Themas. Beschwingt endet dieses Gedicht – das ist schön!
Herzlich Signe Winter
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Leider nur zwei Leser, die abgestimmt haben.
Beitrag 1 - vielleser9 - erhielt 2 Punkte
Beitrag 5 - buecherwurm1972 - erhielt 2 Punkte
Beitrag 3 - monirapunzel - erhielt 1 Punkt
Beitrag 6 - hanna1110 - erhielt 1 Punkt
Hier könnt Ihr die Gedichte nochmals lesen.
BRIX befragt BX-Autoren
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"Ich liebe Waldspaziergänge,
bin regelrecht mit Bäumen verwachsen ..."
Interview mit Stephanie Berth-Escriva
Anm. d. Red.: Das Interview mit Stephanie Berth-Escriva führte unserer Redakteur Phil Humor. Stephanie führt auf BookRix den Usernamen *steffseinhorn*. Den Link zu ihrem Profil, sowie weiterführende Links, findet der Leser in unserer BRIX-Gruppe *Konferenzraum*.
Phil:
:
Zu Deinem Fantasy-Roman „Blutschwert“ wurdest Du inspiriert durch den Film „Solomon Kane“. Hat der attraktive Schauspieler James Purefoy das bewirkt oder ist es die Attraktivität der Pulp-Fiction-Story-Vorlagen vom Autor Robert Ervin Howard?
Stephanie:
:
Hmm, ich muss Dich enttäuschen, das ist viel einfacher. Ich habe mir diesen Film angeschaut, war verwundert, dass derselbe hier in Frankreich kaum bekannt war und bin am nächsten Tag mit meinen Töchtern im Wald spazieren gegangen. Ich liebe Waldspazier-
gänge, bin regelrecht mit Bäumen verwachsen und fühle mich unwohl, wenn nicht Wald in der Nähe meines Lebensraums ist. Nun gut, mit Kindern in den Wald gehen ist mit Aufpassen und Langeweile verbunden. Wenn ich mich langweile, denke ich mir Geschichten aus. Ich dachte an den Film „Solomon Kane“. Der Held ist gefährlich, das ist offensichtlich, was wäre wenn, und wie war es früher, zur Zeit des Hundertjährigen Krieges zum Beispiel … da war es undenkbar für Damen aus gewissen Kreisen mit Kindern ohne Schutz und Begleitung durch den Wald zu spazieren … wie würden wir reagieren, wenn wir so einem Typen heute begegnen würden? Zunächst fing die Geschichte ganz anders an: eine Familie - Vater, Mutter, Kinder - findet einen verletzten Auftragsmörder aus der Zeit des Hundertjährigen Krieges auf mysteriöse Weise verschollen in unserer Zeit. Die Geschichte wurde bald lustig oder albern und passte nicht zum eigentlichen Gefühl der Angst, die man wahrscheinlich empfindet, wenn man solchen Haudegen gegenüber stehen würde.
Die Idee von „Blutschwert“ war eigentlich eine Gedanken-
spielerei, so kompromisslos wie möglich die Geschichte einer Begegnung zwischen einem Mann und einer Frau aufzuschreiben. Ehrlich gesagt, würde ich diese Geschichte heute gerne völlig neu schreiben, anders aufbauen und zu einem erklärenden Ende bringen.
Phil:
Solomon Kane schwankt zwischen: „Gewalt ist die Lösung“ und „bloß keine Gewalt“. Die schöne Meredith bringt ihn auf die Idee, dass es gut sei, fürs Gute zu kämpfen - gleichzeitig könne er ja seine Seele damit retten. Damsel in distress - der schönen Maid beizustehen - für sie lohnt es sich Gefahren zu bestehen. Langweilt Dich diese Variante - würdest Du es lieber sehen, wenn, wie im Film „Enchanted“ von Disney, die Heldin den Helden rettet? Beschreibst Du lieber rettungsgeneigte Frauen oder Power-Frauen mit einem imposanten Maß an Abenteuer-Ambi-
tionen?
Stephanie:
Nun, grundsätzlich gefällt mir die Idee von der schwachen Schönen, die vom mutigen Helden gerettet wird, nicht so. Mich nervte schon als Kind, dass es immer die Jungs waren, die tolle Abenteuer erlebten. Andererseits ist der Typ ‚Powerfrau’ schwierig, weil oft sehr unrealistisch (Was bei Superhelden auch nicht anders ist). Wenn ich starke Menschen in Geschichten leben lasse, frage ich mich, wofür sie stark sind und wofür sie kämpfen. Wenn man die Geschichte von Meredith betrachtet, stellt man fest, dass sie gar nicht so schwach ist! Im Gegenteil, sie hat starken Willen und lässt sich nicht unterkriegen. Hinzu kommt nämlich der praktische, physische Punkt, dass so eine Frau kräftemäßig mit einem Haudegen wie Solomon bei Weitem nicht mithalten kann.
Ich mag es, menschliche Geschichten zu schreiben, in denen jeder seine Stärken und Schwächen nach seiner Natur auslebt, egal ob Mann oder Frau.
Mich langweilt das Schema ordinäre Person X lebt ein ganz normales Leben, ahnt von seinem Anderssein, entpuppt sich zum Superhelden und rettet die Welt, oder auch nicht. Ich finde es sehr eingebildet, sich selbst oder andere als ‚anders’ zu bezeichnen. Anders in wie fern? Wir sind alle anders, was ist normal? Wer legt so etwas fest?
Ich denke, es steht jedem frei, mit Mut und Aufrichtigkeit seine Einzigartigkeit auszuleben, ohne seine Mitmenschen damit zu belästigen oder zu verletzten. Möglich, dass dies mit Kraft und Mühe verbunden ist, man kann ja frei entscheiden, ob man so wie andere sein will, weil es bequem ist, oder sich daran gewöhnt, seine eigenen Gedanken zu formulieren.
Signe:
Du sagst, man könne frei entscheiden ... Sicherlich gibt es einen Moment im Leben eines Menschen, an dem er an solch' einen Punkt gelangen kann. Im gleichen Atemzug sprichst du von *sich daran gewöhnen*, eigene Gedanken zu formulieren. Das klingt ein wenig wie ein natürlicher, nicht aufzuhaltender Kreislauf des Leben, quasi wie ein selbständiger, sich verselbständigender Prozess. Wie war das bei dir? Wann fingst du an bzw. "gewöhn-
test" dich daran, eigene Gedanken zu formulieren? Vor allem: Seit wann bist du dir dessen bewusst und wie kam dieser Prozess bei dir ins Rollen? Wie vermittelst du deinen Kindern, eigene Gedanken zu formulieren? Wie zeigst du ihnen Grenzen auf?
Stephanie:
Ich denke, die Idee des Weiterentwickelns, sich Veränderns im fortschreitenden Kreislauf ist interessant und wichtig. Mir ist klar, dass viele Menschen Angst vor Veränderung haben und sich, bewusst oder unbewusst, dagegen wehren, sogar Entwicklung aufhalten. Aber wenn man die Natur beobachtet, wird einem klar, dass alles sich ständig verändert und entwickelt, aber klar definierbar bleibt.
Wann fing das bei mir an, dessen bewusst zu werden? Schwer zu sagen, ich denke, ziemlich früh. Was mir dabei geholfen hatte, war, dass ich als kleines Kind für mein Alter immer zu groß war und rein körperlich in keine Norm passte – zu blass, zu dünn, zu groß. Viele Menschen sind gegenüber dem, was nicht so ist wie sie, feindlich eingestellt. Meine Neigung, eigene Geschichten zu erfinden, passte gut zum Außenseiterleben.
Ich gebe mir Mühe, meinen Kindern nichts aufzudrücken, was mir selbst vielleicht nicht möglich war. Sie sollen ihren eigenen Weg finden. Wo liegen die Grenzen? Dort, wo andere eingeengt, verängstigt oder verletzt werden.
Phil:
Musikinstrumente - Du spielst Geige, Posaune, Klavier - warum gerade diese drei Instrumente? Waren diese Instrumente in Familienbesitz? Hast Du damit etwas komponiert?
Stephanie:
Ich begann mit zehn Jahren Posaune zu spielen, weil in unserer Nachbarschaft in der evangelischen Kirche ein Posaunenchor jeden Freitag spielte. Da waren viele junge Leute dabei und ich wollte dazu gehören. Ich wollte unbedingt ein Instrument spielen, es stand gerade eine Posaune im Besitz der kleinen Kirche mir zur Verfügung. Das war nicht einfach, aber ich bin sehr dickköpfig, wenn ich mir etwas in den Kopf gesetzt habe, bis es endlich klappt, und ich das Notensystem begriff und richtig mitspielen konnte. Meine Eltern schenkten mir meine eigene Posaune und ich spielte im Posaunenchor und später in einer Big Band mit. Ich denke, wir waren alle ziemlich ehrgeizig und arbeiteten hart, um immer besser zu werden. So bin ich mit dreizehn zum ersten Mal nach Italien gereist. Ich war begeistert! Was Musikerfreizeiten in den Ferien bedeuteten, wusste ich mittlerweile.
Stundenlanges Musikmachen ist anstrengend, aber man lernt unglaublich viel und das klingt toll. Man ist in der Musik drin. Ich liebe das!
Ich war zwölf oder so, da entschied mein Musiklehrer aus der Schule, dass ich für die Geige begabt sei. Meine Eltern meinten, ich habe mit der Posaune schon viel zu tun, aber nein, ich wollte auch Geige spielen. Mit meinem Taschengeld mietete ich mir ein Instrument und meine Großmutter half mir beim Bezahlen des Unterrichts. Ich weiß nicht mehr genau, wann ich gut genug war, um im Stadtorchester mitzuspielen, aber es war mir wichtig, auch dabei zu sein. Ich war immer mit Leuten unterschiedlichsten Alters zusammen und arbeitete beharrlich an beiden Instrumen-
ten. Zum Abitur bekam ich von meinen Eltern meine eigene Geige geschenkt.
Irgendwann in dieser Zeit wollten unsere Nachbarn ihr altes Klavier loswerden. Das hatten meine Eltern gerne übernommen, denn mein Vater hatte in seiner Kindheit Klavierunterricht genommen. Mit Musikinstrumenten ist es ähnlich, wie mit Sprachen. Wenn man gelernt hat, so etwas zu lernen, gewöhnt sich das Gehirn daran und die Folgenden sind leichter zu begreifen. Alles andere ist eine Frage der Arbeit und der Zeit.
Meinen Töchtern habe ich vor ein paar Jahren eine Geige für ihre Größe gekauft, zu Hause sind viele Gitarren, aber ich wollte, dass die beiden eine Kindheit haben und viel frei spielen können. Wenn sie mal wirklich ein Instrument erlernen wollen, dann werden wir sehen. In Frankreich ist Schule den ganzen Tag, um halb fünf sind die Kinder zu Hause und haben Hausaufgaben. Was soll ich sie zulagern mit anderen Verpflichtungen? Die beiden Mädchen würden sich freuen, wenn wir in Deutschland leben würden, mal sehen.
Jedenfalls habe ich dank meiner Posaune und meiner Geige gelernt, dass Kunst mit viel Ausdauer und Hartnäckigkeit verbunden ist. Und ich liebe die Musik, die Klänge eines Orchesters und überhaupt. Musik ist eine universelle Sprache, die versteht jeder und die gibt unglaublich viel Energie.
Phil:
Steckt in Dir kreative Energie, die sich jetzt Bahn brechen will im Schreibfluss? Wunsch eines jeden Autors: Schreibfluss rauscht - im Rausch des Schreibens.
Stephanie:
Wahrscheinlich mache ich mir keine Freunde, wenn ich erzähle, dass mir die Angst vor dem leeren Blatt noch nie bekannt war. Ich hatte schon als Kind das ständige Gefühl, nicht über genug Zeit zu verfügen, all meine Ideen aufschreiben zu können und arbeitete bereits als sechsjährige unter einem gewissen Zeitdruck. Die Zeit zwischen Schule, Mahlzeiten, familiären Leben und all dem ‚Normalen’ war mir heilig. Meine Geschichten ausdenken, spielen, erleben, aufschreiben und aufzeichnen, egal wie, Hauptsache sie nehmen Form an.
Phil:
Erste Artikel veröffentlicht im lokalen Jugendblatt - gab es vorher schon größere oder kleinere Schreib-Erfolgserlebnisse?
Stephanie:
Mit Vierzehn wollte unser Deutschlehrer, dass wir an einem Schreibwettbewerb vom Ravensburgerverlag teilnehmen. Da erreichte ich den ersten Platz mit der Kurzgeschichte „Die Maske“. Die kann man heute auf meinem Blog lesen.
Phil:
Ihr habt eine Katze, Wellensittiche und Goldfische - muss man sich das so vorstellen wie bei Kater Sylvester und Tweety? Immer High Life mit der Katze?
Stephanie:
Wir lieben Tiere! Die Katze hat begriffen, dass die Wellensittiche unsere Freunde sind, die man nicht aufessen darf. Meinen Töchtern habe ich vor einem Jahr Mäuse gekauft. Die sind niedlich! Wir träumen von Hunden und Pferden …
Phil:
Dein Geburtstag, der 10. August, ist der 222. Tag des Gregoria-
nischen Kalenders. Liegt bei Dir die Betonung auf Dualität? Du hast Zwillings-Töchter.
Stephanie:
Das mit dem 222. Tag des Gregorianischen Kalenders wusste ich nicht. Meine Töchter sind natürliche, zweieiige Zwillinge. In meinen Geschichten kommen oft Zwillinge vor. (Uli und Susi – eine alte Kindergeschichte von mir, und natürlich Mronda und Ergon aus den Legenden aus Merim). Vieles kann ich nicht erklären, ich folge meinem Instinkt.
Phil:
Dein BX Lieblingszitat: „Träume sind nicht dafür da, vergessen zu werden“.
Stephanie:
Ja, wie oft werden Träume aus vernünftigen Gründen vergessen? Ich finde das falsch.
Phil:
Tust Du aktiv etwas, um Dich an Deine Träume zu erinnern?
Stephanie:
Ich wollte immer Schreiben und Zeichnen – okay, das mache ich jetzt wieder so ernsthaft wie möglich. Meine Träume habe ich nie vergessen. Aber ich kenne allerhand Leute, die das getan haben. Meine Güte, das ist denen nicht gut bekommen!
Phil:
Willst Du Deine Träume steuern mittels Luziden Träumens?
Kann man seine Träume steuern - oder sind das feste Größen? So wie die Vorlieben und Sympathien - man kann sie kaum verändern. Schafft einerseits Stabilität des Ichs, andererseits wünscht sich das Ich mehr Einfluss.
Stephanie:
Na ja, es ist wichtig zu fragen, um was für Träume es sich handelt, und ob die Erfüllung den Träumer zufrieden macht, denke ich. Ich lese unglaublich viel und hörte als Kind gerne Geschichten zu. Mein Vater und meine Großmütter erzählten gut, jeder auf seine Art. Auf der Suche nach neuen Geschichten war und ist es natürlich für mich, die Geschichten aufleben zu lassen, die ich selbst gerne lesen oder hören würde. Wenn die jetzt auch noch anderen gefallen, finde ich das toll.
Wichtig ist, dass man sich im Klaren über seine Träume ist. Und wenn man etwas wirklich will, na gut, die beste Person, die dafür zuständig sein kann, ist man selbst.
Persönlich möchte ich meine Träume nicht verändern, weil sie weder mir, noch meinen Mitmenschen schaden, im Gegenteil, mir tun sie gut und lassen mich aufleben.
Mein Lieblingszitat kann man nicht verallgemeinern, es regt zum Nachdenken an.
Phil:
In Deiner Story „Blaue Rabenfedern“ ist das Setting eine Nobel-Boutique. Du bist durch Deinen Beruf als Mode-Verkäuferin mit diesem Ambiente bestens vertraut - dadurch steigert sich die Glaubwürdigkeit, die Realismus-Wirkung Deiner Story.
Stephanie:
Mein Job als dreisprachige Fachverkäuferin in Nobel-Boutiquen in Paris gehört zum notwendigen Übel des Geldverdienen. Aber ehrlich gesagt, es gibt schlimmere Jobs. Ich finde es auch sehr angenehm, mich ständig mit anderen Leuten auseinandersetzen zu müssen.
Phil:
Douglas Preston hat sieben Jahre gearbeitet im American Museum of Natural History in New York - und viele seiner Bücher haben mit Museen und Exponaten zu tun. Ausgehend vom Bekannten kann man Fantasie-Welten realistischer gestalten - so meine These. Ein Reiter könnte das Dressieren und Zureiten von Alien-Dinosauriern gewiss vollkommen plausibel schildern - der Held oder die Heldin in bester Cowboy-Manier beim Dinosaurier-
Rodeo. Du beschreibst im zweiten Kapitel von „Die Legenden aus Merim“, wie Prinzessin Mronda den Hengst Recke zähmt und sogar mit ihm spricht. Gefällt mir sehr gut.
Stephanie:
Gerade beim Schreiben von ausgedachten Geschichten ist das Plausible, das Nachvollziehbare faszinierend. Sonst hängt der Leser ab. Das mit etwas Fantastischen zu würzen, macht die Sache interessant. Ich reite selbst sehr gerne und liebe den Kontakt zu Pferden. Wenn es sich einrichten lässt, gönne ich mir Reitunter-
richt … Im Umgang mit Pferden habe ich den Eindruck, die beobachten uns Menschen auf ihre gutmütige Art und versuchen zu verstehen, warum wir so sind wie wir sind.
Phil:
Dein Mann, Jean-Luc Escriva, ist Musiker. Habt Ihr Euch über die Musik kennen gelernt? Gemeinsam musiziert - Kammerorchester? Très romantique.
Stephanie:
Nein, mein Mann und ich haben uns in einem Park in einer Vorstadt von Paris kennen gelernt. Er war dort an einem Mittwochnachmit-
tag mit seinem Sohn, damals vier Jahre alt, und ich als Au-Pair-
Mädchen mit einem Jungen gleichen Alters. Jean-Luc erzählte mir von seiner Musik und von seiner CD, auf der Stevie Wonder ein Harmonicasolo gespielt hatte. Das glaubte ich ihm damals nicht, das glaubt auch heute noch kaum einer, aber das zeugt davon, dass Stevie Wonder ein sehr sensibler Vollblutmusiker ist, der einfach aus Freude an der Musik eines unbekannten Komponisten ein Harmonikasolo schenken wollte. Normalerweise kostet so ein Einsatz viel Geld.
Jean-Luc und ich haben nie zusammen Musik gemacht, weil ich das Niveau dazu nicht habe und mit anderen Dingen beschäftigt bin. Wir haben dennoch viel gemeinsam. Er will auch die Musik herstellen, die er selbst gerne hören würde. Momentan arbeitet er an einer neuen CD, dabei habe ich ihn sehr unterstützt, denn ich verstehe, mit wie viel Arbeit und Mühe das verbunden ist. Seine musikalische Richtung ist eher Pop mit französischen Texten, ein paar englische sind auch dabei.
Phil:
Will Deine Tochter Lilou auch Schriftstellerin werden? Ihr Sonnen-Pferd Gedicht - so freiwillig, spontan geschrieben - deutet auf munteres kreatives Schaffen in diesem Bereich.
Stephanie:
Lilou und Sam schreiben und zeichnen unglaublich gerne und ich finde es toll, dass Lilou Gedichte schreibt. Ich könnte so was nicht und fühle mich geehrt, dass sie mich ihre Texte lesen lässt. Sie ist erst zehn Jahre alt, sie vertraut mir.
Signe:
Hängt Vertrauen vom Alter ab? Oder anders: Empfindest du es als ungewöhnlich, dass ein Kind seiner Mutter vertraut? Im Grunde gibt es doch dieses Urvertrauen der Kinder gegenüber den Eltern, auch wenn dies durch gesellschaftliche und soziale Ressentiments (leider oft und früh) beschädigt wird. Bist du ein misstrauischer Mensch?
Stephanie:
Ein ganz kleines Kind vertraut seinen Eltern. Wenn sie heranwach-
sen, gibt es allerhand Faktoren, die Vertrauen ausmachen. Ich empfinde es anmaßend, Vertrauen zu erwarten. Was tut man dafür, um es eventuell zu gewinnen? Wenn es einem gegeben wird, ist es ein unglaubliches Geschenk. Eigenes spirituelles Empfinden entwickelt sich recht früh bei Kindern, wenn sie ihre Gedanken in Gedichten aufschreiben, wie Lilou, zum Beispiel, wäre es nicht furchtbar, wenn andere, unter anderem ihre Eltern, das belächeln oder als Geschwätz abtun würden? Ich bin ein sehr misstrauischer Mensch. Es scheint mir, dass dieses Misstrauen nötig ist, um mit Menschen überleben zu können.
Phil:
Wolfgang Hohlbein „Elfentanz“ und Michael Ende „Die unendliche Geschichte“ haben dich so stark beeindruckt, dass du Atréju eine erdachte Freundin an die Seite geschrieben hast, Mronda, die dann mit Elben als Bundesgenossen bereit ist für Abenteuer. Welche Vorbilder sind im Laufe der Jahre da hinzugekommen?
Stephanie:
Wenn ich von meinen Lieblingsbüchern schreibe, gebe ich die beiden immer als erstes an. Beinahe einfältig, oder? Da gibt es so viele andere Schriftsteller und Bücher, die mich begeistern. Zum Beispiel Camus’ „Der Fremde“ oder „Die Pest“, um die bekann-
testen zu nennen. Ich habe fast alles von diesem Schriftsteller gelesen? Aber auch Boris Vian oder Flaubert. Ich liebe Colette und Anaïs Nin, bin auch ein Fan von Peter Handke … es gibt so viele …
Die Geschichten von Michael Ende haben mich sehr beeindruckt, die Sammlung „Spiegel im Spiegel“ oder „Das Gauklermärchen“ sind umwerfend. Das sind Geschichten, aus denen man nicht mehr raus möchte. Ich habe mich an das Gefühl beim Lesen des Gauklermärchens erinnert, als ich die Geschichte von der Prinzessin, die nie lachte schrieb. „Die Vollmondlegende“ finde ich auch herrlich, allein weil die im Wald spielt. Der Wald galt im Mittelalter als gefährlich, ein Ort, in dem sich Menschen verbargen oder verwandelten, weil sie ihrer Geschichte entfliehen wollten. Kürzlich habe ich die Arbeit von Michel Pastoureau über Symbole im Mittelalter gelesen – faszinierend!
Nun kommen wir wieder zum Wald zurück, es ist wahrscheinlich kein Zufall, dass ich mich mit meiner Familie im Waldgebiet von Fontainebleau niedergelassen habe. Vorläufig wohnen wir da. Ich denke, meine Helden und Protagonisten sind Fantasiegestalten aus meinem Kopf. Als Kind begeistert von manchen Geschichten, stellte ich mir vor, was wäre, wenn ich da mitmachen könnte, wie würde ich vorgehen, was könnte ich vollbringen.
Direkt aus einer Geschichte heraus gewachsen sind keine anderen Protagonisten mehr, um Deine Frage zu beantworten.
Signe:
In deinen Antworten schreibst du zweimal von *Arbeit und Mühe*. Der Einblick, den du uns in dein Leben gestattest, klingt nach einem straffem Zeitplan für die ganze Familie. Dennoch wirkst du sehr zufrieden auf mich. Hast du ein Geheimrezept? Oder ist die *Arbeit und Mühe* eher ein „notwendiges Übel“, welches durch die Zufriedenheit und das innere Glück, etwas zu machen, woran man Freude hat, aufgelöst wird?
Stephanie:
Ich nutze jeden Tag jeden Moment so aus, wie ich es irgendwie vereinbaren kann. Einerseits bin ich zufrieden, weil ich meine Ziele kenne. Andererseits bin ich ständig unzufrieden, weil ich etwas erreichen will. Das ist mein Antriebsstoff. Das Wort Arbeit wird oft mit bezahlter Arbeit gleichgesetzt. Folglich ist alles, was nicht bezahlt wird, Freizeit, Entspannung, Muse … Schreiben und Musikmachen gehören offensichtlich dazu. Mühe ist ein Wort, das wohl aus der Mode gekommen ist. Kreativität muss einem scheinbar zufallen oder einfach aus persönlichem Drang geschaffen werden. Wenn ich meine Geschichten selbst lese, müssen sie mir gefallen, infolgedessen arbeite ich daran und gebe mir Mühe. Sonst bin ich nicht damit zufrieden. Ich weiß genau, was ich in meinen Geschichten erleben und empfinden möchte. Die Worte dienen dazu, das so klar wie möglich auszudrücken. Wenn ich beim Lesen nicht mitgerissen werde oder begeistert bin, dann stimmt etwas nicht. Ich bastele so lange wie möglich an den Texten herum, lasse sie liegen und nehme sie später wieder auf. Irgendwann kommt der Punkt, wo die Geschichte ‚funktioniert’.
Phil:
Du malst die Cover für Deine Bücher meist selber - vorher oder nachher? Ist erst das Cover und dann die Story? Bilder können inspirierend wirken, insbesondere, wenn man sie selber anfertigt - dann kommen einem beim Erschaffen schöpferische Ideen - Assoziationen.
Stephanie:
Malen und zeichnen verbinden sich. Es hat mir schon immer gefallen, meine Geschichten auch in Bildern zu erzählen. Dabei habe ich meine genauen Vorstellungen. Es gibt einige Comics, die ich toll finde, manchmal lässt die Geschichte zu wünschen übrig. Vielleicht schaffe ich es eines Tages, die Legenden aus Merim in Form eines Comics zu erzählen, wer weiß?
Aber meine Ideen zu Geschichten kommen oft beim Musikhören. Ich erinnere mich genau, wie ich zum ersten Mal das Klavier-
konzert für Napoleon von Beethoven gehört habe, diese Melodien begeisterten mich, wie die Begleitmusik einer Geschichte. Meine Eltern hörten gerne klassische Musik, aber auch Popmusik, mein Vater mag Rock wie Janis Joplin oder Jethro Thull. Er gab mir Tipps zu Gruppen wie Earth Wind and Fire, Simon and Garfunkel usw.
Es ist eher so, dass Bilder und Geschichten in meinem Kopf beim Musikhören oder Spazierengehen entstehen. Stundenlange Autofahrten eignen sich auch gut dazu, oder langes Warten auf Kunden in einer Boutique.
Phil:
Was ist Deine liebste Maltechnik? Malst Du aus der Fantasie oder kombinierst Du Reales und bildest dadurch Fantasie-Figuren und Fantasie-Welten?
Stephanie:
Wenn mir mehr Zeit zur Verfügung stehen würde, dann hätte ich meine Freude daran, mich technisch zu verbessern. In Paris habe ich ein Jahr lang in einer Abendschule Aktzeichnungen studiert. Dann änderten sich meine Arbeitszeiten und ich konnte da nicht mehr teilnehmen, um weiter zu studieren. Ich bezahlte mir eine Jahreskarte im Louvre und zeichnete, wenn das Museum abends lange auf war. Also konzentriere ich auf die Technik von Bleistiftzeichnungen, manchmal Tusche, dafür kann ich ein Zeichenbuch mitschleppen. Oder ich zeichne mit einem Grafikpad am Computer. Ich kann nicht sagen, dass es sich um meine Lieblingstechnik handelt, weil ich diese aus praktischen Gründen benutze.
Mit dem Zeichnen von fantastischen Figuren ist es ähnlich wie beim Schreiben, gewisse Elemente müssen realistisch bleiben, damit ein harmonisches Empfinden von dem, was dargestellt wird, möglich ist.
Signe:
Danke, liebe Stephanie, für die Zeit, die du dir genommen hast, um unsere Fragen so umfangreich zu beantworten.
co Stephanie Berth-Escriva
co Phil Humor
[co Signe Winter]
Liebe Stephanie,
freue mich, dass sich Deine Tochter von meinem Taschenbuch-Cover "Fantastisches" inspiriert fühlte zu solch schönem Gedicht.
Merveilleux la mer et la mère. Et aussi la fille. :-)
Einige Worte übersetzt als Verständnishilfe - auch für mich selbst.
écrouler = zusammenbrechen
s'écrouler = einstürzen
refléter = widerspiegeln
le tapis = Teppich
tapis d'escalier = Läufer
la cabriole = Luft-, Bocksprung
se cabrer = sich sträuben, sich aufbäumen (cheval)
s'enfuir = fliehen, flüchten, dahinschwinden (a temps)
éclat = Glanz, Leuchtkraft, Pracht
le tableau = Gemälde, Bild, Schilderung
rendre = wiedergeben, zurückgeben
LG
Phil Humor
BRIX befragt BX-Autoren
***
Thrill, Thriller, *thrilling stories*
Interview mit Anja Ollmert und Matthias März
Anm. d. Red.: Das Interview mit Anja Ollmert und Matthias März führten unsere Redakteure Signe Winter und Phil Humor im BRIX-Talk-Studio. Die beiden interviewten Autoren stellen die Gruppe *thrilling stories* vor und plauderten mit uns über das Genre *Thriller*. Weiterführende Links findet der Leser in unserer BRIX-Gruppe *Konferenzraum*.
Signe:
Willkommen, liebe Anja, willkommen, lieber Matthias, nehmt Platz auf unserer Talk-Runden-Couch ... Dann kann es losgehen, oder?
Anja:
Ja, sieht gemütlich aus bei euch. Vielen Dank für die Einladung!
Matthias:
Hallo Signe! Sei auch Du willkommen.
Signe:
Fangen wir gleich an!
Thrilling stories = spannende Geschichten
In *wikipedia* finde ich: „Charakteristisch für Thriller ist Spannung, die nicht nur in kurzen Passagen, sondern fast während des gesamten Handlungsverlaufs präsent ist; das beständige Spiel zwischen Anspannung und Erleichterung ... Normalerweise wird in Thrillern viel Wert auf die Beschreibung der Handlung gelegt.“
Nun ist *spannend* ein weites Feld. Welche Kriterien müssten aus eurer Sicht an dieses Genre erfüllt werden?
Matthias:
Für mich ist ein Überraschungseffekt wichtig, wie zum Beispiel in „Sixth Sense“, auch wenn das ein Film ist.
Phil:
Wenn beim Thriller der Überraschungseffekt wichtig ist - wo ist da der Unterschied zum Drabble? Beim Thriller wartet man auf die Überraschung. Ist durchs Genre alarmiert. Das gilt aber auch fürs Drabble.
Matthias:
Na ja, das Drabble ist ja (meist) humorig, deswegen auch die Pointe. Beim Thriller ist es hingegen der Schock, das sanfte (oder heftige) Grauen, wie bei „Psycho“ als die Mutter umgedreht wird. Dieser Effekt klappt aber meistens nur beim ersten Mal.
Signe:
Nun fühle ich mich ja eher im Drabble-Schreiben zu Hause; dennoch lese ich gerne Thriller bzw. sehe mir diese (auch) an.
Für mich gibt es einen Unterschied im Überraschungseffekt zwischen den beiden Genres. Während er sich beim Thriller aufbaut, peu à peu, ist er beim Drabble (meistens) am Ende zu finden. Beim Thriller kann dieser Überraschungseffekt quasi jederzeit eintreten, das ist der Thrill ... Beim Drabble geht es um eine pointierte Geschichte, die aus exakt 100 Wörtern besteht. Nach *wikipedia* „gehen [Drabbles] auf einen Sketch von Monty Python zurück. ‚Drabbles - a word game for 2 to 4 players’.” Die Anforderungen an ein Drabble scheinen mir hoch. Leider wird das Drabble hier bei BookRix oft verwendet, um einen Witz zu erzählen; auch die Wortanzahl-Vorgabe scheint hier wenige zu interessieren. Kein Witz: ich habe hier bei BookRix selten gute Drabbles gelesen.
Anja:
Für mich zählt der Gruselfaktor. Ich versuche, beständig Spannung aufzubauen, wenn ich an den Minithrillern schreibe. Und fast immer versuche ich, ein unerwartetes Ende zu kreieren. Eins, das die Leser wirklich überrascht. Manchmal klappt das ganz gut, manchmal weniger.
Phil:
Hat man immer oppositionelles Gefühls-Verlangen? Also, wenn einem heimelig und behaglich zumute - dann fordert das Kontra sein Recht und man muss ihm Tribut zollen mit Thrillern? Mensch will immer das, was er gerade nicht hat. Wahrscheinlich ist das Bedürfnis nach Thrillern in Kriegsjahren drastisch geringer. Frage also, liebe Anja: Geht's Dir zu gut? :-) Oder wieso verspürst Du ein überdurchschnittliches Verlangen nach Gruselei? Oder willst Du es lediglich bei Deinen Lesern erzeugen? Weshalb?
Anja:
Vermutlich geht es genau darum. Oder vielleicht eher: Mit geht es ganz normal. Mein Leben ist prima, ich würde so schnell nichts ändern wollen. Und ich denke, es geht den meisten Lesern ähnlich. Warum dann nicht mal auf die Schnelle in ein paar Seiten ein Gefühl des Unwohlseins, des Schauderns packen? Dass dieses Verlangen bei mir überdurchschnittlich stark vorhanden ist, glaube ich allerdings nicht. Ich schreibe auch in vielen anderen Genres und meine Romane haben mit Thrillern gar nichts zu tun. Mir gefällt einfach die Idee, aus einer völlig harmlosen Situation etwas Spannendes zu machen.
Signe:
Dann verstehe ich das richtig? Der Überraschungseffekt ist für euch beide das Entscheidende?!
Bekannte Vertreter des Thrillergenres sind Alfred Hitchcock, Patricia Highsmith, Matthew Ken Follett, Dan Brown ... Habt ihr selbst Autoren-Vorbilder? Werden Bücher dieser oder anderer bekannter Autoren in eurer Gruppe besprochen?
Matthias:
Ich mag Alfred Hitchcock sehr gerne - und als Autor Roald Dahl, der ja immer etwas Komik herein gebracht hat.
Anja:
Bisher drehen sich unsere Diskussionsrunden eher um die Inhalte unserer monatlichen Wettbewerbe. Über Bücher, die wir selbst gelesen haben, reden wir eigentlich nicht. Hitchcock, ja der ist für mich recht überzeugend, auch Patricia Highsmith ist sicherlich eine Autorin der Königsklasse des Genres.
Ken Follet oder Dan Brown finde ich zwar absolut lesenswert, doch beide schreiben für mich genreübergreifend. Spannend, jedoch nicht so, dass man manchmal das Buch lieber zuklappen möchte, wenn du verstehst, was ich meine.
In der Gruppenbeschreibung hab ich versucht, das zu charakteri-
sieren. Wenn man beim Lesen plötzlich komische Geräusche hört, oder beginnt, sich ängstlich umzusehen, dann ist das die Spannung, die ich erzeugen möchte.
Signe:
Das scheint mir eine gute Kombination zu sein: Entspannung und Anspannung.
Bei solch’ berühmten Vorbildern ist es wohl schwierig, Eigenes, noch nicht Dagewesenes zu schreiben. Oder irre ich mich? Woher nehmt ihr eure Ideen?
Matthias:
Oftmals aus Selbsterlebten, dass ich überspitzt nacherzähle. Das ist bei einem Thriller naturgemäß eher selten ...
Aber ich verarbeite auch oft meine Träume, wie zum Beispiel in „Die Schiffbrüchigen“.
Anja:
Hier bei BookRix kam es mir entgegen, dass jemand mir ein Thema stellt. Das habe ich schon bei den Wettbewerben für Kurzgeschichten und als Newbie gern ausprobiert. Und so sind auch zwei meiner verlegten Kurzgeschichten ziemlich schnell und unkompliziert entstanden.
Da aber bei einem Kurzgeschichtenwettbewerb viele Leser meine Geschichte zu gruselig fanden, obgleich ich überhaupt nicht ins blutige Detail gegangen war, dachte ich, dafür brauchen wir eine eigene Gruppe.
Das Besondere ist, dass der jeweilige Monatsgewinner das Thema des Folgemonats erdenken darf. Diese Herausforderung anzunehmen, aus einem Satz, einem Bild oder einem Zitat eine Kurzgeschichte zu machen, gefällt mir.
Übrigens glaube ich, dass alles schon einmal geschrieben, jede Idee schon irgendwo erdacht und formuliert wurde, nur eben nicht auf MEINE Art. Deshalb lohnt es sich immer, sich mit neuen Themen auseinander zusetzen. Matthias zum Beispiel bringt wirklich regelmäßig am Ende eine Pointe zustande, die mich als Leser verblüfft.
Matthias:
Vielen Dank, Anja. Das freut mich!
Anja:
Und es stimmt! Du bringst manches ganz unerwartet auf den Punkt.
Signe:
Ja, das finde ich auch! Zwar kenne ich (noch) keine Thriller von Matthias, aber seine Satiren haben die Tendenz, Unerwartetes und Verblüffendes zu präsentieren. Gute Unterhaltung auf hohem Niveau halt!
Persönlich finde ich, hat Spannung nichts mit *blutig* zu tun. Das wäre dann eher Horror für mich. Grenzt ihr das Genre *Thriller* eher ein oder ist jede Art von *thrill* gestattet?
Matthias:
Auch an Dich, vielen Dank für das Lob, Signe.
Reine Horror-Filme oder solche Bücher mag ich auch nicht. Es sei denn, es ist subtil, wie zum Beispiel bei Stephen King.
Phil:
Du grenzt Dich von Horror ab - willst mehr in Richtung reiner Thriller. Horror ist auch der Abscheu, Widerwille, sich mit etwas zu befassen. Einen Horror vor etwas haben. Urlaub war ein Horror. Was man im Alltag super gerne vermeidet, wieso zieht das viele Leser an? Geschützt durch Buchseiten - die einen nur etwas ins Geschehen hineinzerren - mit einem Bein immer noch im trauten Heim. Ist Horror Literatur Dir ein Horror? Immerhin braucht man nicht explizit zu sein - Andeutungen. Müsste doch eigentlich einen Thriller-Fan interessieren.
Matthias:
Mit schlechten „Horror“ verstehe ich diese billigen Abschlacht-
filme. „Zehn junge Leute sind in einer Hütte und werden einer dem anderen nach abgeschlachtet.“ Das ist meistens nur blutig. Hingegen ist zum Beispiel „Shining“ zwar brutal, aber auch subtil. Ja, das ist eine Gradwanderung, ich weiß. Stephen King bekommt das sehr oft gut hin, allerdings auch nicht immer. „Es“ zum Beispiel mag ich sehr. Es gibt durchaus gute Horror-Geschichten.
Anja:
Du hast schon Recht, dass Spannung nicht unbedingt mit „blutig“ zu tun haben muss, Signe! Doch wenn man jemanden sterben lassen muss, dann geht das manchmal nicht ohne Blut. Das schaffen auch die großen Vorbilder nicht, die du aufgelistet hast.
In der ersten Geschichte war mein Antagonist ein Sammler von Herzen, der seine Artefakte bewunderte. Dabei habe ich nichts davon erzählt, wie er die Sammlerstücke zusammenbekommen hat. Das allein hat schon manche Leser irritiert.
Hauptsache ist für mich, der Leser kann sich hineinversetzen in den Spannungsbogen. Somit ist für mich jede Art von Thrill erlaubt.
Stephen King ist für mich übrigens jemand, der das Genre auf die Spitze treibt. Die Spannung wird mir dann manchmal zu viel und ich muss aussteigen. Da mag ich seine Vorlagen lieber als Film, die sind nach 90 Minuten rum.
Phil:
Du sagst, dass manche Deiner Leser Deinen freizügigen Umgang mit Shocking-Effekten nicht verkraften. Brauchst Du nerven-
stärkere Leser. :-)
Anja:
Es liegt nicht an der mangelnden Nervenstärke der Leser, sondern einfach an der Erwartungshaltung. Einer meiner Thriller hat in der Kurzgeschichtengruppe viele irritiert. Da fand ich, sie sind in dieser speziellen Gruppe besser aufgehoben. Da weiß man doch schon, worum es geht, wenn man die erste Seite aufschlägt. Meine Titel verraten den Inhalt in der Regel nicht.
Signe:
Stephen King. Ich persönlich mag seine Kurzgeschichten, die ich vor vielen Jahren gelesen habe. Sie sind mir als sehr einprägend in Erinnerung geblieben. Seine großen Romane habe ich mir in Film-Form zu Gemüte geführt; fand einige brillant, andere weniger gut.
Übrigens fällt mir gerade Edgar Allan Poe ein, den ich als Zwanzigjährige las. Ebenfalls ein Meister dieses Faches!
Phil:
Anja, Dein Begehr: „Ängstlichkeit beim Leser erzeugen“ - fällt Dir das schwer? Gelingt es Dir besser mit der Zeit? Alfred Hitchcock hat damit ganz gut Kasse gemacht.
Anja:
Ich glaube, das hängt einfach davon ab, wie sich die Grundidee beim Schreiben entwickelt und gelingt mal mehr, mal weniger gut.
Phil:
Du sagst: „Übrigens glaube ich, dass alles schon einmal geschrieben, jede Idee schon irgendwo erdacht und formuliert wurde, nur eben nicht auf MEINE Art.“ - In der Tat, nach 2000 Jahren Literaturbemühungen ist wohl jeder Motiv-Stein zigfach umgedreht worden, ob unter ihm etwas Interessantes, Story-
würdiges zu finden sei. Woher sollen heutige Autoren den Mut nehmen, den Leser zu verblüffen, umzuhauen im Thriller-Genre, das ja besonders von Neuartigkeit lebt?
Anja:
In meinen Thrillern geht es um die untergründige Spannung, hier soll nicht unnötig viel Blut fließen und grausame Tötungsarten erdacht werden, die man sich im Traum nicht ausmalen kann und möchte. Manche Thrillerautoren übertreiben da m.E. ein wenig. Aber was gut erzählt und neu verpackt ist, wird auch Leseinter-
esse wecken, hoffe ich jedenfalls ;-)
Signe:
Ihr seid zwanzig Mitglieder und die Gruppe existiert seit April 2012. Anja, bist du als Gründerin mit dem, was du dir durch die Gruppe erhoffst hast, zufrieden? Was hattest du dir erhofft? Matthias, du bist Mitglied in dieser Gruppe. Hat diese Gruppe dich inspirieren können?
Matthias:
Ja. Die Gruppe hat sehr inspiriert. Zum Beispiel, als „Die schwarze Witwe“ Thema war. Das hatte jeder von uns ganz unterschiedlich herüber gebracht. Schade nur, dass die Teilnehmerzahl so gering ist.
Anja:
Also, von den zwanzig Mitgliedern haben sich maximal fünf als wirklich aktiv erwiesen. Das ist schade und macht die Sache mit den Wettbewerben schwierig. Bei der Einladung für heute habe ich dann übrigens auch den Verlust eines Mitglieds zur Kenntnis nehmen müssen, das ein wichtiger Teil der Gruppe war, wie ich fand.
Ich hätte gerne mehr Zulauf. Bei unserem Septemberwettbewerb standen erst zwei Beiträge zur Abstimmung und die sind von Matthias und mir. Und das, obgleich ich zu Beginn jedes Wettbewerbs Nachrichten mit dem Thema und den Eckdaten verschicke.
Ich würde mich also sehr freuen, wenn noch mehr Schriftsteller, und vor allem auch Leser, bei uns vorbeischauen. Die Regeln besagen, dass man alle Geschichten gelesen haben sollte, um abzustimmen. Doch eine eigene Geschichte einzureichen ist nicht verpflichtend. Deshalb gilt mein Aufruf allen, die sich gern gruseln oder anderen zu einer Gänsehaut verhelfen wollen: Macht doch einfach mal mit!
Vielleicht liegt die geringe Teilnahme auch daran, dass es bei uns nichts zu gewinnen gibt, außer den Lorbeeren und der Möglich-
keit, das nächste Thema zu stellen ...?
Phil:
Euch betrübt die geringe Teilnehmerzahl in Eurer Thriller-Gruppe und beim Thriller-Wettbewerb. Ist BX generell zu unspannend? In vielen BX Gruppen wünschen sich die Moderatoren mehr Schwung. Könnten Strategien aus dem Thriller-Bereich anwend-
bar sein auf BX Gruppen zwecks Belebung?
Anja:
Wie auf vielen öffentlichen Portalen muss man auch bei BX die Zeit mit Werbung verbringen oder sich einen großen Freundeskreis aufbauen, um Leserzulauf zu bekommen. Das ist schade und ein wenig anstrengend. Ich möchte jedenfalls keine Pinnwände füllen mit Bitten wie: Lies doch mal. Aber eine andere Lösung, um der Sache mehr Schwung zu verleihen, habe ich auch nicht, sorry.
Matthias:
Ich finde BX nicht unspannend. Es gibt hier wirklich Autoren, die das hervorragend können. „Windjäger“ hat beispielsweise eine tolle Geschichte über eine Cocktailbar für Vampire geschrieben. Die war sehr, sehr gut, hat aber leider bislang wenig Zuspruch gefunden. Zur zweiten Frage: das wird nicht funktionieren, und auch nicht immer passen, denn es gibt ja auch Gruppen, die sich mit ganz anderen Dingen befassen. In der Irland-Gruppe wird über die Schönheit des Landes geschrieben. Da braucht es keine Spannung.
Signe:
Auf BookRix ist ein großer Schwund an Lesern zu verzeichnen. Alle wollen gelesen werden, kaum jemand möchte jedoch lesen. In vielen Gruppen herrscht *tote Hose*. Wie beurteilt ihr diese Entwicklung?
Matthias:
Ich kann mich nicht beklagen. Meine Geschichten werden regelmäßig gelesen.
Allerdings stimmt es, dass man manchmal nicht dazu kommt, zu lesen. Ich bemühe mich aber, zumindest die Storys meiner Freunde zu lesen. Immer schaffe ich das auch nicht.
Anja:
Das ist sicher sehr schade, denn jeder Autor lebt davon, dass seine Geschichten gelesen werden.
Ich habe mir zum Beispiel auf die Fahne geschrieben, nicht unbedingt bei Unbekannten für meine Texte zu werben. Daraus folgt allerdings, dass ich bei den großen Wettbewerben Pokale und Herzen eher zufällig (oder gar nicht) einsammle. Als Teilnehmer beim anonymen Wettbewerb des Schreibzirkels war das jedoch anders.
Aber ich glaube auch, dass die Leser sich auf einzelne Gruppen konzentrieren müssen. Schließlich ist die Zeit eines jeden begrenzt.
Gruppen, auf denen sich keine Teilnehmer tummeln, sollte man vielleicht eines Tages bereinigen. Doch wer will das entschei-
den?!
Matthias:
Übrigens Schreibzirkel ... Diesen Wettbewerb fand ich sehr gut, auch wenn ich im Viertelfinale (nach dem Stechen) ausgeschie-
den bin - übrigens gegen Anja ...
Anja:
Sorry, Matthias ;-(
Matthias:
Es sind auch viel zu viele Gruppen, finde ich.
Deine Geschichte war aber auch wirklich sehr gut.
Signe:
Hihi ... das ist bitter ... wenn zwei oft an einem Strang ziehen und dann in einem Wettbewerb gegeneinander antreten ... Aber das ist ein guter Buch- bzw. Filmstoff, oder?
Und zum Leserschwund ... Das ist im Grunde das Dilemma, in dem wir uns alle befinden: lesen, kommentieren, schreiben wollen, sich austauschen ... und dann auch noch das real life ...
Ab Oktober, ist im Forum zu lesen, kann jeder Autor seine Bücher kostenlos über BookRix verkaufen. Wie werdet ihr damit umgehen? Werdet ihr eure Bücher, besonders die Thriller, zum Verkauf anbieten über BookRix. Was haltet ihr von diesem Angebot?
Matthias:
Ich finde das Klasse! Bislang hatte ich nur ein Verkaufs-Ebook. Das wird sich ändern, jetzt ist es ja kostenlos (umsonst möchte ich nicht schreiben). Es bleibt nur zu befürchten, dass insgesamt die Qualität leidet, sofern Bookrix nicht lektoriert und / oder korrigiert.
Irgendwann wird ja auch einmal mein Roman „Fast die gleiche Welt“ fertig. Den werde ich dann auch hier vertreiben.
Anja:
Das klingt spannend, Matthias. Mein zweiter Roman ist ja auch fertig, aber für den such ich mir lieber wieder einen richtigen Verlag.
Matthias:
Viel Glück dafür! Ich bin gespannt. Wie heißt er?
Anja:
Der Roman wird „Das Feentuch“ heißen und spielt in Schottland. Ich hab ihn zum Ende meiner Ferien fertiggestellt und nun wartet er auf eine Überarbeitung. Einen interessierten Verlag hatte ich bereits, doch dem war zu wenig Sex im Spiel. Wenn ich den Text anpassen würde, hingegen ... Sex sells, so ist das halt heute. Doch ich glaube, ich will mich da nicht wirklich anpassen.
Matthias:
Das kann ich verstehen. Als freier Autor sollte man das selbst entscheiden können.
Anja:
Noch mal zu deiner Frage, Signe. Da ich ja schon auf dem echten Buchmarkt vertreten bin, werde ich das Angebot [von BookRix – Anm. der Red.] vermutlich annehmen und es austesten. Doch vom Verkauf einzelner Geschichten halte ich wenig. Dann muss man sich schon die Mühe machen und mehrere zu einem Buch zusammenfassen, denn wer soll das sonst kaufen?
Außerdem glaube ich fast nicht, das Bookrix der richtige Marktplatz dafür ist. Dort, wo so viele Bücher und Geschichten ohne Entgelt existieren, wird man sich mit kostenpflichtigen Angeboten nicht durchsetzen können .
Was aber nicht heißt, dass man es nicht mal versuchen kann ...
Zumindest kann ich dann auf meiner eigenen Homepage eine Zusammenfassung meiner Kurzgeschichten anpreisen. Für alle, die nicht gerne am Rechner lesen, sicher eine gute Alternative.
Phil:
Du sagst: „Doch vom Verkauf einzelner Geschichten halte ich wenig. Dann muss man sich schon die Mühe machen und mehrere zu einem Buch zusammenfassen, denn wer soll das sonst kaufen?“ - Ist auch meine Beobachtung. Viele BX Autoren packen ein oder zwei Kurzgeschichten in ein kaufbares eBook und bieten es an für einen Preis, der über 1,49 EUR ist. Meines Erachtens viel zu hoch. Selbst ein gedrucktes Buch mit dementsprechender Seitenanzahl würde ja nur Weniges mehr kosten. Mindestens über 100 Seiten anbieten. Möglichst noch mehr. Ist mein Rat. Welche Deiner Storys würdest Du zusammenfassen, bündeln zu einem kaufbaren eBook - unter welchem Motto wäre dieses? Wenn Du Erfolg hättest im Thriller-Genre, würdest Du dem immer treu bleiben - oder zieht es Dich auch zu einem anderen Lieblings-Genre?
Anja:
Alle meine Mini-Thriller zu einem Buch zusammenzufassen, würde sich schon lohnen. Mich stört aber das derzeitige Abrechnungs-
verfahren beim Buchverkauf hier auf Bookrix. Man könnte den Autoren mit Zahlungen ohne Paypal und Co ein wenig entgegen-
kommen. Ich hab keine Lust, mich erst irgendwo anders anzumelden … Und dass ich grundsätzlich das Thriller-Genre bedienen möchte, glaube ich eher nicht. Meine anderen Texte – auch meine Romane – sind völlig anders gelagert und beschäfti-
gen sich mit der Urban Fantasy, der Verarbeitung alter Sagen in neuer Verpackung und einen passenden Kontext, sind zum Teil sogar eher „frauenaffin“.
Signe:
Matthias, du sagst: „Es bleibt nur zu befürchten, dass insgesamt die Qualität leidet, sofern Bookrix nicht lektoriert und / oder korrigiert.“ Ist nicht jeder Autor für das, was er veröffentlicht, selbst verantwortlich? BX wird diese Aufgabe wohl eher nicht übernehmen, vermute ich. Denn warum sollten sie dies tun? BX ist an Verkaufsmasse interessiert, wohl weniger an Qualität ...
Anja:
Wie wichtig Qualität ist, das wird der Käufer schon klären. Ich glaube nicht, dass sich eilig zusammengeschusterte Geschichten voller Rechtschreibfehler verkaufen lassen. Aber die Buchange-
bote hier werden noch unübersichtlicher sein, als bisher.
Matthias:
Aber es leidet der Ruf der Bookrix-Bücher insgesamt, wenn solche Sätze auftauchen wie „Nicki rufte die Mutter“.
Signe:
Da müsste dann ein Rückgaberecht und eine Geldzurück-Garantie eingebaut werden, oder? Sonst muss der Leser BX riefen ...
Matthias:
So ist es. Als Leser würde ich das fordern.
Signe:
Vielleicht ist ja das freiwillige Angebot des Buch-Verkaufes eine Vorstufe? Vielleicht gibt es irgendwann nicht mehr die Möglich-
keit auf BX, seine Bücher „nur so“ einzustellen ... Aber das ist reine Spekulation.
Ja, Anja, das ist auch eine meiner Überlegungen: z.B. meine Lyrik zum Lyrik-Band zusammenfassen und anzubieten, oder meine Essays, Kolumnen und Feuilletons ...
Anja:
Nur so macht das Angebot überhaupt Sinn, Signe. Will man sonst für eine Geschichte ein paar Cent verlangen? Das kann nur mit einem gewissen Umfang eines Werkes einhergehen. Euch beiden jedenfalls drück ich schon mal die Daumen, dass sich etwas verkaufen lässt.
Das ist schon auf dem Buchmarkt nicht ganz leicht, weil fast alles nur über die Blogger läuft, mit denen man beständig in Kontakt sein muss.
Phil:
Anja, Du erwähnst einen zweiten, beendeten Roman von Dir. Was wäre Dein Lieblings-Verlag? Bei großen Verlagen hat man als Autor oft kaum Mitsprache-Recht. Selbst berühmte Autoren dürfen ihr Cover nicht bestimmen und auch nicht den exakten Titel. Man verkauft halt sein Werk, gibt es fort. Fast ein bisschen so, als ob man sein Kind zur Adoption freigäbe. Als Indie-Autor behält man sämtliche Rechte. Dies scheint so verlockend zu sein, dass selbst arrivierte Autoren sich von ihren großen Verlagen zurückziehen. Baust Du auf Amazon, BookRix & Co.? BookRix will ja den Indie-Autoren eine immer stärkere Plattform bieten. Stark. :-)
Anja:
Der Verlag, mit dem ich gerne zusammenarbeiten würde, sollte nicht zu groß sein, aber seine Autoren fair behandeln. Inhalt der Verlagsaufgaben sollte ein professionelles Lektorat sein und die Werbeaufgaben und -kosten sollten nicht dem Autor zugescho-
ben werden. Derzeit sind – neben meinem Roman – zwei meiner Kurzgeschichten im AP-Verlag in Hamburg erschienen. Dort soll das alles etwas anders gemacht werden, denn der Verlag ist noch jung. Und ich habe das Gefühl, die machen es gleich richtig. Doch wer würde nicht auch gerne mal bei Droemer-Knaur o.ä. im Regal stehen? Ich jedenfalls schon.
Phil:
Du sagst in Bezug auf Deinen Roman "Das Feentuch", der in Schottland spielt: "Einen interessierten Verlag hatte ich bereits, doch dem war zu wenig Sex im Spiel." - Ich deute in meinen Büchern auch lieber an - das allerdings sehr gerne. :-) Bleibt einem unbekannten Autoren nur das Anwenden der sogenannten Erfolgs-Formeln? Andererseits krampfhaft einen Blockbuster zu kreieren mit den Standard-Rezepten - das gelingt selbst Hollywood nicht. Es fehlt Faktor X. Mut, das Gängige zu variieren, neue Wege beschreiten. Neuartig schreiben. Was hättest Du an Neuartigem anzubieten, wo siehst Du Deine literarischen Stärken?
Anja:
Ich möchte den Leser fesseln und an die Geschichte binden. Wenn das nur mit Sex & Crime im Geschäft der Großen geht, dann bin ich dort eindeutig falsch. Ich möchte eine runde Geschichte erzählen, die auch ohne unnötige Effekthascherei auskommen kann. Das soll nicht bedeuten, dass ich mich um den Spannungs-
bogen herumdrücke, aber manche Elemente bleiben eben hinter anderen zurück, wenn die Geschichte das so will. Und ich glaube nicht, dass ich diejenige bin, die ihre literarischen Stärken selbst analysieren möchte, so es sie denn gibt.
Phil:
Tension, die dramatische Spannung, hat drei Kategorien: Surprise, Suspense, Mystery.
Surprise: wenn etwas plötzlich und unerwartet geschieht; Überraschung. Kurzer Moment. Nachbeben.
Suspense: Bedrohung ist vorhersehbar - Spannung wird dadurch erzeugt, dass der Leser oder der Held in Unkenntnis ist über das Wann, Wie, Wo, Wer.
Mystery: Geheimnis, was dadurch gegeben ist, dass der Autor wichtige Informationen vorenthält, nur nach und nach nötige Informationen liefert. Leser kann miträtseln. Beispiel: Whodunit = Who done it? = Who has done it? = Wer hat es getan?
Welche dieser drei Kategorien verwendet Ihr bevorzugt? Weshalb?
Anja:
Ich glaube, ich nutze vielfach den Surprise-Faktor, manchmal jedoch auch Bedrohungssituationen, die sich aufbauen und erst durch den Überraschungseffekt die Geschichte erklären, wie bei „Taxi“. Ich lasse Alltagssituationen in einem neuen Licht erscheinen; eine Frau, die für den Mann eine Giftspinne erwirbt, eine andere, die nur den Dachboden aufräumen will und am Ende zu Tode kommt, im Oktober-Text ist es ein Mädchen, das Angst vor dem Vollmond hat, ohne zu wissen warum. Die Situation klärt sich dann überraschend auf ...
Matthias:
„Surprise“ mag ich am liebsten, und das bevorzuge ich auch in meinen Geschichten. Wie schon gesagt: ich lese und sehe so etwas auch sehr gerne selbst. „The Sixth Sense“ ist hier ein gutes Beispiel.
„Suspense“ habe ich in „Mein Name ist Rachel“ angewandt. Das war mal etwas anderes, hat Spaß beim Schreiben gemacht.
„Mystery“ verwende ich bislang nur wenig. Eines meiner neuesten Bücher ist „In einem Monat ohne Vollmond“. Da habe ich das benutzt.
Phil:
Suspense kann man steigern, indem man die Gefahr erhöht oder indem man den Helden wehrloser macht. Z.B. keine Munition mehr. Big trouble für den hero. Welche Gefahren suchst du, Matthias aus für Deine Helden? Wie erhöhst du die Spannung?
Matthias:
Hmm, das ist schwierig für mich zu beantworten, Ich habe relativ wenig aus Heldensicht geschrieben. Aber Tobias Wagener gerät in „Fast die gleiche Welt“ meistens durch eigene Schuld oder durch Ungeschicklichkeiten seines Helfers Stefan in bedrohliche Situationen.
Phil:
Vielen Dank für Eure Antworten.
Ich glaube, dieses Thema Thriller und die Umsetzung in spannen-
de Storys könnte die BRIX Leser sehr interessieren. Dadurch völlig berechtigt, dass er so ausführlich ist, dieser Talk. Kein Small Talk.
Vielleicht beteiligen sich ja daraufhin mehr Autoren in der Thriller Gruppe. Ich werde mich eventuell bei den nächsten Wettbewer-
ben auch beteiligen. Neues Genre.
Anja:
Gerne Phil, wir würden uns sehr darüber freuen :-)
Signe:
Zum Schluss noch dies, liebe Anja, lieber Matthias: Gibt es eine Frage, mit der ihr gerechnet habt, die wir aber nicht stellten, und die ihr UNBEDINGT gerne beantworten möchtet?
Matthias:
Spontan fällt mir da nichts ein. Ich bedanke mich bei euch, liebe Signe, lieber Phil.
Anja:
Eigentlich habt ihr alles gefragt, was ich so ohne Weiteres beantworten konnte :-) Euch jedenfalls vielen Dank, liebe Signe, lieber Phil, dass ihr euch die Zeit genommen habt, dieses Interview vorzubereiten und durchzuführen. Und Matthias danke ich für die Unterstützung!
Und noch einmal an alle, die das hier lesen: Wir suchen noch Gruppenmitglieder bei den Thrilling Stories!
Signe:
Dem ist nichts mehr hinzuzufügen, außer danke auch an euch, liebe Anja, lieber Matthias. In der Tat eine spannende Talk-Runde.
co Anja Ollmert
co Matthias März
co Signe Winter
co Phil Humor
BRIX befragt BX-Autoren
***
“... die für mich
seelenreinigende Wirkung des Schreibens ...“
Interview mit Toralf Mier
Anm. d. Red.: Das Interview mit Toralf Mier führte unserer Redakteur Phil Humor. Toralf führt auf BookRix den Usernamen *toffie*. Den Link zu seinem Profil, sowie weiterführende Links, findet der Leser in unserer BRIX-Gruppe *Konferenzraum*.
Phil:
Mich würde z.B. interessieren, warum Du als Internet-Radio-
moderator agierst? Ist es das Interesse an der Musik?
Präsentierst Du auch selbst Erdachtes, z.B. Literatur-Lesungen? Planst Du in nächster Zeit kaufbare eBooks über BX anzubieten? Oder Taschenbücher bei Createspace-Amazon?
Toralf:
Warum ich als Radiomoderator agiere?
Ich sehe mich eher als DJ. Ich bin halt musikbegeistert und Musik war schon oft ein guter Freund für mich. Die mich entweder aufbaut oder auffängt. Dieses Gefühl haben viele, denke ich, und es zu teilen mit anderen ist grandios.
Ich hatte schon mal die Idee dazu, Literaturlesungen zu präsen-
tieren. Ich könnte es mir gut vorstellen. Das muss natürlich mit der Radioleitung abgesprochen werden. (Ich könnte mir auch vorstellen, etwas von dir vorzutragen, weil ich dein Werk sehr schätze)
Ich plane neues Schreiben, mein Schaffensprozess ist allerdings chaotisch, so dass ich noch nicht sagen kann, wo es genau endet. Ich lasse es einfach fließen. Jedenfalls möchte ich wieder mehr schreiben, um meine Leser nicht zu enttäuschen und die für mich seelenreinigende Wirkung des Schreibens nicht zu verlieren.
Mit Taschenbüchern bei Createspace-Amazon bin ich vertraut.
Phil:
Literaturlesungen bei Internet-Radiosendern - das interessiert gewiss einige BX Autoren.
Wir könnten bei BX einen Hörbuch-Wettbewerb machen zu einem bestimmten Thema - und der Sieger oder die drei Sieger bekommen die Literaturlesungen bei Internet-Radiosender.
Toralf:
Ich würde das sehr spannend finden und werde es bei der Radioleitung mal anbringen ;)
Phil:
Du sprichst von „seelenreinigender Wirkung des Schreibens“.
Katharsis - das Sichbefreien von seelischen Konflikten und inneren Spannungen durch emotionales Abreagieren. (Wahrig)
Wenn Deine Figuren leiden - leidest Du dann weniger? Das Werther-Phänomen - Goethe hat's geholfen. Fällt Dir eine Deiner Geschichten ein, wo der Protagonist ordentlich Seelenballast schultern musste, den Du ihm aufgeladen hast? :-)
Toralf:
Klar, in meinem ersten und hoffentlich nicht letzten (Kurz-) Roman David hat der Protagonist viel Seelenballast abbekommen und meine Träume von einem besseren Leben für mich spiegeln sich in ihm wieder. Den Weg, den David in der Geschichte ging, bin ich teilweise auch gegangen. Ich habe gelernt und lerne immer noch mit psychischen Problemen umzugehen und ein einigermaßen normales Leben zu führen. Dabei hat mir auch der Umzug nach Berlin sehr geholfen. Ich sauge die Energie der Stadt manchmal quasi auf. Die Katharsis Wirkung ist übrigens nicht unbestritten, aber das würde jetzt zu weit führen :D
Phil:
Du hast doch Psychologie studiert - einige Semester. Du könntest das als Nebenfach belegen an der Uni, und Dich den Wissen-
schaftsgebieten zuwenden, die Dich mehr interessieren. Psychologische Aspekte - davon könnten Deine Figuren in den Storys profitieren. Ordentlich Tiefe. :-)
Toralf:
Ich habe Betriebswirtschaftslehre ziemlich lange studiert, wobei es, wenn es psychologisch wurde, also mehr um Wirtschafts-
psychologie ging, in Marketing dann halt um Konsumenten-
psychologie. Hier wurde allerdings mein Interesse für die Psychologie allgemein geweckt, so dass ich mich in Eigenregie belese. Leider hat das für mich auch einen persönlichen Aspekt bekommen, da ich psychische Probleme am Ende des Studiums bekam und es leider abbrechen musste.
Die Beschäftigung mit Psychologie hat mich allerdings nie ganz los gelassen, es ist so ein interessantes Wissensgebiet, dass ich es einfach nicht lassen kann, da weiter dran zu bleiben. Des weiteren beschäftige ich mich mit philosophischen Themen, hierzu kam ich durch das Studieren psychologischer Sachverhalte. Ich finde es interessant, wie verzahnt diese beiden Wissenschaften teilweise sind.
Phil:
Marketing-Kenntnisse - hilfreich beim Vermarkten von eBooks? Welche Tipps hast Du für BX? Sollte BX Google-Werbung schalten? Passend zu den Themen auf den Buch-Seiten?
Toralf:
Zu der Marketingpolitik von BX möchte ich nichts sagen und keine Tipps geben. Ich bin mir sicher, da sitzen fähige Leute, die ihr Handwerk verstehen.
Zu dem Thema eBooks möchte ich Jungautoren einen Tipp geben, denn diesen Satz habe ich mir selbst immer gesagt: „Werbung wirkt“. Auch wenn es nicht immer gleich sichtbar ist. Also immer am Ball bleiben, wenn man meint, dass man ein einigermaßen vernünftiges Buch geschrieben hat und seriöse Werbung macht.
Phil:
BWL kann man auch in Hagen an der Fernuni studieren. Wäre das etwas für Dich?
Toralf:
Ich weiß, aber nein, nicht mehr. Ich bin ein anderer Mensch als damals und könnte mich mit den vermittelten Praktiken nicht mehr anfreunden ;)
Phil:
David - sein Kampf gegen die Goliath-Depression - manchmal bedarf es eines Tricks. Was könnte im Fall der Depression eine solche Steinschleuder sein? Was hat Dir geholfen?
Toralf:
Manchmal sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht, bei den ganzen psychologischen Tipps. Ein ganz einfacher Satz hilft mir - wenn ich merke, heute ist nicht so mein Tage – „bleibe aktiv“, also tu was, bleib in dieser Welt und sieh sie als lebenswert an und bejahe das Leben. Das ist nicht immer leicht und nicht bei jedem hilft das, manchmal muss man halt auch Medikamente zu sich nehmen.
Außerdem hat mir der Umgang mit nicht betroffenen Freunden geholfen und meine Familie natürlich. Man sollte sich nicht isolieren, irgendwann bekommt man wieder Anschluss.
Phil:
Psychologie und Philosophie - Du sagst: „Ich finde es interessant, wie verzahnt diese beiden Wissenschaften teilweise sind.“
An sich müsste es ja das Bestreben eines Philosophen sein, die „Welt an sich“ nicht als Weltansicht zu begreifen - sich tunlichst fern halten von diesem Erkenntnis-Vorgang. Das Sein in seiner Reinheit schauen, so wie Glas, das trübe wird durch Einlagerungen. Helfen einem die Erkenntnisse aus der Psycho-
logie, sich besser zurückzuziehen aus dieser Betrachtungs-Art - oder kann man das besser mit ein berechnen, abziehen, rechnerisch korrigieren - dadurch, dass man den Eigenanteil abschätzen kann? Oder ist Welt immer Ergebnis vom Zusammen-
wirken der beiden Spieler: Subjekt, Objekt? So wie Quarks, die man nicht einzeln betrachten kann? Immer nur als Team?
Toralf:
Mir ist aufgefallen, dass in der Psychologie auch oft philoso-
phische Ansichten mit einbezogen werden und andersrum genauso. Ich weiß worauf du hinaus willst, die Philosophie sollte sich fernhalten von Erkenntnissen der Psychologie, zumindest theoretisch. Aber ist das möglich und sinnvoll? Wieso können nicht beide Wissenschaften voneinander lernen? Ich finde es jedenfalls interessant die Schnittmengen zu beobachten. Und klar, wenn man sich für Philosophie und Psychologie interessiert, ist das Auge geschärft, für solche Überlappungen. Ich finde nicht, dass die Philosophie dadurch abgewertet wird, ich würde mich für einen Austausch aussprechen.
Phil:
Interdisziplinär - das fällt den Wissenschaftlern schwer. Brücken bauen zu Nachbardisziplinen; aber die Sprache dort mutet einen an wie eine Fremdsprache. Wissenschafts-Sprachen, die rasant sich voneinander weg bewegen. Da könnte die Philosophie vermitteln. War ja schon einmal ihre Tätigkeit: die Allumfassende. Je größer die Wissenschafts-Familie wird, um so babylonischer das Sprachgewirr.
Toralf:
Genau so sehe ich das auch ;). Aber leider sind da sicher auch einige Eitelkeiten im Spiel.
Phil:
Kann Philosophie ähnliche Funktion übernehmen wie Psychologie? Helfen, dass der Mensch sich selber besser versteht?
Toralf :
Absolut. Nehmen wir alleine die Sinnfragen: Woher sollen da Antworten kommen, außer aus der Philosophie? Die Philosophie erschafft Lösungen und die Psychologie bringt sie teilweise zum Menschen. So könnte man es sehen.
Die Menschen suchen nach Sinn, gerade weil vielen die Religion abhanden gekommen ist, und hier ist es auch eine Aufgabe der Philosophie, Antworten zu finden, zum Beispiel bezüglich der Fragen zur Lebenskunst.
Phil:
Habe den Eindruck, dass die Menschen an der Philosophie besonders die theoretische Objektivität schätzen. Kein Glaubensgebäude, in das man eintreten muss, bei dem einem bestimmte Rituale und Direktiven auferlegt werden. Sinn-Suche mithilfe des bereits Überlegten, zu dem man seine eigenen Überlegungen beifügen kann.
Welche philosophischen Richtungen beeindrucken Dich, bzw. wo würdest Du gerne etwas hinzufügen?
Toralf:
Ehrlich gesagt bin ich in meiner Beschäftigung noch nicht so weit, dass ich mich da festlege. Die Fragen der Logik würde ich allerdings ausschließen, aber man weiß ja nie, was kommt. Ich sehe es eher als Lebenswerk an, auch wenn sich das jetzt vielleicht hochtrabend anhört, aber ich weiß die Philosophie und Psychologie werden mich nicht los lassen. Ich bin ein Antworten-
Suchender und am Ende wird es heißen: Alle Fragen offen.
Phil:
Lieber Toralf, ich bedanke mich für Deine Antworten. Gibt es noch Themen, die Du gerne erwähnt hättest?
Toralf:
Gerne ^^ Eigentlich nicht. Ich finde das war ein guter Abschluss :D
Hat mir Spaß gemacht ;).
Vom Schreiben
Vom Nichtlesen und vom Wunsch, gelesen zu werden
von Signe Winter
Rudi, die ratgebende Ente, Sir Brixelot, der vornehme Ziegelstein und ich, eine der Redakteure sitzen im imaginären BRIX-Redak-
tionsbüro. Rudi sitzt in seinem gemütlichen Lese-Ledersessel, Sir Brixelot lümmelt sich mit seinesgleichen auf seiner Ziegel-
stein-Mauer und ich sitze am PC. Gerade sehe ich die eingegan-
genen Beiträge unserer Autoren durch und ordne sie den Rubriken des Magazins zu.
„Na prima!“, sage ich vor mich hin. Dann wende ich mich an die beiden Anwesenden. „Wir haben noch keinen einzigen Beitrag für unsere epochale Rubrik *Vom Schreiben*. Was machen wir da?“, frage ich. „Oooch ...“, sagt Rudi recht langgezogen. Erwartungs-
voll blicke ich ihn an, doch er hat sich wieder seinem Ratgeber, den er gerade liest, zugewandt. Dann schwenkt mein Blick zu Sir Brixelot. Er sagt, ein wenig vorwurfsvoll: „Mensch, du hast Sorgen, Signe!“ Ich ziehe die rechte Augenbraue hoch und erwidere: „Meinste?“ Rudi legt sein Buch zur Seite und doziert: „Offensicht-
lich handelt es sich um die falsche Rubrik-Vorgabe. Denn Schreiben können sie doch alle ... irgendwie ... irgend etwas ... Zumindest MACHEN sie es; jedenfalls auf BookRix! Was haltet ihr von der Rubrik *Wie schaffe ich es, möglichst gelesen zu werden, also viele Klicks, inklusive der Herzchen, bei Wettbewerben auch Pokale, zu erheischen, ohne auch selbst ein einziges Buch eines anderen Autoren gelesen zu haben?*“ Sir Brixelot antwortet: „Für einen Rubrik-Titel in einem Magazin etwas lang, oder?“ Rudi fragt: „Meinste?“ „Ja! Auch wenn dein Titel das Wesentliche enthält, ist er zu lang“, sage ich und frage: „Was haltet ihr von *Vom Nichtlesen und vom Wunsch, gelesen zu werden*?“ „Nicht schlecht!“, sagt Rudi, „besser wäre jedoch *Vom Nichtlesen und vom Zwang, gelesen werden zu wollen*?“ „Meinste?“, Sir Brixelot kichert.
„Aha!“, sage ich. „Konsum - nur in die andere Richtung. Quasi nicht selbst konsumieren, sondern den anderen dazu bringen, zu konsumieren, nämlich die eigenen Bücher.“ „Ja, genau! Der Autor als Dealer ... Der eine oder andere nennt es Werbung ... Nun ja...“, sagt Rudi und fährt mit seinen Gedanken fort: „Wusstet ihr übrigens, dass das Wort *Konsum* zwei verschiedene Aussprachen haben kann?“ Sir Brixelot und ich wissen es, hören dennoch den Ausführungen von Rudi zu. „Also: *Konsum* im Sinne von etwas zu sich nehmen, konsumieren, wird *KonsuHm* gesprochen, während der *KonsumM* eine Verkaufeinrichtung in der DDR war. Auch wenn die meisten denken, dass die auf BookRix verwendete Abkürzung *KG* Kurzgeschichte heißt, ist es ein Pseudonym für *Konsu(H)m-Gesellschaft* oder *Kon-
sum(M)-Genossenschaft*...“ Sir Brixelot und ich kichern.
„Der Autor als Dealer ....“, wiederhole ich, „das könnte des Rätsels Lösung sein!“ Sir Brixelot hebt die rechte Augenbraue: „Meinste?“ „Ja, klar“, antworte ich, „denn ein Dealer verkauft Drogen. Der Junkie kauft die Drogen, um sich in seine und in irgendeine Welt, wahlweise Parallelwelt, zu beamen. Und so ähnlich dann auch beim Autoren: er verkauft eine Traumwelt an den Leser!“ „Genial!“, sagt Sir Brixelot. „Oder auch nicht! ...“, mischt sich Rudi wieder ein, „wenn ich davon ausgehe, dass Koks ja auch eine Droge ist und Koks gerne in Insider-Kreisen als Schnee bezeichnet wird ... Da werde ich manchmal beim Lesen der beworbenen angepriesenen Bücher das Gefühl nicht los, den Schnee von gestern vor mir zu haben ...“ „Meinste?“, fragen Sir Brixelot und ich. Rudi kichert.
Mein Hund kommt ins Zimmer und erinnert mich daran, dass er konsumieren möchte, nämlich sein Futter. „Mensch, Tomka, du hast Sorgen“, sage ich.
Schreiben als Beruf – Texten als Job?
von soka.amy84
Wenn man sich auf Portalen wie Bookrix anmeldet, schreibt man für gewöhnlich sehr gerne. Man sucht Leser, gute Tipps und Gleichgesinnte. Die wenigsten Schriftsteller können tatsächlich vom eigenem Schreiben leben.
Wie sieht es aber außerhalb der Schriftstellerei aus? Gemeint sind Texter, die ihren Unterhalt mit dem Verfassen verschieden-
ster Texte verdienen.
Manchen ist der Begriff Werbetexter vielleicht geläufiger. Texter sind jedoch nicht nur in der klassischen Werbung zu finden, sondern vor allem auch im Marketing oder PR-Bereich.
Vielleicht denken auch einige an die Serie Mad Men, die sich mit Werbefachleuten in den 1960er Jahren befasst. Der heutige Alltag sieht jedoch anders aus. Er ist erfüllt von vielem Stress und Deadlines. Mit Headlines, Teasern und Briefings, um ein bisschen Fachsprache zu verwenden.
Es geht mir aber nicht darum, den Alltag von Textern näher zu beleuchten, sondern ein bisschen über diesen Job an sich zu reden.
Den Beruf Texter gibt es nicht wirklich. Man kann ihn weder studieren, noch in Form einer Ausbildung erlernen. Viele Texter sind Quereinsteiger aus den unterschiedlichsten Bereichen.
Zwar trifft man viele mit geisteswissenschaftlichem oder medialem Hintergrund, aber eine wirkliche Regel gibt es nicht. Es gibt zwar die Möglichkeit Kurse zu belegen, aber so gut wie keine Anlaufstelle, die umfassend alles bietet. Die wenigen Plätze sind hart umkämpft und stark begrenzt.
Als Texter braucht man nicht nur gute Ideen, sondern vor allem muss man sehr flexibel sein. Viele Aufträge drehen sich nicht nur um spannende Themen und oft kann man auch nicht seinen gewohnten Schreibstil verwenden, da sich der Text an eine bestimmte Zielgruppe richtet.
Immer wieder muss der Texter seine Perspektive wechseln und dabei trotzdem passende und gute Texte produzieren. Er muss sich nicht nur der Zielgruppe anpassen, sondern auch den Wünschen der Auftraggeber beugen.
In der klassischen Werbung, die wir beispielsweise aus dem Fernsehen kennen, funktionieren auch experimentelle Texte, da es nicht zwangsläufig darum geht einen Kaufwunsch zu wecken. Oft geht es nur um die Information über ein neues Produkt oder die Etablierung einer Marke.
Im Marketing dagegen geht es ums Geld. Vor allem das Verdienen desselbigen. Denkt dabei an Werbebriefe. Die Wenigsten mögen sie und die meisten werfen solche Texte sofort in den Müll. Falls ihr euch so etwas doch schon mal genauer angesehen habt, wird euch vielleicht aufgefallen sein, dass manche Dinge immer wieder auftauchen.
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Und viele mehr, die in diese Richtung gehen. Gelockt wird auch gerne mit Gutscheinen zum Abtrennen oder Rabattaktionen für einen bestimmten Zeitraum. Diese werden dann schon viel lieber genutzt.
Im PR-Bereich haben Texter wiederum selten mit Kunden zu tun. Ihre Texte sollen besonders Journalisten und die Presse im Allgemeinen überzeugen. Eine Pressemeldung muss interessant sein. Sie muss besonders, exklusiv oder zumindest spannend zu lesen sein.
Es gibt noch weitaus mehr Bereiche, in denen Texter gebraucht werden. Webseiten brauchen nicht nur eine gute Optik, sondern auch ansprechende Texte. Mittlerweile sollten Texter jedoch nicht nur sprachliche Finessen beherrschen, sondern sich im Idealfall gleich komplett um alles kümmern. Der Text wird in Beziehung zu Bildern oder Grafiken gesetzt. Wenn man dafür nur einen Menschen braucht, spart der Arbeitgeber.
Trotz allem ist Texten als Job nicht nur negativ. Es kann auch sehr viel Spaß machen und wenn man gute Ideen hat, lohnt es sich auch für den Geldbeutel. Dies ist nur ein kleiner Einblick. Falls Interesse an mehr besteht, meldet euch einfach!
„Für ein Lied und hundert Lieder“
oder
Ein Friedenspreis für ein Leben in Unfrieden
von Signe Winter
Der heute 54-jährige Liao Yiwu lernt bereits mit drei Jahren das Lesen und Vortragen lyrischer und Prosatexte. Der Vater, ein Hochschullehrer, bringt es ihm bei. Der wird während der Kulturrevolution 1966 als Gegner angeklagt. Die Familie schützt sich durch Scheidung der Eltern; das bedeutet aber auch für die Mutter und die Kinder Armut. Ein regelmäßiger Schulbesuch ist fortan nicht möglich für Liao Yiwu, da er teilweise sein Leben als Straßenkind fristet. Das Lesen westlicher Literatur, die ins Chinesische übersetzt wurde, entfacht sein Interesse fürs Schreiben – erste Gedichte entstehen.
Lesen können - Schreiben. Das schien Liaos Vater wichtig gewesen zu sein; und gibt dem Sohn damit eine Macht, die mächtiger ist, als Hunger, als Verfolgung. Es wird die Initialzün-
dung für das weitere Leben Liao Yiwus.
Der fast vierjährige Versuch, an einer Universität studieren zu können, scheitert. Jedoch findet er eine Anstellung bei einer Zeitschrift und fällt dort auf wegen seiner Wortgewandtheit. Als vom Kulturministerium ernannter Staatsdichter veröffentlicht er in offiziellen Literaturzeitschriften. Seine, im westlichen Stil, verfassten Gedichte, die von den Behörden als „geistige Verschmutzung“ bezeichnet werden, publiziert Liao Yiwu in Untergrund-Zeitschriften. „Geistige Verschmutzung“, da wird der geschichtlich geschulte Leser aufmerksam und ist nicht verwundert, wenn er erfährt, dass diese Veröffentlichungen dazu führen, dass er 1987 durch die Behörden auf die „schwarze Liste“ gesetzt wird. Schwarze Liste, Bücherverbrennungen – die Kreativität der Diktatoren scheint sehr begrenzt ...
Als Vorwegnahme der tatsächlichen Ereignisse auf dem „Platz des Himmlischen Friedens“ schreibt Liao Yiwu das Gedicht „Massaker“. Wohl wissend, dass eine Veröffentlichung unmöglich sein wird, nimmt er dieses Gedicht auf Tonband auf und lässt die Kopien im ganzen Land verbreiten. Dies und ein weiteres mutiges Projekt, ein Film, führen 1990 zur Verhaftung Liao Yiwus. Er wird für fast vier Jahre politischer Gefangener mit der Begründung der „Verbreitung konterrevolutionärer Propaganda“.
Dieser Vorwurf wiegt schwer in einer Diktatur. Noch im Gefängnis erstellt er das Manuskript seines Textes „Für ein Lied und hundert Lieder“. Darin berichtet er von den menschenunwürdigen Haftbedingungen, von den Hierarchien unter den Gefangenen, der Gefängnisordnung, der er sich immer wieder zu widersetzen versucht, von der Gewalt, die in chinesischen Gefängnissen herrscht. Mehrfach wird das jeweilige Manuskript beschlagnahmt - Liao Yiwu schreibt es immer wieder neu, bis er es endlich im Exil veröffentlichen kann. Er zahlt einen hohen Preis: an seinen Wohnort darf er nicht zurückkehren, die Nennung seines Namens steht unter Strafandrohung, seine Frau mit dem gemeinsamen Kind hat ihn verlassen, Freunde und Kollegen meiden ihn. Wie viel kann ein einzelner Mensch ertragen? Was treibt so einen Menschen an? Liao Yiwu sagt: „Ich weiß nicht, wie viele Jahre es noch dauern wird, bis ich in das Land meiner geliebten Urväter zurückkehren kann.“
Nun wurde Liao Yiwu dieses Jahr der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verliehen und „ehrt damit den chine-
sischen Schriftsteller, der sprachmächtig und unerschrocken gegen die politische Unterdrückung aufbegehrt und den Entrechteten seines Landes eine weithin hörbare Stimme verleiht.“ (aus der Begründung des Stiftungsrates für den Friedenspreis)
Seine Dankesrede beschönigt nichts, denn sie nennt Tatsachen:
„... Menschen morden. Das war die Methode, um das Fundament des neuen Staates zu legen. Darüber herrschte eine stillschwei-
gende Übereinkunft von Mao Tsetung bis Deng Xiaoping. Während der großen Hungersnot zwischen 1959 und 1962 verhungerten im ganzen Land beinahe 40 Millionen Menschen. Kaum begann Mao Tsetung deshalb um seine Macht zu fürchten, blies er zum Kampf gegen reale und irreale Feinde und verpasste dem Volk eine Gehirnwäsche; während der Kulturrevolution zwischen 1966 und 1976 wurden 20 bis 40 Millionen Menschen zu Tode gefoltert; Mao hatte abermals um seinen Thron gefürchtet, also hieß es, noch stärker zum Angriff gegen die Feinde zu blasen und dem Volk noch mehr das Gehirn zu waschen. (...)
Im Juni 1989 sah die Kommunistische Partei ihre Macht erneut in Gefahr und setzte gut 200.000 Soldaten ein, um die Stadt Peking zu massakrieren ...“
Und auch dieses war zu hören:
„... Weltweit ist man der Ansicht, der wirtschaftliche Aufschwung Chinas werde zwangsläufig politische Reformen nach sich ziehen und aus einer Diktatur eine Demokratie machen. Deshalb wollen jetzt all die Staaten, die dereinst wegen des Tiananmen-Massa-
kers (vom 4. Juni 1989) Sanktionen gegen China verhängten, die ersten sein, die den Henkern die Hand schütteln und mit ihnen Geschäfte machen. Obwohl dieselben Henker noch immer Menschen inhaftieren und umbringen, immer neue Blutflecken zu den alten hinzukommen und neue Gräueltaten die alten armselig aussehen lassen. Die einfachen Leute, die zwischen Blut und Grausamkeit ihr Dasein fristen müssen, verlieren dabei auch noch den letzten Rest Anstand. (...)
Unter dem Deckmantel des freien Handels machen westliche Konsortien mit den Henkern gemeinsame Sache, häufen Dreck an. Der Einfluss dieses Wertesystems des Drecks, das den Profit über alles stellt, nimmt weltweit überhand ...“
Mit dieser Rede ist der seit 2011 im deutschen Exil lebende Liao Yiwu nicht nur verdientermaßen Preisträger des Friedenspreises, sondern auch ein SymPartisan
.
*K*:
Der tägliche Terror ist unter uns -
Reflexionen zum Konsum
***
Konsumjunkie
von René Deter
Denkst Du an Konsum
So lass Dich nicht verleiten
Ganz schnell
Lässt sich die Grenze überschreiten
Und wenn Du
Es dann selbst bemerkt hast
Macht Dein Geld
In der Konzernkasse seine Rast
Und Deine Börse
Die starrt voll gähnender Leere
Alles zu haben
Ist nicht immer eine Ehre
Proletarier aller Länder – verkauft euch!
oder
Ein smartphone macht nicht satt, aber glücklich
von Signe Winter
„Machen wir uns kein Abendbrot, machen wir uns Gedanken“, sagte schon der Kabarettist Wolfgang Neuss. Die deutschen Politiker folgten (ausnahmsweise) diesem Rat ... und machten sich Gedanken! Nämlich um den Anschub der Produktion. Vergiss die Abwrackprämie; die war gestern. Nun müssen die smartphones unter die Leute gebracht werden. Und das geht so: Wenn ein in Deutschland Asylsuchender sich bereit erklärt, freiwillig auszureisen, bekommt er als Abschiedsgeschenk ein paar hundert Euro UND ein smartphone. Ist doch prima, oder?
Der freiwillig ausgereiste Rom kann sich dann in Rumänien bei Nokia bewerben und damit zum weiteren Nachschub von smartphones für die nachfolgenden Freiwilligen sorgen. Ach nee, geht nicht; Nokia hatte das Werk in Rumänien 2011 geschlossen und ist nach Indien weiter gezogen. Der Kapitalismus als Wanderzirkus ... Und auch der freiwillig zurückkehrende Iraner hat, wenn’s dumm läuft, mit dem smartphone eine Flat von Vodafone und wird als Oppositioneller in das als O2-Arena umgebaute Stadion kaserniert. Einen Rechtsanspruch auf einen Anwalt wird er nicht haben, so spart er dieses Telefonat zumindest. Der Leser denkt: Das ist NICHT witzig! Nun zugegeben: Ein Abendbrot wäre besser, denn es macht satt. Aber bedenke, lieber Leser: Ein smartphone macht glücklich!
Da sitzt der Ghanese vor seiner Hütte und ist verbunden mit der ganzen Welt per smartphone ... Seine Hühnerfarm, die bis vor kurzem noch seinen gesamten Clan ernährte, gibt es nicht mehr, seit es auf dem Markt die weitaus billigeren (tiefgefrorenen) Hühnerteile (ohne das Brustfleisch) aus Europa zu kaufen gibt. Da sitzt der Ghanese vor seiner Hütte und kann sich das Essen aus der ganzen Welt nicht leisten. Er und seine Familie werden verrecken, aber glücklich, denn sie besitzen ein smartphone.
Derweil geht der Hartz-IV-Empfänger zu KiK, um sich dort für 1,50 Euro ein T-Shirt zu kaufen. Von den darin enthaltenen Giftstoffen werden sowohl er, als auch das, das T-Shirt produzierende, indische Kind krank. Krank, aber glücklich, denn –der aufmerk-
same Leser ahnt es bereits– sie besitzen ein smartphone.
Zur Bedienung eines smartphones benötigt der Mensch einen Daumen. Den hat er; im Grunde genommen sogar zwei. Durch die evolutionäre Entwicklung unterscheidet sich die menschliche Hand als Greifwerkzeug von dem der anderen Säugetiere. Britische Forscher fanden heraus, dass die Generation, die mit Handy und Gameboy aufgewachsen ist, kräftigere und geschick-
tere Daumen hat als die ältere Generation. Über die gleichzeitige Entwicklung der Gehirnwindungen gab diese Studie keine Auskunft. Evolution quo vadis?
So bleibt zu vermuten: Der Besitz kräftigerer Daumen wird auch nicht satt machen, aber dafür umso glücklicher! Es lebe das hungernde, aber glückliche Proletariat! Proletarier aller Länder – verkauft euch!
Kaffee-Genuss mit Folgen -
Von der Saat bis zum fertigen Produkt
von vampirella91
Laut einer Studie ist Kaffee, nach Wasser und Tee, das drittliebste Getränk aller Deutschen. Das schwarze Getränk ist ja auch dafür bekannt, dass es munter macht und einen belebt. Und es schmeckt zu dem fast allen. Mit einigen Ausnahmen. Denn die mögen das Getränk nicht besonders, weil es ihnen nicht besonders schmeckt. Klingt komisch, ist aber wahr. *lach*
Zurück zum Thema: Alle Kaffeesträucher gehören der Gattung Coffea an und die gehört der Pflanzenfamilie Rubiaceae an, die aus ca. 6.000 verschiedenen Arten besteht. Heute wird Kaffee ja in über 50 Ländern weltweit(!) angebaut; aber hauptsächlich die Arabica-Bohne und die Robusta-Bohne.
Und so wird der Kaffee angebaut:
Die Saat einer Kaffeepflanze keimt etwa sechs Wochen, nachdem sie gesät wurde. Nach neun weiteren Monaten werden die Setzlinge getrennt und vereinzelt eingepflanzt. Nach ungefähr drei Jahren tragen sie erstmals Früchte. Nach fünf weiteren Jahren erreicht die Pflanze ihren höchsten Ertrag und kann bis zu 40 Jahre werden. Die Früchte eines Strauchs werden zu dem auch "Kirschen" genannt, da die reifen Früchte rot sind und zwei weiße Bohnen enthalten. Die Erntezeit eines Strauchs beginnt Anfang September und dauert an die drei Monate, um die roten Kaffeekirschen in mühevoller Handarbeit zu pflücken. Nach der Ernte werden sie so schnell wie möglich in eine Halle gebracht, um sie anschließend mit einer Kaffeequetsche vom Fruchtfleisch zu trennen. Danach werden sie auf Sieben in der Sonne zum Trocknen ausgelegt. Nach dem Trocknen werden sie in Säcke gepackt und z.B. nach Deutschland transportiert. Dort wird der Rohkaffee in einem aufwendigen Prozess langsam und schonend geröstet, damit sich dadurch das Aroma besser entfalten kann. Und nach vielen aufwendigen Verarbeitungsschritten und mehreren Prozessen kommt der Kaffee fertig verpackt in unsere Läden.
Seit 2010 liegt der Pro-Kopf-Verbrauch vom beliebten Getränk bei 150 Litern im Jahr. Damit nahm der Kaffeeverbrauch pro Bundesbürger sechs Liter pro Jahr zu.
Aber wir müssen auch die Auswirkungen durch seinen Anbau bedenken.
Traditionell wurde das schwarze Getränk im Schatten von umstehenden, großen Bäumen angebaut. Was dafür sorgte, dass der natürliche Lebensraum erhalten blieb und mit einer deutlich höheren Artenvielfalt verbunden war. Aber da Kaffee, wie bereits erwähnt, eine längere Reifezeit hat und die Nachfrage groß ist, ging man dazu über, die Bäume zu roden, um so mehr Platz für den Anbau zu schaffen - und so eine schnellere und größere Produktion zu haben. Aber das hatte auch Folgen. Denn Zugvögel fanden keine Brutplätze mehr auf den baumfreien Plantagen und die Schädlinge wurden mit Pestiziden bekämpft, was es noch schlimmer für die Umwelt machte.
In einem Bericht, den ich fand, stand, dass über 1,4 Millionen Landwirte von einem fairen Kaffeehandel profitieren. Aber ob es wirklich so ist, das wissen wir nicht genau! Beim Anbau von Bio-Kaffee werden keine Pestizide verwendet. Er ist damit zwar teurer, aber schont die Umwelt, denn der Kaffeebauer muss sehr genau auf die Bodenqualität achten, damit sie immer gleich bleibt.
Das Fazit lautet: Auch wenn mancher meint, er könne nicht viel ausrichten, um die Umwelt zu schonen, fängt es doch beim Genuss der täglichen Tasse Kaffee an. Oder?
Mein Einkaufs-Phantom
von Anja Ollmert
Da ist sie wieder. Die weibliche Stimme, die seit Jahren mein schlechtes Gewissen verkörpert. Seit sie mir gezeigt hat, dass sie mit Jacobus-Dröhnung und dem weichsten Wäscheweich der Welt an der Seite aller Leidensgenossinnen wartet, ist sie für mich allgegenwärtig.
Urplötzlich macht sie sich bemerkbar und gesellt sich an meine rechte Seite, wenn ich vor der Tiefkühltheke des Supermarktes überlegend das Paket Billigspinat gegen das vom teuren Eskimo-Käpt’n präsentierte abwäge. Sie erinnert mich an den Blubb, auf den ich in meinem Grünzeug keinesfalls verzichten kann, wie sie vorwurfsvoll meint.
Stellen Sie sich vor: Nie ist sie krank oder nimmt ein paar Tage frei. Sie streitet mit mir über das Weißer-geht´s-nicht-weiß, das kilometerlange Wäscheleinen wie von Zauberhand mit ungezähl-
ten, blendend weißen Oberhemden behängt. Dabei erklärt sie mir nie, wer all diese Hemden bügeln musste. Sollte ich dumm genug sein, sie zu fragen, drückte sie mir prompt eine Flasche des genialen neuen Bügelwassers in die Hand, um im gleichen Atemzug zu behaupten, damit gehe das Bügeln wie von selbst.
An der Käsetheke behält sie die Oberhand und empfiehlt mit warmen Worten den geschmacklich unübertroffenen Scheiben-
käse, der darüber hinaus den Vorteil hat, sich in einer wiederver-
schließbaren Box zu befinden. Und ich kann mich ihrem Argument nicht verschließen, spare ich mir auf diese Weise das Umpacken in die - ebenso perfekt durchdachte - Frischhaltedosenserie in Modefarben, die ich vor Wochen im Wohnzimmer meiner Freundin erstanden habe.
Haben Sie eine Ahnung, ob es bei meinem Einzelhändler Rabatt für die ungebetene Verkaufsberatung dieser Dame gibt? Oder hat er sie eingestellt, dass sie den unschlüssigen Kundinnen zur Hand geht? Manchmal fürchte ich, es macht auf andere Kunden einen seltsamen Eindruck, wenn ich diskutierend und gestiku-
lierend mit zwei Gläsern Marmelade dastehe und nicht weiß, ob ich mir das teure Extra des Tages erlauben kann. Nein, darauf angesprochen hat mich noch niemand, doch ich bemerke, wenn mir bekannte Gesichter vorsichtshalber lieber die Straßenseite wechseln, als an mir vorbei zu flanieren. An meinem Deo kann es nicht liegen. Sie hat versprochen, dass es 3x8 so lange hält wie andere. Außerdem gehört es nur mir allein. Kein anderes Familienmitglied wagt, es zu benutzen.
Die ultimativen Automarken versucht sie nie an die Frau zu bringen. Vielleicht ahnt sie, dass wir alles fahren würden, was vier Räder und einen Motor hat, damit wir nicht zum Supermarkt laufen müssen.
Hin und wieder schicke ich meinen Mann zum Einkaufen. Der kommt erfolgreich und völlig gelassen mit der No-name-Nuss-
Nougatcreme aus dem Laden. Für ihn geht das Ganze ohne Begegnung mit der 3. Art ab. Kaum ziehe ich die Folie vom Glas, steht sie neben mir und mault: „Nuvella auf´s Brot – da hast was drauf!“ Das schlechte Gewissen drückt mich schwer, während ich mich frage, was ich meinen Kindern mit diesem minderwertigen Brotaufstrich zumute.
Wenn sie wenigsten optisch nichts hermachen würde - diese Powerfrau. Sicherlich wechselt sie heimlich zwischen Oil of Iltis und der Creme, die unserer Haut das Kupfer zurückgibt, das man uns Frauen ungefragt weggenommen hat. Daher sieht sie aus, als habe sie seit Jahren jede Nacht in der zuvor erwähnten Frischhaltedose amerikanischen Ursprungs verbracht – welche Farbe die hatte, weiß ich allerdings nicht. Ihr Haar fällt in weichen Shampoo-Wellen über ihre Schultern, das bestimmt ihre Mutter gewaschen hat. Welcher Haartönung gibt sie wohl den Vorzug? Bei ihr entdeckte ich noch kein einziges graues Haar – ganz im Gegensatz zu mir. Und ihre wunderbar geschwungenen Wimpern, die sie ausgesprochen provokant klimpern lässt, vermitteln mir, sie fühlt sich schön mit MADE.
Meine Versuche, diese Erscheinung zu ignorieren, sind im Ansatz gescheitert. Sie ist zu dominant. Mein Haushaltsbudget signalisiert mir ihre Gegenwart mit negativen Auswirkungen. Es wird Zeit, sich vehement zu wehren, wenn sich der Pleitegeier nicht bald ins gemachte Nest setzen soll. Nach langem Überlegen ist mir endlich eingefallen, wie ich sie mit ihren eigenen Waffen schlagen kann.
Wenn ich mir beim nächsten Mal eine Zigarette zu meiner Tasse Dröhnung gönne, und sie materialisiert sich, um mich auf die Folgen des Rauchens hinzuweisen - offensichtlich hat sie keine Geschäftsverbindungen zur Tabakindustrie - sage ich ihr: „Ich geh jetzt meilenweit für eine Dromedar-Filter und du siehst mich nicht wieder!“ Vielleicht bin ich überzeugend genug und sie lässt endlich von mir ab.
Sie sollte sich endlich ein neues Opfer suchen. Vorsicht, besser Sie sehen an der Kühltheke nicht über Ihre rechte Schulter.
Tierquälerei und Tierschutz
von teetrinkerin
Auf der Suche nach Informationen für den folgenden Text bin ich über zahlreiche Seiten gestolpert und fand überall Warnungen, man solle nur weiterklicken, wenn man sich sicher sei, Bilder und Videos von gequälten, entstellten und toten Tieren ertragen zu können. Da dieser Text sich um genau dieses Thema, Tierquälerei, drehen wird, empfehle ich an dieser Stelle allen Lesern, die zart besaitet sind, den folgenden Text nur zu lesen, wenn sie eben diese Bilder ertragen können. Nicht die Bilder vor ihrem Auge, sondern die Bilder in ihrem Kopf. Dieser Text soll nicht unter-
halten, sondern Augen öffnen und zeigen, was die Medien verschweigen wollen.
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Vivaldis „Vier Jahreszeiten“ klingt über die Lautsprecher meines Laptops, als ich mich auf die Suche nach Informationen zum Thema „Tierquälerei“ im Internet begebe. Einfach, weil ich die Stille nicht mehr ertrage, die in meinem Kopf laut hämmert und mir ein schlechtes Gewissen einprügelt, während ich mir die Texte durchlese, die Bilder und Videos ansehe.
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Große Schwarze Augen starren mich an, als eines der unzähligen Videos endet. Ich klicke schnell weg, vergesse das Bild jedoch nicht, das ich jetzt beim Schreiben immer noch vor mir habe. Glasige, große dunkle Augen einer jungen Robbe. Doch trägt sie nicht mehr das begehrte weiße Fell, für das sie gejagt wurde, denn das hat man ihr bereits abgezogen. Sie war noch lebendig, als das passierte, ob ihr Herz auf dem Bild jedoch immer noch schlägt, weiß ich nicht. Um sie herum liegen weitere ihrer Artgenossen, ebenfalls gehäutet jedoch mit eingeschlagenen Köpfen. Da mache ich bereits die erste Pause. Warte darauf, dass das Bild vor meinem inneren Auge verblasst. Jedoch verschwin-
det es nicht ganz. Ich suche weiter. Werde (leider) fündig.
- Hengste, die in einen engen Stall gestellt werden, daneben eine Stute.
Das Ziel: Sie sollen sich zu Tode beißen und trampeln. Wer auf den richtigen Hengst gesetzt hat, bekommt den Gewinn.
- Nashörner und Elefanten, deren Kadaver in der Sonne verfaulen, weil man an das begehrte Elfenbein gelangen wollte.
Der Grund: Wieder Geld.
- Kühe, Hühner und Schweine, die in viel zu kleinen Ställen in Massen gehalten werden, verdrecken und sehen nie das Tageslicht.
Warum? – Weil die Schlachthöfe so viel Geld wie möglich für sich einnehmen wollen, dabei jedoch an der Verpflegung der Tiere sparen.
- Streunende Hunde, die, in der Ukraine lebend, verbrannt oder erschossen werden. Die Welpen werden lebendig mit den Kadavern begraben.
Der Grund: Die EM. Die Straßen sollen für die Besucher von den herrenlosen Tieren ‚gereinigt‘ werden. Und da ist für den Menschen der Tod der schnellste Weg. Egal ob Gift, ein Schuss, oder der transportable Ofen. Die Tierheime dort sind überfüllt, nehmen kaum noch Tiere auf, können es einfach nicht.
Unter den Videos und Texten stehen die Kommentare der Besucher der Seiten. Fast alle regen sich auf, schreiben ewig lange Texte, wünschen den Verantwortlichen den Tod. Alle reden, aber kaum jemand tut etwas. Wir müssen es wohl alle einsehen. Wir Menschen sind einfach zu bequem. Wir regen uns schrecklich über so etwas auf, fordern Strafen und predigen darüber, wie leid uns die Tiere tun … Und weiter? So etwas hilft nicht. Wir hoffen, ein Anderer wird sich schon um das Problem kümmern und es lösen. Aber wenn jeder so denken würde, was wäre unsere Welt dann?
Ich finde den Hinweis, dass sich Kinder die folgenden Seiten nicht ansehen sollen. Verständlich. Und doch glaube ich, dass man es gerade ihnen vor Augen führen sollte, was wir mit den Tieren anstellen. Ein Kaninchen in einem kleinen Stall ist dabei keine große Hilfe für den weltweiten Tierschutz. Die Kinder sollen nicht die blutenden und entstellten Tiere sehen, aber wenigstens vermittelt bekommen, dass Tiere Lebewesen sind und es ihr gutes Recht ist zu leben, ohne dass wir sie dabei unnötig quälen.
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Tiersammler
Eine unbewusste Form von Tierquälerei.
Bei Tiersammlern handelt es sich um Menschen, die eine hohe Anzahl an Tieren besitzen, jedoch nicht einmal deren Grundbe-
dürfnisse wie frisches Wasser, geeignetes Futter, ärztliche Behandlungen, Hygiene und eine gute Unterbringung erfüllen können. Spricht man sie auf ihr Problem an, leugnen sie es. Erfinden Ausreden für die miserablen Zustände der Tiere und sind der festen Überzeugung, dass sie alles richtig machen. Sie finden es ‚besser‘, wenn ein Tier sich sein Leben lang quält, anstatt es zu erlösen. Achtzig Prozent der Tiersammler horten selbst die toten Körper der Tiere und ignorieren offensichtliche Verletzungen bei den noch lebenden. Helfen kann dabei nur ein Psychologe, denn allein finden sie dort nie heraus. Und die Tiere auch nicht.
Immer wieder müssen Tiere unter der kranken Psyche der Menschen leiden. Menschen, die ihre Mordlust an den Tieren stillen. Die sich einen Spaß, ein Abenteuer daraus machen, sie zu töten und zu quälen, bevor sie sich an anderen Menschen zu schaffen machen.
Einige der bekanntesten Fälle:
- Jan O.
Ein Mörder, der auf Katzen schoss, Igel anzündete und andere Tiere in der Mikrowelle sterben ließ. Ihnen dabei zusah.
- Martin P.
Ein Amokläufer, der auf Tiere im Wald schoss, seine eigene Katze auf der Couch mit einem Gewehr tötete.
- Jeffrey Dahmer
Ein Serienmörder und Kannibale, der schon als Junge Katzen und Hunde tötete und ihre Köpfe auf Stöcke spießte. Diese aufstellte und ‚sammelte‘.
Tierquälerei als Kunst!?
Im Frühling erweckten zwei Studenten großes Aufsehen mit ihrem ‚Kunstprojekt‘. Sie bauten eine Guillotine, strichen sie in grellen, bunten Farben an und setzten eine echte, funktions-
tüchtige Klinge ein. Doch das war nur das halbe Projekt. Die andere Hälfte war ein Lamm, das geköpft werden sollte. Die Studenten selbst sagen, sie wollen der Menschheit einen Spiegel vor das Gesicht halten, also lassen sie das Publikum entscheiden, ob das Lamm sterben soll, oder nicht. Erschreckender Weise war vor einer Weile noch die Mehrheit dafür. Dass den beiden jedoch drei Jahre Haft dafür drohen, ist ihnen vollkommen egal.
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Tierversuche
Sie sitzen in kleinen Boxen, ihre Köpfe sind mit Stäben und Schrauben fixiert. So müssen die Kaninchen dreißig Stunden ausharren, nachdem ihnen Dinge gespritzt wurden, die später in den Apotheken oder in den Verkaufsregalen vom Supermarkt stehen sollen. Sie bekommen weder Wasser noch Futter, sind das Spielzeug der Männer in den weißen Kitteln. Sobald eines der Tiere sich verletzt oder allergisch reagiert, wird es in einen Müllsack gepackt und wie Abfall weggeschmissen.
Viele Menschen unterschätzen die Tierversuche, sind einfach zu egoistisch, um mehr für Produkte zu zahlen, die nicht an Tieren getestet wurden. Sie kaufen das alles trotzdem, weil sie denken, dass diese Flasche Shampoo, oder diese Dose Puder auch nicht ins Gewicht fallen. Doch denken viele Menschen so, es läppert sich und so fällt dieser Gedanke doch sehr ins Gewicht. Aber wie kann ich wirklich sichergehen, dass das Produkt, was ich in der Hand halte, nicht an Tieren getestet wurde? Ich denke, wirklich zu hundert Prozent kann man sich nur sicher sein, wenn sie ein Tierschutz-Siegel haben.
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Tierschutz
Es gibt bereits eine Organisation, welche sehr erfolgreich ist: „Stars für Peta“.
Unter anderem findet man dort Annette Frier, die sich gegen die Robbenjagd einsetzt und dort mit ‚Blut‘ befleckt in weißer Kleidung auf weißen Hintergrund liegt, Bill und Tom Kaulitz, die sich an einen Pfosten haben ketten lassen, um sich gegen Quälerei der Tiere in Zirkussen stark zu machen, Elisabetta Canalis, die sich nackt auf einem Bild zeigt, das den Titel trägt „Lieber nackt als im Pelz“. Auch Daniela Katzenberger, Cosma Shiva Hagen und viele andere Stars haben sich ablichten lassen. Manche nackt, manche mit Tieren und manche unter den Umständen, unter denen Tiere lange leben müssen.
Doch was kann ich selbst tun?
- auf Tierschutz-Siegel achten
- Ehrenamtliche Arbeit in einem Verein oder im Tierheim
- Infos weitergeben
- Sachspenden an Tierheime wie z.B das alte Hundekörbchen, Spielzeug, das das eigene Tier nicht mag …
- lieber Tiere aus dem Heim holen, als vom Züchter
- melden, wenn man Fälle von Tierquälerei bemerkt
- Tiere halten, wie sie es verdient haben und nicht, wie es für uns am bequemsten ist
Erfolge allein in Deutschland und Österreich:
- Versuche von Waffen an Tieren verboten
- Verbot von Wildtieren in Zirkussen
- Einrichtung von Tierombudschaften (Tieranwaltschaften)
- Schließung und Verbot von Pelztierfarmen
- Verbot des Singvogelfangs
- die Käfighaltung von Tieren ist beinahe abgeschafft
- mehr vegane/vegetarische Lebensmittel
- im bürgerlichen Gesetzbuch gelten Tiere nicht mehr als ‚Gegenstände‘
- der Tierschutz ist im Grundgesetz verankert
- Tiertransporte dürfen maximal acht Stunden dauern
- stufenweise das Verbot von Versuchen für Kosmetika an Tieren eingeführt
Wer mehr Informationen möchte, oder sich arrangieren will, sollte im Internet suchen. Es gibt überall Tierschutzbünde und Vereine, denen man beitreten kann.
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Schlusswort
Manch einer hat wahrscheinlich von diesem Text etwas anderes erwartet. Manch einer hält diesen Text vielleicht für makaber, erschreckend … Doch das war mein Ziel. Nichts schönreden, einfach Tatsachen niederschreiben. Damit schocken. Vielleicht hat es dem einen oder anderen einen Anstoß dazu gegeben, zukünftig in seinem Leben etwas mehr so zu leben, dass keine Tiere leiden müssen und mehr auf das zu achten, was man kauft oder tut.
Pin und Pan
Ein Märchen von Eva Haring-Kappel
Es wird Morgen
Es wird sein
Es wird Morgen sein
Es war Morgen, als Pin und Pan durch die Straßen der großen Stadt liefen.
„Wie schmutzig und voll es hier ist, alle Häuser wachsen in den Himmel, denn auf der Erde ist kein Platz mehr!“ sagte Pin und sie schüttelte sich, um zu zeigen, wie sehr sie es verabscheute.
„Ja!“ antwortete Pan „Ihre Höhe ist beängstigend, siehst du dieses hier, seine Spitze schaukelt gerade im Wind oder jenes dort drüben, es verschwindet schon in der Smogwolke, die über der Stadt hängt!“
Angstvoll gingen Pin und Pan weiter und sie fühlten beide das Schweigen, das zwischen den zahllosen Menschen dieser Stadt lastete, und das zwischen den Häuserschluchten hing wie ein Gespenst. Plötzlich klatsche ein Körper vor ihnen auf das Pflaster.
„Paaaan! Oh wie schrecklich, sie sind so einsam, dass ihnen nur mehr der Tod als Ausweg bleibt. Komm, lass uns fliehen, gehen wir weg von hier!“
Pin schob ihre Hand in die Hand ihres Gefährten und zusammen rannten sie durch die Straßen der feindlichen Stadt. Sie hatten Mühe in dem Gewühl von Autos nicht getötet zu werden. Einige Male riss Pan Pin zurück, um sie vor einem heranrasenden Gefährt zu schützen.
„Sie fahren alle so, als wären sie keine Menschen mehr, sondern selbst schon Maschinen.“
Fest hielten sie sich an ihren Händen und setzten mutig ihren Weg fort, der sie in ein besseres Leben führen sollte. Es war Abend, als Pin und Pan vor die Stadt kamen. Sie standen auf einer riesigen Mülldeponie, links und rechts türmten sich Berge von Abfällen, die, wie die Eingeweide eines riesigen Ungeheuers, stinkend und modernd vor sich hin dampften. Pin setzte sich auf einen leeren Benzinkanister und zog ihre Schuhe aus.
„Meine Füße sind ganz wund, ich kann nicht mehr weiter!“ stöhnte sie.
Da hob Pan sie auf seinen Rücken und trug sie durch die Fabrikanlagen, die sich an den Rändern der Stadt bis weit in das Land hinein ausdehnten. Die Menschen die hier lebten, waren ernst und schweigsam. Sie arbeiteten den ganzen Tag, doch sie wussten nicht woran. Sie hatten es verlernt zu fragen. Sie nahmen die bedruckten Scheine in Empfang, die der Lohn für ihre Dienste waren. Man hatte ihnen erzählt, mit diesen Scheinen könne man alle Herrlichkeit und alles Glück dieser Erde bekommen. Sie hatten bald bemerkt, dass das nicht stimmte, trotzdem schwie-
gen sie und machten weiter.
Pin und Pan hatten es eilig, diesen traurigen Ort zu verlassen.
Gegen Abend des zweiten Tages erreichten sie den Palast des Konsumkönigs.
„Sieh nur Pan, was für ein wunderbares Haus er hat!“ rief Pin voller Begeisterung. Sie war zu sehr Frau, um nicht von soviel Pomp geblendet zu sein.
„Nein!“ schrie Pan zornig, „ es ist kein schönes Haus, so eines wollten wir nie, erinnere dich! Pin, erinnere dich bitte, so sollte unser Haus nicht sein!“
Aber Pin wollte nicht auf Pan hören. Sie war berauscht von dem Glanz und dem Prunk, der sie auf einmal umgab und lief in den wunderschönen Garten des Palastes. Sie konnte sich nicht satt sehen an all den Herrlichkeiten und taumelte schließlich wie trunken zu Boden, direkt vor die Füße eines fetten Mannes, der plötzlich vor ihr stand. Er lachte dröhnend und hob das Mädchen auf seine gigantischen Arme.
„Halt!“ schrie Pan, „Lassen sie sofort meine Gefährtin los!“
Doch der fette Riese schnaufte nur verächtlich und trug Pin mit sich fort in das schöne Haus. Pan, der ihm nachgelaufen war, bekam nur die goldbeschlagene Tür vor der Nase zugeschlagen. Wütend hämmerte er mit den Fäusten dagegen, solange, bis er erschöpft zu Boden sank. Furchtbare Gedanken quälten Pan, er lag auf der nackten Erde und krallte seine Hände in ihr braunes Fleisch. Welten trennten ihn und seine Gefährtin nun und er wusste nicht, ob sie sich jemals wieder finden würden. Schließlich versank er in grauenvolle Albträume bis zum Morgen. Eine leichte Berührung weckte ihn schließlich. Pin stand vor ihm, auch sie schien Schreckliches erlebt zu haben. Glücklich schloss er sie in seine Arme. „Ich habe Unsägliches durchgemacht, mein Frausein wäre mir fast zum Verhängnis geworden. Nun ist es vorbei und ich möchte nicht mehr darüber sprechen!“
Hand in Hand gingen sie, so schnell sie konnten, weg von diesem furchtbaren Ort. Endlich befand sich die Stadt und alles, was zu ihr gehörte, hinter ihnen und das weite Land lag vor ihnen.
Es begann ein Wandern und Suchen. Das dauerte so lange, bis sie schon Zweifel hatten, an dem, was sie taten.
„Vielleicht sind wir zu früh losgegangen?“ flüsterte Pan eines Nachts an Pins Ohr.
„Nein“, sagte Pin und schüttelte den Kopf, dass ihr die langen schweren Flechten ihres Haars um die Ohren flogen, „ich weiß, dass es nicht zu früh war!“
Als sie am nächsten Morgen um eine Wegbiegung liefen, lag es plötzlich vor ihnen. Sie wussten sofort, dass es ihr Haus war. Dann begann eine Zeit der harten Arbeit Viele Tage und Nächte mühten sich ihre Hände und ihre Stimmen blieben stumm. Ihre Hände wurden rau und wund, auf ihren Stirnen gruben sich tiefe Falten ein. Dann endlich war alles so, wie sie es gewollt hatten. Ihre Felder waren bebaut, ihre Wiesen grünten. Glücklich standen sie vor ihrer Tür, das Ziel war erreicht. Nun konnte ihr neues Leben beginnen, sie waren frei .
Als ich kam, wusste ich nicht, wie es sein würde.
Ich wollte es einfach versuchen.
Nun weiß ich, wie Wasser rauscht und wie der Wind seufzt.
Wie das Jahr vier mal sein Kleid wechselt.
Ich kenne die Tiere in der Luft, im Wasser und am Land.
Ich kenne dich.
Nun soll ich gehen?
Ein schöner Traum
von René Deter
Was wäre, wenn wir eine Welt ohne Geld hätten?
Würde es uns besser gehen,
würde es weniger Raub und Mord geben,
weniger Streit um arm und reich?
Was wäre, wenn wir eine Welt ohne Geld hätten?
Würden wir zufriedener sein,
würden wir uns besinnen,
weniger Aufregung im Leben haben?
Was wäre, wenn wir eine Welt ohne Geld hätten?
Würde es keinen Hass mehr geben,
keine Unterscheidung der Herkunft,
keine Unterdrückung, keine Restriktionen?
Was wäre, wenn wir eine Welt ohne Geld hätten?
Was wäre, wenn wir nicht nur darüber sprächen?
Was wäre, wenn wir uns mal wieder zurückbesinnen?
Was wäre, wenn...
Ein schöner Traum umfängt mich
Ein Traum einer Welt ohne Konsum
Eine Welt voller Gleichheit aller!
Ein schöner Traum, doch nur ein Traum...
Das Ende des Euros
von Matthias März
Noch vor zehn Jahren hätten viele gejubelt, wenn sie gewusst hätten, was heutzutage, im Juli 2022, Realität ist. Nachdem vor sechs Jahren die rot-orange-grüne Bundesregierung die Abschaffung des Euros vorschlug und der Antrag mit großer Mehrheit durch den Bundestag und den Bundesrat als Gesetz verabschiedet wurde, kam es zu einer unglaublichen Konsequenz und einer radikalen Reform. Es wurde nicht etwa die DM wieder eingeführt, sondern auf etwas zurückgegriffen, was die Menschheit seit Jahrtausenden nicht mehr praktizierte: der Tauschhandel.
Bäcker zahlten ihre Rechnungen mit Brot, Schlachter mit Wurst, Bauern mit Früchten, Getreide oder Vieh. Das hatte für viele andere Berufe üble Folgen, zum Beispiel für Leute meines Standes. Als Finanzbeamter ist man nun einmal nicht besonders produktiv, jedenfalls nicht im wörtlichen Sinne. Wer gedacht hatte, dass mit der Geldabschaffung auch die Steuerpflicht entfällt, sah sich getäuscht. Jeder Bürger muss ein Fünftel seines Ertrages an den Staat abführen. Wir mussten daher in unserem Verwaltungsbüros etliche Büros zu Lagerräumen umbauen, um dort die Waren zu horten, die an uns abgeführt wurden. Das ist alles sehr aufwändig und kompliziert, und bedarf einer enormen Logistik. Keinesfalls durften wir die versteuerten Schweine und die Feldfrüchte in einem Raum aufbewahren, weil dieses zu außerordentlichen Verlusten des Staates führen würde.
Wir Beamten werden auch mit diesen Naturalien entlohnt, letzten Monat erhielt ich 200 Kilo Äpfel, 85 Vollkornbrote, 18 Mettwürste und acht Käselaibe. Was war das für ein Aufwand, das alles wieder umzusetzen! Eigentlich wollte ich eine neue Waschmaschine erwerben, doch der Händler lehnte ab, er wollte diese Waren nicht.
Ich musste mir etwas einfallen lassen und besann mich auf meine literarischen Fähigkeiten. Da bei Bookrix seit einiger Zeit die Mehrfachbeherzung und deren Weitergabe an Dritte erlaubt ist, schrieb ich mehrere Bücher, die großes Interesse fanden. Allein „Das Liebesleben der brandenburgischen grünen Waldameise“ sowie „Die richtige Verarbeitung der brasilianischen Flugananas“ und „Die Entwicklung des Ansehens der Finanzbeamten vom Frühmittelalter bis zur Neuzeit“ fanden großen Anklang und brachten mir viele, viele Herzen ein. Diese gab ich an den befreundeten Kfz-Händler weiter, dessen Werk „Alle Laster dieser Welt“ zwar extrem hohe Klickzahlen, aber wenig Erfolg hatte. Er gab mir einen alten Lieferwagen dafür, den ich wiederum gegen vier anatolische Bergziegen eintauschen konnte. Diese Ziegen reichte ich an ein türkisches Feinschmeckerlokal weiter, deren Bewirtungsgutschein für vierundzwanzig Personen glücklicherweise an das Elektrogeschäft weitergegeben werden konnte, was mir letztendlich doch noch die begehrte Waschma-
schine einbrachte.
Ja, ja, das ist alles sehr kompliziert geworden und war so sicherlich nicht von der Regierung erwartet worden. Auch die kürzlich beschlossene Griechenland-Hilfe hat nicht jedermann gefallen. Der Kredit in Form von zehn Millionen Bockwürstchen hatte zu massenhaften Protesten und zu Forderung zum Austritt der Bundesrepublik aus der europäischen Tauschzone geführt. Wir werden sehen, was weiter passiert.
Was sonst noch geschah
Vom Leben, Dichten und Vergessenwerden
eine Reportage von Rudi Ratlos
Eine anstrengende Reise liegt hinter mir: Ich bin nach Berlin ins Jahr 1928 gereist. Da stehe ich auf dem Kurfürstendamm und beobachte das rege Treiben. Vorbei am Kudamm 27. Hier wirbt Kempinski für sein zweistöckiges Weinrestaurant, in dem es zum halben Preis halbe Portionen anbietet. Das Haus Nummer 66 beinhaltet eine Mercedes-Filiale des berühmten Rennfahrers Caracciola. Das bekannte Wäschehaus Grünfeld präsentiert sich hier in seiner Filiale mit gläsernem Aufzug. Das später berühmte „Café Kranzler“ gibt es noch nicht; dafür aber befinden sich in den Erdgeschossen der Miethäuser Cafés, Restaurants, Geschäfte, Kinos und Theater. Hier pulsiert das Leben, Frauen sitzen zigaretterauchend mit Bubikopf in der Öffentlichkeit; das wird von Gestrigen auch gerne als dekadent, unmoralisch, ja undeutsch, empfunden. Aber die Zeit lässt sich nicht aufhalten. Und hier auf dem Kudamm ist man ihr immer einen Schritt voraus; man gibt sich modern und international, originell, avantgardistisch, erotisch und geistvoll. Man ist *up to date*, wie es zu dieser Zeit genannt wird. Und anders als üblich in elitären Wohngegenden, tummelt sich hier auch das Volk. Es darf sich nicht nur an den pompösen Schaufensterauslagen die Nasen platt drücken, sondern sitzt auch neben der feinen Herrschaft im Kaffeehaus und atmet für wenige Momente den Hauch von Vornehmheit und Luxus ein. Der Berliner Journalist Hardy Worm spottet darüber: „Der Kurfürsten-
damm ist das, was der Berliner ‚feine Jejend’ nennt. Wo Regierungsräte, Hochstapler, Bankdirektoren, Schieber, Schauspielerinnen und Kokotten wohnen; derjenige, der am Kurfürstendamm haust, und sei es auch nur im Gartenhaus vier Treppen hoch, gilt als feiner Mensch, als gutsituierter Mensch. Und wenn er einen telefonischen Nebenanschluss hat, ist er ein kreditfähiger Mensch. Für Leute, die vorwärtskommen wollen, ist es also notwendig, am Kurfürstendamm zu wohnen. Zumindest aber in Berlin W.“
Flanieren auf dem Kurfürstendamm. Links von mir steht die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche, die nicht als sakraler Bau errichtet wurde, sondern vielmehr der Repräsentation kaiser-
licher Macht dienen sollte. Sie wurde auf ausdrücklichen Wunsch von Kaiser Wilhelm II. zusammen mit den beiden Romanischen Häusern und den Ausstellungshallen am Zoo als „Romanisches Forum“ entworfen. Die Wünsche der Herrscher werden in Stein gemeißelt – das ist zu allen Zeiten so. Einige dieser steinernen Herrscher-Begehren überdauern die Zeit – dieser hier wird nur zirka 48 Jahre später nach seiner Errichtung durch den entfachten Welten-Wahnsinn eines Führers in einer Nacht zerstört. So werden aus Repräsentationsbauten Mahnmale.
Ich laufe weiter Richtung Osten und erreiche nun, schräg gegenüber der Kirche, mein eigentliches Ziel: das Zweite romanische Haus. Dort direkt am Auguste-Viktoria-Platz zwischen Tauentzienstraße und Budapester Straße befindet sich im Erdgeschoss dieses Wohnhauses das „Romanische Café“.
Der Publizist Walther Kiaulehn schreibt dazu: „Die Tradition des ‚Romanischen’ wurzelte im alten ‚Café des Westens’ am Kurfürstendamm, von den Bürgern ‚Café Größenwahn’ genannt. Der Besitzer hatte eines Tages den Spottnamen satt und kündigte Malern und Schriftstellern ihr Stammquartier, und so zogen sie ins ‚Romanische’ um, in das bis dahin überhaupt kein Mensch gegangen war.“
Da steht es vor mir! Das prächtig wirkende 1899 im neoroma-
nischen Stil fertiggestellte Gebäude, welches dominiert wird durch zwei, links und rechts befindliche, turmartige Eckbauten mit Pyramidendächern. Ein Runderker befindet sich in der Mitte der Hauptfront. Zier des Giebels, wie könnte es anders sein, ist der Reichsadler.
Ich betrete das Kaffeehaus, welches seit zwölf Jahren das „Romanische Café“ heißt. Ein Herr mit blütenweißer Schürze, weißem Hemd, steifer Fliege kommt auf mich zu. Sein Haar glänzt von der Pomade und sitzt perfekt. Obwohl der Oberkellner ganz nonchalant ist, macht er in mir sofort den hier Fremden, den Gewöhnlichen aus; deshalb geleitet er mich in den vorderen rechteckigen Raum und platziert mich im sogenannten ‚Nicht-
schwimmerbassin’. Ich setze mich an einen der etwa siebzig dort stehenden Marmortische, entdecke die mächtige Säule im Raum und die hohe Fensterfront – und bin ein wenig enttäuscht über das lieblose und düster wirkende Lokal. Der Ober fragt mich: “Was darf es sein, der Herr?“ Während der distanzierte Ober meine Bestellung entgegen nimmt, wird er von einem der Gäste gerufen: „Eduarr...!“. Der Ober wendet seinen Blick zum rufenden Gast und eilt zu einem Gewölbe mit etwa zwanzig Tischen, dem ‚Bassin für Schwimmer’. Da sitzen sie - die Stammgäste: die bereits erfolgreichen Schriftsteller, Maler, Schauspieler, Regisseure, Journalisten, Kritiker, Mäzene und Verleger. Hier ist der Marktplatz, auf dem jeder versucht, sein geistiges Gut gegen Veröffentlichung, Ausstellung, Anstellung, und damit gegen Geld einzutauschen.
Erich Kästner beschreibt die Atmosphäre in der *Neue[n] Leipziger Zeitung* April 1928 u.a. so: „Das Romanische Café ist der Wartesaal der Talente. Es gibt Leute, die hier seit zwanzig Jahren, Tag für Tag, aufs Talent warten. Sie beherrschen, wenn nichts sonst, so doch die Kunst des Wartens in verblüffendem Maße. (...) Es ist ein infernalisches Gewirr von Charakterköpfen und solchen, die es sein wollen. Der erste Eindruck, den man hat: Haare, Mähnen, Locken, die bedeutend ins Gesicht fallen. Der zweite Eindruck: Wie oft wird hier die Leibwäsche gewechselt? Dieser zweite Eindruck ist vielleicht in vielen Fällen unberechtigt. Aber nichts ist ja bezeichnender für das Gesehene, dass man ihn trotzdem hat. (...) Jeder kennt jeden. Man begrüßt sich jovial oder - eine andere Methode - nur ganz nebenbei, um das Gehirn nicht beim Dichten und Denken zu unterbrechen. Man setzt sich von einem Tisch zum anderen; erstens, um sich Klatsch zu erzählen, und zuweilen zweitens, um dem Kellner, der Bestellungen entgegennimmt, zu erklären, man sitze nur en passant hier. Man borgt sich erfolglos an. Man liest Berge von Zeitungen. Man wartet, dass das Glück hinter den Stuhl tritt und sagt: ‚Mein Herr, Sie sind engagiert!’
Man wartet. Inzwischen vertreibt man sich die Zeit. (...)
Kann man sich, nach der bisherigen Beschreibung, ein ungefähres Bild vom ‚Romanischen’ machen, wenn noch hinzugefügt wird, dass es auch das ‚Rachmonische’ genannt wird und dass außer den skizzierten Typen Artisten, Tanzmusiker, Boxer und Neger herumsitzen?“
An einem der Tische im ‚Schwimmerbassin’ sitzt Bertolt Brecht. Soeben hatte seine „Dreigroschenoper“ ihre Uraufführung im „Theater am Schiffbauerdamm“. Diese Oper ist ein Novum und sorgt für Aufsehen, denn plötzlich stehen Dirnen und Bettler als Protagonisten auf der Bühne. Hierher kommt Brecht oft mit seinem Freund Arnolt Bronnen. Beide mit der Stadtbahn – Bronnen, der ein Monokel trägt, selbstverständlich erster Klasse, Brecht, der (noch) ein armer Poet ist, zweiter Klasse. Auf dem Bahnsteig am Wittenbergplatz treffen sie wieder zusammen, um gemeinsam hier Erbsensuppe zu speisen – Bronnen ohne, Brecht mit Speck.
*Eduarr* hat mir eine Tasse Bohnenkaffee serviert, die ich nun genüsslich trinke, während ich die Gäste an den Nebentischen, aber vor allem die ‚Schwimmer’ beobachte. Es wird diskutiert, lamentiert, gelacht, gestritten, philosophiert ... Der eine oder andere sitzt abseits und notiert etwas auf Papier; das neueste Feuilleton macht die Runde und wird wohlwollend oder abschät-
zend kommentiert. Neue Sachlichkeit trifft Expressionismus, die Dadaisten contra die Impressionisten, Kubismus und Konstruk-
tivismus widerstreiten ... Hier wird Kunst und Geist gelebt!
Als ich das „Romanische Café“ verlasse, steht *Eduarr* lässig am Seiteneingang und raucht eine Zigarette.
Ich spreche ihn mit meinem freundlichsten Reporter-Ton an: „Hallo, Herr *Eduarr*! Bei soviel Betrieb ist eine kleine Pause notwenig, oder?“
„Ja“, sagt *Eduarr* , „aba Sie können mir Willy nennen ...“
Stirnerunzelnd sehe ich ihn an.
„Na ja ...“, führt er aus, „*Eduarr* ist mein Künstlername, soßusarjen ... Ick heiße Willy ... eijentlich Wilhelm, wie unser Kaiser.“
„Verständlich“, sage ich, „dass man in einem Künstlercafé als Bedienung einen Künstlernamen trägt ...“
„Bedienung?! Woll’Se mir beleidijen? Ick bin keene Bedienung, ick bin, wat man ßu jut deutsch *jute alte Schule* nennt. Ick war schon hier, bevor der Bruno Fiering 'n Kaffeehaus für die Künstlers jemacht hat; ick sach’ nur „Hotel Kaiserhof“, wenn’Se versteh’n, wat ick meene?“
„Ehrlich gesagt, verstehe ich nicht ...“, antworte ich.
„Mensch „Hotel Kaiserhof“! Dit is’ det erste Luxushotel in Berlin jewesen ... Und da ha’ick jelernt ... Da bin ick besonders stolz drauf, weil ick eijentlich aus’m Prenzlauer Kiez komme, Arbee-
terviertel, versteh’n’Se? Aber der alte Mohringer, der stadtbeste Oberkellner, hat mir als Lehrling jenommen ... Harte, aber jute Schule ... Nach der Lehre bin ick dann hierher in die Konditorei vom „Hotel Kaiserhof“ und jetze bin ick *Eduarr*! Weeste?! ... So, nun muss ick aba wieder ßu meene Jäste, wa ...“
„Klar! Danke für unser kurzes Gespräch, Willy!“, sage ich noch schnell, während Willy als *Eduarr*, ganz contenance, zur Arbeit schreitet.
Auf meiner Rückreise ins Jahr 2012 notiere ich noch das: Die goldenen zwanziger Jahre enden, wie so vieles, mit dem Machtantritt der Nazis 1933. Die meisten Stammgäste des „Romanischen Cafés“ emigrieren, und wer nicht ins Ausland flieht, wird mit innerer Emigration versuchen, die braune Zeit zu überstehen. Der deutsche Schriftsteller Wolfgang Koeppen schreibt zum Verfall des Cafés nach 1933: „Wir sahen die Terrasse und das Kaffeehaus weggehen, verschwinden mit seiner Geistesfracht … und die Gäste des Cafés zerstreuten sich in alle Welt oder wurden gefangen oder wurden getötet oder brachten sich um oder duckten sich und saßen noch im Café bei mäßiger Lektüre und schämten sich der geduldeten Presse und des großen Verrats.“
Bleibt mir noch anzumerken: Das Gebäude des Zweiten roma-
nischen Hauses, in dem sich das legendäre Café befand, wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. An dieser Stelle befindet sich heute das Europa-Center. Der nunmehr Wissende wird bei seinem nächsten Berlin-Besuch diese Gegend wohl anders betrachten? Und so werden auch die Vergessenen nicht vergessen.
***
Das (vorerst) Letzte
Kurzreport im Twitter-Format
Die Prophezeiung oder Die Macht des Buches
Orakel vor 550 Jahren: die Menschen verhungern, wenn sie nur noch lesen! Verreckt sind viele; Lesen war nicht der Grund, Bücher auch nicht.
co gnies.retniw
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Für Bildbearbeitung Wettbewerb:
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Memory
Fortsetzungs-Story Teil 9
„Meine Eltern sind gar nicht zu Hause. Nur die Großeltern. Und jemand, den ich nicht kenne.“ „Das ist Jan. Unser Personal-Trai-
ner. So bleiben wir länger fit. Macht mit.“ Vroni nahm sich ein kleines Trampolin und stellte sich neben die Großeltern auf die Terrasse. Jan sagte: „Nicht hoch springen, nur ganz sachte. – Exzellent, Sie springen wie ein junges Känguru.“ Vroni sagte: „Meine Vorfahren stammen aus Australien. Ich habe springende Gene in mir.“ Tom sagte: „Darf ich Euch vorstellen: Das ist Miss Marple alias Vroni. Und das ist ihre Enkelin Franzi. Sie haben am See ein Café. Wir haben Euch eine Erdbeertorte mitgebracht. Also trainiert tüchtig. Tobias kommt auch gleich. Er zeigt Julie noch einige Sehenswürdigkeiten.“ „So nennt ihr jungen Leute das also heutzutage. Ganz schön dreist.“ „Das ist Lisa; meine Großmutter väterlicherseits. Daneben der junge Hüpfer auf dem zweiten Trampolin, das ist Anton – ihr Ex-Mann, mein Großvater. Und diese Dame ist meine Großmutter Gudrun.“ Franzi begrüßte sie und stellte die Erdbeertorte auf den Gartentisch. Lisa sagte: „Bitte stelle die Torte weit weg oder noch besser schneide mir ein ordentlich großes Stück ab. Ich verliere gerade meine Selbstbeherrschung.“ Jan sagte: „Bekomme ich auch ein Stück ab? Wir machen dafür auch etwas mehr Training heute. Ich bin kuchensüchtig. Das hat mich auch dazu gebracht ordentlich viel Sport zu machen. Als Ausgleich. Ein schlechtes Gewissen kann viel Gutes bewirken.“ Jan verteilte blaue Hanteln und sagte: „Die Hantel wiegen nicht viel. Macht einfach nach, was ich Euch vormache. Wir wechseln öfters das Tempo. Seid Ihr bereit?“ Tom stellte sich neben seinen Großvater und sagte zu ihm: „Ich würde gerne mit Dir sprechen. Aber es hat Zeit. Ich besuche mal unseren Nachbarn Carlo. Meinst Du, der ist zu Hause?“ Anton sagte: „Die sind verreist. Aber er hat mir den Haustürschlüssel dagelassen. Wir gießen seine Blumen. Die Blumen freuen sich drauf. Endlich bekommen sie die richtige Wassermenge. – Du siehst verwirrt aus. Unglücklich. Mit so einer hübschen Beglei-
terin an Deiner Seite?“ Anton legte seine Hanteln beiseite. Tom fragte: „Erinnerst Du Dich noch an Gregor Parmenides? Der war vor 20 Jahren unser Nachbar.“ „Ja. Ich kannte Gregor von meiner Arbeit. Er suchte ein Haus, und ich habe ihm Euer Nachbarhaus empfohlen.“ Franzi sagte: „Waren Sie Professor an der Uni wie Gregor?“ „Nein, ich war beim Bundesnachrichtendienst. Gregor hat uns sehr geholfen mit seinen Erfindungen. Nur manches war sehr skurril. Wir wussten oft nicht, ob wir ihn ernst nehmen sollten. Anfangs. Doch wenn er uns dann seine Theorien erläuterte, hörte sich auf einmal alles sehr plausibel an. Nicht alles hat funktioniert. Aber meistens hat Gregor das Problem dann doch noch gemeistert. Herausgefunden, wo sein Denkfehler war; wenn er mit dem Problem gar nicht vorankam, hat er einfach spontan etwas verändert, variiert – und beobachtet. Das Problem hat ihm gesagt, wie es zu lösen ist.“ „Warum wurde Gregor erschossen? Sein Labor stand doch auch in Flammen, oder?“ „Ja. Aber die Feuerwehr konnte den Brand löschen. – Ich nehme mir jetzt doch ein Stück von der Erdbeertorte. Darf ich?“ Franzi sagte: „Ich habe sogar geholfen beim Backen. Sämtliche Verzierungen stammen von meiner Künstlerhand.“ Anton ging ins Haus und holte Geschirr aus der Küche. Jan sagte: „Jetzt gehen wir mit den Hanteln auf das Trampolin und machen einen Rückwärtssalto auf den Rasen.“ Sie lachten. „Na gut, dann überspringen wir diese Trainingseinheit. Seilspringen im Dreivierteltakt. Hier sind die Seile. Hier kommt der Walzer.“ Jan schaltete den Radio-Rekorder ein. Vroni sagte zu Anton: „Ich tanze gerne.“ Anton verbeugte sich und reichte Vroni seine Hand. „Darf ich bitten Madame? Die Hofkappelle musiziert heute so lieblich; solche Momente sollte man nicht ungetanzt verstreichen lassen. Die Streicher tremo-
lieren. Darf ich Sie zum Tanze führen?“ Anton und Vroni tanzten. Lisa sagte zu Jan: „Kann unser Personal-Trainer auch Walzer? Das trainiert doch auch die Beinmuskulatur.“ Jan sagte: „Er kann. Er kann sogar im Sechsachteltakt. Die flotte Walzer-Version. Jetzt noch schwungvoller. Die Streicher tremolieren. Und wir werden alles demolieren.“ „Dann mal los.“ Auch Jan und Lisa tanzten Walzer auf der Terrasse. Tobias und Julie kamen und legten ihre Motorradhelme auf die Gartenbank. Tom sagte zu Tobias: „Gregor hat gelegentlich für den Bundesnachrichtendienst gearbeitet.“
Fortsetzung im nächsten BRIX Magazin
© Phil Humor
Epilog
Ich habe Rudolph, das nette Rentier, zu uns ins BRIX Talk Studio hineinschweben lassen - leider hat sich der Weihnachtsschlitten etwas verhakt am BX Portal.
Rudolph: "Ach, das fällt dem Santa Claus gar nicht auf, die paar Dellen. Wenn der wüsste, wie oft ich mir seinen Schlitten schon ausgeborgt habe - sag mal, du liest doch nicht etwa das BRIX Magazin?"
Rudolph sieht auf einmal etwas blass um die sonst üblicherweise kräftig rote Nase aus. Mit seinen Hufen hat er keinerlei Probleme das angebotene Champagner-Glas zu halten.
Rudolph: "Alles Magie! Seit mich Santa Claus rausgeholt hat aus dem üblichen Trott, kann ich fließend parlieren in über 100 Sprachen und weiß mitunter selber gar nicht, mit welchen phänomenalen Fremdworten ich jongliere - aber Augen zu und durch - das mache ich auch als Schlittengespann-Leittier. Hast Du 'ne Ahnung, wie man sonst durch klitzekleine Kamine kommt, ohne dass sich das Geweih verhakt?"
Rudolph hängt schon wieder fest mit seinem Geweih am BX Server, der sich neugierig herangeschoben hat.
BX Server: "Den habe ich aber gar nicht auf meiner Platte. Ist das ein Virus?"
Ich klopfe dem BX Server beruhigend auf die kalte Schulter, woraufhin er mich anbettelt: "Ich brauche mehr Speicher! In allen Ecken Datenfitzel und ..."
Rudolph überreicht ihm eine Handvoll Arbeitsspeicher und zerrt aus dem Weihnachtsmannsack auch noch eine riesige Festplatte. Der BX Server schluchzt. "Man vertröstet mich immer, dass Geldspritzen demnächst mich in fittesten Zustand versetzen würden - aber dafür müssen die BX Autoren mehr Bücher verkaufen. Ohne Moos nix los!"
Rudolph: "Ja, das gute, weiche Moos, wie vermisse ich es! Vielleicht wäre dann am Nordpol mehr los ... ich meine, wie soll es da heimelig sein ... sag mal, wolltest Du mich nicht befragen zu BookRix und wie es mir hier gefällt? Ich habe einige der BRIX Interviews gelesen und frage mich gerade, wo Sir Brixelot steckt und Rudi Ratlos - die könnten gerne mal mitkommen beim Geschenke-Verteilen." Rudolph beugt sich vertraulich zu mir. "Das grimmige Element fehlt ein bisschen - ich kann Santa Claus nicht zustimmen, dass durch immer neue Geschenke sich am Status quo etwas verändert."
Der BX Server hat sich derweil die riesige Festplatte reinge-
schoben. "Sitz, passt ... so da kommen erst einmal die Pokale hin, die schwirren und sausen mir herum, dass Verkehrs-Chaos ist auf meinen Dateipfaden. - Sag mal, verschenkt doch öfters was Virtuelles - eBooks ... das nimmt nicht viel Platz ein im Weih-
nachtsschlitten und wir wären hier besser gepolstert mit dem nötigen Moos."
Ente Rudi Ratlos kommt herein und schüttet einen großen Kübel Entenflott aus. "Jetzt wird's gemütlich!"
Rudolph knabbert an der Weihnachtsdekoration. Der Advents-
kranz sieht nicht mehr so feierlich aus.
Rudolph: "Ich hätte schon Lust, mal ein eBook zu schreiben. Ihr gebt Euch ja ordentlich Tipps. Meinst Du, man würde mir Pokale geben?"
Rudi Ratlos: "Du kannst mich ja schon mal in Deine Freundes-Liste aufnehmen. Ich selber schreibe am liebsten Interviews. - Aber wenn Du Deine Biographie anbieten würdest - da findest Du doch garantiert ein großes Verlagshaus." "Großes Verlagshaus - ja das ist gut, da passe ich dann doch besser durch den Kamin." "Sag mal, gehste nie durch den Eingang?!"
Rudolph: "Ich könnte bei BX auch ein Forum bauen, und da geht es dann um Rentier-Probleme?" Rudi Ratlos: "Hier findest Du alles! Nur keiner findet Dich. Man muss schon ziemlich laut quaken."
Der BX Server: "Oh, wie wohl ist mir am Abend!" Ich nehme ihm das Champagner-Glas weg. Jetzt ist mir klar, warum es manchmal zu diesen Hickups kommt, diesen kurzfristigen unvorhersehbaren Server-Irritationen. © Phil Humor
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Texte: co DAS BRIX-TEAM Ausgabe 2012/11/A09
Lektorat: Signe - Gnies.Retniw
Tag der Veröffentlichung: 24.11.2012
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