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Ein Schatz mit Fantasie


Jahrelang hat Schatz sich die Macken ihrer Familie angesehen. 


Jahrelang hat Schatz sich den Mund fusselig geredet, jahrelang gefragt, ob es zu viel verlangt ist, verschmutztes Geschirr direkt in die Spülmaschine zu räumen, anstatt es obenauf zu stapeln und zu hoffen, das frisch gespülte Geschirr in der Maschine wandert wie von Zauberhand an seinen Platz.


Jahrelang hat Schatz vergeblich versucht, dem mannshohen Wäscheberg Herr zu werden. Jahrelang wuchs er wie von selbst wieder in die Höhe, wenn es Schatz von Schatz nach Wochen endlich mal einfiel, seinen halb mannshohen Wäscheberg an seiner Bettseite dem geschrumpften Schmutzwäscheberg zuzuführen.

 

Jahrelang hat Schatz mit angesehen, wie frisch gewaschene und zusammengelegte Wäsche von Schatzes Schatz, einfach an Ort und Stelle liegen blieb, anstatt sie ordentlich wegzuräumen. 

 

Jahrelang hat Schatz gehofft, irgendwer kommt vielleicht von ganz alleine auf die Idee, sieht diverse Flecken, Staubflusen, Fettspritzer oder einen schmutzigen Teppich und nimmt sich derer an.

Schatz hoffte vergebens.


Erst wenn Schatz rumläuft wie ein Tiefdruckgebiet namens "Ich bin auf 180", fällt es mit viel Glück mal dem Rest der Schatz'schen Familie auf, dass eine Schlechtwetterfront in vollem Anmarsch ist und es nur zwei Möglichkeiten gibt: Sich stillschweigend verziehen und Schatz in Ruhe lassen (wohlgemerkt, die schlechtere Option) oder leidigerweise sich vielleicht doch bequemen und mal den Herd oder Boden zu putzen oder einen Staubsauger nicht nur anzusehen, sondern zu betätigen (die bessere, wenn auch nicht perfekte, Variante).

Jahrelang das selbe Spiel.


Oft wochenlang, aber mindestens tagelang, muss Schatz um Kleinigkeiten bitten, die für Schatz großes bedeuten würden.

Und nach der ewigen Bitterei erwartet man von Schatz dann auch noch große Dankesreden, weil man ja der Bitte (bereits nach sechs mal, anstatt elfmal) nachkam.


Und dann irgendwann spinnt sich Schatz in ihrer Fantasie, die wahrlich sehr ausgeprägt ist, etwas zurecht:


Was wäre wenn.... Schatz nun sämtliche Porzellanteller gegen simple Einweg-Plastikteller ersetzt und das Esswerkzeug wird in Besteck aus feinstem weißen Kunststoff getauscht?

Sorry an die Umwelt, aber ausnahmsweise ist Schatz mal egoistisch und denkt dabei nur ans eigene Wohlbefinden. 

Nach dem Essen bräuchte Schatz nur noch mit dem gelben Sack um den Tisch laufen, sich die benutzten Überbleibsel in die gelbe Tüte werfen lassen. Toll! Schatz schlägt mehrere Fliegen mit einer Klappe, spart Strom, Wasser und sich Arbeit.


Was wäre wenn.... Schatz für den geliebten Morgenkaffee ab sofort nur noch hübsche Pappbecher zur Verfügung stellt, die nach dem dritten Befüllen bereits hoffnungslos erweicht sind und der geforderten Kaffeemenge kaum noch standhalten, ohne sich zuckerklebrig über dem Tisch zu ergießen?

Erneutes sorry an die Umwelt.


Was wäre wenn.... Schatz nur noch leckere, fertige Pressfleisch-Schnitzel aus der Mikrowelle serviert, dazu Kartöffelchen aus dem Glas und das ganze mit einem Sößchen aus der Flasche aufwertet (natürlich auf oben genannten Plastiktellern gereicht), anstatt für deftigen Schweinebraten das Gemüse von Hand schnippelt und darauf achtet, dass das Fleisch die geliebte krosse Kruste bekommt?


Was wäre wenn.... Schatz den Wäscheberg auf wundersame Weise schrumpfen lässt, indem sie der örtlichen Kleiderkammer oder Menschen in Ghana oder wo auch immer, mit den Klamotten ihres Schatzes eine Freude bereitet?


Was wäre wenn.... Schatz die gesammelten Staubflusen der letzten Jahre alle in Säcke gepackt hätte, um sie irgendwann voller Freude auf der Bettseite von Schatzes Schatz zu verteilen?

Als Deko obendrauf dann natürlich die, neben dem Bett, gesammelten Werke von Schatzes Schatz an leerem Schokoladenpapier, leeren Tüten von Erdnüssen und Studentenfutter, verrotzten Papiertaschentüchern und als Krönung die getragenen Socken und Unterbuxen, die ansonsten einsam ihr Dasein neben dem Bett fristen müssten.


Oder noch besser:

Was wäre wenn.... Schatz mit all dem, das Auto von Schatzes Schatz verzieren würde?

Schwarze, getragene Boxershorts würden sich bestimmt prima am chromefarbenen Fang des SUV machen. Und wehende, mit Kordel aneinander gereihte Süßigkeitentüten, gepaart mit (nicht mehr ganz blütenweißen) Papiertaschentüchern, sähen doch an der Anhängerkupplung tadellos aus!


Ach ja....


Aber was wäre tatsächlich, wenn.... Schatz mit all ihrer Fantasie und all ihren heimlichen und öffentlich geweinten Tränen, die sie oft als Heulsuse da stehen lassen, einfach ein paar Sachen ihres bescheidenen Hab und Gutes packt, ihren Lieben daheim unter Tränen einen Zettel auf dem Tisch mit den Worten

"Ich wünsche euch alles Gute, aber ich gehe nun leben!"

hinterlässt und nur noch ihre eigenen Staubflusen zusammenkehrt, ihr eigenes, schmutziges Geschirr spült, ihre eigene Dreckwäsche wäscht und ihre eigenen verheulten und verrotzten Taschentücher entsorgt?


Was wäre wenn....?


Aber wie es oben schon hieß: Schatz hat eine ausgeprägte Fantasie!


Doch manchmal, wenn auch nicht oft (zugegeben, in Disney-Filmen dann doch des öfteren), wird die Fantasie zur Wirklichkeit.


Und jetzt wünscht sich Schatz fast, sie wäre eine Disney-Prinzessin...


Wer jetzt mag, könnte über Schatz und ihre Fantasie vielleicht mal nachdenken, denn was Schatz erwartet, ist noch lange kein Disney-Zauber!





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Tag der Veröffentlichung: 16.03.2018

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