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Flieger, grüß mir die Sonne


Es war ein herrlicher Tag, die Sonne strahlte, der Himmel war blau und kleine Schönwetterwolken zogen ihre Bahnen, als Jack Henderson den kleinen Segelflugplatz in Denver betrat.
Jack war ein großgewachsener Mittvierzieger, dessen Haar schon leicht ergraute und die ersten Falten um die Augen bekam.
Er trug eine Jeans und ein schlichtes weißes T-Shirt. Es war sein freier Tag, welchen er eigentlich seit einiger Zeit jeden Tag hatte, was bedeutete, dass er sich nicht in einen Anzug oder ein Jackett quetschen musste, weil er bei irgendwelchen Kunden den Geschäftsmann mimen musste.
Jack schlenderte fast, als er zu seiner Maschine ging. Dabei kam ihm – immer wieder, wenn er zum Fliegen ging – der Gedanke daran, dass er sich das alles vor zwanzig Jahren noch nicht leisten konnte.
Damals war er noch einfacher Bauarbeiter und verdiente nicht viel. Bei weitem nicht so viel, wie er es heute tat oder Tun würde, wenn er noch einen Job gehabt hätte. Mit Schweiß und harter Arbeit hatte er sich mühsam den Weg nach oben erarbeitet, vom Bauarbeiter zum Polier, vom Polier zum Baustellenleiter und so weiter. Vor fünf Jahren war es schließlich so weit, er bekam die Beförderung zum Stellvertretenden Geschäftsführer. Der eigentliche Geschäftsführer war Donald Rask. Ein alter Hase und einflussreicher Mann in der Branche. Jack arbeitete schon scheinbar eine Ewigkeit für den Alten Donald, sie haben sich immer gut vertragen. Donald war für Jack sowas wie sein Mentor geworden, vielleicht sogar etwas mehr.
Manchmal war Donald wie ein Vater zu ihm. Schon damals, als er noch Jung war, hatte Jack davon geträumt einmal einen Pilotenschein zu machen und mit einem kleinen Segelflugzeug oder einer Cessna einfach durch die Wolken zu treiben. Fern von jeder Art Stress. Und als er es sich endlich erfüllen konnte, hatte er dasselbe Gefühl, wie in diesem Augenblick als er an diesem sonnigen und warmen Tag den Flugplatz betrat.
Es war eine Art innerer Euphorie, eine Vorfreude auf das bevorstehende Abenteuer. Denn als solches sah er das Fliegen, für Jack war und wird es immer ein Abenteuer bleiben, sein Abenteuer.
Schließlich erreichte Jack seine Maschine, eine Cessna 724. Sie war ein Prachtstück. Sie war vom Rumpf bis hin zu den Flügeln weiß lackiert. Lediglich ein Roter streifen zierte jeweils die Seiten des Rumpfes. Der Propeller an der Schnauze der Maschine war glänzend schwarz. Ein Ferrari hätte nicht schöner sein können. Jack ging einmal um die Maschine herum, um einen groben Check vorzunehmen. Sicher hatte sich das Mechanikerteam um die Maschine gut gekümmert, schließlich bezahlte Jack sie ja auch dafür, dass sie sie in regelmäßigen Abständen warteten. Aber er ging immer auf Nummer sicher, es konnte ja immer etwas sein, was nicht sofort erkannt oder übersehen wurde. Nachdem er seinen Rundgang gemacht hatte, öffnete er die Tür und stieg ein. Der Sitz des Piloten war mit Leder bezogen und vor kurzem erst neu eingefettet worden, dass konnte Jack an dem frischen Ledergeruch erkennen, der ihn empfing, als er sich darauf setzte. Auch das Armaturenbrett war in einwandfreiem Zustand. Jack bekam das Gefühl, als wäre es das erste Mal, dass er in einem Flugzeug auf dem Sitz des Piloten saß. Dabei hatte er inzwischen schon mehr als einhundertundfünfzig Flugstunden hinter sich. Dennoch war es herrlich. Er schloss die Tür und startete den Motor, dann griff er zum Funkgerät und bat den Tower um seine Starterlaubnis. Es dauerte etwa fünf Minuten bis er sie bekam. In dieser Zeit kontrollierte er noch einmal alle Instrumente vor sich. Schließlich bekam er seine Startfreigabe. Jack löste die Bremsen und rollte zur Startbahn. Das gedämpfte Geräusch des laufenden Motors und das Flappen der sich wild drehenden Propellerblätter, ließen Jack eine Gänsehaut bekommen. Denn er wusste, dass es sein letzter Flug sein würde. Als er die Startbahn erreichte und grünes Licht zum Start bekam, gab er Schub und die Maschine raste los. Der graue Asphalt flog unter ihm hinweg, die Maschine wurde immer schneller und schneller und bekam schließlich den nötigen Auftrieb und erhob sich in die Lüfte. Der Tank war voll und das Ziel hatte Jack noch nicht bestimmt. Er war in der Luft, das war alles was ihn in diesem Moment interessierte. Unter ihm erstreckte sich die Stadt, mit all ihrer Eile und Hektik. Er konnte die Staus auf den Schnellstraßen sehen. Die Menschen, die wie Ameisen geschäftig ihren Alltag bestritten. Ihr armen Schweine, wenn ihr nur den Hauch einer Ahnung haben würdet wie schön es doch hier oben ist, dachte Jack und lächelte.
Ja hier oben war die Welt noch in Ordnung, hier konnte man seinen Gedanken nachgehen ohne gestört zu werden. Kein Telefon, welches ununterbrochen klingelte, keine Sekretärin, die einen ständig an irgendwelche Termine und Besorgungen erinnern musste. Keine nervigen Gespräche mit potenziellen Kunden, die im letzten Moment dann doch absprangen, weil sie einen vermeintlich billigeren Unternehmer kannten.
All das gab es in den Wolken nicht, dort war man allein, allein mit sich selbst und seinen Gedanken. Für Jack gab es nichts besseres, als das Fliegen, um seine Gedanken in die richtigen Bahnen zu leiten, auch wenn es sich um schlechte handelte, weil man Probleme hatte. Er war überzeugt, dass man in den Lüften für jedes Problem eine Lösung findet. Und Probleme hatte er, soviel war sicher.
Eigentlich fing alles eine Woche zuvor an. Es war ein Freitag, kein besonderer Tag für ihn, als das Telefon in seinem Büro klingelte. Am anderen Ende teilte ihm seine Sekretärin mit, dass er von Donald erwartet würde. „Sicher, sagen sie ihm, dass ich mich sofort auf den Weg mache“, sagte er und legte wieder auf. Dann erhob er sich von seinem Stuhl, streifte sich sein Sakko über und verlies sein Büro.
Sicher er war Stellvertretender Geschäftsführer aber, wenn es darum ging mit dem Big Boss zu reden, gab es keinen Grund sich lange Bitten zu lassen. Zumal wenn ein Gespräch unter vier Augen, äußerst selten vorkam, jedenfalls in der letzten Zeit. Wenn er jemanden zum Gespräch bat, dann hatte es auch wichtige Gründe. Jack schloss die Tür seines Büros hinter sich und ging an dem kleinen Schreibtisch von Agnes Wilson, seiner Sekretärin, vorbei, lächelte sie kurz an und zwinkerte ihr zu. Agnes war vielleicht gerade mal Anfang Dreißig, aber sie war Süß, wie Jack fand. Als sie ihn ansah lächelte auch sie und auf ihren Wangen erblühten kleine rote Flecken. Süß aber schüchtern, dachte Jack noch bei sich als er den langen Flur betrat, der ihn zu den Aufzügen führte. Die Etage auf der er arbeitete, war eher schlicht und einfach eingerichtet. Die Wände waren Beige mit einem Stich ins Ocker und der Boden war mit einem weichen Velourteppich ausgelegt. Hier und da hingen ein paar Bilder an den Wänden, um das Ambiente noch ein wenig zu fördern. Jack aber fand sie nur scheußlich.
Donalds Büro lag eine Etage über Jacks. Und Jack hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, den Aufzug zu benutzen, auch wenn es über die Treppe schneller gehen würde. Sein Motto war, warum unnötig Energie verschwenden, wenn man diese für seine Arbeit gebrauchen kann. Jack drückte auf die Ruftaste und wartete, bis der Aufzug kam. Aber irgendwie war ihm Mulmig zumute. Er konnte sich nicht erklären warum, aber es war so. Als die Türen sich öffneten und Jack in die Kabine trat, kam ihm dieses Gefühl fast greifbar vor. Jack schüttelte es aber ab und dachte sich nichts weiter dabei.
Was sollte denn schließlich Passieren?
Donalds Büro befand sich direkt gegen über dem Fahrstuhl, an der Tür – welche aus dem gleichen Holz wie die seines eigenen Büros bestand – konnte man in großen Lettern seinen Namen lesen. Jack klopfte und wartete darauf herein gebeten zu werden. Donald hatte keine Sekretärin, weil er ihnen nicht vertraute, er war der Meinung, dass ein Mann sich nicht abhängig machen sollte, schon gar nicht von einer Frau. Deshalb verstand er Jack auch in diesem Punkt nicht.
„Herein“. Donalds stimme war tief, befehlsgewohnt und voll im Klang. Jack öffnete die Tür und trat ein.
„Ah Jack, da bist du ja. Komm und setz dich“, sagte Donald, als Jack das Büro betreten hatte. Blickpunkt in diesem Büro war eindeutig der große weiße Eichentisch, eine Sonderanfertigung, die Donald sich eine Stange Geld hat kosten lassen. An der Wand, gegenüber dem großen Fenster mit Ausblick auf die City, hing ein Bild, welches eine grüne Sommerlandschaft zeigte. Jack nahm gegenüber von Donald auf einen der Stühle Platz und ihn überkam wieder dieses komische Gefühl in der Magengegend. Donald, der sonst so locker und fröhlich war, wirkte an diesem Tag irgendwie in sich gekehrt und bedrückt. Sein ohnehin schon altes Gesicht, war noch älter geworden, seine blauen Augen lagen tief in ihren Höhlen und wirkten trüb. Donalds graues Haar, war nicht wie sonst gepflegt nach hinten gekämmt, sondern stand ihm vom Kopf. „Hallo Donald, du wolltest mich sprechen, gibt es etwas besonderes?“, fragte Jack. Donald atmete hörbar tief ein.
„Ja es geht um etwas besonderes, wenn du mich so fragst. Es ist etwas geschehen worüber wir uns unterhalten müssen“. Nun konnte Jack die Bitterkeit in seiner Stimme hören. Er hat Donald nie sehr oft in diesem Ton sprechen hören, aber er konnte nicht sagen, dass er es nicht hatte. Und jedes Mal wenn er es hörte, handelte es sich um etwas sehr unerfreuliches.
„Dann schieß mal los“, sagte Jack und versuchte dabei nicht aufgeregt zu klingen, was irgendwie klappte, wie er feststellen konnte. Wieder atmete Donald hörbar ein. „Du kannst dich doch sicher noch an den Matterson – Auftrag erinnern?“, fragte Donald. Jack nickte und fragte sich was damit war. „Gut, Raul Matterson hat mich gestern persönlich angerufen. Er teilte mir mit, dass er sich von einem anderen Unternehmen ein besseres Angebot hat machen lassen. Du kannst dir sicher Vorstellen wie mich das getroffen hatte. Schließlich war dieser Auftrag unser letzter Strohhalm an den wir uns geklammert haben, jedenfalls was mich betrifft. Er hätte uns aus dem gröbsten Verlusten der letzten Monate wieder heraus gebracht. Du kannst dir sicher auch Vorstellen, dass ich mit Engelszungen auf ihn versucht habe einzureden, ich habe ihm sogar gesagt, dass wir mit unserem Angebot herunter gehen würden, wenn er sich für uns entscheiden würde. Aber es hat alles nichts gebracht, ich konnte ihn nicht davon überzeugen es sich anders zu überlegen“. Donalds Stimme wurde zum Ende hin ein wenig brüchig und es machte den Anschein, als stünde er den Tränen nahe.
„Und was hat das nun zu bedeuten, dass du mich hast hier her kommen lassen?“, wollte Jack wissen und sah Donald dabei unverwandt in die Augen. Donald erwidert seinen Blick aber nicht, stattdessen drehte er sich in seinem Stuhl und wandte sich zum Fenster. „Die Sache ist die, Jack. Dieser Auftrag war unsere letzte Chance wieder Fußzufassen. Unsere letzte Möglichkeit die Firma zu halten“. „Soll das etwa heißen…“ sagte Jack fassungslos. „Ja Jack, so leid es mir tut, ich muss dich und all die anderen Entlassen!“
Nun war es an Jack tief einzuatmen. Entlassen? Er? Nein, das konnte nicht sein. Er hatte sein halbes Leben für Donald gearbeitet und jetzt sollte dass alles vorbei sein? Das Musste ein schlechter Traum sein. Ja! Gleich würde er aufwachen und nichts von alldem wäre geschehen. Doch es war kein Traum.
„Aber Donald, das kann doch nicht dein ernst sein“, sagte Jack schließlich. Donald lachte mitleidig. „Nicht mein Ernst? Was soll ich denn anderes machen? Wir haben keine Kunden mehr und neue sind auch nicht in Sicht. Seit dem es zu dieser Krise in der Wirtschaft gekommen ist, gingen uns die Aufträge flöten“. „Ich weiß, aber es kann doch unmöglich so schlimm sein. Ich meine, wir können doch …“
„Wir können einen Scheiß“, unterbrach ihn Donald. „Ich kann nur für dich hoffen, dass du etwas auf der hohen Kante gelegt hast“.
„Sicher habe ich dass“, sagte Jack dann wie auf Befehl, aber er wusste, dass er damit nicht sehr weit kommen würde. Vielleicht zwei oder sogar drei Monate, aber dann wären alle Ressourcen aufgebraucht und bei der heutigen Lage würde er nicht so schnell einen neuen Job bekommen. Vor allem stellte sich Jack aber die Frage, was seine Frau Nadine dazu sagen wurde. „Donald, das kann nicht dein letztes Wort sein. Es muss doch noch eine andere Möglichkeit geben. Eine, bei der alle beteiligten was davon haben“, sagte Jack und klang in diesem Moment einer Verzweiflung nah. „Herr Gott, Jack! Glaubst du denn allen Ernstes, dass ich nicht darüber nachgedacht habe? Glaubst du das wirklich? Wenn ja, dann kann ich dir sagen, dass du auf dem Holzweg bist. Ich habe alles aus jedem nur erdenklichen Blickwinkel betrachtet, es gibt keine andere Möglichkeit“, sagte Donald und schrie Jack fast an. Deutlich konnte Jack die Wut in Donalds Gesicht sehen und für einen Moment schreckte er vor ihm zurück. „Sicher hast du dass, ich verstehe schon“, sagte Jack und erhob sich. „Ja, habe ich und glaub mir das ist die beste Lösung“, sagte Donald, dieses Mal wieder ruhiger.
Jack blieb kurz vor der Bürotür stehen, die Klinke in der Hand. Dann drehte sich Jack noch einmal zu Donald um, Wut verzerrte seine Gesichtszüge. „Es ist die beste Lösung? Für wen du Drecksack? Für dich? Für Mich? Für einen der anderen Angestellten? Ich denke dass, du deine Schäfchen schon vor geraumer Zeit ins trockene gebracht hast, hab ich damit nicht recht. Dir ist es also scheißegal was aus mir, der Firma die wir zusammen aufgebaut haben oder sonst wen wird“. Donald sah Jack gelassen an und hob nur die Schultern zum Zeichen, dass er vielleicht recht haben könnte. Das machte Jack noch wütender, am liebsten hätte er Donald gepackt und erwürgt. Stattdessen drehte er sich um und verließ das Büro schnellen Schrittes.
Das war sein erstes Problem, stellte Jack nun fest während er langsam über die Skyline von Denver flog. Obwohl bei genauere Betrachtung auch wieder nicht, er hatte sich schließlich darum gekümmert. Genau wie er sich um seine Frau gekümmert hatte. Jack zog den Steuerknüppel ein wenig nach links und flog eine Schleife. Als er wieder eine Gerade flog, sah er auf die Tankanzeige. Die Hälfte des Treibstoffs hatte er schon verbraucht. Ein kleines Lächeln machte sich auf seinen Lippen breit. Denn er wusste, dass sein Treibstoff genau reichen würde, um wieder den Flugplatz zu erreichen, aber das war nicht sein Ziel. Er wollte woanders hin. Aber das würde noch etwas dauern, also gab er sich wieder seinen Gedanken hin.
Vor zwei Tagen – vor seinem Flug – fasste er den Entschluss endlich seiner Frau Helen die Wahrheit zu sagen, dass er nun keinen Job mehr hatte und sie etwas kürzer treten müssten. Er wollte es ihr aber schonend beibringen und nicht direkt mit der Tür ins Haus fallen, dass hatte sie verdient.
Also rief er sie an, aber sie meldete sich nicht. Jack dachte sich nichts dabei, vielleicht war sie im Garten und pflegte ihre Blumen, die sie so abgöttisch liebte oder hatte einen der Nachbarn getroffen und hielt nun einen Plausch mit ihm.
Jack beschloss an diesem Tag früher nach Hause zu gehen, schließlich brauchte er ja sowieso nicht mehr lange zu Arbeiten. Außerdem, was wollte Donald dagegen tun wenn er früher ging? Ihm die Kündigung geben? Dieser Gedanke ließ in ihm eine Lachsalve aufkeimen, die er nur mit Mühe unterdrücken konnte, als er das Büro verließ.
Als er schließlich in seinem Wagen die Straße nach Hause entlangfuhr, konnte er es nicht mehr halten. Er lachte so schallend, das ihm Tränen in die Augen traten, welche seine Sicht einschränkten. Aber das war ihm egal. Er konnte einfach nicht anders, es war als würde sich eine große Last von ihm Lösen und durch das Lachen, wie Wasser aus ihm herausfließen. Erst nach und nach verebbte es wieder. Zuerst ging es in ein schulmädchenhaftes Kichern über, dann wurde es zu einem Glucksen und hörte schließlich ganz auf.
Als er seinen Wagen in die Einfahrt setzen wollte, war es ganz vorbei, auch die Lust dazu war verschwunden. An ihrer Stelle trat ein anderes Gefühl, Argwohn. An der Stelle an der er immer seinen Wagen abstellte stand nun ein anderes Auto, es war ein Mercedes. Es hatte nicht ganz die Höchstklasse, aber es war auch keines von den billigeren Modellen. Im Gegensatz zu seiner eher schlicht wirkenden Ford Limousine, wirkte der Mercedes äußerst unpassend in der Auffahrt. Jack schlug das Lenkrad ein und steuerte wieder zurück auf die Straße und suchte sich einen anderen Parkplatz. Dabei fragte er sich, wem wohl das Auto gehören mochte. Aus seinem näheren Bekanntenkreis, kannte er niemanden, der so einen Wagen besaß.
Jack parkte ein Stück die Straße hinauf, stellte den Motor ab und stieg aus. Ein ungutes Gefühl machte sich wieder in seinen Eingeweiden breit, genauso wie, als er zu Donald ins Büro gerufen wurde. Er kramte in seinem Jackett nach dem Schlüssel, als er die Einfahrt überquerte und zur Tür ging. Kurz ließ er noch einmal seinen Blick über den silberglänzenden Wagen schweifen und überlegte angestrengt, ob er nicht doch jemanden kannte, der so einen Wagen fuhr. Irgendwo, tief in seinem Gedächtnis kam ihm eine vage Erinnerung. Er war einmal mit Helen auf einem Wohltätigkeitsbrunch eingeladen worden. Es war eine Idee von Donald. Dort lernten sie einen dieser schmierigen Anwälte aus der Stadt kennen. Sein Name war William Stegman. Er war etwa Vierzig, hatte streng nach hinten gekämmtes pomadiges Haar, trug eine Brille und sein Gesicht war stets frisch rasiert. Er erzählte ihnen, wie schlecht es doch der Wirtschaft gehen würde und das Jack aufpassen müsse, wenn er nicht seine Kariere vorzeitig beenden wolle. Dann unterhielten sie sich mit ihm über alles Mögliche – Jack nur um der Etikette willen, denn er konnte William auf Anhieb nicht leiden – über das Wetter, darüber das die Kriminalität in der letzten Zeit gestiegen war und natürlich über Autos. Und wenn Jack sich nicht irrte, hatte er ihm erzählt, dass er einen solchen Wagen führe. Aber das war bestimmt nur Einbildung, dachte Jack und schob den Gedanken wieder beiseite als er die Tür aufschloss. Im inneren war nichts zu hören, der Flur erstreckte sich vor ihm, als er die Tür hinter sich wieder schloss. „Helen? Ich bin wieder zu Hause!“, rief er und seine Stimme hallte durch den Flur. Doch eine Antwort blieb aus. Das war merkwürdig, wie Jack fand. „Helen?“ Nichts. Alles blieb ruhig. Ein wenig verwirrt ging er ins Wohnzimmer. Auch hier war sie nicht. Das Haus schien verlassen zu sein. Jack ließ sich in einen der Sessel fallen und seufzte. Seine Gedanken überschlugen sich. Wie sollte er anfangen, wie sollte er ihr sagen, dass Donald ihm gekündigt hatte. Er wusste es nicht. Er müsste es einfach drauf ankommen lassen. er dachte sich, das es wohl am besten war einfach zu erzählen, wie Donald ihn in sein Büro gebeten hatte, der Rest würde sicher dann von allein gehen, dachte er sich.
Gerade als er dachte, er hätte einen Anfang gefunden, wurde er von einem Lachen aus seinen Gedanken gerissen. Es war das klare und klangvolle Lachen, was er seit Jahren kannte und in welches er sich Verliebt hatte. „Helen?“, fragte er mehr sich selbst und flüsterte fast. Wieder ein Lachen, aber dieses Mal war es nicht Helen, sondern eindeutig das eines Mannes. Es kam aus dem oberen Stockwerk. Dort befanden sich die Schlafzimmer. Eigentlich hatten sie nur ein Schlafzimmer, das andere Zimmer war nicht mehr als eine Abstellkammer. Jack ging zur Treppe, er bewegte sich dabei wie ein alter Mann, der sich ohne seine Gehhilfe nicht sehr beweglich war, und blieb vor der ersten Stufe stehen. Er blickte nach oben und konnte zwei sich bewegende Schatten sehen. Sie schienen ineinander verschlungen zu sein und kamen auf ihn zu. Jack stand da wie gebannt und er fragte sich was hier vor sich ging. Alles schien in Zeitlupe abzulaufen, eine Sekunde wurde zu einer Minute und eine Minute zu einer Stunde. Jedenfalls kam es Jack so vor.
Schließlich erschienen die Personen deren Schatten er zuvor gesehen hatte am Rand der Treppe. Es war Helen und ein Jack unbekannter Mann. Er hielt sie neckisch in seinem rechten Arm und seine Hand liebkoste ihren Po. Helen kicherte wie ein Schulmädchen, blickte ihm in die Augen und gab ihm einen Innigen Kuss auf die Lippen. Der Mann war größer als sie, hatte volles dunkles Haar und feine Gesichtszüge. Jack schätzte ihn gut zehn Jahre jünger, als sie es war. Er trug ein lässig wirkendes Sakko, ein weißes Hemd und Blue Jeans. Der Mann erwiderte den Kuss mit der gleichen Leidenschaft.
„Helen?“, sagte Jack und rang nach Fassung. Ruckartig blickten beide die Treppe hinab. Das Lächeln, welches Helens Gesicht noch eine Sekunde zuvor geziert hatte, verschwand mit einem Mal. Auch die Geschichtszüge des Mannes neben ihr entgleisten und verwandelten sich in eine Maske des Erstaunens. Mit einem Mal sahen sie aus wie zwei kleine Kinder die bei etwas unartigem erwischt worden waren.
„Jack, du bist schon wieder zu Hause?“, fragte Helen ihn mit entgeisterter Stimme. „Wie du siehst, bin ich das“, sagte er. Der Mann neben Helen begann wieder zu Lächeln. Sein Gesicht sah zwar immer noch erschrocken und etwas blass aus, aber es wirkte dabei freundlich. Dann kam er Langsam und mit vor sich ausgestreckter Hand die Treppe herunter. „Hallo Mr. Henderson. Mein Name ist Michael Green. Es freut mich sie kennen lernen zu Dürfen“. Er klang dabei wie ein schmieriger Autohändler, der versuchte die letzte Schrottkarre an den Mann zu bringen.
Jack stand immer noch am Fuß der Treppe und lies Michael zu ihm kommen. Als er schließlich die letzte Stufe erreicht hatte und praktisch direkt vor Jack stand, ballte Jack seine Faust und schlug Michael mit voller Kraft nieder. Seine Nase sprudelte wie ein kleiner blutiger Brunnen.
„Immer noch erfreut mich kennen zu lernen Michael?“, sagte Jack und seine Wut war deutlich hörbar. Michael kauerte auf Knien vor Jack und hielt sich die blutende Nase.
„Mein Gott Jack, was hast du getan?“, keifte plötzlich Helen und kam mit eiligen Schritten zu ihnen herunter. Sofort beugte sie sich nach Michael, was Jack noch wütender machte. Wieder holte er aus aber dieses Mal nicht mit der Faust sondern mit der flachen Hand und gab seiner Frau eine schallende Ohrfeige. Jack hatte in seinem ganzen Leben noch niemals eine Frau geschlagen und hätte auch nie gedacht es einmal zu tun. Dennoch war es ihm in diesem Moment völlig egal. Helen schrie einmal kurz auf, sackte zurück und landete mit dem Hintern, den dieser Typ noch vor wenigen Minuten berührt hatte, auf den Boden. Ihre Augen waren weit aufgerissen und blickten fassungslos zu Jack auf. „Na war es denn schön du Fotze?“, fragte Jack und lies seiner Wut und seinem Zorn freien Lauf. „Ich … ich weiß nicht wovon du redest“, sagte sie kleinlaut und hielt sich ihre Wange auf der man deutlich den Handabdruck von Jack wiedererkennen konnte. Inzwischen hatte sich Michael wieder von dem Schlag erholt und er richtete sich wieder auf. Sternchen tanzten für einen Augenblick vor seinen Augen und ihm war etwas schwindelig, aber es war nicht so schlimm, wie er es gedacht hatte. „Was fällt ihnen ein mich und ihre Frau zu schlagen? Haben sie den Verstand verloren?“, sagte Michael und gab Jack einen Stoß, sodass er einen Schritt nach Rückwärts machte. Das war der Moment in dem das Fass überlief und Jack seine Objektivität für die Dinge verlor. Jack sah nur noch Rot und sprang Michael an. Er packte ihn bei den Schultern, zog ihn etwas nach vorn und rammte ihm sein Knie in den Unterleib.
Michael stieß ein erstauntes und schmerz erfülltes Grunzen aus und klappte wie ein Taschenmesser zusammen. Jack wollte nachfassen aber Michael drehte sich in letzter Sekunde weg und Jack griff ins Leere. „Verdammt“, fluchte er und ging einen Schritt zurück um sich wieder neu zu orientieren. Aber da packte ihn schon Michael und nahm ihn in den Schwitzkasten. Jack hätte vermutet, dass er sich nicht so schnell von seinem Tritt erholen würde, doch war Michael durch aus dazu in der Lage. Jack versuchte sich aufzubäumen und so seinen Gegner abzuschütteln, aber das gelang ihm nicht, weil Michael ihn wie eine Puppe herumwirbelte. Jack versuchte auf den Beinen zu bleiben, doch konnte er das Gleichgewicht nicht halten. Er stürzte der Länge nach auf den Boden. Sein linkes Knie schlug dabei schmerzhaft gegen den Rahmen der Wohnzimmertür.
Als Jack sich wieder aufrichten wollte, stürzte Michel auch schon wieder auf ihn. Er packte Jack bei den Haaren, riss seinen Kopf hoch und schlug ihm mit der andern Hand kraftvoll ins Gesicht. Jacks Lippen platzten sofort wie ein Würstchen auf dem Grill und er konnte Blut schmecken. Die Wucht des Schlages beförderte ihn direkt in das Wohnzimmer. Nun konnte Jack Helen kreischen hören, dass sie damit aufhören sollten, sonst würde sie die Polizei rufen. Aber das war ihm egal. Der schlag hatte ihn von den Füßen geholt und er lag nun seitlich auf dem dicken Teppichboden. Blut tropfte auf das helle Velours aus seinem Mund. Die Flecken werde ich wohl nie mehr raus kriegen, dachte Jack noch belustigt und drehte sich auf den Rücken. Aber noch bevor er sich wieder aufrichten konnte war auch schon Michael über ihm. Mit den Knien drückte Michael Jack auf den Boden, sodass dieser sich nicht mehr rühren konnte. Jack sah nun in das blutbeschmierte Gesicht von Michael.
In seinen Augen konnte er deutlich die Wut sehen, die er nun empfand. Jack versuchte seine Arme unter Michael hervor zu bekommen, doch ohne Aussicht darauf dass das Klappen würde. Denn Michael nutzte sein ganzes Gewicht, um ihn am Boden zu halten. Jack versuchte sich zu drehen und zu winden, aber er bewirkte nichts damit. Schließlich holte Michael noch einmal mit der Faust aus. Jack konnte gerade noch im letzten Augenblick seinen Kopf soweit zur Seite drehen, dass der Schlag dicht an seinem Ohr vorbei ging und Michael auf den Boden schlug. Jack sah wie er das Gesicht vor Schmerz verzog und dann seine Hand ruckartig wieder zurück riss. Helen schrie wieder, sie sollen endlich aufhören. Jacks Kopf surrte bei ihrer Tonlage. Dann zog er mit aller Kraft seine Beine an und hämmerte seine Knie mit voller Wucht in Michaels Rücken. Dieser grunzte kurz, versuchte sich auf Jack zu halten, verlor das Gleichgewicht und kippte wie ein nasser Sack vorn über.
Dann ging alles sehr schnell. Jack konnte gerade noch sehen wie Michael nach vorn über ihn kippte und er spürte wie das Gewicht von seinen Schultern schwand, dann hörte er noch Helen schreien, etwas wie „Oh Gott, nein!“, und dann hörte er Glas zersplitterte. Der unverkennbare Klang einer Fensterscheibe, die Bekanntschaft mit einem Stein gemacht hat. Dann wurde es Dunkel für Jack, denn Michaels Schritt landete auf seinem Gesicht, zuckte wie wild, als wollte er noch einmal kurz vor dem Orgasmus kräftiger werden und blieb dann reglos liegen. Jack bekam keine Luft mehr und ein Würgen vom Magen aus her stieg in seinem Hals vor ekel auf. Dann packte er Michaels Hüfte und schob sie wuchtig beiseite. Hechelnd schnappte er nach Luft und rollte sich zur Seite. Helen kreischte nun, sie war völlig hysterisch. „Oh mein Gott, oh mein Gott, oh mein Gott“. Jack verstand nicht was geschehen war, er war lediglich froh wieder frei Atmen zu können. Helen schien sich nun in eine immer wiederkehrende Litanei hinein gesteigert zu haben. Jack rappelte sich, auf Händen und Knien, vom Boden auf. „Meine Güte halt endlich dein verfluchtes Maul“, sagte Jack und wand sich Helen zu, die mit weit aufgerissenen Augen und totenblassen Gesicht auf eine Stelle hinter Jack starrte. Er ging auf sie zu, holte aus und gab ihr eine Ohrfeige. Sofort verstummte sie und Stille, wohltuende Stille, beherrschte wieder den Raum. Helen legte sich die Hände an die Wangen und blickte Jack geistlos an.
Dann setzte sie langsam einen Schritt zurück, dann noch einen. Als sie im Flur stand drehte sie sich ruckartig um und rannte wieder die Treppe empor. Jack sah ihr nach und machte sich keine weiteren Gedanken um sie. Stattdessen drehte er sich um, um zu sehen was mit Michael war, aber vor allem was so schrecklich geklirrt hatte. Was er sah, erschreckte und erfreute ihn gleichermaßen. Michael lag Bäuchlings auf dem Boden in einer sich immer weiter ausdehnenden Blutpfütze. Jack erkannte, dass Michael, als er ihn im Rücken traf und er vorn über kippte, nicht rechtzeitig seine Arme strecken konnte um seinen Sturz abzufangen. Stattdessen schlug er mit seinem Gesicht auf den Glastisch des Wohnzimmers. Beim Aufprall zerbarst die Scheibe in tausend Stücke, die sich mit Leichtigkeit in seinen Hals, Gesicht und Augen bohrten. Eine der Scherben hatte sich komplett durch seinen Hals gebohrt, sodass ihre blutige Spitze sich im Nacken wieder hinaus schob.
„Das kommt davon, wenn man die Frauen anderer Männer fickt“, sagte Jack verachtend, spie einen Tropfen Blut von seiner Lippe auf den Teppich und wand sich vom Leichnam ab. In diesem Moment kam ihm ein Gedanke in den Sinn. Dies war die Lösung all seiner Probleme, er müsste nur alle die ihm in seinem werden behinderten aus dem Weg räumen. Und wenn er es sich recht überlegte, hatte er ja schon mit dem ersten angefangen. Als nächstes müsste er sich um seine Frau kümmern, soviel war sicher. Aber wo war sie hingerannt? Die Treppe rauf, ja. Sie würde sich bestimmt in einem der Schlafzimmer versteckt halten und drauf hoffen, dass er sie nicht fand.
Also ging Jack langsam zum Ende der Treppe, griff den Handlauf und machte sich daran in den ersten Stock zu gehen. In ihm breitete sich eine vollkommene Ruhe und Gelassenheit aus. Es war als wär er Herr aller Dinge und nichts könnte ihn jemals aufhalten. Als er den obersten Rand der Treppe erreichte hatte er die Qual der Wahl. Entweder ging er nach links oder nach rechts. Die Zimmer lagen jeweils am entgegen gesetzten Ende des Flures der ersten Etage.
Jack fragte sich, welches sie wohlgenommen hatte und entschied sich dann das Rechte zu nehmen. Wie sich heraus stellte, war es das Falsche.
Seine Frau war im Zimmer auf der anderen Seite und spähte durch den schmalen Türschlitz nach ihm. Sie sah wie er sich langsam von Ihr entfernte und sie hoffte, dass sie schnell genug war an ihm vorbei zu kommen, wenn er an der Treppe vorbei auf der anderen Seite des Flures war. Sie wusste die Chancen standen 50:50. Aber sie hatte wenigstens das Überraschungsmoment auf ihrer Seite.
„Komm Raus, komm raus wo immer du bist“, sagte Jack und klang dabei, als würde er ein Spiel spielen. Schließlich trat der Moment ein auf den seine Frau gewartet hatte, er erreichte die Tür am anderen Ende und legte seine Hand auf den Knauf. Sie überlegte nicht lange, zog die Tür hinter der sie Stand auf, so dass sie mit voller Wucht gegen die Wand daneben schlug und rannte los. Jack zuckte bei dem Knall ein wenig zusammen und drehte sich sofort in die Richtung aus der er hergekommen war und sah seine Frau, sprintend, wie ein Hochleistungssportler über den Flur zur Treppe jagen.
„So nicht Fräulein!“, sagte er und sprintete ebenfalls los. Für einen kurzen Augenblick, sah es so aus als würde sie es schaffen, als erste die Treppe zu erreichen, doch Jack war schneller. Sie trafen fast zur gleichen Zeit am Rand der Treppe zusammen. Jack packte sie bei den Haaren und schleuderte sie zurück in den Flur. Sie schrie vor Angst und Schmerz, als sie auf den harten Boden landete.
„Hast du wirklich geglaubt ich lass dich damit einfach so durchkommen?“, fragte Jack und ging auf sie zu. Sie sagte nichts, sie kroch lediglich auf Händen und Füßen rücklings vor ihm weg.
„Ich frage mich nur warum? Habe ich dir nicht alles gegeben was du brauchtest? War dir alles, was ich für dich getan habe nicht genug?“ Langsam begann seine Stimme zu flattern, brüchiger zu werden. Sie kroch weiter vor ihm weg bis sie schließlich die Wand hinter ihr erreichte und davor stieß. „Gib mir gefälligst eine Antwort, du Miststück! War alles nicht genug für dich?“ Jack war nun alles andere als die Ruhe selbst. Ihn ihm herrschte ein Feuer der Wut, des Zornes, des Hasses.
Er ging weiter auf sie zu und erreichte sie schließlich. Er wollte nun keine Antworten mehr, er wollte nur eines. Er wollte ihr weh tun, so wie sie ihm weh getan hatte. Er beugte sich über sie, packte sie bei den Schultern so fest er konnte und zog sie vom Boden. Sie schrie wieder, nein kreischte und Jacks Ohren klangen.
„Halt deine verdammte Schnauze, du elende Schlampe“, sagte er holte mit seiner Faust weit aus und schlug auf sie ein. Der erste Schlag traf sie mitten im Gesicht. Sofort merkte sie einen stechenden Schmerz im Bereich ihrer Nase und im Nächsten Augenblick spürte sie auch schon das warme Blut aus ihr hervor laufen. Sterne tanzten vor ihren Augen und ihr schrei verstummte mit einem mal. Der nächste Schlag traf sie an der Schläfe und die Sterne vor ihren Augen verdichteten sich zu einer komplexen Galaxie. Sie versuchte sich zu wehren, aber dazu war sie zu benommen. Jack packte sie wieder bei den Haaren und schleuderte sie herum. Die Welt vor ihren Augen, glich der Aussicht auf einem Karussell, nichts hatte mehr wirkliche Konturen, alles wurde zu einem Schemen. Das letzte was sie Mitbekam, war der Absatz der Treppe. Dann drehte sich alles, sie sah die Decke des Flures, dann wieder den Boden. Im nächsten Augenblick spürte sie einen unglaublichen Schmerz in ihrem Linken arm, dann im Bein und schließlich wurde alles schwarz um sie herum.
Jack stand am oberen Ende der Treppe und sah nach unten, wo seine Frau mit unnatürlich nach hinten gedrehtem Kopf liegen geblieben war, nach dem sie jede Stufe hinab gerollt war. Blut lief ihr aus Nase, Mund und Ohren und bildete eine sich langsam ausbreitende Pfütze. Jack sah eine Weile auf den Leichnam seiner Frau. Er dachte dabei an nichts besonderes, ihm viel nur auf, dass er keinerlei Reue empfand. Sicher, er war mit ihr verheiratet gewesen, aber hieß es nicht bis das der Tod uns scheidet? Wenn dem so war, war er jetzt geschieden.
Bei diesem Gedanken schlich sich ein Lächeln auf sein Gesicht. Und er dachte daran, dass er nun auch sein zweites Problem bewältigt hatte. Fehlte also nur noch eines und da hatte er auch schon eine Idee. Jack machte einen Ausfallschritt am Fuß der Treppe und stieg über die Leiche hinweg, dann ging er in aller Seelenruhe zur Haustür, öffnete sie und verließ das Haus. Seitdem waren drei Tage vergangen und noch hatte niemand etwas bemerkt. Und selbst wenn, hatte er nichts davon gehört. Jetzt, wo Jack hier über den Wolken flog war es ihm auch egal, ihn würde niemand mehr für irgendetwas zur Rechenschaft ziehen können. Die Stadt unter ihm wurde größer. Aber nur weil er nun tiefer Flog. Er wusste genau dass er nur einen Versuch haben würde, um auch sein letztes Problem zu Lösen. Es kam auf das genaue Timing und die Höhe an, dann würde der Rest keinerlei Schwierigkeiten machen.
Jack blickte auf seine Armbanduhr, es war gleich 12.00 Uhr genau die richtige Zeit, dachte er sich, wie in einem Western mit Clint Eastwood oder sonst einem bekannten Westerndarsteller. Die Motoren summten ihren stetigen Ton und liefen einwandfrei. Die Cockpitanzeigen zeigten perfekte Höhe und Geschwindigkeit. „Ja so soll es sein“, sagte Jack zu sich selbst und war mit sich und der Welt im Reinen.
Er blickte nach draußen und konnte das Gebäude sehen, es war direkt vor ihm und wurde immer größer und größer. Es war sein alter Arbeitsplatz und er kannte das oberste Büro nur allzu gut. Das war das Büro von Donald, an diesem Ort hatten alle seine Probleme erst angefangen. Jack konnte das Gesicht von Donald deutlich vor seinem geistigen Auge sehen, in seiner Vision lachte Donald herzlich. Wieder stieg in Jack der Zorn auf. Und er fragte sich, was Donald wohl denken mochte, wenn er die rotierenden Propeller seiner Maschine sehen würde, die sich unerbittlich auf ihn zu bewegten. Jack hoffte seine letzten Gedanken wären die, das es ein Fehler war Jack zu Kündigen. Nun war das Gebäude so nahe, dass Jack nichts anderes in seinem Cockpitfenster mehr sah.
„Nun habe ich keine Sorgen mehr“, sagte er zu sich und begann das alte Fliegerlied „Flieger, grüß mir die Sonne“ zu summen. Genau mit dem letzten Ton der ersten Strophe, krachte das Flugzeug ins Gebäude und verpuffte in einem Feuerball.

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Texte: Text: Brian Oehlschlägel
Tag der Veröffentlichung: 01.03.2011

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