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Grandpa´s Keller



Wenn jemand mir sagte er habe Angst davor in den Keller zu gehen, dann kann ich dem nicht wiedersprechen. Keller haben etwas an sich was den Menschen zum Fürchten bringt. Und ich finde, das es eine gute Sache ist Angst davor zu haben, denn man weiß nie was einen dort erwartet. Ich wusste es damals, als ich noch ein kleiner Junge war auch nicht und um ehrlich zu sein, hat es mich auch nicht sonderlich interessiert. Sicher das hört sich jetzt verrückt an, aber sie können mir glauben ich weiß wovon ich rede.
Mein Name ist Edmond Crocker und diese Geschichte habe ich noch nie jemanden erzählt. Warum? Nun vielleicht weil ich Angst hatte, das mich niemand ernst nehmen würde. Vielleicht aber auch, weil ich nicht wollte, das man mich für verrückt hielt. Sicher das sind egoistische Gründe, aber ich bin halt nun mal so gestrickt.
Ich kann mich noch daran erinnern wie es damals gewesen war. Ich war gerade zehn geworden und hatte einen kleinen Werkzeugkasten von meinem Grandpa zum Geburtstag geschenkt bekommen. So ein Ding wo die Werkzeuge aus Holz waren, mit einem Hammer, einem Schraubendreher und so´n Zeug. Ich weiß noch wie stolz ich darauf war, als Grandpa ihn mir mit einem Lächeln übergab.
Er sagte mir, dass wenn ich genug damit spielen würde, bestimmt einmal ein guter Handwerker werden würde, wenn ich einmal groß wäre. Das glaubte ich ihm, schließlich war er mein Grandpa und viel erfahrener als ich es war.Und ich liebte ihn.
Also bastelte ich fast jeden Tag damit herum. Ich schaffte es sogar, mit ein wenig Hilfe von meinem Vater ein kleines Vogelhäuschen zu bauen. Als es fertig war hängte ich es nicht in einen Baum damit es seinen Zweck erfüllen konnte, nein, ich packte es mir unter den Arm, und lief zu meinem Grandpa, um es ihm zu zeigen.
Mit stolz geschwellter Brust stellte ich mich vor ihm und zeigte ihm mein Werk. Grandpa war ein großer, breitschultriger Mann, dessen Haar schon ergraut war. Sein Gesicht war vom Wetter gegerbt und von Falten durchzogen. Er wirkte aber nicht streng, eher im Gegenteil er hatte etwas Liebenswürdiges an sich. Seine blauen Augen strahlten eine gewisse Fröhlichkeit aus.
„Hier Grandpa, schau mal was ich mit dem Werkzeug gebastelt habe“, sagte ich fröhlich, als ich bei ihm war.
Grandpa saß wie gewöhnlich in seinem hohen Sessel in seinem Wohnzimmer und hörte Radio, sicher er hätte auch fernsehen können, aber er fand, dass das Radio besser war. Er lächelte, als ich ihm das Vogelhäuschen gab, damit er es sich ansehen konnte. „Da hast du aber etwas Schönes geschafft, ich möchte wetten, dass es dich viel Zeit gekostet hat, oder?“
„Na ja, vielleicht ein Bisschen“, sagte ich und war geschmeichelt ein so tolles Lob von ihm bekommen zu haben.
„Weist du was Edmond, ich glaube das es wohl das beste Vogelhaus ist was ich je gesehen habe“, sagte er. Ich schlurfte ein wenig mit den Füßen auf dem Teppich und sah verlegen nach unten.
„Na, na. Du brauchst keine falsche Scham an den Tag zu legen. Es ist wirklich sehr gut geworden, du kannst stolz auf deine Arbeit sein, mein Junge“, sagte er, legte das Häuschen zur Seite, und wuschelte mir durch das Haar.
„Weißt du denn schon wo du es aufhängen willst?“, fragte er. Ich überlegte einen Moment. Dann sagte ich: „Wie wäre es denn wenn ich es in deinem Garten aufhänge“. Grandpa lächelte. „Meinst du wirklich dass es nicht besser bei dir zu Hause aufgehängt werden sollte?“. „Nein, das hier soll bei dir bleiben, wenn ich eines für mich haben will, werde ich einfach ein neues machen“, sagte ich und blickte ihn entschlossen an.
„Gut, einverstanden“; sagte er, „Dann lass uns mal in den Garten gehen und es aufhängen“. Das ließ ich mir natürlich nicht zweimal sagen, packte das Häuschen, ging durch das Wohnzimmer in die Küche und wollte durch den Keller in den Garten. Aber Grandpa packte mich bei der Schulter, sein Griff war fest uns schmerzte ein wenig. „Halt! Nicht so schnell, wir gehen außen herum“, sagte er. „Aber warum gehen wir den nicht durch den Keller, das ist doch viel kürzer“, sagte ich. „Weil ich dort unten alles umgestellt habe und noch nicht alles an seinen Platz steht. Ich möchte nicht das du dir den Kopf einrennst, weil etwas im Weg steht, was nicht dort stehen sollte, verstehst du?“, sagte er.
Ich sah ihn verwundert an, aber ich verstand was er meinte und nickte deshalb. Zu diesem Zeitpunkt dachte ich noch nicht daran, dass mir Grandpa etwas verschwiegen hatte. Also gingen wir durch die Vordertür nach draußen umrundeten das Haus und gingen dann in den Garten. Es war ein kleiner gemütlicher Garten, der mit Rasen und zwei kleinen Beeten, in denen Grandpa Rosen zog, versehen war. In der Mitte stand ein alter prächtig aussehender Baum. Leider weiß ich nicht welche Art es war, aber nie werde ich vergessen wie seine volle Krone leise im nachmittäglichen Sommerwind raschelte und sich sanft wog. Es war für mich erstaunlich, wie so etwas großes, so geschmeidige Bewegungen vollbringen konnte. Ich weiß noch das an diesem Tag die Sonne schien und durch die Äste auf den Boden viel. Es hatte etwas Romantisches an sich, etwas was ein Maler nicht hätte besser zu Papier bringen können, nur wusste ich mit zehn noch nicht was Romantik war. Grandpa und ich stellten uns direkt vor dem Baum und sahen ihn an. „Ist er nicht prächtig“, sagte er und ich konnte nur ehrfürchtig nach oben blicken und nicken. „Weist du das ich diesen Baum mit meinen eigenen Händen hier gepflanzt habe?“ Nun klappte mir vor Staunen der Unterkiefer herunter und ich konnte Grandpa nur ansehen. Er lachte, wuschelte mir erneut über den Kopf und sagte: „Ja das kannst du mir glauben. Das ist jetzt fast vierzig Jahre her.“ Er blickte ein wenig sehnsüchtig an der Rinde entlang und sein Blick verklärte sich für einen Augenblick. Dann sah er wieder zu mir herunter.
„Na, wo genau sollen wir es aufhängen?“ Ich war immer noch so erstaunt darüber, dass mein Grandpa einen Baum, noch dazu einen so großen, gepflanzt hatte, dass ich zuerst gar nicht wusste was er meinte. Bis es mir wieder einfiel. „Wie wäre es denn da oben“, sagte ich und zeigte mit dem Finger in die Höhe, genau auf die Stelle an dem der Stamm in die Äste überging. Grandpa blickte hoch und schien zu überlegen. „Das ist bestimmt die beste Stelle“ sagte er. Aber um dort hin zu kommen muss ich eine Leiter holen. „Ok“, sagte ich und sah Grandpa hinterher, der in den kleinen Schuppen am anderen Ende des Gartens ging. Als er ihn erreicht hatte ging er hinein und verschwand für einen kurzen Moment. Dann kam er mit einer kleinen Leiter wieder heraus. Es war eine kleine acht stufige Klappleiter, die er sich bequem unter den Arm geklemmt hatte.
Er lächelte, als wieder zu mir kam und die Leiter am Fuß des Baumes aufstellte. Dann stieg er langsam hinauf. Auf der obersten Sprosse blieb er stehen, beugte sich soweit er konnte ohne das Gleichgewicht zu verlieren zu mir hinunter und sagte:“ Dann gib mir mal das Prachtstück“. Ohne darüber nachzudenken hielt ich ihm das Vogelhäuschen entgegen und gab es ihm. Danach stellte sich Grandpa wieder aufrecht auf die Leiter, reckte sich und hielt das Vogelhäuschen an. „Tret mal ein Stück zurück und schau mal ob es so auch gerade ist“, sagte er. Ich tat wie mir geheißen und machte drei Schritte nach Rückwärts. Dann blieb ich stehen und blickte zu dem Vogelhäuschen auf. „Und wie ist es?“, fragte Grandpa. „Super, so hängt es genau richtig“, sagte ich. „In Ordnung, dann wollen wir es auch so aufhängen“, sagte er und drückte das Häuschen mit der rechten Hand gegen die Rinde und kramte mit der anderen in seinen Hosen und holte seine Schlüssel hervor. Ich weiß, dass ich mich fragte wofür er den Schlüssel denn nun brauchte, begriff aber dann was er damit vor hatte als ich es sah. Er setzte den Schlüssel unterhalb des Vogelhäuschens an und ritzte mit ihm eine Linie in die Rinde. Das machte er so kraftvoll, dass seine Unterarmmuskeln dabei hervor traten.
Danach steckte er den Schlüssel wieder ein, fasste das Häuschen mit beiden Händen und nahm es wieder an sich. „So jetzt haben wir die Grundlinie nach die wir gehen können“, sagte er als er wieder von der Leiter stieg. „Und was machen wir jetzt?“, fragte ich. „Nun werde ich einen Hammer und ein paar Nägel holen“, sagte er und legte das Vogelhäuschen auf den Rasen. Dann machte er sich auf den Weg Richtung Haus. Ich folgte ihm. „Nein, du warte hier“, sagte er zu mir und sah mich mahnend an. Ich wusste nicht warum ich warten sollte, er wollte doch nur Hammer und Nägel holen, was war denn so schlimm daran? „Ich muss in den Keller“, sagte er. Mehr nicht, dann drehte er sich wieder um und ging zur Kellertür. Als er sie erreicht hatte, drehte er sich noch einmal zu mir um. Wahrscheinlich wollte er sich vergewissern, dass ich auf ihn hörte und dort blieb wo ich war. Das Tat ich, obwohl es mir sonderbar vorkam. In seinem Gesicht hatte sich etwas verändert. Es war noch immer das Selbe, aber irgendwie wirkte es härter. Fast verbissen.
Als ich Grandpa, damals so sah, bekam ich Angst. So kannte ich ihn nicht. Seine Gesichtsfarbe war auch gewichen und wirkte nun grau. Dann öffnete er die Tür und trat hinein. Ich konnte gerade noch erkennen, dass es stock finster im inneren war, dann war die Tür auch schon wieder zu. Ich stand lediglich auf dem Rasen und dachte mir, wie seltsam, Grandpa sich doch verhielt. Doch war mir zu dem Zeitpunkt nicht bewusst, dass es richtig war was er tat.
Es dauerte etwa zehn Minuten, bevor er wieder aus dem Keller kam. Hastig schloss er die Tür hinter sich und atmete tief durch, als er wieder im Garten stand. „Grandpa? Ist alles in Ordnung“, fragte ich und dachte das es ihm nicht gut ging, schließlich war er ja schon alt. Aber als ich ihn ansprach lächelte er wieder. „Ja natürlich ist alles in Ordnung, was sollte denn schon sein?“. „Ich weiß auch nicht, es sah nur einen Moment so aus“, sagte ich. Er lachte und kam wieder zurück zu mir. In seiner linken Hand hielt er einen Hammer und in der Rechten eine kleine Schachtel mit Nägel. „Dann wollen wir mal“, sagte er stieg wieder auf die Leiter wobei er sich das Vogelhäuschen geschickt unter den Arm klemmte und den Hammer und die Nägel mit einer Hand balancierten. Es sah sehr Routinemäßig aus. Mit wenigen Handgriffen setzte er die Nägel in das Vogelhäuschen und befestigte es so an den Baum. Für mich sah es perfekt aus. „So fertig. Jetzt müssen wir nur warten, dass sich ein Vogel hier nieder lässt. Wenn es soweit ist werde ich dir Bescheid sagen, einverstanden?“, fragte er mich.
„Ja, das wäre toll“, sagte ich begeistert. „Ok, dann lass uns wieder rein gehen und eine Limonade trinken“. Ich war überglücklich, ich hatte an diesem Tag etwas zusammen mit meinem Grandpa gemacht was ich nie in meinem Leben vergessen würde. An diesem Tag erzählte ich alles meinen Eltern, als ich wieder nach Hause kam. Ich ließ nichts aus. Ich erzählte es voller Freude und Enthusiasmus. Mein Vater sagte mir dass er sich darüber ebenfalls freue. Meine Mutter hörte nur zu, nickte an den richtigen Stellen. Sie war nicht für Handwerkliches Geschick zu begeistern, für sie war Technik eine Welt, die sie nie betreten würde. An diesem Abend schlief ich glücklich ein und träumte davon wie viele Vögel nun ein neues Zuhause hatten, und das nur durch meine Arbeit.
In der darauf folgenden Woche sollte sich jedoch mein Leben von Grund auf ändern. Am Donnerstag, teilten mir meine Eltern mit, dass sie geschäftlich übers Wochenende weg müssten und mich nicht mit nehmen könnten. Sie fragten mich wo ich denn lieber das Wochenende verbringen mochte. Ich hatte die Wahl entweder konnte ich zu Tante Lois oder zu Grandpa. Beide hatten sich angeboten mich für das Wochenende zu sich zu nehmen. Bei dieser Wahl konnte es nur eine Antwort von mir geben. Ich entschied mich für Grandpa. Obwohl ich im Nachhinein sagen muss, dass ich bei Tante Lois besser aufgehoben gewesen wäre, aber konnte ich es mir zu diesem Zeitpunkt nicht vorstellen bei ihr zu schlafen. Denn jedes Mal, wenn ich sie besuchte, kam sie immer Freude strahlend auf mich zu gelaufen und kniff mir in die Wangen und erzählte mir, wie groß ich doch geworden sei. Aber das war noch nicht das schlimmste. Wenn Tante Lois eine ihrer Freundinnen bei sich hatte – was nicht selten der Fall war – wurde diese Prozedur wiederholt, allerdings von ihrer Freundin. Dann wurde Tante Lois immer zu einem solchen guterzogenen Neffen beglückwünscht und sie freute sich immer darüber wie eine Schneekönigin. Tante Lois war eigentlich eine nette Frau, sie war Dick und ich hatte immer Angst, ersticken zu müssen wenn sie mich in den Arm nahm, aber dennoch war sie nett. „Gut, dann halt zu Grandpa. Der wird sich bestimmt freuen“, sagte mein Vater zu mir. „Sicher freut er sich“, sagte ich und meine Freude war unverkennbar. Am darauf folgenden Tag war es dann schließlich so weit. Meine Mutter packte mir einen kleinen Koffer mit Sachen zum Anziehen zusammen. Ich beobachtete sie dabei und war so Aufgeregt wie noch nie in meinem Leben. Das würde das erste Mal sein, dass ich ohne meine Eltern irgendwo anders übernachtete. Ich sah es als ein kleines Abenteuer an und stellte mir vor wie es sein würde mit Grandpa allein zu sein. Vielleicht würden wir was gemeinsames Bauen. Vielleicht würden wir aber auch, wenn das Wetter gut genug war hinaus in den Garten gehen und zusehen, ob sich schon Vögel in das Vogelhäuschen eingenistet hatten. Meine Eltern fuhren mich mit dem Auto – ein alter Pontiac – zu Grandpa. Die Fahrt dauerte eigentlich nicht lange, aber für mich war es fast, als würden Stunden vergehen. Der Verkehr erschien mir viel dichter als gewöhnlich und die Ampeln waren immer Rot. Ich rutschte unruhig auf meinem Sitz hin und her. Erst als ich Grandpa´s Haus aus der Ferne sehen konnte wurde ich wieder ruhiger. Ich sah aus dem Fenster und das Haus wuchs stetig vor meinen Augen. Schließlich kam der Wagen zum stehen. Mein Dad hatte noch nicht ganz den Zündschlüssel aus dem Schloss, als ich auch schon die hintere Tür öffnete und hinaus sprang. „Grandpa ich bin da!“, rief ich als ich auf das Haus zu lief. Grandpa hatte mich gehört und öffnete die Tür und trat hinaus, breitet die Arme aus und fing mich im vollen Lauf auf und wirbelte mich herum. „Grandpa ich bin da!“, sagte ich wieder.
„Ja, mein Junge das bist du“, sagte er und lachte. Mom und Dad waren mittlerweile auch aus dem Auto gestiegen und kamen den Weg entlang. Dad lächelte als er mich in den Armen seines Vaters sah. Meine Mom war eher etwas reservierter. Damals wusste ich noch nicht, dass sie und Grandpa sich nicht sonderlich gut verstanden. „Hallo ihr beiden“, sagte Grandpa und lies mich wieder hinunter. „Hallo Dad“, sagte mein Vater.
„Hallo Esra“, sagte meine Mutter. „Bitte kommt doch auf einen Kaffee rein“, sagte Grandpa und deutete auf die Tür. „Würden wir sehr gern Dad, aber wir haben noch einen langen Weg vor uns und wenn wir nicht gleich losfahren, dann müssen wir einen Stopp einlegen“, sagte mein Vater. „Ich verstehe“, sagte Grandpa und sah meinen Vater musternd an. Sein Blick sagte: Es liegt nicht an dir oder? Dann meldete sich meine Mutter zu Wort. „Wir werden bis einschließlich Sonntagnachmittag weg sein. Hoffentlich macht es dir keine Umstände solange auf Edmond aufzupassen“. „Aber nicht doch Liz, sonst hätte ich mich doch wohl kaum Angeboten, als Jason angerufen hatte und mich fragte“, sagte Grandpa. Er lächelt sie an, aber in seinem Blick konnte man deutlich sehen, dass er es für eine dumme Frage hielt. „Keine Sorge Schatz, Dad wird schon gut auf unseren Junior aufpassen, schließlich hat er auch mich groß bekommen“, sagte Dad und versuchte die Spannung aus dem Gespräch zunehmen. „Sicher“, sagte Mom. „Ich denke wir beiden werden uns schon amüsieren. Wie wäre es denn, wenn wir ein Bier und Poker Wochenende veranstalten“, sagte Grandpa und lachte. „Dad!“, sagte mein Vater. Es sollte entrüstet klingen aber es klang dann doch mehr belustigt. Meine Mutter sah nur zu meinem Vater, der sich das Lachen verkniff. „Und ihr seid sicher, dass ihr keinen Kaffee wollt?“. „Nein Dad, aber trotzdem Danke“. Grandpa nickte, sah zu mir runter und zwinkerte mit dem Auge. „Gut dann wünsche ich euch ein schönes Wochenende“, sagte er schließlich. „Das wünschen wir dir auch“, sagte meine Mutter und drehte sich um. Mein Dad sah noch einmal zu Grandpa und beide lächelten sie sich an. Grandpa und ich blieben noch solange vor der Tür stehen bis meine Eltern ins Auto gestiegen waren und losfuhren. Ich winkte ihnen noch hinterher, bis sie an der Nächste Ecke abbogen. „Was ist Ed? Hast du Lust auf eine schöne kühle Limonade?“, fragte Grandpa. „Ja klar“, sagte ich und lief ins Haus. An diesem Nachmittag spielten mein Großvater und ich ein Paar Familienspiele wie Mensch ärgere dich nicht und Mühle. Aber schnell hatte ich die Lust daran verloren und Grandpa meinte, er kenne ein Spiel was weitaus interessanter sei als die die wir gespielt hatten. „Was ist das den für ein Spiel?“, wollte ich wissen. „Warte mal ab, es wird dir bestimmt gefallen, deinem Vater hat es jedenfalls in deinem Alter gefallen“. Dann stand er auf, ging durch die Küche in der wir saßen und verschwand in den Flur. Keine zwei Minuten später, kam er, mit einem schwarzweiß Karierten Brett und eine Holzschatulle unter dem Arm wieder.
Er legte das Brett vor uns auf den Tisch und stellte die Schatulle gleich daneben. Dann öffnete er sie und holte eine silbrig glänzende Figur aus ihr hervor. Es war der Weiße König, wie er mir später erklärte. Ich staunte nicht schlecht. Nachdem er die Figuren auf das Brett gestellt hatte, begann er damit mir die Regeln von Schach zu erklären. Ich hörte ihm aufmerksam zu und beobachtete genau wie Grandpa jede einzelne Figur über das Brett bewegte. Nachdem er mir die grundlegendsten Züge gezeigt hatte, spielten wir eine Partie. Natürlich verlor ich, aber ich machte mir nichts daraus.
Ich fand es wirklich interessant, genau wie er gesagt hatte. Wir spielten bis in die Abendstunden und es für mich Zeit wurde ins Bett zu gehen. Ich schlief ruhig und traumlos, zumindest kann ich mich nicht erinnern, dass ich einen Traum gehabt hatte, bis ein Geräusch mich weckte. Es war eine Art heulen, wie es ein Wolf ausstoßen würde. Nicht besonders laut, aber dennoch laut genug, um aus dem Schlaf gerissen zu werden. Im meinem Zimmer, welches Grandpa mir im oberen Teil des Hauses hergerichtet hatte, war es stockfinster. Ich konnte meine Hand nicht vor Augen sehen. Trotzdem versuchte ich etwas zu erkennen. Dann ertönte wieder dieses grässliche Heulen. Krampfhaft umklammerte ich meine Bettdecke. Was um alles in der Welt konnte nur so ein Geräusch erzeugen? Mein Herz begann in meiner Brust wie wild zu schlagen, schweiß bildete sich auf meiner Stirn. Kurzum ich hatte Angst, wie noch nie in meinem Leben zuvor. Das Geheul schwoll wieder ab, dann Stille.
Eine unheimliche Stille. In diesem Moment wünschte ich mir meine Eltern wären da gewesen. Als das Heulen erneut erklang, zuckte ich zusammen und zog mir die Bettdecke über den Kopf. Ich hoffte innständig, dass es zum letzten Mal erklungen war. Doch das war es nicht, es schien sogar aus der Nähe zu kommen. Ja, so war es, es kam von… unten. Meine Angst verschwand dadurch nicht, aber meine Neugier wurde erweckt. Es war ein Wechselbad der Gefühle.
Zum einen wollte ich, dass es aufhört und einfach verschwand, zum anderen wollte ich aber auch nachsehen woher es kommt. Ich fragte mich, ob Grandpa es auch hörte und wenn ja, ob er nachsehen würde. Wieder dieses langgezogene Uuuhhuu. Dieses Mal war es aber leiser, zumindest klang es so. Ich dachte mir, wenn es leiser würde, würde es auch bald wieder verschwunden sein. Aber ich wollte vorher noch wissen woher es kam. Also lugte ich unter der Decke hervor und spinste in die Dunkelheit um zu sehen, dass die Luft rein war. Da ich immer noch nicht im Dunkeln zu sehen gelernt hatte, sah ich nichts. Wenn ich herausfinden wollte was dieses Heulen verursachte, dann musste ich wohl oder übel aufs Geratewohl durchs Zimmer und das Licht einschalten. Ich zählte bis drei. Dann warf ich die Decke zu Seite, sprang mit einem Satz aus dem Bett und rannte so schnell ich konnte zum Lichtschalter an der Tür und schlug darauf. Sofort wurde die Dunkelheit von dem unbarmherzigen Licht der Deckenlampe vertrieben. Ich kniff die Augen zusammen und wartete bis ich sie wieder richtig öffnen konnte ohne geblendet zu werden. Die Tür zu meinem Zimmer war einen Spalt breit offen, dahinter befand sich der Flur, der zur Treppe hinab ins Erdgeschoß führte. Das Licht aus meinem Zimmer fiel in die Dunkelheit des Flures. Mein Atem hatte sich stark beschleunigt, in etwa so als wäre ich einen Sprint gelaufen. Vorsichtig zog ich die Tür noch ein wenig weiter auf. Schemenhaft konnte ich nun den Treppenabsatz erkennen. Wieder dieses Heulen. Mein Gott, ich werde es nie vergessen, es ging mir durch Mark und Bein.
Als es wieder verstummte, lauschte ich. Vielleicht war Grandpa unten und suchte nach dem was da heulte. Ich versuchte Schritte zu hören, Grandpa´s Schritte, aber ich vernahm nichts. Ich hoffte, nein, ich betete, dass ich Grandpa hören würde. Denn dann würde jemand, nachsehen woher das Geheul kam. Nichts. Es würde also doch an mir liegen nachzusehen, das wurde mir klar. Also nahm ich meinen ganzen noch verbliebenen Mut zusammen und öffnete meine Zimmertür komplett, damit ich so viel Licht hatte, wie es nur möglich war. Zum einen wollte ich nicht, das Grandpa wach wurde, sollte er denn bei diesem Lärm schlafen können-noch etwas was ich nicht verstand – und zum anderen wollte ich nicht das vertreiben, was dieses Heulen verursachte.
Langsam und auf Zehenspitzen schlich ich zur Treppe. Ich lugte über das Geländer hinunter, soweit es der Lichtschein aus meinem Zimmer zu lies. Es schien alles normal zu sein. Ich ging weiter bis ich die ersten drei Stufen hinter mich gelassen hatte. Dann das Heulen. Sofort verharrte ich wo ich war und hielt vor Schreck den Atem an. Ich wartete bis ich nichts mehr hören konnte und ging dann den Rest der Treppe hinunter. Am Fuß der Treppe angekommen, sah ich fast nichts mehr, das Licht aus meinem Zimmer reichte nicht mehr aus. Also tastete ich mich mit der Hand an der Wand entlang und suchte nach dem Lichtschalter. Als meine Finger dagegen stießen, dachte ich zuerst, das Heulende Ding hätte mich erwischt, denn der Schalter fühlte sich kalt und glatt und irgendwie fremdartig an.
Dann machte ich auch das Licht im Flur an. Der Flur erstreckte sich völlig leer vor mir, nichts Fremdes, Heulendes stand dort vor mir. Ich war darüber erleichtert, sehr erleichtert. Da meine Neugier sich aber nicht gelegt hatte, ging ich weiter, bis ich schließlich an der Küche zum stehen kam. Hier war das Geheul so Laut als stünde ich direkt neben dem der es ausstieß. Ich fragte mich wie Grandpa, da nicht hören konnte und zitterte vor Angst. Ich wäre froh gewesen, wenn Grandpa in diesem Moment bei mir gewesen wäre. Ich starrte in die fast dunkle Küche, die nur ein wenig vom Licht des Flures erhellt wurde. Für eine Augenblick dachte ich etwas gesehen zu haben, etwas was sich neben dem Ablauf zusammengekauert hatte, etwas Haariges, etwas Hungriges, etwas das kleine Jungen wie mich verspeisen wollte.
Als jedoch genauer hin sah, stellte ich fest, dass es nichts der Gleichen war. Es war nur einer der Stühle über dessen Lehne Grandpa alte Filz Jacke hing, die er sich abends immer überzog wenn es ihm Fror. Erleichtert atmete ich auf. Dann ertönte es wieder und dieses Mal konnte ich feststellen woher es kam. Es kam aus Grandpa´s Keller. Der Keller um den er bei meinem letzten Besuch ein Geheimnis gemacht hatte. Mir viel wieder alles ein, er hatte behauptet, dass er alles umgestellt hätte aber noch nicht wieder Ordentlich zurechtgerückt und er nicht wolle das ich mir etwas tue, wenn ich dort hinunter ginge. Doch dieses Mal zweifelte ich an seinen Worten. Er hatte da unten etwas, etwas was heulte wie ein wildes Tier und er wollt er nicht, dass ich es sah. Es stellte sich nur die Frage warum? Ich beschloss – Angst hin oder her – es mir mit eigenen Augen einmal anzusehen und ging in die Küche, um die Kellertür zu erreichen. Ich durchquerte die Küche und blieb vor der Tür zum Keller stehen. Ich legte mein Ohr an die Tür und lauschte. Auf der anderen Seite konnte ich etwas sich bewegen hören. Es schien Krallen zu haben, die deutlich auf dem alten Steinboden des Kellers klickten. Fast so wie die eines Hundes auf Asphalt. Langsam hob ich meine Hand zum Türknopf, ich musste einfach wissen was da unten war. Meine Hand erreichte ihn aber nicht. Stattdessen wurde ich am Handgelenk gepackt.
Ich konnte einen Aufschrei nicht unterdrücken. Als ich dann herumgewirbelt wurde, dachte ich, ich müsste sterben. Das Ding auf der anderen Seite der Tür war nur ein Trick um mich zu Fangen. Als aber im nächsten Moment das Licht eingeschaltet wurde, erkannte ich was mich da gepackt hielt. Es war Grandpa, der mit weit aufgerissenen Augen und blassem Gesicht vor mir stand. „Was zum Teufel hast du vor, Edmond?“, fragte er mich und klang dabei so verängstigt wie ich es war. „Ich…ich…“, mehr bekam ich nicht heraus. „Ich was? Du wolltest doch wohl nicht darunter gehen oder?“. Eigentlich wollte ich es ihm sagen, aber ich brachte keinen Laut hervor, stattdessen nickte ich nur. „Bist du denn von allen Guten Geistern verlassen? Habe ich dir denn nicht schon gesagt, dass ich dort unten noch nicht aufgeräumt habe? Willst du dich unbedingt verletzen oder schlimmeres?“, sagte er und sah mich böse an. „Aber da unten ist etwas“, brachte ich hervor, „Da unten ist etwas was heult“. Grandpa zuckte ein wenig zurück.
„Da unten ist gar nichts, vor allem nichts das heulen kann“. „Aber ich habe es doch selbst gehört!“, protestierte ich. „So ein Blödsinn. Weißt du eigentlich wie Spät es ist. Du hast bestimmt nur schlecht geträumt. Ich kann dir versichern, dass da unten nichts ist. Und mach das du wieder in dein Bett kommst“, sagte er und zog mich aus der Küche wieder in den Flur. „Aber Grandpa ich weiß was ich…“. Weiter kam ich nicht Grandpa schenkte mir keine Beachtung und schob mich die Treppe hinauf. Ich merkte, dass es sinnlos war noch etwas zu sagen, daher ließ ich mich von ihm wieder in mein Bett bringen. In dieser Nacht hörte ich nichts mehr, ich lauschte aber nichts. Ich lag noch lange wach und bis sich nach diesem Schrecken der Schlaf wieder bei mir einstellte dauerte es.
Ich erwachte erst wieder als mein Grandpa im Zimmer stand und die Vorhänge von den Fenstern zog, um das Tageslicht herein zu lassen. „Guten Morgen, du Langschläfer“, sagte er und war sichtlich vergnügt an diesem Morgen. Er schien nicht mehr wütend über die gestrige Nacht zu sein. Ich kämpfte mich aus dem Schlaf und rieb mir die Augen, als ich mich in meinem Bett aufsetzte. „Morgen Grandpa, bist du noch sauer wegen gestern Nacht?“, fragte ich und rechnete damit, dass er Ja sagen würde.
„Aber wo denkst du hin. Ich war doch nicht sauer auf dich. Ich hatte mich nur erschreckt, als du mitten in der Nacht durch das Haus geschlichen bist. Ich hatte Angst dass du dich verletzt. Was meinst du wohl was deine Eltern mit mir machen würden, wenn dir hier bei mir etwas Passiert?“, sagte er und lächelte mir freundlich zu. Ich wusste nicht was ich darauf sagen sollte, also zuckte ich nur mit den Achseln.
„Du kannst mir glauben, sie würden mir die Hölle heiß machen. Und jetzt komm, lass uns frühstücken“, sagte er und verließ das Zimmer. Ich schlug die Decke beiseite und stand auf. Dann zog ich mich an und ging hinunter in die Küche wo Grandpa schon auf mich wartete. Er hatte Pfannkuchen gemacht und stellte mir eine Portion hin. Sie rochen köstlich und schmeckten noch viel besser. Sie schmeckten mir sogar so gut, dass ich noch einen Nachschlag nahm.
„Na, das hat dir aber geschmeckt was?“, sagte Grandpa als ich aufgegessen hatte. „Ja“, sagte ich, „das war echt spitze“. Dann nahm er meinen Teller und stellte ihn in die Spüle und ließ Wasser darüber laufen. „Und hast du schon eine Idee, was wir heute unternehmen sollen?“, fragte er mich. „Nun vielleicht könnte ich dir ja dabei helfen deinen Keller aufzuräumen“, sagte ich. In diesem Moment wurde sein Gesichtsausdruck wieder leer, es schien als wären sämtliche Muskeln in seinem Gesicht nicht mehr vorhanden. Aber schon im nächsten Augenblick lächelte er wieder.
„Nein, ich weiß da was Besseres. Schließlich haben wir Wochenende, da sollte man sich nicht mit harter Arbeit die Zeit vertreiben“. Ich fragte mich, warum Grandpa immer auswich, wenn ich auf den Keller zu Sprechen kam. Was um alles in der Welt war nur da unten? Das war auch der Moment in dem ich den Entschluss fasste mich heimlich dort hinunter zu schleichen und nachzusehen.
„Was sollen wir denn Machen, wieder ein paar Partien Schach spielen?“, fragte ich. „Nein, ich dachte da mehr an einen kleinen Ausflug. Nicht weit von hier gibt es einen großen Park in dem viele Spielplätze sind. Ich dachte mir vielleicht hast du ja Lust ein bisschen herumzutoben“, sagte er. „Gern, wann wollen wir denn los?“. „Nun ich dachte, dass ich uns noch ein paar Brote einpacken und uns dann gleich auf den Weg machen. So können wir bis heute Abend draußen bleiben, was hältst du davon?“ ich fand das es eine tolle Idee war. Ich dachte nicht mehr an den Keller und auch nicht daran was ich vorhatte, schließlich würde später noch genug Zeit dafür sein. Etwa eine halbe Stunde später, waren wir auch schon unterwegs. Grandpa hatte recht behalten mit seiner Idee. Es war großartig im Park. Es gab dort tatsächlich mehrere Spielplätze.
Alle ausgestattet mit Rutschen, Schaukeln, Torwänden und Sandkästen. Ich hatte einen riesigen Spaß und wie es schien Grandpa auch. Gegen Mittag, setzten wir uns auf einer der nahgelegenen Bänke und machten uns daran die Brote zu vertilgen, die Grandpa für uns gemacht hatte.
Ich hatte die Wahl zwischen einem Salami und einem Schinken-Käsesandwich. Ich entschied mich für das letztere. „Na schmeckt es dir?“, fragte Grandpa. „Und ob“, sagte ich und grinste ihn über mein Brot hinweg an. „Das ist ja auch kein Wunder, schließlich habe ich sie ja mit Liebe gemacht“. Ich musste lachen und hätte mich um ein Haar an meinem Sandwich verschluckt.
„Langsam, langsam. Erst essen dann lachen. Das hat mir schon mein Grandpa immer geraten!“, sagte er und grinste. Wir aßen noch in Ruhe auf, bevor ich unser schweigen mit einer Frage beendete. „Du Grandpa, was war da eigentlich gestern Nacht im Keller los?“. Die Frage kam mir völlig beiläufig in den Sinn und ich wollte damit niemanden provozieren. Aber Grandpa´s Gesicht verzog sich, es wurde ausdruckslos und sein Blick wurde durchdringend.
„Was in drei Teufels Namen interessiert dich so gottverdammt an meinem Keller?“, fragte er und seine Stimme klang dabei schroff. Ich hatte meinen Grandpa bis zu diesem Zeitpunkt im Park noch niemals fluchen gehört. Ich senkte meinen Blick und sagte: „Ach eigentlich nichts, aber warum machst du so ein Geheimnis daraus?“
Grandpa atmete hörbar tief ein und wieder aus. Dann griff er meine Hände und nahm sie in die seinen. Ich sah wieder zu ihm auf. Dieses Mal konnte ich etwas in seinen Augen sehen, was Mitleid am nächsten kam. „Hör zu Edmond, es gibt Dinge im Leben über die man einfach nicht spricht. Verstehst du das?“„Nein, nicht wirklich“, sagte ich. „Gut dann anders. Es gibt doch bestimmt etwas, was du Falsch gemacht hast und von dem du nicht möchtest, dass es jemand anderes erfährt, oder“. Ich musste überlegen, hatte ich schon etwas gemacht, was niemand wissen sollte? Aber Ja. Ich war damals vielleicht gerade Sieben und es war eine Situation an die ich mich niemals mehr erinnern wollte. Ich lag zu Hause in meinem Bett und schlief.
Ich träumte davon, dass ich zum Klo musste. Im Traum war ich auch da, aber in Wirklichkeit pinkelte ich ins Bett. Als ich davon aufwachte, schämte ich mich und versteckte das feuchte Lacken in der Wäsche und holte mir ein neues aus dem Schrank. Meine Mom hatte es nicht bemerkt, oder falls doch ließ sie es mich nicht wissen.
Grandpa saß neben mir und wartete geduldig auf meine Antwort. „Ja, doch, aber was hat das mit deinem Keller zu tun?“, wollte ich wissen. „Nun ja, lass es mich so erklären. Ich habe damals als ich noch jünger war etwas ausprobiert, dort unten, und zu meinem Entsetzen ist es schrecklich danebengegangen. Natürlich habe ich versucht alles wieder rückgängig zu machen und dachte auch dass es geklappt hätte, aber ich musste feststellen, dass ich mich geirrt hatte“. „Und was war das?“, fragte ich. „Das kann ich dir nicht sagen“. „Warum nicht?“ würdest du mir denn dann auch dein Geheimnis erzählen?“, fragte er. Bei dem Gedanken daran es jemanden zu erzählen und sei es auch nur Grandpa, ließ mich innerlich zurückschrecken. Hastig schüttelte ich den Kopf. „Na siehst du und das gleiche gilt dann auch für mich“. Ich verstand was Grandpa meinte aber es bestärkte nur weiter meine Neugier.
Ich wollte mehr als zuvor wissen, was im Keller war. Grandpa fragte mich, ob das Thema damit denn nun vom Tisch sei, log ich. Ich sagte Ja. Als ich an diesem Abend mit Grandpa wieder nach Hause kam, war ich todmüde. Ich wollte nur noch etwas zu Abendessen und dann ins Bett. Was ich nicht wusste, war, das Grandpa genau dass beabsichtigt hatte. Er wollte nämlich nicht noch einmal, dass ich nachts durch das Haus rannte. Aber es sollte anders kommen. Nach dem Abendessen brachte Grandpa mich ins Bett. „Schlaf schön und lass dich nicht von den Bettwanzen beißen“, sagte er und zog mir die Decke bis zur Brust. „Ok. Mach ich“. Dann lächelte er mich noch einmal an, knipste das Licht aus und verließ das Zimmer. Es dauerte keine drei Minuten und ich war eingeschlafen. Ich erwachte erst spät in der Nacht wieder.
Der Nachthimmel war sternenklar, sodass der Halbmond, der in der Nacht zuvor von Wolken bedeckt wurde, sein blasses Licht in mein Zimmer werfen konnte. Im Ganzen Haus war es dieses Mal still, aber irgendetwas war nicht so wie es am Tag war. Ich glaube bis heute, dass ich das instinktiv gewusst hatte, weshalb ich auch aufgewacht war. Ich schlug die Bettdecke zur Seite und stand auf. Erst jetzt bemerkte ich wie meine Blase drückte. Also ging ich zur Tür und in den Flur hinaus. Da es in der oberen Etage keine Toilette gab musste ich nach unten. Ich schlich die Treppe runter, ging ans Wohnzimmer und Grandpa´s Schlafzimmer vorbei, direkt auf die Toilette zu, die sich am Ende des unteren Flures befand.
Leise öffnete ich die Tür, die seit Ewigkeiten zu quietschen schien, schlüpfte hinein, schloss sie wieder hinter mir und schaltete dann das Licht ein. Ich verrichtete mein Geschäft, spülte und verlies dann wieder das Klo. Da ich nun aus dem Hellen kam sah ich zunächst nichts, also wartete ich ab bis sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Als ich wieder etwas erkennen konnte, wollte ich wieder in mein Zimmer, aber da kam mir meine Neugier wieder in die Quere. Es war der ideale Zeitpunkt in den Keller zu gehen und das große Geheimnis, Grandpa´s Geheimnis, zu entdecken. Es war bestimmt nicht so schlimm wie er es behauptet hatte.
Zumindest dachte ich, dass es nicht schlimmer sein konnte, als ins Bett zu machen. Auf Zehenspitzen, schlich ich mich An Grandpa´s Zimmer vorbei. Die Tür stand eine Spalt breit offen und ich konnte sein leises Schnarchen hören. Er schlief also tief und fest, prima. Ich schlich mich weiter, durchquerte die Küche und blieb vor der Kellertür stehen, wieder einmal. Ich spürte wie mich ein kalter Schauer ergriff.
Ich legte mein Ohr an die Tür und lauschte. Nichts, kein Geräusch, noch nicht einmal ein kleines war zu Hören. Vielleicht hatte Grandpa sich gedacht, dass ich neugierig werden würde und hat, was auch immer in der letzten Nacht geheult hatte, fort geschafft, damit ich es nicht entdeckte. Wenn ja, dann hatte ich nichts zu befürchten, aber was wenn nicht? es war ein Risiko, aber eines welches ich eingehen wollte. Meine Hände waren feucht, als ich den Türknopf drehte und somit die Tür öffnete. Ein modriger Geruch schwappte mir entgegen. Die dort unten war kühl, ja fast kalt. Der Schalter für das Licht befand sich links der Tür, oberhalb des Geländers. Ich betätigte ihn und eine nackte Birne, die von der Decke hin, sendete ihr fahles Licht durch den Raum. Vom oberen Rand der Treppe konnte ich nur einen kleinen Teil des Kellers sehen. An der linken Wand sah ich ein Regal stehen auf dem Flaschen und Gläser ihren Platz gefunden zu haben schienen.
Ich hielt mich am Geländer fest und stieg hinab. Die Tür hatte ich hinter mir nicht geschlossen, ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich das beabsichtigt hatte, um mir einen Fluchtweg freizuhalten. Als ich schließlich unten angekommen war, trommelte mein Herz in der Brust. Ich sah mich um, konnte aber nichts erkennen, was unnormal für einen Keller gewesen wäre. Hier und da standen ein paar alte Gertenstühle herum. In der rechten Ecke konnte ich die Werkbank erkennen, die von allerlei Zeug, wie Kartons und Plastiktüten bedeckt war. Grandpa hatte recht gehabt er hätte wirklich mal aufräumen können. Ich trat weiter in den Raum. Gegenüber der Treppe befand sich eine alte Kohlenluke, die auf den ersten Blick verschlossen war. Darunter stand noch die alte Schütte, die vor Rost bald auseinander fiel. Rechts von mir befanden Sich Grandpa´s Werkzeuge. Alle aufgereiht an einer Steckwand, darunter war noch eine Art Werkbank, mit Schubladen und Fächern. dann sah ich zu Boden und entdeckte etwas, was ich bis dahin noch nie gesehen hatte.
Auf dem Boden, ziemlich in der Mitte des Raumes, befand sich ein gemalter Kreis in dessen Mitte zwei übereinander liegende Dreiecke gezeichnet worden waren. Es sah fast wie der klägliche versuch aus einen Stern zu malen. Erstaunt beugte ich mich hinunter und berührte die Linien mit den Fingern. Ich dachte schon ich würde sie verwischen, aber das geschah nicht. sie waren mit weißer Farbe aufgetragen worden. Eigenartiger weise fühlten sich die Linien sonderbar an, sie waren Warm. Faste ich zwischen sie, konnte ich nur den Kalten Betonboden fühlen. Sowas hatte ich noch nie gesehen, wie ging das? Ich konnte mir keinen Reim darauf machen. Also sah ich mir die Zeichnung – welche wie ich heute weiß ein Pentagramm war – etwas genauer an. Wenn man es mit einer Uhr verglich konnte man auf Zwölf, Fünf und Sieben Uhr eine Zahl erkennen. Es war immer dieselbe, die Sechs. Ich fragte mich, ob es das war, was Grandpa mir verschweigen wollte. Wenn ja, was wäre denn daran so schlimm gewesen, es mir zu zeigen? Es war doch nur eine Zeichnung. Zugegeben eine sehr merkwürdige mit warmen Linien, aber dennoch nur eine Zeichnung. Meinen Blick immer noch auf den Boden gehäfftet, erhob ich mich wieder. Ich dachte mir noch was soll es, wenn Grandpa nicht darüber reden will, gut; schließlich war es ja nichts was mich sonderlich beindruckte. Also machte ich wieder Kehrt, und ging zurück zur Treppe. Dann passierte es! Kaum hatte ich den Treppenabsatz erreicht, ging das Licht aus und ich wurde von der Schwärze der Nacht eingehüllt. Fast hätte ich laut losgeschrien, aber stattdessen klammerte ich mich an den Handlauf des Geländers fest.
Mein ohnehin schon vor Aufregung trommelndes Herz, machte nun Purzelbäume in meinem Inneren. Jeder Pore meines Körpers öffnete sich und lies des Schweiß mir herunter fließen. Sämtliche Muskeln, waren wie aus Eis. Ich war nicht mehr Fähig mich zu bewegen. Dann hörte ich etwas hinter mir. Ein Kratzen und klicken. Es war dasselbe Geräusch was ich in der Nacht zuvor schon gehört hatte, nur dass es in diesem Moment viel lauter war.
„Grandpa?“, fragte ich und meine Stimme war nicht mehr als ein Flüstern. Hinter mir ertönte dann etwas was mir das Blut in den Adern gefrieren ließ. Ich hörte meine eigene flüsternde Stimme. „Grandpa?“. Ich holte tief Luft und wollte sie zu einem Schrei wieder heraus lassen, aber es kam nichts nur ein leises Zischen, welches sofort hinter mir wie ein Echo ohne Hall wiederholt wurde. Das Kratzen wurde lauter, etwas bewegte sich auf mich zu, etwas was mich auf seine eigene Weise nachahmte. Noch einmal holte ich Luft und dann Kam der Schrei. „Graaaandpaaaaa“. Sofort hörte ich ein Rumpeln, allerdings kam dies von oberhalb der Treppe. Das Ding, was immer es auch war, was hinter mir war äffte mich erneut nach. Das war der Moment in dem ich mich herum drehte. Ich sah in die Dunkelheit und konnte vom Keller nichts sehen, allerdings sah ich etwas anderes. Etwas was mich in Panik versetzte.
In der Dunkelheit schwebten zwei nebeneinander liegende rotglühende Punkte. Es waren Augen, die Augen eines Monsters aus einem schlechten Horrorfilm. Der Unterschied bestand nur darin, dass ich es Live und in Farbe mitbekam. Und ich kann behaupten, dass es sich nicht um einen Film gehandelt hatte. „Grandpa, bitte komm“, schrie ich und wieder wurde ich nachgeahmt, dieses Mal wurde jedoch noch eine Art Lachen mit eingebaut. Ein Lachen was mir eine Gänsehaut nach der Nächsten über den Körper trieb. Es war schrill und verrückt, erheitert und völlig verzweifelt. Es war als würden Glasscherben an einander reiben.
„Grandpa bitte komm“. Wieder hörte ich ein poltern von oberhalb der Treppe. Dann ein Knall. Es war die Tür, sie wurde zugeschlagen. Oh, lieber Gott, bitte lass es nicht zu, dass ich hier unten mit diesem Monster gefangen bin, dachte ich und weinte, nein ich heulte tränen der Verzweiflung.
Ich schlotterte am ganzen Körper vor Angst. Das Monster oder was es auch immer war Äffte mich nicht mehr nach, ich konnte es sehen, zumindest seine Augen, ich wusste das es mich wollte, es wollte mich mit Haut und Haaren, das war mir klar. Doch wie sollte ich mich gegen ein Monster verteidigen schließlich war ich erst Zehn. Ich hatte keine Ahnung und verzweifelte daran. Mir viel in diesem Augenblick nichts Besseres ein, als mich einfach da wo ich mich gerade befand zusammen zu Kauern und zu warten was geschehen würde. Wenn dieses Ding mich töten wollte sollte Es sich keinen Zwang antun, aber es sollte es schnell machen, ich wollte nicht leiden. Mein Blick fixierte förmlich diese leuchtenden Augen vor mir, sie schwebten einfach in der Luft als hätten sie keinen Körper und sahen mich stumpf und ausdruckslos an. Nun wurde es laut im Keller, oben an der Tür hämmerte es und ich konnte hören wie Grandpa versuchte zu mir herunter zu kommen.
Immer wieder reif er meinen Namen. „Edmond, ich komme. Edmond halte durch ich bin gleich bei dir. Am liebsten hätte ich zurückgerufen aber irgendwie wurde ich ruhiger und lustloser. Je länger ich diese Augen beobachtete, desto ruhiger fühlte ich mich. Das gepolter und Grandpa´s Rufe schwebten in einer anderen Welt in der ich nichts zu suchen hatte. Ich kam erst wieder zu mir, als ich bei den Schultern gepackt und herum gewirbelt wurde. Grandpa hatte es geschafft die Tür aufzubrechen und war die Treppe hinunter gestürzt. Er hatte das Licht eingeschaltet, so dass ich für einen Augenblick das Ding in seiner vollen Größe und Hässlichkeit erkennen konnte. Es war ein graues schwabbeliges Ding, welches keine konkreten Konturen besaß. Es schien in sich selbst zu laufen.
Das einzig konstante waren die gelben Augen mit den roten Wirbeln. Unter ihnen befand sich eine Art Rüssel, der saugend in der Luft hin und her pendelte. Nacktes entsetzen packte mich und ich war Dankbar dafür, dass Grandpa mein Gesicht an sich drückte. Ich wusste nicht was nun geschah. Ich hörte lediglich wie Grandpa etwas sagte. Es klag eigenartig fremd, es war eine Sprache, die ich ihn noch nie sprechen gehört habe. Aber sie bewirkte etwas. Das Ding begann quiekende Laute auszustoßen. Sie klangen erbarmenswert, aber das hinderte Grandpa nicht mit seinem Sprüchen weiter zu machen. Er legte ferner noch mehr kraft in seine Stimme. Dann zog er mich langsam mit sich und wir gingen wieder die Stufen nach oben. „Egal was auch passiert, du darfst jetzt nicht zurück sehen, hast du das Verstanden?“, sagte Grandpa und zog mich weiter. Ich konnte nur eine leises „Ja“ hervorbringen und dachte schon das er mich nicht verstanden hätte, als er sagte:“Gut, dann lass uns sehen, dass wir hier raus kommen.
Ich wollte dem nicht wiedersprechen. Wir erreichten die Tür und Grandpa schob mich als erstes hindurch, während er weiter seine merkwürdig klingenden Sätze dem Monster entgegen warf.
Das Ding quiekte nun nicht mehr sondern Heulte, es klang so wie ich es schon gehört hatte, allerdings war es nun viel Lauter und schrecklicher. Ich hielt mir die Ohren zu, aber die Frequenz der schreie war zu hoch, als das ausgereicht hätte um sie zum verstummen zu beringen. Sie wurden nur etwas leiser verloren aber nichts von ihrer Schrecklichkeit. Dann hörte ich einen Knall.
Grandpa warf die Tür so fest ins Schloss wie er nur konnte und versperrte sie. sein Atem ging schnell und pfeifend. Als ich mich zu ihm umdrehte, sah ich wie weiß sein Gesicht geworden war. Er stand mit dem Rücken an der Tür gelehnt und sah mich an. Er sagte nichts, obwohl ich mit einer Standpauke rechnete. Ich weiß nicht wie lange wir einfach nur dastanden und uns ansahen. Schließlich brach er das Schweigen. „Komm Edmond, wir sollten uns über das hier gerade unterhalten“. Ich sah ihn weiter verblüfft an und nickte. Wir gingen in die Küche und Grandpa machte uns beiden eine Tasse heißen Kakao. Noch immer konnten wir das Geheul des Wesens im Keller hören, abgeschwächt durch die verschlossene Tür, aber immer noch erschreckend genug. „Nun“; sagte Grandpa, „ wo soll ich anfangen?“. Ich wusste nicht was ich darauf sagen sollte und sah ihn nur über den Rand meiner Tasse hinweg an.
„Ich glaube ich sollte dir alles erzählen. Vor einigen Jahren begann ich mich für Dinge zu interessieren, die bis dahin noch als Humbug oder als Phantasie abgetan habe. Ich dachte mir nichts Besonderes dabei, als ich dieses Buch in der Bibliothek fand. Es war ein altes Buch, ein Buch mit druidischen Ritualen und Beschwörungen. Ich lieh es mir und ging damit nach Hause, dort las ich es und begann zu lernen. Irgendetwas veranlasste mich dazu und ich kann bis heute noch nicht sagen welcher Teufel mich da geritten hat. Ich besorgte mir in einem Laden hier in der Stadt alles was ich brauchte. Ich sehe schon du verstehst nicht das Geringste von dem was ich sage?“.
Er hatte recht, ich fragte mich wirklich von was er da redete. Er schwieg einen Augenblick und wir konnten das Ding im Keller wieder hören. Auch wenn jetzt eine Tür zwischen mir und dem Ding war, fühlte ich mich nicht behaglich in meiner Haut. Grandpa erging es da wohl nicht anders, denn er verzog sein Gesicht ein wenig bevor er weiter Sprach. „Ich rede hier Von Magie, mein Junge, Zauberei, Hexerei, verstehst du nun was ich meine?“ „Du meinst du kannst Zaubern?“, fragte ich und sah ihn erstaunt an.
„Nun ja nicht Direkt. Es ist schon etwas anders. Ich wollte mir selbst etwas vormachen, zumindest dachte ich das. Also benutzte ich das Buch, um mir einen kleinen Wunsch zu erfüllen. Ich wollte einfach mal sehen ob das Klappt, weißt du?“ Es klang für mich wie eine Art Entschuldigung. Und Grandpa schien sie ernst zu meinen. Ich schwieg weiterhin und hörte mir auch noch den Rest der Geschichte an.
„Ich nahm mir also das Buch und schlug es auf, völlig wahllos. Dort fand ich dann einen, nun einen Zauberspruch. Bis dahin dachte ich, ich hätte an alles gedacht was man dazu brauchte. Ich legte meine Utensilien zusammen und begann damit den Spruch aufzusagen. Am Anfang merkte ich nichts. Es sollte etwas Passieren, aber das tat es nicht. ich dachte mir also, dass ich doch recht behalten sollte, was die Sache mit dem Zabern anging. Also packte ich alles zusammen und verließ den Keller. Ich dachte, alles würde normal weiter gehen, aber ich irrte mich, denn in der Nacht kam es.
Ich weiß nicht woher, aber ich wusste sofort, dass es meine Schuld war, dass es da war. Es machte einen Höllen Lärm, so wie es das jetzt gerade macht. Da es Nacht war erschrak ich und bin Nachsehen gegangen, wie du gestern. Und als ich es zum ersten Mal sah erging es mir ähnlich wie dir. Es versuchte mich mit seinen grässlichen Augen zu Hypnotisieren. Nur durch puren Zufall konnte ich entkommen. Eine streunende Katze riss die Mülltonne mit einem lauten scheppern um. Dadurch kam ich wieder zu mir und ich rannte so schnell ich nur konnte aus dem Keller.
In den nächsten Tagen hatte ich eine solche Angst wieder hinunter zu gehen. Ich durchblätterte das Buch, nach etwas was dieses Ding wieder wegschicken konnte. Aber bisher hab ich es nicht geschafft, lediglich ein paar Zeilen mit dem ich es mir vom Leib halten kann“. Grandpa atmete tief ein und wieder aus. Es nahm ihn sichtlich mit. Er hatte mit etwas herumexperimentiert, wovon er keine Ahnung hatte. „Möchtest du noch einen Kakao?“, fragte er mich, nahm unsere Tassen und ging Richtung Spüle. „Gern“, sagte ich und versuchte das alles zu begreifen. Die Spüle befand sich neben der Kellertür, Grandpa lauschte, als er neben ihr stand. Es war nun wieder alles Ruhig, kein Ton war mehr von unten her zu Hören.
„Gott sei Dank. Es hat sich wieder zurückgezo…“, sagte er. Weiter kam er nicht mehr, denn in diesem Augenblick knallte etwas so hart und kraftvoll gegen die Tür, dass sie aus dem Rahmen sprang. Grandpa, der fast direkt neben ihr stand wurde zur Seite geschleudert und fiel mit den Armen rudernd zu Boden. Die beiden Tassen die er dabei in den Händen hielt, flogen wie zwei Miniaturausgaben von fliegenden Untertassen quer durch die Küche und zerschellten schließlich auf dem Boden. Ich spürte wie sich meine Blase löste und ihren Inhalt in meine Unterhose ergoss. Ich wollte schreien als ich sah was sich da durch die Tür brach, aber mein Hals war vor Angst wie zugeschnürt. Grandpa versuchte sich noch vom Schock benommen, vom Boden aufzurappeln. Aber noch ehe er es konnte war auch schon dieses Ungetüm bei ihm. Sofort streckte es seine Rüssel nach ihm aus und traf ihn an der Brust. Ich konnte sehen, dass in diesem Rüssel Adern anfingen zu Pulsieren und Grandpa verzerrte schmerzhaft das Gesicht. Ich sah wie es saugte und hörte schlürfende Geräusche, in etwas so wie man es mit einem Strohhalm machte, wenn das Glas Milch leer war. Ich sah wie gebannt zu Grandpa und dem Ding aus dem Keller. Aus Grandpa´s Kehle entrang sich ein Stöhnen. Das war für mich der Auslöser, ich wollte auf das Ding Losstürmen und es von Grandpa wegreißen, aber Grandpa wusste wohl schon was geschehen würde.
Er drehte den Kopf sodass er mich ansehen konnte –sein Gesicht zu einer Maske verzerrt – und stöhnte zu mir mehr als das er sprach: „Lauf Edmond, lauf“. Dann packte er den Rüssel des Dings und zog daran so fest er es konnte. Ich sah immer noch voll Angst zu ihm und machte keinerlei Anstalten wegzurennen, wie es Grandpa von mir verlangt hatte.
Dann blickte er mich noch einmal an, ließ kurz von dem Rüssel auf seiner Brust ab und versetzte mir einen kräftigen Stoß. Das war der Moment in dem Ich loszulaufen begann. Ich rannte aus der Küche durch das dunkle Wohnzimmer – wobei ich mir bis heute nicht erklären kann, wie ich es geschafft hatte nirgendwo gegen zu Laufen – dann durch den Flur und schließlich hinaus auf die Straße. Es war immer noch dunkel und die Straße war Ruhig. Bis ich anfing loszubrüllen.
„Hiiilllfeee. Mein Grandpa braucht Hilfe“. Ich weiß nicht mehr wie oft ich es wiederholte bis die ersten Lichter in den Nachbarhäusern an gingen. Von irgendwoher ertönte eine Stimme die rief: „Verdammt nochmal weiß eigentlich einer wie spät es ist“. Anderswo wurden die Fenster aufgemacht und verschlafenen Menschen sahen hinaus. Schließlich wurde ich bei den Schultern gefasst und ein großgewachsener Mann drehte mich zu sich. Ich dachte zuerst Grandpa wäre dem Monster entkommen, aber es war nicht Grandpa. Es war einer seiner Nachbarn. Er schüttelte mich und musste mich anschreien um mein Geschrei zu übertönen.
„Junge! Was ist denn los verdammt nochmal“. Ich wollte ihm alles erzählen, von dem Monster aus dem Keller was Grandpa gepackt hatte und wie ich hinausgelaufen bin, aber ich konnte nichts weiter sagen als „Mein Grandpa, in der Küche“. Der Mann dessen Namen ich mittlerweile vergessen habe, sah mich fragend an. Aber ich konnte in seinem Gesicht erkennen, dass er erkannte, dass die Sache ernst war. „Komm“, sagte er und zog mich mit sich, „wir werden nach deinem Grandpa sehen“. Ich freute mich Hilfe zu bekommen, aber gleichsam fürchtete ich mich wieder zurück zum Haus zu gehen. Vielleicht würde dort das Monster auf mich warten. Der Mann nahm mich bei der Hand und wir gingen zurück.
Die Tür stand speerangelweit auf und man konnte in das Innere sehen. Lediglich das Licht aus der Küche erhellte etwas den Flur des Hauses. „Hallo? Mr?“, rief er in das Haus. Dann sah auf das Namensschild an der Tür. „Mr. Crocker? Ist alles bei ihnen in Ordnung?“ Aber bekam keine Antwort. Alles war still, zu still wie ich fand und meine Augen füllten sich mit Tränen. Ein Gedanke schoss mir immer wieder durch den Kopf. Es hat ihn umgebracht. Es hat ihn umgebracht. Der Mann hielt noch immer meine Hand, als er sich langsam in den Flur bewegte und zog mich mit sich. „Hallo, Mr. Crocker, ist alle in Ordnung mit ihnen“, versuchte er es noch einmal. Doch anstelle einer Antwort bekam er nur ein Stöhnen. In ersten Moment bekam ich Panik. Ich dachte das wäre das Monster. Wie sich aber herausstellte war es das nicht, es war Grandpa. Er lag rücklings auf dem Boden in der Küche und hielt sich mit der rechten Hand die Brust. „Großer Gott, Mr. Crocker“, sagte der Mann, ließ meine Hand los und stürzte auf Grandpa zu. Er kniete sich neben ihn, faste ihn an den Schultern und setzte ihn in eine aufrechte Position. Grandpa stöhnte nur und hielt sich weiter die Brust.
„Schnell Junge, wo habt ihr das Telefon?“, fragte er mich schließlich. Ich war noch zu sehr geschockt, als das ich, nur ein Wort heraus hätte bringen können. Also deutete ich mit dem Finger rechts neben die Arbeitsplatte auf die Wand, wo ein beiges Telefon angebracht war. Sofort richtete sich der Mann wieder auf und nahm den Hörer ab. Er rief den Notruf an. Danach ging alles sehr schnell, innerhalb weniger Minuten kam ein Kranken wagen und holte meinen Grandpa ab. Ich wurde gefragt wo denn meine Eltern seien, doch ich konnte nichts sagen. Als sie meinen Grandpa aus dem Haus trugen, hatte sich eine beachtliche Menschen Menge davor versammelt und gaffte, als gäbe es nichts Spannenderes. Auch ich wurde mitgenommen, aber bevor ich das Haus verließ, blickte ich noch einmal zur Kellertür.
Sie war nur noch einen Spalt breit geöffnet und ihre Ränder waren zerfasert. Aber das war mir egal, viel schlimmer fand ich, was ich durch diesen Spalt sah, es waren die gelben Augen des Dings und sie sahen mich an. Sie sahen mich an als versuchten sie mich genau einzuprägen. Und ich bin sicher, dass sie das taten. Im Krankenhaus sagte man mir wie Tapfer ich doch war Hilfe gerufen zu haben, als mein Grandpa einen Herzanfall bekommen hatte, noch dazu in so später Stunde. Ich beruhigte mich langsam wieder und einer der Ärzte fragte mich erneut nach meinen Eltern. Dieses Mal konnte ich eine Antwort geben und gab ihm die Telefonnummer des Handys meines Vaters, die Nummer war nur für Notfälle, hatte er immer gesagt und wenn das hier keiner war, dann wusste ich es auch nicht. Meine Eltern holten mich noch am selben Abend ab und fuhren mit mir nach Hause.
Grandpa starb noch in dieser Nacht und keiner der Ärzte konnte einen Grund dafür feststellen. Ich aber konnte es. Ich hatte ja schließlich dabei gestanden, als es passierte. Dieses Monster hat Grandpa etwas abgesaugt, etwas was jeder Mensch zum Leben braucht. Seine Lebensenergie. Viele Jahre sind seitdem nun vergangen und ich habe etliche Psychiater gebraucht. Aber eines kann ich bis zum heutigen Tage nicht, ich kann kein Keller betreten.
Jedes Mal wenn ich es versuche bricht bei mir der kalte Schweiß aus. Denn ich weiß dass mich das Monster damals ins Auge gefasst hat und nur darauf lauert mich zu packen. Im Laufe der Jahre bin ich immer wieder umgezogen, aber es verfolgte mich. Woher ich das weiß? Ich kann es Nacht für Nacht in meinem Keller hören. Es stöhnt, schlurft und lärmt. Gerade jetzt wo ich diese Zeilen zu Papier bringe höre ich es wieder, es hat mich wieder gefunden. Ich versuche nicht auf die Geräusche zu achten, aber ich befürchte eines Tages treibt es mich in den Wahnsinn.

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Tag der Veröffentlichung: 25.01.2011

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