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Prolog

Hier saß ich also. An einen Stuhl gefesselt. In einem Raum, aus dem es kein Entkommen mehr gab - und das an meinem Geburtstag. Mein Rücken schmerzte fürchterlich und meine Nase juckte schon seit drei Minuten. Doch das schlimmste war, dass ich nicht alleine war. Mir gegenüber saßen schweigend und tatsächlich nervös die schrecklichsten Wesen, die es auf dieser Erde gab: Meine Brüder.

 

 

Kapitel 1

Eitelkeit/Vanitas:

Übertriebene Sorge um den eigenen Körper, das Aussehen und die Attraktivität oder die Wohlgeformtheit des eigenen Charakters.

„All is Vanity“ – Charles Allan Gilbert

Es war vier Uhr nachmittags, als meine Mutter fröhlich von unserem großen Eingangsbereich in die Küche eilte und mich allein zurückließ. Ich sah verärgert auf die Haustür. Fünf Minuten Verspätung waren ja in Ordnung, aber... zwei Stunden, das ging zu weit. Ich fühlte mich beschissen. Nun stand ich hier herum und wartete auf das Schlimmste, das mir nur passieren konnte. Schließlich entschloss ich mich, noch einmal durch unser großes Haus zu streifen und mich so von meinem ruhigen Leben hier zu verabschieden. Groß war als Adjektiv für unser Haus wohl untertrieben. Gigantisch passte da schon eher. Zwar lebten wir nicht gerade in der Innenstadt, unser Haus machte das jedoch wett. Anstatt eines Zwei-Zimmer-Apartments in der New Yorker Innenstadt lebten wir in einem Palast in einer abgelegeneren Straße in Queens. Fünf Schlafzimmer, ein großes Wohnzimmer, vier Badezimmer, eine Küche mit Essbereich, zwei Arbeitszimmer und so weiter. Mein fünfzehnjähriger Bruder Simon schlurfte mir missgelaunt entgegen. »Sie kommen  natürlich zu spät!«, meinte er stöhnend zu mir und verschränkte seine dünnen Arme. Er wirkte ziemlich schwach – und er war es auch. Manchmal ärgerte ich ihn, indem ich sagte, er könnte nicht einmal eine Salzstange zerbrechen. Er hielt nichts auf Baseball oder American Football – viel lieber las er. Er hatte eine schwarze Nerd-Brille und braunes Haar, das am Hinterkopf oft abstand. Ich war vier Jahre älter als er, neunzehn also, aber trotzdem überragte er mich um mehrere Zentimeter. Ich lächelte ihn an. Er hatte genau so wenig Lust auf „das hier“ wie ich. »Ich wäre überrascht gewesen, wenn sie pünktlich wären!«, seufzte ich. Ohne ein weiteres Wort zu wechseln gingen wir beide wieder weiter. Die Stimmung war im Keller! Mein Weg führte mich in unser gemütliches Wohnzimmer. Unsere Hausangestellte, Emma, hatte ein Feuer im Kamin angezündet und alles ordentlich aufgeräumt. Der warme Schein des Feuers spiegelte sich matt in der unteren Hälfte der vier Wände wieder, die mit dunklem Holz vertäfelt war. Auf der linken Seite befand sich der Schachtisch mit zwei Stühlen, wo ich immer mit Simon spielte. Direkt dahinter, in der linken Ecke befand sich eine Staffelei mit leerer Leinwand. Doch was zuerst ins Auge fiel, wenn man reinkam, war der große, schwarze Flügel, der rechts in der Ecke stand und durch zwei große Fenster hell beleuchtet wurde. Ich ließ meine Finger sanft über die Tasten streifen. Hohe, leise Töne erklangen. Ich blickte auf die lange Couch und der Flachbildfernseher, vor den ich mich dann setzte. Ich wechselte mehrmals den Sender, bis ich etwas fand, das mich wenigstens ein bisschen interessierte. Jedoch konnte ich mich nicht wirklich auf die Sendung konzentrieren. Ich konnte die Freude meiner Eltern einfach nicht nachvollziehen! Das Läuten des Telefons riss mich aus meinen negativen Gedanken. Schnell stand ich auf und schnappte mir den Hörer, der auf einem Beistelltisch im Eingangsbereich stand. Der Eingangsbereich hinterlässt bestimmt einen einschüchternden ersten Eindruck. Man brauchte mehr als zehn große Schritte, um ihn zu durchschreiten. Es war nahezu komplett in sterilem Weiß gehalten. Es gab zwei weiße Kommoden und zwei Barocksessel. Am auffälligsten war jedoch der große silberne Kronleuchter. Am linken und rechten Rand der Halle führten dunkle, gewundene Holztreppen ins Obergeschoss. Schnell schnappte ich mir den Hörer und drückte die grüne Annahmetaste. Jemand sprach, bevor ich meinen Namen nennen konnte. »Hey Mom! Ich hab’ schlechte Nachrichten..!«, ertönte eine charmante männliche Stimme. Das war er... Na super. »Tristan... Hier ist Juliet«, stöhnte ich. »Oh... Jules! Na dann... richte Mom bitte aus, dass unser Flug verschoben wurde, und wir morgen Vormittag bei euch sind.« Am liebsten hätte ich „Leck mich“ gesagt, doch ich riss mich zusammen. »Werd’ ich machen«, grummelte ich. »Dann sehen wir uns morgen, Baby!«, lachte Tristan und legte auf. Blödmann. Ich mochte Tristan nicht. Obwohl er mein Bruder war, verabscheute ich ihn sogar. Er und Jack – sein Zwillingsbruder! – ärgerten mich schon so lange, wie ich nur zurückdenken konnte. »Juliet! Simon! Sind sie schon da? Das Essen ist doch in zehn Minuten fertig.« Meine Mutter blieb kurz stehen, als sie die Treppen hinuntereilte und mich verdutzt mit dem Hörer in der Hand dastehen sah. »Was machst du denn da? Hilf mir lieber, die Betten der Jungs zu beziehen!«, meinte sie und schüttelte den Kopf, sodass ihr braune Haarsträhnen ins Gesicht fielen. »Nicht nötig«, murmelte ich, »Die beiden kommen erst morgen.« Entgeistert starrte Mom mich an. »Guck nicht so! Ihr Flug wurde verschoben, sie kommen morgen Vormittag.« Meine Mutter ließ enttäuscht die Schultern hängen. Auch, wenn ich mich ein wenig mies fühlte, wechselte ich das Thema. »Heißt das, dass ich heute Abend zu Angeline gehen darf?«, fragte ich hoffnungsvoll. »Äh... Was? ... Ja, natürlich.« Ich ließ meine Mutter schuldbewusst stehen und schlich die Treppen hinauf. Angeline war meine beste Freundin. Sie war etwas merkwürdig, doch auch sehr liebenswürdig. Sie hatte einen Job im „Queens’ Crown“, der angesagtesten Bar in der Gegend. Heute wollte ich sie besuchen, weil ihr Freund sie verlassen hatte und sie nun ein einziges Wrack war. Nachdem sie eine Woche lang das Haus nicht mehr verlassen hatte, war heute wieder ihr erster Arbeitstag. Ich ging den langen Korridor entlang und bog rechts in mein Zimmer ab. Es war ziemlich riesig, sodass genug Platz für ein Doppelbett und einen großen Kleiderschrank war. Die Wände waren in pastellgrün gehalten. An einer Wand hingen von mir gezeichnete Bilder und Skizzen. Die meisten davon waren jedoch unbeendet. Es gab einen dunklen Schreibtisch mit Drehstuhl, ein hohes Bücherregal und eine Sitzecke, in der ich es mir immer bequem machte, wenn ich die Bücher las. Ein Blick auf meinen Wecker verriet, dass es bereits kurz nach Sieben war, deshalb entschloss ich mich, mich umzuziehen. In meiner schlabberigen Jogginghose konnte ich Angeline nun mal nicht besuchen. Ich suchte mir bequeme verwaschene Jeans und ein dunkelrotes T-Shirt heraus. Hauptsache unauffällig. Als ich mich fertig umgezogen hatte, suchte ich wieder den Eingangsbereich auf, zog mir eine dünne Jacke und Turnschuhe an und schnappte mir die Haus- und Autoschlüssel. Ich stieg in den schwarzen Kombi, den ich mir mit meiner Mom teilte. Auf der Rückbank stand ein Pudel mit Wackelkopf. Ich hasste ihn so sehr, dass er irgendwann wohl eiskalt im Müll landen würde. Während der ganzen Fahrt hörte ich das Klacken des Kopfes, wenn er gegen den Körper prallte, sodass ein zusätzlicher Stressfaktor zu meiner ohnehin schon schlechten Laune hinzugefügt wurde. Ich war also wirklich ziemlich entnervt, als ich vor dem „Queens’ Crown“ parkte, wo zufällig gerade ein Parkplatz frei geworden war. Wäre der Weg noch länger gewesen, hätte ich den Pudel bei der nächsten roten Ampel gepackt und aus dem Fenster geschmissen. Schon einige Meter, bevor ich die Tür erreichte, hörte ich die Elektro-Musik, die in der Bar gespielt wurde. Als ich eintrat, kamen mir Stimmengewirr und der Geruch von Alkohol entgegen. Es war nicht allzu schlimm, doch hier zu arbeiten wäre nun auch wieder nicht mein Traumjob. Angeline stand hinter der Theke und füllte ein paar Gläser mit einer Flüssigkeit, die schon nach Komasaufen aussah. Außer mir bemerkte wohl keiner, wie fertig sie war. Keiner nahm Acht auf ihre Augenringe, die Zittrigen Hände oder ihr schlampig zurückgestecktes blondes Haar. Stattdessen wurde sie von einem ziemlich betrunken wirkenden Kerl angebaggert und wimmelte ihn nur halbherzig ab. Es war halb Acht und hier war wirklich viel los. Der Billardtisch war belegt und es waren nur noch zwei oder drei Sitzplätze verfügbar. Viele waren schon angetrunken, andere waren im Begriff, es ihnen gleichzutun. Ich seufzte erleichtert auf, als ein Platz direkt an der Bar frei geworden war, da ich mich sonst zu einer Gruppe betrunkener Ausländer (ich tippte auf Holländer) hätte setzen müssen. Ein schwaches Lächeln huschte auf Angelines Lippen, als sie mich sah. »J! Schön, dich zu sehen, Süße! Was darf ich dir ausgeben?«, lächelte sie. Ich hob eine Augenbraue. »Verkauft ihr auch Wasser?«, grinste ich. »Lässt sich sicherlich einrichten«, antwortete sie. Aus dem Augenwinkel sah ich, dass der Platz links neben mir frei wurde. Noch bevor Angeline mir das Glas Wasser vor die Nase stellen konnte, setzte sich schon der nächste auf den Barhocker, doch ich sah nicht wirklich hin, wer da saß. »Hi«, sagte die Person neben mir im süffisanten Tonfall, »Du willst doch nicht wirklich bei Wasser bleiben, oder?« Ich rollte mit den Augen. »Kann ich dir nichts Richtiges ausgeben?«, fragte er. Ich sah noch immer nicht hin, merkte aber, dass die Stimme angenehm und rauchig zugleich war. Sie gab mir das Gefühl, als würde ich die Person kennen… Angeline schien sich ein Lachen verkneifen zu müssen. »Nein, danke«, sagte ich trocken und drehte demonstrativ den Kopf noch weiter in die andere Richtung. Alf solche Sprüche sprang ich nicht an. »Ach, komm schon! Ich zahle, du hast Spaß! Klingt doch gut, oder?« Ich drehte mich um und wollte gerade nein sagen, doch... Diese Worte blieben mir im Hals stecken. »Ne- ... Oh mein Gott… J-Jack?!« Entgeistert starrten wir uns an. Angeline brachte es wirklich fertig, zu kichern. »Was tust du hier?«, zischte ich, »Ich dachte, euer Flug wurde verschoben?! Keine Spur von Freude des Wiedersehens – weder seiner- noch meinerseits. »Was tust du hier? Müsstest du nicht in deinem Zimmer sitzen und irgendwelche Liebesromane lesen?«, knurrte er mich an. Er versuchte, so cool wie immer zu wirken, doch ich sah ihm die Anspannung an. Ich hatte ihn eiskalt erwischt... Mom hatte sich so auf ein Wiedersehen mit Ernie und Bert gefreut, doch die beiden logen sogar noch, um dieses zu Verschieben. Mom wäre ja so enttäuscht! »Jack! Ich hab welche gekauft!«, rief jemand hinter uns. Tristan. Seine Stimme hatte sich kein bisschen verändert. »Na super«, murmelte Jack und rollte mit den Augen. »Mit wem flirtest du denn da?«, lachte Tristan. Jack legte sich kopfschüttelnd die Hand an die Stirn. Ich drehte mich um und funkelte Tristan böse an. »Jules! Mein Baby! Lass dich umarmen!«, rief er. Kein Hauch von Überraschung. Er packte – trotz Protest meinerseits – mein Handgelenk und zog mich mit einem kräftigen Ruck vom Barhocker. Er hatte seinen Spinat schon immer aufgegessen... »Als ich dich das letzte Mal gesehen habe, warst du noch so groß!«, grinste er und deutete mit einer Hand an seine Hüfte. Ich stöhnte genervt und versuchte, seinen Klammergriff zu lockern. »Ihr wart nur drei Monate weg!« Die drei schönsten Monate meines Lebens, wohlgemerkt. Tristan nahm mich in seine übertrieben starken Arme. Er roch gut, stellte ich fest. Ein neues Aftershave? Ich hatte keine Gelegenheit, noch einmal den Duft einzuatmen, da er mich mit seiner festen Umarmung beinahe zerquetschte. »Tja... Du bist eben schnell gewachsen.« Nun schob er mich wieder ein Stück zurück und glotzte mir unverhohlen in den Ausschnitt. »Da oben hat sich aber nicht viel verändert!« Jack brach in Gelächter aus, als er mein Gesicht sah, das sich vor Scham und Zorn bestimmt purpurn verfärbt hatte. Dass er das gesagt hatte, war ja nicht genug – er hatte es vor allen Leuten hier gesagt, nicht unbedingt im Flüsterton. Ein Pärchen, das auf der anderen Seite neben mir an der Bar gesessen hatte, musterte uns amüsiert aus den Augenwinkeln. »Du bist so charmant wie eh und je«, stöhnte ich. »Und du so platt wie eh und je!« Das reichte jetzt aber! Von diesen Menschenaffen musste ich mich doch nicht beleidigen lassen.»Ich gehe jetzt...«, sagte ich und klimperte süß mit den Wimpern, »Soll ich Mom Grüße ausrichten?« »Okay«, grinste Jack, »Wir bleiben hier bei deiner Freundin.« Angeline rollte mit den Augen, als würde es ihr nicht gefallen. Doch das Zucken ihrer Mundwinkel erzählte eine komplett andere Geschichte. »Sie ist vergeben«, warf ich hastig ein, »An einen Quarterback. Der hat in einem Finger mehr Muskeln, als ihr im ganzen Körper.« »Gar nicht wahr«, lächelte Angeline und warf mir von den Jungs unbemerkt einen warnenden Blick zu. Na super. Sobald die beiden wieder fünf Minuten in meinem Leben waren, hatten sie es geschafft, mich vor allen zum Idioten zu machen und mir meine Freundin streitig zu machen. Ich wollte gehen. Einerseits, weil ich keine Lust auf einen Streit hatte, andererseits, weil mir nichts einfiel, das ich den beiden noch an den Kopf hätte schmeißen können. Böse blickend bemerkte ich, wie Angeline die beiden anschmachtete. Und plötzlich war mir klar, warum ich die beiden eigentlich loswerden wollte. Jack und Tristan sahen aus wie Götter. Griechische Götter mit begnadetem Körper. Wusstet ihr, dass es in der griechischen Mythologie hieß, dass man zu Asche zerfiel, wenn man die Götter in ihrer Wahren Gestalt sah, weil sie einfach zu schön waren? Bei mir hatte sich die Anziehungskraft, die Tristan und Jack ausstrahlten wohl nie durchgesetzt, weil sie nun mal meine Brüder waren. Doch jetzt waren sie hier, und die Stühle aller Frauen schienen auf magische Weise wenige Zentimeter näher zu den beiden gerückt. Wenn man sich also vorstellte, zwei Sexmonster im Haus zu haben, die einem die Freundinnen wegnahmen und sich benahmen, als seien sie dreitausend Jahre zu spät geboren, kam man meiner momentanen Situation schon sehr nahe. Da war es einleuchtend, weshalb sie einen Tag früher gekommen waren: Es heißt, die Mädchen in Queens seien sehr spontan... »Ich werde Mom jetzt erzählen, dass ihr schon da seid!«, sagte ich und kam mir dabei ziemlich kindisch vor. Die beiden sahen sich wissend an und begannen, zu grinsen. »Bis dann, Jules.« Ohne ein weiteres Wort – weil mir keins in den Sinn kam, das gemein genug war – kehrte ich ihnen den Rücken zu und verschwand. Angeline schien auf meinen Beistand anscheinend sowieso nicht angewiesen zu sein. In meinen Frust mischte sich Schadenfreude. Mom würde eine Kopfstand machen, wenn ich ihr erzählen würde, dass Jack und Tristan gelogen hatten. Als ich in der Einfahrt parkte, sah ich, dass auch mein Vater wieder zu Hause war. Er arbeitete bei einer Baugesellschaft für reiche Leute als Ingenieur. Was genau er da tat, war mir auch nicht ganz klar. Meistens erzählte er von Wohnungsübergaben und Beschwerden seiner versnobten Kunden. »Mom! Dad!«, rief ich. Ich fand die beiden im Wohnzimmer. Dad saß in dem barocken Ohrensessel und las Zeitung, Mom wischte eifrig mit einem Tuch über den schwarzen Glanzlack des Flügels. »Tristan und Jack sind da! Sie haben gelogen!«, platzte ich heraus- Mein Dad legte sich ruhig die Zeitung auf den Schoß und musterte mich mit gehobener Augenbraue. Er und Mom waren wirklich von Grund auf unterschiedlich, zumindest, was das Aussehen betraf. Mom hatte eine sonnengebräunte Haut, volle Lippen und die grünsten Augen, die ich jemals gesehen hatte. Dad hingegen war fast schon käsig blass, hatte grau-braune Augen, einen schmalen Mund und eine tiefe Falte zwischen den Augen, weil er ständig über die unwichtigsten Dinge nachgrübelte. So wie jetzt. Er sah mich nahezu prüfend an. »Kannst du dich nicht mal entscheiden?«, fragte meine Mutter mit einem Hauch von Verzweiflung. »Was? Wieso ich? Tristan hat mir gesagt, dass ihr Flug verschoben wurde, aber ich habe ihn und Jack gerade gesehen!« „Petze!“ flüsterte erniedrigende Stimme in meinem Hinterkopf. »Das klingt ziemlich unglaubwürdig, findest du nicht?«, meinte mein Vater seufzend. »Aber es ist wahr!«, sagte ich verzweifelt. Ich fühlte mich, als wäre ich auf einmal die Lügnerin. Sicherlich war das von den beiden geplant. Simon kam zu uns angerannt. »In der Einfahrt hat ein Wagen geparkt!«, sagte er und war... nervös. Meine Mutter hatte mich sofort vergessen. Sie schmiss das Tuch auf den Klavierhocker und stürmte zu Haustür. »Oh! Meine beiden Jungs sind endlich wieder zurück! Ich hab euch so vermisst!«, hörten wir sie rufen, sobald die Tür geöffnet wurde. »Kommt rein! Kommt rein!« Simon und ich verzogen beinahe synchron das Gesicht, wurden jedoch durch unseren Vater, der sich erhob und uns sah, ermahnt. Mit gesenkten Häuptern schlurften wir hinter ihm her in die Eingangshalle. Da standen sie und schenkten Mom schelmische Blicke.

»Wo wart ihr so lang?«, fragte sie die beiden.

»Tut uns leid. Auf dem Highway war ein kilometerlanger Stau«, stöhnte Jack.

Ich konnte es nicht fassen. Sie waren dreist genug, Mom ins Gesicht zu lügen. Als Tristan mich sah, hellte seine Miene sich wieder merklich auf. »Jules! Mein Baby! Lass dich umarmen!«, rief er. Egal, was ich zuvor gedacht und gesagt hatte... Jetzt fühlte ich mich verarscht. Ohne einen weiteren Kommentar setzte ich meinen zerbrechlichen Brustkorb ein weiteres Mal einer seiner Würge-Umarmungen aus. »Du hast dich nicht verändert, seit ich dich das letzte Mal gesehen habe!«, grinste Jack. Das war doch echt zum Heulen. »Hey Simon«, sagten Jack und Tristan nun beinahe gleichzeitig und boxten ihren kleinen Bruder jeweils in eine Schulter. Ich sah, wie Simon sich ein Aufstöhnen verkniff. Kein Wunder... Sie behandelten ihn so sanft, wie sie aussahen. »Seid ihr auf die beiden denn gar nicht sauer?«, sagte ich verzweifelt zu meinen Eltern und war kurz davor, auf die Knie zu fallen. »Och, warum denn? Die beiden können doch nichts dafür, dass auf dem Highway Stau war«, lächelte meine Mutter die beiden an. Richtig – sie schenkte mir nicht einmal einen Blick. Außerdem wollte ich nicht auf den Stau hinaus. »Ihr habt Unmengen für ein renommiertes College bezahlt! Die beiden werden geschmissen – und ihr empfangt sie mit offenen Armen.« Ich war mir nicht sicher, ob er es eigentlich bemerkte, doch Simon stimmte mir durch ein leichtes Kopfnicken zu. Jack und Tristan waren ein Chaos-Duo. Angeblich hatten sie – beide! – etwas mit der Tochter des Schuldirektors, Mr. Baker, angefangen. Genaueres war mir nicht bekannt, aber angeblich war es im Schlafzimmer des Direktors höchstpersönlich zwischen Jack und ihr recht heiß zur Sache gegangen, als er nicht da war – na ja, das dachten sie zumindest... Immer, wenn ich mir das vorstellte, konnte ich mir das Grinsen nur schwer verkneifen. »Ach, Schatz... Du musst nicht eifersüchtig sein. Wir bevorzugen hier doch keinen«, sagte mein Vater und legte mir seine schwere Hand auf die Schulter. Machten sie das eigentlich mit Absicht? Langsam kam es mir selbst so vor, als wäre ich der Spaßverderber. »Das meinte ich auch nicht. Es geht mir darum, dass ihr so tut, als wäre nichts gewesen. Wenn ich einer von euch wäre, würde ich ihnen zehntausend Strafen aufbrummen!« »Es ist schon Strafe genug, nicht Studieren zu dürfen«, sagte meine Mutter und zwinkerte mir daraufhin zu. Ich konnte mir zwar nicht sicher sein, doch ich bezweifelte, dass Jack und Tristan jemals die Absicht gehabt hatten, auf dem Campus zu lernen. Dort gab es doch viel interessantere Dinge zu tun. »Jetzt lasst uns essen!«, meinte Mom und klatschte enthusiastisch in die Hände. Das hieß mit anderen Worten, dass sie nichts mehr von dem Thema hören wollte. Böse folgte ich ihr und Dad in die Küche und zeigte Tristan und Jack hinter dem Rücken meinen wunderschönen, rot lackierten Mittelfinger. Unsere Küche war so groß, dass wir die linke Hälfte als Essbereich nutzten. Die Küchentheke war aus dunklem Holz, durch das sich schwarze Streifen zogen. Sie zog sich um ein Eck und wurde nur von Herd und Kühlschrank unterbrochen. In diesem Eck standen zwei kleine Töpfchen mit Basilikum und Kresse, die meine Mutter selbst gesät hatte. Es gab Spaghetti Carbonara. Das roch ich, sobald ich den Raum betreten hatte. Ich setzte mich sofort neben Simon, damit ich mich nicht neben Tristan oder Jack quetschen musste. Alte Gewohnheiten wie sich Breitmachen ließen sich nur schwer wieder ablegen. Tristan setzte sich Simon gegenüber und Jack machte sich neben ihm breit. Jack und ich griffen gleichzeitig nach der Spaghettizange. Mit zusammengekniffenen Augen sah ihn an. Lautlos formte ich die Worte „Trau dich!“ Augenrollend zog er die Hand zurück und trommelte mit den Fingern auf der Tischplatte, bis ich endlich fertig war. Gerade, als ich Soße über die Nudeln kippen wollte, spürte ich etwas an meinen Füßen und fuhr leicht zusammen. Doch es waren nur Jacks megalange Beine. Er hatte seine Füße auf meine gelegt und gab nun ein demonstrativ entspanntes Seufzen von sich. Während meine Mutter Tristan mit uninteressanten Smalltalk-Fragen wie „Wie war das Wetter in Florida?“ vom Essen abhielt, versuchte ich, meine Füße – die eindeutig zu klein für einen Fußkampf waren – wieder zu befreien. Als es mir mit dem rechten gelang, gab ich Jack einen festen Tritt gegen sein Schienbein – ohne mein Lächeln verschwinden zu lassen. Er formte seine Lippen still zu einem „Autsch“, wirkte aber eher belustigt als verletzt. »Und wie waren die Mädchen in Florida?«, fragte meine Mutter und grinste Tristan und Jack an, als sei sie die beste Freundin der beiden. Keiner der beiden machte Anstalten, Mom zu antworten. Es war auch nicht normal, der ganzen Familie am Esstisch Bettgeschichten zu erzählen. Böse guckte ich in die Runde. Je weiter ich blickte, desto aufgebrachter wurde ich. Meine Mutter... Wie sie die beiden bemutterte, obwohl sie im Moment eine einzige Enttäuschung darstellten. Dad schien nicht weiter am Geschehen interessiert zu sein und aß schweigend seine Spaghetti – ohne ein einziges Mal vom Teller aufzusehen. Simon lauschte dem Gespräch mit höflichem Interesse – mehr höflich als Interesse – machte jedoch ebenfalls nicht den Eindruck, als wolle er das Gesprächsthema wechseln. Und über Jack und Tristan wird an dieser Stelle lieber überhaupt nichts erwähnt. Manchmal fragte ich mich wirklich, ob ich mit diesen Leuten verwandt war. Dabei berücksichtigte ich keineswegs nur das Verhalten, sondern auch das Aussehen. Sowohl die Haare meines Vaters, als auch die meiner Mutter waren grau meliert, doch zuvor waren die Haarfarben der beiden dunkelbraun und hellblond gewesen. So weit so gut, meine Haare waren hellbraun, was sich wohl noch vertreten ließ. Außerdem hatte Simon beinahe dieselbe Haarfarbe wie ich. Doch Dad, Jack und Tristan hatten graue, meine Mutter smaragdgrüne Augen. Ich hatte tiefblaue Augen. Wenn man genauer hinsah, erkannte man graue Sprenkel. Ein weiterer Unterschied zwischen uns war die Hautfarbe. Ich wurde so gut wie nie braun. Das extreme Gegenteil: Jack und Tristan. Sie waren nur drei Monate weg gewesen und kamen zurück wie zwei Sunnyboys aus dem Urlaub aus der Karibik. Ich wäre fast genau so blass, wie ich jetzt war, zurückgekommen – bis auf den Sonnenbrand auf jeder Stelle, die ich der Sonne offenbart hätte. »Ganz nett«, meinte Tristan (eigentlich grunzte er mit vollem Mund, aber ich finde, das klänge zu sehr nach einem Schwein) schließlich. Auch Jack aß so schnell, dass ich meinte, die auf der Gabel aufgewickelten Spaghetti von einer Sekunde auf die nächste nicht mehr zu sehen. War das eigentlich immer schon so gewesen? Auf jeden Fall war es absolut ekelhaft. Nach dem Essen erklärte sich Simon freiwillig bereit, den Tisch abzuräumen – wahrscheinlich wollte er auf diese Weise Jack und Tristan entkommen. Ich beschloss, meinen Frust durch Musik auszulassen. Wenn es einen „kleinen“ Gegenstand gab, die ich in diesem Haus wirklich liebte, war es unser Flügel. Als ich um Wohnzimmer ankam, huschte ein Lächeln auf meine Lippen. Eine kleine Mozart-Büste stand auf links neben dem Notenhalter. Ich holte eine in dunkelrotes Leder gehüllte Mappe aus dem Bücherregal. Darin befanden sich Klaviernoten. Ich entschied mich kurze Zeit später für Beethovens „Mondscheinsonate“, ein meiner Meinung nach ziemlich melancholisches Stück... Ich platzierte die Noten, setzte mich auf den schwarzen Hocker vor dem Flügel und begann zu spielen. Als ich gerade erst die Noten der zweiten Zeile spielte, hörte ich, wie jemand leise die Tür zum Wohnzimmer öffnete. Ich hörte jedoch erst auf zu spielen, als mir jemand eine Hand auf die Schulter legte. »Du spielst gut«, schmunzelte Jack. »Danke«, sagte ich mit bissigem Unterton und machte kein Geheimnis daraus, dass ich wusste, dass er Recht hatte. »Kann ich... auch mal?«, grinste er. Überrascht hob ich eine Augenbraue. Ich hatte Jack noch nie spielen gehört. »Na gut«, sagte ich und erhob mich, »Pass auf: Hier ist das C«, sagte ich und drückte auf die entsprechende Taste. Als Jack sich setzte und es mir gleichtat, musste ich schon das Lachen verkneifen. Es geschah nun mal sehr selten, dass ich in einer Sache besser war als meine Brüder. Als er dann die Tonleiter mitsang, bekam ich beinahe einen Lachanfall und musste mich am Flügel festhalten. »Warte doch, ich wärme mich nur auf«, stöhnte er augenrollend und murmelte noch etwas, das wie „Kleine Schwestern...“ klang. Als nächstes schlug er ein paar Akkorde an. Klang gar nicht mal so übel, aber... Moment mal! Ehe ich mich versah, spielte er eine Nocturne, die nicht einmal ich konnte. Fehlerfrei und auswendig. Böse zog ich die Augenbrauen zusammen und lauschte den immer schneller werdenden Tönen. Ab jetzt hasste ich Jack. Hätte er mich nicht einmal aus Geschwisterliebe als Gewinner dastehen lassen können? »Gar nicht mal so schlecht«, nuschelte ich, als er das Stück beendet hatte. Jack erhob ich und zerwühlte mit einer seiner Bärenpranken mein Haar. »Ich kann dir ja Unterricht geben«, lachte er. Böse boxte ich ihn die Schulter. Völlig überraschend nahm er mich dann in die Arme (das war heute schon Umarmung Nummer drei). »Wo hast du Klavierspielen gelernt?«, fragte ich Jack. »Ich kann schon spielen, seit ich acht bin«, erwiderte er schulterzuckend. Ich verschränkte erneut die Arme. »Wieso hast du bisher nie gespielt?« »Ich wollte dich in dem Glauben lassen, du seist die allergrößte Pianistin aller Zeiten«, grinste er, »Und habe deshalb nur gespielt, wenn du nicht da warst...« Wow, wahnsinnig rücksichtsvoll. Die Geschichte kaufte ich ihm nicht ab. »Gibt es überhaupt etwas, das du nicht kannst?«, motzte ich wie ein Kleinkind. »Frag mich in zwei Stunden noch mal, bis dahin ist mir sicher etwas eingefallen.« Frustriert ließ ich mich auf die Couch fallen. Dann würde ich mir eben ein neues Hobby suchen… Wie wäre es mit „Brüder ermorden“? »Mir ist doch was eingefallen, was ich nicht kann«, sagte er nun. »Was denn?«, fragte ich sarkastisch, »Nett sein?« »Was? Nein… Aber ich kann keine Bücher lesen, die mehr als hundert Seiten haben... ist das genug?« »Für den Anfang«, sagte ich und lächelte. »Und ich könnte niemals so gut in einem Minirock aussehen wie du! Oder drei Stunden am Telefonhörer hängen. Oder meine Fingernägel lackieren, oder…« »Jack!«, rief Tristan vom Obergeschoss herab, »Komm mal.« Er klang ziemlich aufgeregt. Jack schlenderte trotzdem entspannt aus dem Wohnzimmer. Ich blieb liegen und dachte nach. Darüber, warum Jack und Tristan nicht endlich von zu Hause auszogen und darüber, was sie wohl gerade besprachen. Ich ging aus dem Wohnzimmer. Von der Eingangshalle aus konnte ich vielleicht noch etwas vom Gespräch mitbekommen. Keine Chance, stellte ich fest. Leise stieg ich die Treppen herauf und ließ mich auf dem oberen Treppenabsatz nieder. Hier konnte ich sie gut hören. Ich konnte mir diese unverhohlene Neugierde selbst nicht erklären. »Bist du sicher?«, fragte einer der beiden. Verdammt ähnliche Stimmen. »Ja! Weißt du, was das heißt? Wir müssen Simon loswerden!« Eine kurze Pause entstand. »Mom und Dad werden das schon irgendwie hinkriegen...« »Wäre der Scheißkerl doch ein paar Jahre älter…« Ich verstand überhaupt nichts mehr. Ein Mordkomplott, in den Mom und Dad verwickelt waren? Wohl kaum! Was meinten sie mit „loswerden“? »In einer Woche! Warum fällt uns das jetzt erst ein?« Wieder eine Pause. Man hörte ein ungewöhnlich lautes Seufzen. »Jules ist überhaupt nicht darauf vorbereitet! Und wir können ihr ja auch nicht einfach sagen „Hey Jules, wusstest du, dass du a-“« »Halt die Klappe!«, knurrte einer der beiden. Ich hatte komplett den Faden verloren. Worüber sprachen die beiden? Was hatte ich damit zu tun? Das einzige, was ich wusste... »Oh schei...«, flüsterte ich. In einer Woche war mein Geburtstag. Nun war es ungewöhnlich still. Die beiden hatten aufgehört zu reden. Plötzlich wurde die Tür aufgerissen. Tristan starrte mich finster an. »Was willst du, Jules?«, fragte er so kalt, dass mir ein Schauer über den Rücken lief. »Ähm... Ich...«, stammelte ich. Jack, der hinter Tristan auftauchte, schloss kopfschüttelnd die Augen. »Verschwinde«, knurrte Tristan. Wie von selbst stand ich nun auf. Ich spürte die Blicke meiner Brüder noch im Rücken, als ich meine Zimmertür öffnete. Was war hier los? »Diese Familie ist nicht normal«, murmelte ich. Ich hatte drei Brüder, zwei davon waren riesige Monster, der dritte war ein introvertierter Junge, der das Haus so selten verließ, dass er wohl kaum wusste, was diese "Sonne" war, von der immer geredet wurde. Meine Eltern waren noch ganz in Ordnung. Zumindest bis auf ihre überschwängliche Liebe zu Jack und Tristan. Unten läutete es an der Tür. Ich schloss die Tür wieder und machte auf dem Absatz kehrt. Wer das wohl schon wieder war? Ich ging zurück in den Eingangsbereich und öffnete verwundert die Tür. Jessie Kelson lächelte mir entgegen. Sie war das schönste Mädchen in der Nachbarschaft, Schülersprecherin, Cheerleaderin. Sie hatte ja auch vieles zu bieten... strahlende hellblaue Augen, glänzend goldenes Haar und einen Traumkörper, der in teure, aber dünne Stoffe gehüllt war. Das komische war, dass sie mich noch nie eines Blickes gewürdigt hatte. »Hi... Du bist Julia, richtig?«, fragte Jessie langsam. Ich schürzte die Lippen. »Ich heiße Juliet. Was soll's.. Was willst du denn?« Unsicher ließ sie ihren Blick hin und her schweifen und verschränkte die Arme vor ihrer leicht bekleideten Brust. »Ich hab' gehört, dass Jack und Tristan in der Stadt sind... Kann ich sie vielleicht mal sprechen?«, fragte sie schließlich. Ich runzelte die Stirn. »Kennst du sie überhaupt?«, fragte ich irritiert. »Ähm... Ich hab sie schon mal gesehen«, erwiderte sie nun verwirrt, »Wieso?« Ich musste mir ein Lachen verkneifen. Sie hatte von zwei abgefahrenen superheißen Kerlen gehört, die hier lebten. Ganz einfach. »Ich hole sie dir... Du musst nicht nervös sein, immerhin bist du für sie genau perfekt angezogen«, grinste ich. Wider Erwarten wurde sie rot. Unmerklich mit dem Kopf schüttelnd begab ich mich wieder nach drinnen. »Jack! Tristan! Hier ist ein Paket für euch!« Ihr wisst gar nicht, wie egal mir war, was solche Leute wie Jessie von mir dachten. Gerade, als ich die Treppen hinaufsteigen wollte, hörte ich mein Handy läuten. Verdammt noch mal, wo hatte ich es nur hingelegt? Ich versuchte, dem Geräusch des Klingeltones zu folgen, sah auf den Tischen und unter den Tischen im Flur nach. Schließlich öffnete ich die Türen des Schrankes in der Garderobe. Das Geräusch wurde lauter... Ich zog die unteren Schubladen auf. Oh! Das... Wow, das war wirklich gemein.  Jack oder Tristan hatten mein Handy in einem ihrer Turnschuhe versenkt. Kindisch. Angewidert nahm ich den Schuh und schüttelte das Handy heraus. Auch, wenn es nun sehr riskant war - ich wollte mir nicht die Haut verätzen - hielt ich mit das Telefon ans Ohr. In diesem Moment spazierten Jack und Tristan an mir vorbei und schenkten mir ein unschuldiges Lächeln. Plötzlich blieb Jack vor mir stehen, obwohl Tristan zur Haustür weiterging. »Hallo?«, schnaufte ich. »Juliet? Hier ist Will!« Ein Lächeln huschte auf meine Lippen, während Jacks Miene hingegen sich verfinsterte. Er machte keinen Hehl daraus, dass er versuchte, das Gespräch zu belauschen. Ich würde niemals auf die Idee kommen, ein Gespräch meiner Brüder mit wildfremden Mädchen zu belauschen. So viel Zeit hatte ich nun auch wieder nicht. »Hi!... Ähm...Wie geht's... denn so?«, stammelte ich. Jack klatschte sich an die Stirn. Als Schwester eines Flirtgenies wurde von mir mehr erwartet als peinliche Stammelei und Smalltalk. »Gut, und dir?«, erwiderte Will fröhlich. Irgendwie kam man aus dieser Smalltalk-Schleife schwer wieder raus... Ich hasste Telefone, ab jetzt würde ich wieder Briefe schreiben... »Äh... Mir auch... Was gibt's denn?« Oh je... Jack schien sich jetzt doch prächtig zu amüsieren, da ihm gerade klar wurde, dass seine kleine Schwester so schnell kein Date abkriegen würde. Erst recht nicht mit dem heißesten Kerl, den ich kannte und der gerade am anderen Ende der Leitung war. »Hättest du Lust, mich auf den Sommernachtsball zu begleiten?«, fragte er nun. Oh mein Gott... Mein Unterkiefer klappte herunter. (Ich fragte mich außerdem, weshalb eigentlich alle coolen Leute plötzlich meinen Namen kannten. Bei Will konnte es nicht an Jack und Tristan liegen, sie würden ihm eher Angst machen.) Jetzt bewegte Jack sich mit schnellen Schritten auf mich zu. Ich wusste, was er vorhatte und versuchte mich zu wehren, doch er hatte mir mein Handy innerhalb weniger Sekunden abgenommen. »Hallo?«, brummte Jack nun, »Wie heißt du gleich? Bill?« Will! Verdammter...! Eine Pause entstand. »Ah ja, Will... Du willst also mit meiner kleinen Schwester ausgehen? ... Und du bittest sie um ein Date am Telefon? Hör mal zu... Wenn du was von ihr willst, kommst du lieber persönlich hier vorbei und bittest mich um Erlaubnis, sie auszuführen, kapiert? ... Gut. Du stehst morgen hier auf der Matte. Vergiss die Blumen nicht.« Ohne sich zu verabschieden legte er auf. »Jack... Ich hasse dich«, flüsterte ich deprimiert.

Oh, ich würde ihn heute Nacht so was von ersticken... Jack allerdings hatte ein Siegerlächeln aufgesetzt »Er hat mich "Sir" genannt! Er kommt hier morgen vorbei und wird dich persönlich bitten... Nun ja, eigentlich mich.« »Dazu wird er keine Gelegenheit mehr haben«, zischte ich und riss ihm das Handy aus der Hand, »Du bist so gut wie tot.«

Impressum

Texte: Cover von mir.(http://bratzgirl1089p.deviantart.com/)
Tag der Veröffentlichung: 31.12.2010

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für mein Pauli-Baby! Bald feiern wir schon Einjähriges! ;*

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