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Schokomuffins mit Liebe

Verflixt und zugenäht, ich bin so gut wie erledigt. Warum kann ich auch nicht einfach mal meine große Klappe halten? Aber nein, mit Volldampf ins nächstbeste Fettnäpfchen zu treten, das scheint bei mir allmählich schon zur Gewohnheit zu werden. Mist, Mist, Mist! Dabei hat alles so harmlos angefangen.

 

Mein Freund Björn und ich saßen mal wieder nebeneinander in der Mensa der Uni und stocherten angewidert in den matschigen Nudeln und den drei Stückchen Fleisch herum. Ich weigerte mich standhaft sie als Gulasch zu bezeichnen. Und wie üblich hatte das Ganze weder Lecke noch Schmecke. Selbst dann nicht, wenn man das Zeug mit Salz puderte.

 

Irgendwann seufzte Björn sehnsüchtig: „Was gäbe ich jetzt für einen leckeren Schokomuffin, anstelle dieser kulinarischen Köstlichkeit!“

 

Ich grinste über seine Ironie. Schließlich weiß ich genau, was für ein Schleckermaul mein Lover ist.

 

„Vielleicht können wir ja morgen welche im Aldi besorgen?“, fragte er mich dann hoffnungsvoll.

 

Warum habe ich da nicht einfach ja gesagt? Aber nein, warum soll ich es mir einfach machen, wenn es auch kompliziert geht? Stattdessen musste ich laut rumtönen, dass ich die doch selbst viel besser backen kann. Und dann wären sie auch viel leckerer, als das gekaufte, nach Pappe schmeckende Massenzeug.

 

Doch zu meinem Pech sprang Björn sofort auf meinen Vorschlag an und schenkte mir sein strahlendes Lächeln. Die Art von Lächeln, die schon vom ersten Tag unseres Kennenlernens an mein Untergang war. Als er sich nämlich vor knapp zwei Jahren um das freie Zimmer in unserer WG bewarb, mir die Hand hinhielt und mich dabei so zuckersüß anlächelte, war ich verloren. Bamm – Hirn verdampft!

 

„Das würdest du wirklich für mich tun? Selber Muffins backen? Nicht nur irgendwelche aus diesen komischen Fertigbackmischungen oder Schüttelflaschen?“

 

Als ich nur betont cool nickte, in Wahrheit hätte ich mich am liebsten selbst in den Hintern getreten, küsste er mich zärtlich auf die Wange.

 

„Danke Schatz, das ist klasse! Ich freu mich schon wahnsinnig darauf.“

 

Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass mein Lächeln äußerst gezwungen wirken musste. Irgendwie eingefroren. So fühlt es sich also an, wenn man sich sein eigenes Grab schaufelt. Ich Volltrottel! Denken und Björns Nähe passen einfach nicht zusammen. Denn das gestaltet sich zunehmend schwieriger, wenn das Gehirn chronisch mit Blut unterversorgt ist, weil es für einen anderen Körperteil dringender benötigt wird. Jedenfalls war ich heilfroh, dass ich gerade am Tisch saß und der meine untere Region bedeckte. Zwar machen wir aus unserer Beziehung kein Geheimnis und die meisten wissen, dass wir ein Paar sind. Trotzdem wäre es wohl leicht daneben, wenn ich hier in der Mensa über meinen Freund herfallen würde.

 

 

 

***

 

 

Kaum zurück in unserer WG, wir wohnen mit vier weiteren Studenten zusammen, begann ich nach brauchbaren Rezepten zu suchen und inhalierte zusätzlich etliche Youtube-Videos. Sah doch alles ganz einfach aus, das würde ich doch wohl auch noch gebacken bekommen!

 

Zufällig kam Lisa, eine unserer Mitbewohnerinnen etwas eher zurück, da eine ihrer Vorlesungen ausgefallen war. Als sie mich fragte, was ich da denn recherchieren würde, klagte ich ihr mein Leid. Lachend gab sie mir noch einige wichtige Tipps und gemeinsam schrieben wir einen Einkaufszettel. Dann überprüfte ich noch kurz in der WG-Küche die noch vorhandenen Grundnahrungsmittel. Zucker und Mehl waren glücklicherweise noch ausreichend vorhanden.

 

Eine Stunde später schob ich den Einkaufswagen dann durch die überfüllten Gänge im nahen Supermarkt. Die benötigten Zutaten fand ich problemlos. Milch, Eier, Backpulver, Vanillezucker, Margarine, Kakao, Schokoladentropfen und zum Garnieren besorgte ich noch ein Glas Kirschen und eine Dose Sprühsahne. Dann fehlten nur noch die Backpapierförmchen. Im Regal fand ich einfache weiße und welche mit kleinen, roten Herzchen. Letztere wanderten dann in den Einkaufswagen. Denn wie sagt man so schön, das Auge isst mit. Außerdem hoffte ich, dass Björn meine Botschaft verstehen würde.

 

Stolz kehrte ich nach ewigem Warten an der Kasse mit meiner Beute zurück. Da Björn nach der Vorlesung noch zu seinen Eltern gefahren war, hatte ich noch genügend Zeit, um die Muffins zu backen. Weil Freitag war und unsere Mitbewohner übers Wochenende ausgeflogen waren, hatten wir überraschenderweise sturmfreie Bude. Ein Umstand, den ich unbedingt ausnutzen wollte. Björn und ich alleine, dazu Schokolade und Sprühsahne... Da meine Hose bereits allein bei der Vorstellung zu eng wurde, ermahnte ich mich selbst zur Konzentration. Schließlich wollte ich Muffins backen und nicht etwa Spritzgebäck. Grenzdebil grinsend und leise vor mich hin kichernd machte ich mich ans Werk.

 

Zuerst legte ich mir alle Zutaten zurecht und maß sie sehr sorgfältig ab. Glücklicherweise besaßen wir auch eine kleine Küchenwaage, die irgendjemand mal angeschleppt hatte. Genau wie im Grundrezept beschrieben, rührte ich den Teig in einer Kunststoffschüssel an und gab zum Schluss noch den Kakao und die Schokotropfen dazu.

 

Da wir kein Muffinbackblech in der WG hatten, beherzigte ich Lisas Ratschlag und stellte immer drei der Papierförmchen ineinander, damit sie mehr Festigkeit hatten. Dann verteilte ich den fertigen Teig gleichmäßig auf die zwölf Portionen. Mittlerweile war auch der Backofen vorgeheizt und ich schob das Backblech mit den Muffins hinein. Jetzt nur noch die Eieruhr gestellt, schließlich sollten sie nicht verbrennen.

 

Während sie backten, reinigte ich die Küche von meiner Mehlorgie und stellte das schmutzige Geschirr in die alte Spülmaschine. Das Ding ist noch vorsintflutlich und hat schon so manchen WG-ler kommen und gehen gesehen. Aber trotzdem tut sie noch treu ihre Pflicht. Da wir es alle nicht so mit der Hausarbeit haben, wird sie auch immer gehegt und gepflegt.

 

Stolz wie Oskar nahm ich mein Werk Minuten später pünktlich nach dem Klingeln der Eieruhr aus dem Ofen. Die ganze Küche duftete verführerisch nach Schokolade und ich musste mich beherrschen, nicht schon vorher von den kleinen Kuchen zu naschen. Doch ich blieb eisern. Schließlich hatte ich sie für Björn gebacken und nicht für mich.

 

Stattdessen stellte ich die Muffins zum Auskühlen auf einen Teller und begann schon einmal damit, den Tisch zu decken. In einer Schublade fand ich zufällig einige übrig gebliebene Teelichter und hielt sie zuerst noch unschlüssig in der Hand. Dann erinnerte ich mich daran, wie Lisa am letzten Valentinstag den Tisch in ihrem Zimmer, für ihren Freund dekoriert hatte. In mir steckt halt doch ein kleiner Romantiker. Gedacht, getan, aber irgendetwas fehlte noch. Dann fielen mir die großen Wildrosenbüsche vor unserer Haustür ein. Bewaffnet mit einer kleinen Papiertüte stattete ich ihnen wenig später einen Besuch ab.

 

Das Ergebnis meiner Bemühungen ließ mich zufrieden lächeln. Die Muffins zierte inzwischen jeweils eine dunkelrote Kirsche und auf dem Tisch hatte ich die duftenden Rosenblätter verteilt. Begeistert schnupperte ich. Schokolade und Rosen, eine tolle Mischung.

 

 

***

 

 

Kurze Zeit später erhalte ich eine SMS von Björn mit der Mitteilung, dass er in ca. einer halben Stunde bei mir ist. Schnell bereite ich schon mal den Kaffee vor und husche dann noch ins Bad, um mich wieder instand zu setzen. Kurz zu duschen und mich umzuziehen schaffe ich auch noch, schließlich habe ich vor, jemanden nach allen Regeln der Kunst zu verführen.

 

Kaum ist der Kaffee durchgelaufen, da höre ich auch schon, wie die Haustür aufgeschlossen wird. Gleich danach steht Björn in der offenen Küchentür. Verdammt, warum habe ich mein Handy nicht zur Hand? Sein überraschter Gesichtsausdruck wäre mit Sicherheit ein Foto wert.

 

Verwundert betrachtet er meine gelungene Überraschung. Ich habe die Jalousie am Küchenfenster runtergelassen und die Teelichter angezündet. Sie erhellen den Tisch und lassen die roten Rosenblätter geradezu leuchten.

 

Einen Moment lang genießt mein Freund offensichtlich diesen Anblick, dann kommt er langsam auf mich zu und nimmt mich in seine Arme. Kurz bevor sich seine Lippen auf meine legen, flüstert er mir leise ins Ohr.

 

„Danke, das ist einfach umwerfend, was du da gemacht hast.“

 

Nachdem wir uns nach einer gefühlten Ewigkeit wieder voneinander lösen, fordere ich ihn auf, sich an den Tisch zu setzen. Während er seinen Stuhl voller Vorfreude zurechtrückt, gieße ich uns den Kaffee in die Tassen. Dann lege ich ihm einen der Muffins auf den Teller und garniere ihn mit Sprühsahne.

 

Björn grinst erwartungsvoll und fragt mich: „Willst du mich nicht füttern?“

 

Und ob ich das will! Ich zerteile den Muffin mit der Kuchengabel und halte ihm eine Stückchen zum Probieren hin. Er schließt genüsslich die Augen und öffnet seinen Mund. Ich kann nicht widerstehen und küsse ihn zunächst erneut. Dann stecke ich ihm vorsichtig die Gabel mit dem Kuchen in den Mund. Björn seufzt.

 

Doch dann reißt er plötzlich die Augen weit auf und stürzt geradezu zum Spülbecken. Prustend spuckt er den Inhalt seines Mundes hinein.

 

Was geht denn hier ab? Was hat der denn jetzt für ein Problem? Verständnislos blicke ich meinen Freund an.

 

„Mann, Jens, willst du mich etwa vergiften?“

 

Häh, ich verstehe nur Bahnhof.

 

„Vergiften? Sag mal spinnst du? Wenn dir die Muffins nicht schmecken, kannst du es mir doch wohl auch anders sagen.“

 

Irgendwie bin ich gerade ziemlich beleidigt, nach der ganzen Mühe, die ich mir damit gewacht habe.

 

Björn lacht.

 

„Sag mal, hast du sie eigentlich mal probiert?“

 

„Nö, sind schließlich für dich.“

 

„Dann solltest du das schleunigst nachholen.“

 

Wenn Blicke töten könnten, dann läge mein Freund jetzt wohl leblos in der Küche. Ich bin gerade echt angefressen. Demonstrativ beiße ich nun ein großes Stück von dem Muffin ab.

 

Ach du Scheiße! Was ist das denn?

 

Wieder landet ein Bissen von dem lecker nach Schokolade duftenden Gebäck im Spülbecken und ich spüle mir keuchend mit Wasser den Mund aus.

 

Mein Freund lacht jetzt noch lauter und ich bekomme vor Scham einen vermutlich dunkelroten Kopf.

 

Dann ist er auch schon bei mir und streichelt zärtlich über mein Gesicht.

 

„Also Sweetheart, ich kenne ja den Spruch, wenn das Essen versalzen ist, dann ist der Koch verliebt. Aber ich fürchte, so viel Liebe überleb ich nicht.“

 

Ich kuschele mich an ihn und murmele kleinlaut: „Sorry für den Mordanschlag. Ich weiß wirklich nicht, wie das passieren konnte.“

 

Björn zieht mich mit zum Vorratsschrank und öffnet ihn. Ganz vorne steht das Glas mit dem Zucker. Er dreht es um und ich kann nun das Etikett lesen. Salz! Am liebsten würde ich ganz schnell im Boden versinken. Wie konnte ich nur so blöd sein, nicht genau hinzusehen?

 

Mein Freund bemerkt meine Verzweiflung und küsst mich.

 

„Da hast du dir so viel Arbeit für mich gemacht und dann boykottiert dich so ein dusseliges Gewürz.“

 

Ich kämpfe gegen die Tränen und versuche zu lachen. Wird aber nichts.

 

Björn fasst unter mein Kinn, hebt sanft meinen Kopf an und sieht mir dabei tief in die Augen.

 

„Hey, nicht weinen.“

 

Dabei küsst er zärtlich meine Augen.

 

„Und weißt du was, was mit so viel Liebe gebacken wurde, ist zu schade, um weggeworfen zu werden.“

 

Er lässt mich los und geht zurück zum Tisch. Dort angekommen schnappt er sich einen der Muffins und beißt todesmutig hinein. Mir fallen fast die Augen aus dem Kopf, als er den Bissen runterwürgt und mit Kaffee nachspült.

 

Schnell gehe ich zu ihm und nehme ihm lachend meine kulinarische Abartigkeit aus der Hand.

 

„Ich vermute mal, dass ich dir meine Liebe in Zukunft besser anders unter Beweis stellen soll?“

 

Dann küsse ich stürmisch meinen geliebten Mann und ziehe ihn hinter mir her in unser Schlafzimmer. Noch unterwegs fallen unsere Klamotten so nach und nach zu Boden. Als wir dann auf das Bett fallen sind wir bereits beide nackt. Björn küsst und leckt sich langsam von meinem Hals bis zu meinem Bauchnabel hinunter.

 

„Hmmm, du schmeckst noch viel besser als Schokolade.“

 

Meine Antwort besteht nur noch aus Stöhnen, denn mein Gehirn ist schon längst out of order.

 

Björn verwöhnt mich weiter mit dem Mund, bis ich nur noch ein winselndes Etwas bin und vor Sehnsucht bebe. Glücklicherweise ist er dann so einsichtig und greift in die Schublade des Nachttisches, um Kondom und Gleitgel heraus zu nehmen. Ein Moment den ich ausnutze, um ihn unter mich zu bringen. Dann beginne ich mich zu revanchieren. Als ich seine Erektion in den Mund nehme, merke ich, dass salzig doch gar nicht mal so schlecht schmeckt.

 

Breit grinsend sage ich ihm das dann auch. Mein Freund lacht.

 

„Ist dann wohl auch ein Zeichen für die Liebe.“

 

Ich nicke nur, wo er recht hat, hat er recht. Dann hören wir auf zu quatschen und küssen uns stattdessen leidenschaftlich. Und als Björn einige Zeit später tief in mir kommt, ist das Muffindesaster schon so gut wie vergessen. Problem gelöst!

 

 

 

 

Ende

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 02.08.2014

Alle Rechte vorbehalten

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