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Angelkiss

Gemeinsam stehen wir unter der Dusche. Es war ein wunderschöner, sonniger Tag am Nordseestrand mit Schwimmen und Sonnenbaden. Es ist der erste Urlaub, den wir zusammen verbringen. Jetzt waschen wir uns gegenseitig die Sonnenlotion und den Sand vom Körper. Vorsichtig gleiten meine Hände über Lisas Schultern. Sie sind leicht gerötet, denn im Gegensatz zu mir ist sie blond und hat eine empfindliche, weiße Haut. Deshalb muss sie immer höllisch aufpassen, um keinen Sonnenbrand zu bekommen. Ich küsse vorsichtig die gereizte Haut und Lisa bekommt eine Gänsehaut. Lächelnd drehe ich sie um und unsere Lippen finden sich zu einem zärtlichen Kuss.

 

Manchmal kann ich es immer noch nicht glauben – Lisa und ich. Meine Träume wurden wahr. Und dabei hatte ich die Hoffnung schon beinahe aufgegeben. Denn für sie war ich jahrelang nur die kleine Schwester der besten Freundin.

 

 

 

***

 

 

 

Ich werde nie den Tag vergessen, als ich Lisa das erste Mal sah. Ich war erst vierzehn Jahre alt und kam gerade von der Schule zurück. In der Küche begegnete ich Michaela, meiner drei Jahre älteren Schwester und ihrer neuen Mitschülerin – Lisa! Ich hatte noch nie ein so schönes Mädchen gesehen. Groß, schlank mit goldblonden Haaren, die ihr bis zur schmalen Taille reichten. Ganz im Gegensatz zu mir. Klein, pummelig mit kurzen, braunen Locken. Mein Herz schlug schneller und mir wurde auf einmal schrecklich heiß. Ich glaub, ich hab sie angestarrt wie einen Geist. Jedenfalls sagte Michaela irgendwann zu mir, ich solle den Mund wieder zumachen, die Milchzähne würden sauer. Mit knallrotem Kopf flüchtete ich in mein Zimmer.

 

Ich war völlig verwirrt, noch nie hatte ich so auf jemanden reagiert. Erst einige Zeit später wurde mir klar, dass ich mich auf den ersten Blick in sie verliebt hatte. Und auch, dass ich auf Mädchen stand. Dass Lisa ebenfalls lesbisch war, erfuhr ich aber erst ein Jahr später von Michaela. Lachend erzählte sie mir, wie Lisa mal wieder einen aufdringlichen Typ abserviert hatte, der sie einfach angegrabscht hatte. Ich hätte den Kerl am liebsten mental erwürgt. Aber leider erwähnte sie dabei auch, dass Lisa eine feste Freundin hatte. An dem Abend weinte ich mich enttäuscht in den Schlaf. Mir wurde klar, dass ich nie eine Chance bei ihr haben würde.

 

So vergingen die Jahre, nach ihrem Abitur studierten beide in München und ich sah sie nur noch sehr selten. Als ich dann auch noch selbst zum Studium nach Bochum umsiedelte, hatte ich fast nur noch Email-Kontakt zu meiner Schwester. Oder aber gelegentlich über Facebook. Manchmal postete Michaela Fotos von sich und Lisa. Und auch von ihren jeweiligen Freunden und Freundinnen. Doch während nach einiger Zeit nur noch Tom neben Michaela auftauchte, wechselten Lisas Begleiterinnen verhältnismäßig oft.

 

Genau wie bei mir. In der Zeit hatte ich ebenfalls die eine oder andere Freundin. Doch meine Beziehungen hielten nie lange. Irgendetwas passte immer nicht, aber wahrscheinlich lag es daran, dass ich alle unbewusst immer mit Lisa verglich. Sie war immer noch meine Traumfrau.

 

 

Dann waren mal wieder Sommer-Semesterferien und Michaela und ich trafen uns zuhause bei meinen Eltern. Sie hatte am Wochenende Geburtstag und wollte ihn in einem Club in der Nachbarstadt feiern. Mit mir, ihrem Freund Tom und auch mit Lisa. Die übrigens im Moment mal wieder Single war, genau wie ich. Erfreut lauschte ich ihren Worten als meine Schwester mir davon erzählte. Ich kannte den Club von meinen wenigen Besuchen, denn er war dafür bekannt, dass dort gemischtes Publikum verkehrte. Mit anderen Worten, dort feierten Schwule, Lesben und Heteros gemeinsam, ohne dass sich jemand daran störte.

 

 

Lange stand ich an dem besagten Abend vor dem Spiegel im Badezimmer. Hab mir nach dem Duschen die Haare geföhnt und mich geschminkt. Smokey Eyes, dafür hatte ich mir extra jede Menge Youtube-Videos angesehen und tagelang geübt. Ich benutze eigentlich Make-up äußerst selten, muss ich bei meiner Haut auch nicht. Aber diesmal wollte ich um jeden Preis auffallen, vorzugsweise Lisa.

 

Nachdem ich mich angezogen hatte, rotes, rückenfreies Top zu einem kurzen schwarzen Rock und roten Highheels, betrachtete ich mich zufrieden im Spiegel. Ich war schon lange nicht mehr klein und auch nicht mehr pummelig. Das Spiegelbild zeigte mir eine große, gertenschlanke Frau mit schulterlangen, kastanienbraunen Haaren und leicht gebräunter Haut. Mittlerweile war ich sogar ein paar Zentimeter größer als Michaela.

 

Als wir wenig später in Toms Auto stiegen, konnte ich vor Aufregung kaum still sitzen. Lisa würde uns im Club treffen und ich freute mich irrsinnig auf unser Wiedersehen nach all den Jahren. Die Fahrt dauerte in meinen Augen eine halbe Ewigkeit. Jede rote Ampel hätte ich am liebsten zur Hölle geschickt.

 

Beim Aussteigen wäre ich zur Krönung des Ganzen beinahe hingefallen, weil sich meine Beine wie Pudding anfühlten. Nur Michaelas schneller Reaktion hatte ich es zu verdanken, dass ich mich nicht auf die Nase legte. Sie lachte und schob es auf meine hohen Schuhe. Ich nickte nur, den wahren Grund verschwieg ich ihr.

 

Lisa erwartete uns in der Nähe des Eingangs. Sie sah immer noch aus wie ein Model. Ihr Outfit bestand aus einer knallengen Jeans und einer vorne geschnürten schwarzen Korsage, die viel freie Haut zeigte. Dazu trug sie schwarze, hohe Peeptoes. Ihr Anblick brannte sich einmal mehr in meine Netzhaut. Erfreut begrüßte sie Michaela und Tom. Sie wollte sich gerade umdrehen, um mit den beiden den Club zu betreten, da hielt Michaela sie zurück.

 

„Du erinnerst dich doch bestimmt an meine kleine Schwester Katja?“

 

Erst da sah Lisa mich hinter Tom stehen. Erstaunt blickte sie mich an. Und irgendwie ging mir dieser Blick durch und durch. Da war nämlich etwas in ihrem Blick, das meine Handflächen feucht und meine Knie noch wackliger werden ließ.

 

Verwundert rief Lisa: „Natürlich erinnere ich mich an Katja! Aber von wegen kleine Schwester!“

 

Diese Worte gingen mir runter wie Öl und erst recht ihre offenkundige Bewunderung. Eigentlich war ich diese Reaktion von gleich gesinnten Frauen inzwischen gewöhnt, aber nie hätte ich damit gerechnet, auch bei Lisa so eine Reaktion auszulösen.

 

Sie kam auf mich zu, um mich zu begrüßen und kurz zu umarmen. Am liebsten hätte ich sie ewig festgehalten. Sie duftete noch genauso gut wie früher. Schwach nach Vanille, ihrem Lieblingsparfüm.

 

Und oh Wunder, meine Stimme versagte diesmal nicht.

 

„Hallo Lisa, schön dich endlich wiederzusehen. Ist ja leider schon etliche Jahre her.“

 

Lächelnd nickte sie und zog mich dann einfach hinter Michaela und Tom hinterher in den Club.

 

Es wurde ein sehr schöner Abend. Michaela hatte im hinteren Bereich einen Tisch für vier Personen reservieren lassen. Dort war die Musik nicht ganz so laut und wir konnten uns ungestört unterhalten. Und das taten wir dann auch ausgiebig. Der Gesprächsstoff ging uns nicht aus, auch dann nicht, wenn Michaela und Tom gerade mal wieder tanzten.

 

Wir unterhielten uns gerade über unser Studium, da trat plötzlich Sofie zu uns an den Tisch, eine meiner Ex-Freundinnen.

 

„Mensch Katja, bist du das wirklich? Wir haben uns ja schon ewig nicht mehr gesehen. Was hältst du davon, mit mir zu tanzen?“

 

Ohne zu zögern stimmte ich zu, nicht ohne mich kurz bei Lisa zu entschuldigen. Ich mochte Sofie immer noch, wir hatten uns nicht im Streit getrennt. Und sie konnte fantastisch tanzen. Während wir auf der Tanzfläche waren, spürte ich nur zu genau Lisas Blicke auf mir. Ich lächelte sie über Sofies Schulter hinweg an. So gut hatte ich mich schon lange nicht mehr gefühlt.

 

Als ich an den Tisch zurückkehrte stand ein Glas mit einem hellroten Inhalt an meinem Platz. Darin schwammen ein paar Erdbeeren und Kirschen. Erstaunt sah ich Lisa an.

 

„Ich dachte nach dem Tanzen hast du bestimmt Durst.“

 

Dankbar nickte ich und nahm einen großen Schluck.

 

„Mhhmmm, lecker. Was ist das?“

 

„Das Getränk der Monats, Sommerwein.“

 

Ich lachte: „Was? Sommerwein? Deshalb dann wohl auch die Erdbeeren und Kirschen.“

 

Sie stimmte in mein Lachen ein.

 

„Ja, das hab ich auch gedacht. Würdest du auch einmal mit mir tanzen?“

 

„Sehr gerne!“

 

Und schon stand ich wieder auf und zog Lisa hinter mir her auf die Tanzfläche. Zuerst wurde schnelle Musik gespielt, bei der wir übermütig herumhüpften. Doch dann erklangen die ersten Takte von „Summerwine“. Verblüfft sahen wir uns lachend an. Das passte ja perfekt!

 

Lisa zog mich wortlos in ihre Arme und wir drehten uns im Takt der Musik. Leise sang sie mit.

 

„Strawberries, cherries and an angel's kiss in spring... Ist zwar nicht Frühling, sondern Sommer, aber was meinst du? Wie wäre es mit einem Engelskuss?“

 

Wie ich es schaffte, noch auf meinen Füßen zu stehen, ist mir bis heute ein Rätsel. Denn beinahe wäre ich in Ohnmacht gefallen bei ihrer Frage. Und wie sie mir später gestand, sie danach bei meiner Antwort.

 

„Ich würde dich sehr gerne küssen, aber ich bin ganz bestimmt kein Engel.“

 

Dabei sah ich ihr grinsend tief in die Augen und spürte, wie sie erschauerte. Fast im selben Moment spürte ich ihre weichen Lippen auf meinen. Unseren ersten Kuss werde ich ganz bestimmt nie vergessen. Im Hintergrund die weibliche Stimme, die vom Summerwine sang und dazu der Geschmack nach Erdbeeren und Kirschen, denn beide hatten wir vom Sommerwein getrunken.

 

Von diesem Augenblick an waren wir unzertrennlich, ich hatte endlich die wahre Liebe gefunden.

 

 

 

***

 

 

 

Während wir uns abtrocknen, schwelge ich mal wieder in Erinnerungen an unseren ersten Abend. Seitdem sind nun knapp zwei Jahre vergangen und wir sind immer noch so glücklich miteinander wie am ersten Tag.

 

Bevor ich nach meinem Slip greifen kann, zieht mich Lisa in einen stürmischen Kuss.

 

„Du glaubst doch wohl nicht allen Ernstes, dass du dich jetzt einfach anziehen kannst?“

 

Bei ihrem Blick bekomme ich am ganzen Körper eine Gänsehaut und Lisa nimmt meine Hand. Erst im Schlafzimmer lässt sie sie wieder los und schubst mich aufs Bett. Meine kleine Wildkatze bedeckt meine Haut mit heißen Küssen. Als sie bei meinen Brustwarzen ankommt, beißt sie leicht hinein und ich stöhne laut. Sie weiß ganz genau, wie sie mich in ein vor Lust windendes Etwas verwandeln kann. Ihre Hände sind einfach überall an meinem Körper und mein Herz hämmert wie verrückt. Quälend langsam küsst sie sich weiter nach unten, mein Bauchnabel ist besonders empfindlich und sie bringt mich damit zum Beben. Ich ziehe ihren Kopf an den Haaren nach oben und küsse sie gierig auf den Mund. Sofort öffnet sie ihn und unsere Zungen liebkosen sich. Ich vertiefe den Kuss und höre erst auf um wieder atmen zu können.

 

Dann revanchiere ich mich für die süße Qual und sie erzittert unter meinen Zärtlichkeiten. Ich gleite zwischen ihre Beine und sie winkelt sie leicht an. Als meine Zunge ihre Klitoris berührt winselt sie beinahe um mehr. Ich weiß genau, wie sie es am liebsten hat und es dauert nicht lange bis sie zum Höhepunkt kommt. Ich bin so erregt, dass es auch bei mir nicht mehr viel benötigt. Mit Ihren geschickten Fingern lässt mich Lisa kurze Zeit später ebenfalls fliegen.

 

Glücklich und erschöpft schläft sie kurze Zeit später ein. Ich liege noch eine Weile wach und genieße den Anblick der wunderschönen Frau in meinen Armen. Dankbar, dass das Schicksal uns doch noch zusammengeführt hat, schlafe ich wenig später dann auch ein.

 

 

 

 

Ende

 

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Tag der Veröffentlichung: 13.07.2014

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