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Mein allerschönstes Weihnachtsgeschenk

 

Irgendetwas weckt mich und mein erster Blick fällt auf die Leuchtanzeige des Weckers. 9.45 Uhr. Endlich mal wieder ausschlafen können, endlich ein freies Wochenende! Vorsichtig taste ich neben mich, doch der Platz neben mir ist leer und kalt. Verdammt, wo ist denn mein Mann? Das Aufwachen am Samstagmorgen hab ich mir anders vorgestellt. Ganz anders. Sehr viel anders. Meine Morgenlatte stimmt mir enttäuscht zu. Allerdings habe ich da so einen bestimmten Verdacht, wo meine bessere Hälfte sein könnte.

 

Langsam quäle ich mich aus dem Bett und taumle noch im Halbschlaf ins Bad. Kaltes Wasser ins Gesicht und Toilette benutzen. Jetzt brauche ich erst einmal eine Tasse voll mit meiner braunen Lieblingsdroge, sonst wird das nichts mit dem Wachwerden.

 

Schon als ich langsam die Treppe runtertrotte, weht mir der aromatische Duft von frischem Kaffee in die Nase. Kaum stehe ich auf der vorletzten Stufe, dröhnt mir plötzlich in unzumutbarer Lautstärke ein Weihnachtslied entgegen. „Jingle bells, jingle bells …“ Vor Schreck falle ich fast den Rest der Treppe hinunter. Nur noch im letzten Moment kann ich mich am Geländer festhalten. Erbost starre ich auf den kleinen singenden Weihnachtsbaum vom Flohmarkt, der ungerührt weiter vor sich hinträllert. Mit Bewegungsmelder, grrrrr! Warum vergesse ich bloß immer wieder dass der seit dem vorigen Wochenende dort steht? Eines Tages bekomme ich von dem Ding bestimmt noch einen Herzinfarkt. Na, wenigstens bin ich jetzt wach.

 

Kurz denke ich im Vorbeigehen an die Möglichkeit einer Klebebandattacke, um den Störenfried zu knebeln. Alternativ würde es allerdings reichen, den Stromstecker zu ziehen. Dann jedoch fällt mir ein, wie mein Mann sich gefreut hat, als er den Ruhestörer vorigen Sonntag beim Stöbern entdeckt hat. Die Erinnerung daran, wie er ihn mir am Abend strahlend präsentiert hat, lässt mein Herz schneller schlagen und das Ding ist fürs erste vor mir in Sicherheit.

 

In der Küche angekommen wandert mein Blick zu der halb gefüllten Kaffeekanne aus Glas auf der Warmhalteplatte. Daneben steht griffbereit meine Lieblingstasse und auf einem kleinen Teller liegen drei Plätzchen. In Herzform und liebevoll dekoriert mit rosa Zuckerguss, Schokolade und kleinen Sternchen. Lächelnd stecke ich mir eines davon in den Mund und gieße den Kaffee in die Tasse. Mhmm, lecker! Die Plätzchen hat mein Mann gestern Abend noch selbst gebacken. Deshalb hat es im ganzen Haus herrlich nach Vanille und Zimt geduftet, als ich nach dem doppelten Dienst todmüde nach Hause kam. Ich war leider viel zu erledigt zum Probieren und bin nur noch die Treppe rauf- und ins Bett getorkelt. Kaum aus den Klamotten raus, bin ich schon eingeschlafen, sobald mein Kopf auf dem Kissen lag.

 

Das kleine Küchenradio ist eingeschaltet und dudelt gerade leise irgendein Weihnachtslied. Als es endet erklingt „Meine heiße Liebe“ von den Wise Guys. Grinsend schaue ich in meine Tasse. Der Song passt gerade wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge. Aber apropos „Heiße Liebe“! Da war doch noch was. Nämlich der Grund für mein Aufstehen noch im Halbschlaf.

 

Aus dem Garten dringt ein klirrendes Geräusch zu mir. Deshalb nehme ich meinen Kaffee und gehe ins Wohnzimmer, zu der nur angelehnten Terrassentür. Und nun sehe ich auch den Bettflüchtling. Sein Anblick verschlägt mir mal wieder den Atem und mein kleiner Freund in der Hose reckt erwartungsvoll das Köpfchen nach oben. Wie kann der Kerl eigentlich schon am frühen Morgen so unverschämt gut aussehen? Lächelnd beobachte ich ihn, wie er auf einer Leiter stehend sorgfältig die Lichterkette an der großen Tanne anbringt. Dabei geht er geradezu liebevoll ans Werk. Ricky, eigentlich Frederick, liebt Weihnachten und den damit verbundenen Deko-Wahnsinn über alles. Schon Ende November hat er damit begonnen, unser Haus zu schmücken. Zuerst innen, mit Nobilistannenzweigen, Kerzen und allem nur erdenklichen Advents- und Weihnachtsschmuck. Über die Jahre hinweg ist immer mehr hinzugekommen. Kein Weihnachtsmarktbummel, bei dem wir nicht mit vollen Tüten nach Hause kamen. Ob Glöckchen, Christbaumkugeln aller Art, Krippenfiguren, Arbeiten aus dem Erzgebirge, Räucherstäbchen und Duftöle, nichts ist vor ihm sicher. Ein Wunder, dass wir in unserem Wohnzimmer noch Platz zum Sitzen haben. Dabei steht noch nicht einmal der Weihnachtsbaum in der dafür vorgesehenen Ecke. Den will er übrigens nachher noch mit mir in seiner bevorzugten Gärtnerei besorgen. Das Versprechen, ihn zu begleiten und beim Tragen zu helfen, musste ich ihm schon vor drei Tagen geben. Aber was tu ich nicht alles, um meinen Schatz glücklich zu machen. Den Außenbereich lässt er natürlich auch nicht aus. Im Vorgarten steht ein beleuchteter Schlitten mit Weihnachtsmann und Rentieren, an der Haustür hängt ein großer Kranz aus Tannenzweigen. Übrigens selbst von ihm gebunden und dekoriert. Im Moment verschönert er nun den rückwärtigen Bereich und die Terrasse.

 

Seit fast zwölf Jahren sind wir nun schon zusammen, davon zehn als Ehepaar. Im vorigen Monat jährte sich erneut der Tag an dem ich ihn zum ersten Mal sah, meinen geliebten Schatz, meinen Traummann. Wir hatten einen ziemlich ungewöhnlichen Start. Denn bei unserer ersten Begegnung war er tot …

 

 

 

***

 

 

 

Ich erinnere mich noch so genau daran, als wäre es heute.

 

 

 

Ich war Zivildienstleistender im Städtischen Krankenhaus, da ich mich gegen die Bundeswehr entschieden hatte. Nicht zuletzt wegen meiner Mutter, die der Meinung war, sie hätte mich nicht zur Welt gebracht, damit ich anderen als Kanonenfutter diene. Da ich mich außerdem für ein Medizinstudium interessierte, war es eine perfekte Gelegenheit, um schon mal ein wenig in den Arztberuf reinzuschnuppern und zu sehen, ob das wirklich etwas für mich war. Jedenfalls hatte ich an dem besagten Morgen Frühdienst, war gerade aus dem Bus gestiegen und auf dem Weg zum Personaleingang, als ich das Martinshorn hörte. Schnell sprang ich zur Seite, denn gerade raste der Rettungswagen mit Blaulicht die Auffahrt entlang und legte dann direkt vor der Notaufnahme eine Vollbremsung hin. Erschrocken sah ich, wie ein Sanitäter die Tür aufriss und im selben Moment der diensthabende Arzt mit zwei Krankenschwestern und der Notfallausrüstung angerannt kam.

 

Dann ging alles ganz schnell, ich hörte nur noch, wie jemand laut und hektisch etwas von zweimaliger Wiederbelebung, gelegtem Tubus, Suizidversuch und erneutem Herzstillstand rief. Der Notfallarzt sprang in den Krankenwagen und begann sofort mit der Reanimation. Ich sah, wie er mit Hilfe von Elektroschocks das Herz des Patienten wieder zum Schlagen brachte. Mittlerweile stand ich nur noch wenige Meter entfernt. Als die Trage aus dem Auto gehoben wurde, sah ich in das blasse Gesicht des Mannes der versucht hatte, sich umzubringen. Und obwohl er so kreidebleich war, sah er wunderschön aus. Ich starrte ihn an und irgendetwas in mir wollte ihn am liebsten tröstend in den Arm nehmen. Schon seit ich 14 war wusste ich dass ich schwul war und der Typ da vor mir kam meiner Idealvorstellung von meinem Wunschpartner erschreckend nah. Eine schmale Statur, irgendwie zierlich. Noch so jung. Viel zu jung um schon zu sterben. Sein Anblick weckte augenblicklich in mir den Beschützerinstinkt. Heute weiß ich, es war Liebe auf den ersten Blick.

 

Dann wurde er auch schon in die Notfallambulanz geschoben und ich ging verwirrt weiter Richtung Eingang, um meinen Dienst zu beginnen.

 

Durch Zufall musste ich im Laufe des Tages zur Intensivstation, um benutzte Betten gegen gereinigte und desinfizierte auszutauschen. Bei dieser Gelegenheit sah ich ihn wieder. Er lag in einem der Behandlungsräume, angeschlossen an piepsende Geräte und wurde künstlich beatmet. Er wirkte so verloren und hilflos, wie er da so lag, die dunkelbraunen, langen Locken klebten verschwitzt an seinem Kopf und auch im Gesicht. Die Augen mit den unglaublich langen Wimpern waren geschlossen. Unwillkürlich fragte ich mich, was er wohl für eine Augenfarbe hatte. Erst Wochen später sollte ich erfahren, dass sie fast die gleiche Farbe hatten wie seine Haare. Nur ein wenig heller.

 

In diesem Moment ging eine der Krankenschwestern zu ihm und kontrollierte seine Handgelenke. Erst jetzt fielen mir die dicken Verbände auf. Während ich noch bewegungslos die Schwester beobachtete, kam Dr. Kemper dazu, ein alter Schulfreund meines Vaters. Ich hatte ihm den Tipp für meinen Zivildienst-Job zu verdanken. Natürlich wusste er auch, dass ich beabsichtigte, im nächsten Jahr mit meinem Medizinstudium zu beginnen und er winkte mich zu sich.

 

Langsam trat ich näher und fragte nach der Art der Verletzung. Sorgenvoll sah er mich an und erklärte mir, dass der Patient sich die Pulsadern aufgeschnitten habe. Und zwar in der festen Absicht zu sterben, denn er hatte nicht quer geschnitten, wie die Meisten, sondern längs. Wer so schneide, der meine es ernst. Und nur durch einen unglaublichen Zufall hätte ihn seine Schwester noch in allerletzter Sekunde gefunden und vor dem Verbluten bewahrt. Sonst läge er nun nicht hier im Bett, sondern unten im Keller in der Pathologie.

 

In diesem Moment ertönte der maschinelle Alarm und zeigte einen erneuten Herzstillstand an. Entsetzt stand ich an der Wand und musste mitansehen, wie Dr. Kemper einmal mehr um das Leben des Patienten kämpfte. Ein Kollege kam eilig hinzu und ich wurde rausgeschickt.

 

Direkt nach Feierabend schlich ich erneut zur Intensivstation. Dr. Kemper war zufällig gerade wieder in dem Zimmer. Er wirkte sehr erschöpft und teilte mir mit, dass er den Patienten heute schon dreimal wiederbeleben musste. Erschrocken fragte ich ihn, warum das denn geschehen konnte. Er sah mich müde und resigniert an. „Manchmal wollen die Menschen einfach nicht mehr weiterleben. Sie haben aufgegeben und kämpfen nicht mehr um ihr Leben. Dann sind wir Ärzte an unseren Grenzen angekommen und können manchmal nichts anderes mehr tun, als sie gehen zu lassen.“

 

Ich war damals noch sehr jung, naiv und voller Zuversicht. Das Gehörte widersprach allem, woran ich glaubte. Erst im Laufe meines Studiums würde ich schmerzhaft und auf die harte Tour lernen, dass auch Ärzte nicht allmächtig sind.

 

In dieser Nacht konnte ich nicht schlafen. Immer wieder musste ich an Frederick Hansen denken, der einsam auf der Intensivstation lag und den nur noch einige Maschinen am Leben hielten. Den Namen wusste ich aus seiner Krankenakte und er hatte sich in mein Gedächtnis eingebrannt.

 

Am nächsten Mittag lief ich in meiner Pause sofort wieder zu ihm. Erstaunt sah ich die junge Frau, die weinend an seinem Bett saß und seine Hand hielt. Seine Schwester, wie sie mir ein paar Minuten später erklärte. Sie war wohl froh jemanden zum Zuhören zu haben und ich freute mich, so etwas mehr über Frederick zu erfahren.

 

Mirja, so der Name von Rickys Schwester, stand noch immer unter Schock. Kein Wunder, wenn man den jüngeren Bruder im Badezimmer in einer großen Blutlache liegend findet, schon mehr tot als lebendig. Das war wohl mit einer der Gründe, dass sie mir die ganze Geschichte erzählte. Nämlich, dass ihr Bruder schwul und bis vor kurzem fest mit einem Studienkollegen zusammen war. Dieser stammte aus Saudi-Arabien und direkt nach seinem erfolgreichen Abschluss verlangte sein Vater, dass er nach Hause zurückkehrte, um sich zu vermählen. Mit einem Mädchen, das seine Eltern für ihn bestimmt hatten. Eine sogenannte arrangierte Ehe. Und anstatt zu Frederick und ihrer Liebe zu stehen, trennte er sich von ihm. Und das, laut Mirja, anscheinend auf eine sehr verletzende Weise. Indem er ihm nämlich brutal ins Gesicht sagte, dass Ricky nur eine kleine Episode in seinem Leben gewesen war und er nun heiraten und eine Familie gründen wollte, so wie seine Eltern das für ihn vorgesehen hätten. Rickys Flehen ignorierte er und stieg drei Tage später ohne Abschied ins Flugzeug. Noch nicht einmal auf Anrufsversuche oder Mails reagierte er und sein verlassener Freund blieb verzweifelt zurück.

 

Das alles hatte er noch am frühen Morgen seiner Schwester bitterlich weinend am Telefon erzählt. Als diese, höchst alarmiert und besorgt, zu ihm eilte, er aber auf ihr Klingeln hin nicht die Tür öffnete, schloss sie mit dem Ersatzschlüssel auf. So fand sie ihn dann mit aufgeschlitzten Pulsadern, schon fast verblutet in seinem Badezimmer. Glücklicherweise lagen Handtücher griffbereit im Regal und so konnte sie ihm die Arme abbinden und den Notarzt rufen.

 

Ich war mehr als nur geschockt, als ich das hörte. Wie konnte dieser Mistkerl nur so herzlos sein zu dem Menschen, der ihn über alles liebte, sogar mehr als sein Leben. Ich verabschiedete mich fürs erste von seiner Schwester, denn ich musste zurück zu meiner Arbeit. Als ich am Nachmittag zurückkehrte, war sie nicht mehr da. Stattdessen stand wieder Dr. Kemper am Bett und sah besorgt auf die Anzeigen der Instrumente. Allerdings fiel mir sofort auf, dass Frederick nicht mehr intubiert war. Der Arzt erklärte mir, dass er zwar wieder selbstständig atmen würde, aber immer noch im Koma lag.

 

Kaum zuhause recherchierte ich den ganzen Abend im Internet über Komapatienten. Immer wieder las ich Berichte davon, dass es angeblich nützen sollte, wenn man mit ihnen sprach. Und genau das tat ich dann in den nächsten Tagen und Wochen. In jeder freien Minute saß ich an Rickys Bett, hielt seine Hand und bat ihn darum, nicht aufzugeben. Ich sprach von allem möglichen, vom Wetter, meinem Job und auch davon, dass ich auch schwul sei. Dass wir doch mal etwas zusammen unternehmen könnten, wenn er wieder wach sei. Oft kam auch seine Schwester hinzu oder wir wechselten uns ab. Sie war mir sehr sympathisch und wir freundeten uns an. Sie merkte schnell, dass ich genau so tickte wie ihr Bruder und meinte irgendwann, dass sie ihm so einen Freund wie mich wünschen würde. Als ich einmal nach ihren Eltern fragte erfuhr ich, dass diese schon vor Jahren bei einem Autounfall verunglückt waren. Sie hatte nur noch ihren Bruder und schreckliche Angst davor, ihn auch noch zu verlieren.

 

Heute weiß ich von Ricky, dass er damals tatsächlich zeitweilig unsere Stimmen, wie aus weiter Ferne, gehört hatte. Besonders meine Bitte weiter zu leben, weil es doch noch so viele schöne Dinge zu entdecken gab, die das Leben lebenswert machen.

 

Dann kam der erste Weihnachtsfeiertag und ich hatte wieder Dienst. Danach saß ich an Rickys Bett und hielt seine Hand in meiner. Mittlerweile waren die Verbände verschwunden und die Fäden gezogen. Nur zwei halb verheilte, lange rote Narben an seinen Unterarmen erinnerten noch an den glücklicherweise erfolglosen Suizidversuch. Gerade als ich ihm vom Heiligen Abend bei meinen Eltern erzählte, wurde das Piepsen des EKGs immer schneller. Besorgt sah ich auf und direkt in Rickys samtbraune Augen. Er war aufgewacht. Sofort drückte ich auf den Alarmknopf und kurze Zeit später war Dr. Kemper da, um ihn zu untersuchen.

 

In den nächsten Wochen und Monaten kamen wir uns dann allmählich immer näher, und aus anfänglicher Freundschaft wurde innige Liebe. Ich ermutigte Ricky zu einer Therapie, in der er seinen Selbstmordversuch und die unschöne Trennung von seinem Ex verarbeiteten konnte.

 

Nie werde ich unseren ersten Kuss vergessen. Es regnete in Strömen und er holte mich an einem Freitagnachmittag nach der letzten Vorlesung ab. Wir rannten zu meiner kleinen Studentenbude. Bis wir dort ankamen, waren wir schon bis auf die Haut durchnässt. Im Badezimmer landeten unsere Klamotten auf dem Boden. Als wir uns dann nackt gegenüber standen, konnten wir die Augen nicht voneinander lassen. Und nicht nur die Augen. Na ja, ehrlich gesagt haben wir uns damals nicht nur geküsst, sondern es wurde unser wunderschönes und zärtliches erstes Mal. Seitdem schwebe ich im Siebten Himmel. Ich schwebe immer noch.

 

 

 

 

Heute bin ich übrigens selbst Arzt und arbeite in der Notfallambulanz. Fast täglich fechte ich meinen persönlichen Kampf aus mit meinem erbittertsten Gegner, dem Tod. Und auch wenn ich oft siege, daran, dass es immer wieder passiert und ich Patienten an diesen unbarmherzigen Feind verliere, werde ich mich wohl nie gewöhnen können. Aber ich gebe nicht auf. Niemals! Rickys Schicksal hat mich gelehrt dass es sich lohnt um jedes einzelne Leben zu kämpfen.

 

 

 

 

***

 

 

 

Während ich meinen Erinnerungen nachhänge, beginnt es zu schneien. Dicke, weiße Schneeflocken schweben langsam zur Erde. Dann klappt es wohl doch noch in diesem Jahr mit der weißen Weihnacht. Als ich gerade zurück in die Küche gehen will, um mir eine zweite Tasse Kaffee einzugießen, kommt mein Angetrauter durchgefroren herein. Glücklich lacht er mich an und schlüpft aus seinen Stiefeln. Jacke, Mütze und Handschuhe landen auf einem der Sessel. Bedeutungsvoll zwinkere ich ihm zu und schaue nach oben zur Decke. Da hängt ein Mistelzweig. Er folgt grinsend meinem Blick und ist mit zwei Schritten bei mir. Wie von selbst finden sich unsere Lippen. An diese Art von Weihnachtsdekoration könnte ich mich glatt gewöhnen!

 

Als er dann allerdings seine eiskalten Hände unter mein Shirt schiebt, keuche ich erschrocken auf. Brrrr, kalt! Na warte, das verlangt nach Rache der besonderen Art!

Ich schnappe mir Ricky und werfe ihn mir problemlos über die Schulter. Er wehrt sich nur halbherzig, während ich ihn an dem bescheuerten Tannenbaum vorbei, der uns diesmal ein „Merry Christmas!“ hinterher ruft, die Treppe hinauf zurück in unser Schlafzimmer trage. Nachdem ich ihn runtergelassen habe, schubse ich ihn aufs Bett. Schließlich muss ich ihn doch aufwärmen. Natürlich ganz uneigennützig. Denn als Arzt kann ich es unmöglich verantworten, dass er Weihnachten krank ist und ich habe da so meine Methoden, bei denen ihm ganz schnell heiß wird. Mir übrigens auch. Aber jetzt kann ich nicht mehr denken, denn da sind Rickys streichelnde Hände, sein Mund und sein nachgiebiger Körper, der sich an mich drängt. Unsere Klamotten landen schnell auf dem Boden. Als ich mich nach zärtlicher Vorbereitung in ihm versenke und Minuten später sein Sperma warm in meine Hand läuft, bin ich nur noch glücklich und einmal mehr heilfroh darüber, dass ihn seine Schwester damals noch rechtzeitig gefunden hat. Und jedes Jahr auf Neue bin ich dankbar für mein allerschönstes Weihnachtsgeschenk. Ricky!

 

Mit etwas Verspätung wird es dann doch noch ein Aufwachen, wie ich es mir vorgestellt habe. Sogar noch viel, viel besser!

 

 

 

 

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Tag der Veröffentlichung: 02.07.2014

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