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Und am Ende scheint die Sonne


Mit diesem Buch schreibe ich über ein Thema, das für viele noch ein Tabu-Thema ist. Ich weiß, das es bestimmt einige Leser gibt, die das Buch zuklappen werden, bevor sie es zu Ende gelesen haben. Doch hilft es mir persönlich, alles erlebte zu verarbeiten und auch kleine Details endlich zu erzählen, damit ich die Vergangenheit ruhen lassen kann, nach immerhin fast 14 Jahren.

Ich kann nicht genau sagen, wann alles anfing, wahrscheinlich schon mit dem Augenblick, als mein leiblicher Vater gestorben ist und meine Mutter diesen Mann kennen lernte. Er ist schon kurz nach dem Tod meines Vaters bei uns eingezogen und er war auch derjenige, der meine Mutter dazu überredete, aus der großen Stadt raus aufs Land zu ziehen. Über 400 Kilometer entfernt von der alten Heimat, weit weg von der eigenen Familie.
So lernten wir das Landleben mit all seinen Vorzügen und auch seinen Nachteilen kennen.
Weite Felder soweit das Auge blickt, frische Luft von morgens bis Abends, die Milch direkt von der Kuh, große Gärten und jeder von uns hatte ein eigenes großes Zimmer, und das bei geringen Mieten.

So erlebten wir die ersten Jahre unserer Kindheit und verdrängten, das es in der großen, weit entfernten Stadt ja noch Familie gab. Der neue Mann an der Seite meiner Mutter hatte bei uns auf dem Land seine Familie und wir wurden nett aufgenommen und gehörten irgendwann einfach dazu.

Doch wir wurden älter, und wir wurden schwieriger…… und scheinbar war die schöne heile Welt mit netten kleinen Kindern zerstört, jedenfalls für ihn.
Und an diesem Tag begann mein anderes Leben. Denn das war der Tag, an dem er mich zum ersten Mal vergewaltigte. Und das sollte nicht das letzte Mal gewesen sein.
Vier Jahre, 1440 Tage erlebte ich wöchentlich mindestens einmal, wie er betrunken in mein Zimmer kam, um mir wehzutun, am Körper und in der Seele.
Und ich zog mich zurück, jeden Tag mehr. Und so erlebten mich die Menschen in meiner Umgebung plötzlich als stillen Jungen, der lieber für sich allein war, als in großen Gruppen zu spielen.
Ich ging nicht in den Fußball-Verein, auch nicht zu den Pfadfindern, fuhr nicht mit zu Klassenfahrten, ich wollte einfach für mich allein sein.
Nach einer langen Zeit entschloss ich mich dann aber doch, irgendetwas in einer Gruppe zu tun, und so meldete meiner Mutter mich bei der Jugendfeuerwehr an.
Da wir dort an den Wochenenden bei Wettkämpfen waren oder Übungen stattfanden, brauchte ich diese Zeit nicht in meinem Zimmer verbringen.

Doch es half alles nichts, ich wurde seelisch und körperlich immer mehr verletzt.
Und ich begann, die Schule zu schwänzen und rebellisch zu werden. Ich schrie meine Mutter an, wenn sie mir dann mal einen Klaps auf den Hintern gab, schlug ich zurück.
Meine Noten wurden natürlich immer schlechter, und meine Mutter wusste mit mir keinen Ausweg mehr, so gingen wir zum Jugendamt.
Ich kam in ein Jugendheim, das für mich einen Zweck erfüllte, eigentlich zwei.
Ich wollte in der Schule wieder voran kommen, und ich wollte weg von Zuhause.
So kam es dann für mich auch.
Und endlich konnte ich frei sein, frei von Angst, frei von Qualen.
Doch leider sind Heimerzieher ja auch Pädagogen und vor allem auch Psychologen und so ahnte natürlich jeder, das hinter meiner Fassade ein Geheimnis darauf wartete, gelüftet zu werden.
Doch ich sagte kein Wort, denn diese Qual, das war etwas, das mir peinlich war. Ich konnte nicht darüber reden.
Ich mußte eine Psychologin besuchen, redete mit ihr über Pferde, über meine Schwester, über die Schule, über das schöne Wetter auf Rhodos, doch nie auch nur ein Wort über das, was mir passiert ist.

Als ich die Schule beendet hatte, ging ich von zu Hause weg, weit weg, so dass ich nie wieder einen Blick auf das Haus werfen brauchte, in dem ich solch schreckliche Dinge erlebt habe.
Und ich entdeckte, das es auch gute Seiten im Leben gab.
Ich fand Freunde, ich bekam sogar Schmetterlinge im Bauch und war das erste Mal verliebt.
Und ich begann, meine Mauer, die ich so mühsam aufgebaut hatte, einstürzen zu lassen.
Ich redete, zwar nicht über Details, aber ich redete. Und es war so verdammt wichtig für mich, das jemand mich dabei anschaute und mit mir zusammen weinte, mich in den Arm nahm und mir zeigte, das ich nicht allein war. Und nie allein sein werde.

Und heute? Heute arbeite ich selbst im sozialen Bereich, habe eine glückliche Beziehung, in der auch bald die Hochzeitsglocken klingeln werden, habe eine Familie, in der ich toll aufgenommen wurde und ganz ganz wichtige und gute Freunde.
Diese haben mir auch beigestanden, als ich vor Gericht ausgesagt habe. Denn was mir in meinem neuen Leben klar geworden ist, ist der Punkt, das ich nicht allein leiden möchte. Ich habe lange Jahre gelitten, und jetzt soll er es auch.
Und ich habe ihn angezeigt, und habe die Aussage vor Gericht durchgestanden. Mit der Hilfe meiner Freunde, der Liebe meines Freundes und mit dem Zusammenhalt meiner Familie habe ich ihn dorthin gebracht, wo er hoffentlich lange Jahre nicht mehr rauskommt.

Ich kann nun mit Kraft und Zuversicht nach vorne schauen, immer wissend, dass ich begleitet werde.
Von Liebe, Halt und Freundschaft.
Und es gibt nichts schöneres.
Am Ende scheint nun auch für mich die Sonne

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Tag der Veröffentlichung: 04.05.2010

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