Vorwort
Ich habe mich entschlossen, dieses Buch zu schreiben, da ich den Beruf des Alltagsbegleiters wirklich wichtig finde. Und da ich glaube, das viele den Weg gegangen sind, den ich in diesem Buch beschreibe, ist es hoffentlich auch eine kleine Art, Mut zu schaffen, den Schritt zu wagen.
Es war ein Mittwoch, ich mußte mal wieder zu meinem geliebten Berufsberater bei der Agentur für Arbeit. Wie Cindy aus Marzahn schon beschrieben hat, glaubt man wirklich, sie würden dort nicht sagen. „ Bitte warten sie einen Moment „ , sondern „ Bitte warten sie einen Monat“
Aber ich hatte ja Zeit, also beschäftigte ich mich mit den Plakaten und Prospekten, die im Wartebereich überall auslagen.
Nun, die Uhr schlug schon fast zwölf, ich hatte meinen Termin ja auch erst um 10:45 Uhr, kam mein Arbeitsberater, und wir gingen in sein Zimmer.
Dort teilte er mir mit, das er mir eine Weiterbildungs-Maßnahme anbieten kann. Und das im pflegerischen Bereich. Das war für mich erstmal ein Schlag vor den Kopf, denn eigentlich war ich Vollblut-Verkäufer und habe nie irgendetwas anderes machen wollen.
Aber da ich sowieso kaum Berufschancen in diesem Bereich hatte, entschied ich mich, bei der Schule vorbeizuschauen, die diese Maßnahme anbietet, damit ich mir Informationen über die Weiterbildung und die weiteren Chancen auf einen Beruf anhören konnte.
Auf dem Weg dorthin habe ich erst einmal mein Handy gezückt und meinen Freund angerufen. Er mußte sich dann Worte anhören, die sich etwa so anhörten:
Was bildet sich der von der Agentur denn ein? Glaubt der, der kann sowas mit mir machen? Der will mich, den Verkäufer, in die Pflege stecken. Ich kann doch keinem den Hintern abputzen.
Doch er meinte ganz ruhig, das ich es mir erstmal anschauen sollte.
So ging ich also in dieses Zentrum und stand einer lächelnden Frau gegenüber, die sofort ein Beratungsgespräch mit mir führte. Und dieses Gespräch war für mich der Auftakt für einen neuen Beruf.
Sofort erzählte sie mir von einem Schnupperpraktikum, welches am nächsten Tag starten sollte, und das auch in einem Seniorenheim, das nur drei Minuten zu Fuß von meinem Haus wegliegt, einer anschließenden dreiwöchigen theoretischen Ausbildung im Zentrum. Darauf folgte dann ein vierwöchiges Praktikum und dann noch einmal zwei Wochen Theorie.
Ich begann also am nächsten Tag mein Praktikum in dem Haus um die Ecke und stellte schnell fest, das ich dort gar nichts mit der Pflege zu tun hatte, sondern den Bewohnern die Tage schön gestalten sollte. Dazu gehörten Geschichten, die ich ihnen vorlese, Gesang, Basteln, Spaziergänge, gemeinsames Einkaufen, aber auch ruhige Einzelgespräche, Streit schlichten.
Meine erste und wichtigste Aufgabe war, mich ein wenig über den Bewohner zu informieren, seine Interessen herauszufinden und Vertrauen zu schaffen.
So vergingen die Tage bis zum Ende des Schnupperpraktikums wie im Flug und ich stellte rückblickend fest, das ich jeden Tag mit einem Lächeln ins Haus gegangen bin, aber nach getaner Arbeit ebenso lächelnd wieder nach Hause ging.
In der Theorie lernten wir als Gruppe von immerhin über 20 Leuten alles über Beschäftigungsmöglichkeiten, Gruppentherapien, Einzeltherapien, Validation, basale Stimulation, Krankheitsbilder des Gehirns und noch vieles mehr.
Ich empfand dies als sehr schwierig, da ich alle Fremdwörter, die medizinisch waren erst erfragen und bei Google oder Bing eingeben mußte. Aber dennoch habe ich auch das theoretische Wissen förmlich aufgesaugt und konnte so mit frischem Wissen in mein vierwöchiges Praktikum gehen.
In dieser Zeit habe ich soviel Herzlichkeit, Wärme, Vertrauen und auch eine gewisse Liebe bekommen,
das es mir ein leichtes war, dies auch zurück zu geben.
Und so habe ich in den vier Wochen auch einen Arbeitsvertrag in diesem Haus unterschrieben.
Ich mußte eine Prüfung ablegen, in der ich aus dem Thema Gymnastik eine Gestaltung machen sollte.
So habe ich ein paar Fingerübungen gewählt, ein Lied gesungen, zum Abschluß noch ein Gedicht vorgelesen, habe Teilnahmeurkunden und Medaillen für die Bewohner erstellt und jeden auch persönlich eingeladen dazu.
Das ging soweit, das am Tag meiner Prüfung eine Bewohnerin sogar ihre Familie um 14:00 Uhr rausgeworfen hat, da sie ja versprochen hat, zu meiner Prüfung zu kommen. Und das sei ja schließlich wichtig. Und versprochen ist versprochen.
Die Prüfung jedenfalls habe ich mit Bravour bestanden, so meine Lehrerin.
Ich könnte stundenlang von schönen Erlebnissen erzählen. Vielleicht ergänze ich das Buch ja bei Zeiten einfach.
Ein Erlebnis ist mir jedoch sehr in Erinnerung geblieben.
Ich habe morgens einer Bewohnerin eine Geschichte aus „Die Märchen von Beedle, dem Barden“ vorgelesen, habe diese nach der Hälfte unterbrochen und habe mich verabschiedet. Aber ich habe ihr gesagt, das ich die Geschichte beim nächsten Mal zu Ende vorlesen würde.
Doch mittags ist sie leider verstorben.
Ich habe das eigentlich für meinen ersten Todesfall, den ich erlebt habe, sehr gut verarbeitet. So dachte ich jedenfalls.
Gewundert habe ich mich über Schlafstörungen, darüber, das ich privat sehr nachdenklich war.
Also bin ich in mich gegangen und habe festgestellt, das noch etwas nicht abgeschlossen ist.
Ich habe also in der nächsten Schicht alle Bewohner zu einer Lesestunde eingeladen und die Geschichte zu Ende gelesen, die ich der verstorbenen Bewohnerin nur zur Hälfte vorgelesen hatte. Anschließend ging mein Blick zum Himmel und ich schickte ein Lächeln nach oben.
Fortsetzung folgt
Tag der Veröffentlichung: 28.07.2009
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