Cover

Das ist die Ausgangslage:

Amok laufende Schülerinnen und Schüler, verunsicherte Eltern, überforderte Lehrerinnen und Lehrer, ein asoziales Schulsystem ...

Die Lage ist ernst!

Bildungspolitischer Stellungskrieg. Keine Bewegung an der pädagogischen Front. Gefechte und Scharmützel ohne Geländegewinn. Grabenkrieg. Materialschlacht. Hohe Verluste ...

Die Lage ist bitter ernst!

Schulalltag zwischen Sortierwut und Simultanität, Lehren und Lügen, Spaßkloppe und Schulprogramm, Ohnmacht und Offener Tür, Heuchelei und Hitzefrei.

Die Lage ist zu ernst, um sie ernst zu nehmen.

Ich war Schulleiter in diesen Zeiten. Duisburg. Gesamtschule. Sozialer Brennpunkt. Permanenter Löscheinsatz. Da geht nur Satire.

Meine Gedichte erheben keinerlei Anspruch auf abgehobene poetische Feierlichkeit. Sie sind für den alltäglichen hemmungslosen Gebrauch bestimmt.


Inhalt

1. Von Hühnerleitern und Stempeleiern

Pisa / Reform / Abirede eines Schülers / Zombie / Deutschland, ein Wintermärchen

2. Von Klugscheißern und Träumern

Traumberuf / Sie wollen Lehrer werden? / So ein Lehrer möcht ich sein / Kollegialer Ratschlag für den Neuen, sich nicht zu übergeben / Heiland / Klaus, der Superlehrer / Die Kunze

3. Von Rapperhosen und Handys

Schülermode / Die Rapperhose / Ein Schüler erzählt einem anderen Schüler von einer Begegnung mit einem Lehrer auf dem Flur während des Unterrichts / Handy / Klassenfahrt / Raten

4. Von guten Gefühlen und schwierigem Spagat

Fehler / Das Sekretariat / Elternsprechtag / Gutes Gefühl / Der Streber / Jonas und die Gruppenarbeit

5. Von Käsekästchen und Oberaffen

Stundenbeginn / Unterricht / Traumstunde / Sisyphus / Geschichte / Arbeitsaufgabe / Stopfgans / Biologie / Erfolg / Hinweis eines Schülers mitten im Unterricht / Präpositionales Objekt

6. Vom Kloppen und Lügen

Beleidigung / Herr der Ringe / Filmkunst / Wunder / Zehn gute Gründe, Amok zu laufen / Spaßkloppe / Unsere lieben Kleinen / Der hat meine Mutter beleidigt! / Auf den Hund gekommen / Schulprogramm / Tage des Verbrechens / Galaabend der offenen Tür

7. Von Schlüsseldieben und Klebepunkten

Schlüsselerlebnis / Nach der Fortbildung / Lämpel

8. Von Ausnahmen und Regeln

Noten / Projekte / Ironie / Ganztag / Drohende Lehre / Wie ein Schüler sprechen soll / Aufsicht / Konsequenz


9. Von Hitze und Eis

Hitzefrei / Hausfriedensbruch / Vertretung

10. Von Spaß und Stille

Schule der Zukunft / Schule in den Ferien


Zombie

Als ihr Gebrechen letzten End’s
keinen Ausblick auf Heilung bot,
da zog die Schule die Konsequenz
und starb den Heldentod.

Die Nachfolge war aber noch nicht klar,
drum tat’s der Regierung Leid,
dass ihre Schule gestorben war.
Es schien ihr vor der Zeit.

Sie zerrten den Leichnam im Verein
heraus aus seiner Truhe,
sie zogen Verordnungsgestänge ein
und störten die Totenruhe.

Sie zwangen die Leiche, sie stank ja schon,
in Jacke und Korsett.
Modeworte wie „Evaluation“
schrieben sie auf’s Etikett.


Ein Räderwerk ward implantiert
mit „Lernstandserhebungsfeder“.
Dann Prüfungsöl „Zentral“ klistiert.
Der Einlauf schmierte die Räder.

Den Aufziehschlüssel „Qualitätsanalyse“
drehten sie viele mal.
Da kam Bewegung in tote Füße.
Die Richtung schien völlig egal.

Seitdem stapft dieser Automat
blind durch die Botanik,
der nicht mehr Teil am Leben hat
als quietschende Mechanik.

Pädagogisch ausgelutscht,
im modischen Gewande,
kaum verhüllend, arg verrutscht,
irrt er durch die Lande.


Maßnahmen

Der Bauer ging zum Telefon
und rief die Milchkuhkommission,
als seine Braungesprenkelte
schon eine Weile kränkelte.

Der Kommissar: „Definitiv
ist diese Kuh nicht effektiv!
Dass ich die Krankheit kurz erläuter:
Es ist zu wenig Milch im Euter!“

Der Bauer fiel aus allen Wolken:
„Ich hab’ das Vieh doch selbst gemolken!“
Die Milchkuhkommissare lachten:
„Sie lassen sie am besten schlachten!“

„Niemals!“, schrie der Bauer auf,
„Sie ist nur manchmal nicht gut drauf!“
Wutschnaubend er errötete:
„Als wenn ich Milky tötete!


Ihr Herren habt mich angelogen
und habt die Milch zu leicht gewogen.
Ich kann das ganz bestimmt genauer,
weil ich bin ja ein schlauer Bauer!“

Der Bauer wog und maß dreimal.
Dann sammelt’ er die Milch zentral
und prüfte sie in einem Trog
und maß und rechnete und wog.

Er wurde maßlos und versessen
aufs Prüfen, Wiegen, Rechnen, Messen.
Maß Milch und Kuh bei Tag und Nacht
und hat im Fiebertraum gedacht:

„Zu wenig Milch! Infolgedessen
muss ich, verdammich, besser messen.
Wenn ich total gut messen tu,
dann nimmt die Milch am Ende zu!“

(...)


Heiland

Wenn täglich Kinder vollgedrönt,
an Lüge und Gewalt gewöhnt,
an jene Auswahl an Idolen
des Schattenreichs von Dieter Bohlen,
so schamlos und voll Langeweile ...
macht’s der Lehrer wieder heile.

Wenn unsre großen Bildungshüter
am Umschlagplatz der Bildungsgüter
die Schüler unbarmherzig trennen,
nach dem, was sie „Begabung“ nennen,
damit man „typgerecht“ verteile ...
macht’s der Lehrer wieder heile.
(...)
Jedes Übel auf der Welt
wird dem Lehrer hingestellt,
dass er alles grade biege,
über jede Unbill siege
und sich bitteschön beeile:
Lehrer, mach es wieder heile!


Klaus, der Superlehrer

Haben einen Pädagogen,
dem scheint alles zu gelingen.
Alle sind dem Klaus gewogen.
Klaus scheint’s jederzeit zu bringen.

Klaus ist immer braungebrannt,
reist gern und genießt das Leben.
Klaus lacht immer so entspannt.
Kein Problem scheint es zu geben.

Jahre schon Vertrauenslehrer.
Unterricht sei eine Reise.
„Prima!“, sagen die Verehrer.
Klaus ergänzt: „... auf meine Weise!“

Seine Weise zu erkunden,
hab ich Klaus einmal gefragt:
„Darf ich mit? So ein, zwei Stunden?“
Offen hat er „Ja“ gesagt. ---


Unterricht fand statt im Müll!
Hausaufgaben hatte keiner!
Jeder macht dort, was er will!
Richtig was gelernt? Nicht einer!

Niederschmetternd das Ergebnis.
Hohl der Reisequatsch, jedoch
dann kam das Aha-Erlebnis:
Superklaus lacht immer noch!

(...)


Die Kunze

Als die 6b „Frau Kunze“ hörte,
da ging ein Stöhnen durch den Raum.
Sie galt als nicht sehr liebenswerte
Kontrastperson zum Schülertraum.

Immer so ernst und oft verbissen,
mehr aus dem Kopf als aus dem Bauch,
die Schülergrenzen klar umrissen.
Sie schimpfte oft und strafte auch.

Und die soll unsre Klasse leiten?
Mensch, das wird ein Desaster geben!
Wir werden endlos mit ihr streiten.
Die Eltern werden sich erheben.

Die 6b ist so problematisch!
Die andern Klassen haben Glück.
Die Kunze ist so unsympathisch!
Die hat bestimmt den bösen Blick!

(...)


Schülermode

Uncool ist die Regenjacke.
Wenn schon, muss sie offen sein,
dass der Wind sie kräftig packe
und der Regen trete ein.
Achtung, merke: Man benutze
nie die dämliche Kapuze!

Nur dann, wenn uns die Hitze plagt
und andre Menschen schwitzen,
dann sind Kapuzen angesagt
und dicke Pudelmützen.
Beim Sitzen auf dem Klassenstuhl
ist eine warme Jacke cool.


Die Rapperhose

Wer auf die Rapperhose
besorgte Blicke lenkt,
entdeckt, dass sie so lose
am Jungenarsche hängt.

„Warum“, so fragen Laien,
„hängt bloß der Schritt am Knie?
Will er sich wohl kasteien,
sich strafen irgendwie?

Das ist doch unbequem
und sieht bescheuert aus!
Was ist nur sein Problem?“
Wir finden es heraus!

(...)


Ein Schüler erzählt einem
anderen Schüler von einer
Begegnung mit einem Lehrer
auf dem Flur während des Unterrichts.

Und dann er so: (guckt) Wohin?
Ich so: Wat is? Er: Wohin??
Ich geh Treppe. Ich so: Bin
eher raus. Er voll am Ätzen:
Stehngebliem! In ganzen Sätzen!

Und dann ich so: Rausgelassen
von Meier. Er so: Nicht zu fassen!
Für dich Herr Meier immernoch!
Und dann ich so: (lässig) Och!

Er so: Hab dich was gefragt!
Ich so: Habbich doch gesagt!
Er am hyperventilieren:
Ich wär schlecht im Komnizieren.


Er so: Frage war vorhin,
wohin ich geh. Nochmal: Wohin?
Ich dann so: Stehn Sie bequem!
Kein Thema! Wo ist das Problem?

Gewalt ist keine Lösung! So!
Ich so: Alter! Ich geh Klo!
Da ist er zusammgesackt
und ist total abgekackt.


Handy

Was macht denn der Andy?
Sitzt neben der Mandy
und Andy und Mandy
die labern ins Handy!

Ich glaube, ich kenn die:
Für Andy und Mandy
ist Austausch per Handy
voll cool oder trendy!

Doch was wäre, wenn die-
se Mandy statt Andy,
gerade dem Sven die
Verliebtheit geständy?

Mit wem spricht dann Andy?
Sagt er grade: „Ben, die-
ser Sven hat die Mandy,
andauernd am Handy!“

(...)


Klassenfahrt

Oh, Mama und Papa! Holt mich hier raus!
Mir geht es so was von schlecht!
Ich halte den Terror hier nicht mehr aus!
Ich sterbe und das ist mir recht.

Das Essen schmeckt furchtbar, da geh ich nicht dran.
Musste sechs große Snickers verzehren.
Musste richtig an meine Vorräte ran
und durfte mich nicht mal beschweren!

Die Betten der Schlafräume stehen im Dreck.
Man hatte mein Bett nicht bezogen.
Und keiner macht unsere Abfälle weg.
Es stinkt nach Urin, ungelogen.

Die Nacht durch haben wir etwas gefeiert
bei offenem Fenster in Jacken.
Da schwirrten ums Licht, als der Kevin gereihert,
sechs riesige Kakerlaken.


Die doofe Frau Paulerberg, die stellt sich an!
Die regt sich die ganze Zeit auf:
Kein Auge hätte sie zugetan!
Auch wenn ich mir irgendwas kauf!

Die wollte doch echt an mein Taschengeld!
Und mein Handy und MP3!
Von den 100 Euro hab ich nichts erzählt!
Und Schnaps hatt’ ich gar nicht dabei!

Nur zwei Flaschen Grappa und Mariakron.
Auch rauchen darf man hier nicht.
Und Frühstück ist echt um neun Uhr schon.
Noch schlimmer als Unterricht!

(...)


Fehler

Heut habte ich kein Glück erlebt.
Die Arbeit war zurückgegebt,
am Rand die Korrekturen,
wo sie auch hingehuren.

Die Fehler zu berichtigen,
tat Lehrer uns verpflichtigen.
Ich holte Stift und Tinte,
dass ich sofort beginnte.

Ich schreibte mit nem super Schwung,
was mir auch wirklich gut gelung.
Ich nehmte mir was vor,
als ich so korrigor:

Der Lehrer, der sonst Pickel kriegte,
was an den blöden Fehlern liegte,
der mögte heut mich loben,
weil ich so viel geschroben.


Doch wär er fast im Schock gebleibt,
als er sah, was ich geschreibt.
Dann schrie er: „Zum Verzweifeln!
Du wirst es nie begreifeln!“

(...)


Elternsprechtag

Sie sind also Klassenlehrer
von der 7B?
Ich bin die Frau Kleinschmid-Scherer.
Gut, dass ich Sie seh!

Kerstin, los, komm her und setz dich!
Erst mal guten Tag!
Ist das Wetter nicht entsetzlich?
Pass auf, was ich sag!

Wie ist Kerstin so bei Ihnen?
Ich sag’ jetzt mal was:
Die ist fleißig wie die Bienen.
Macht ihr richtig Spaß

was zu malen und zu schreiben,
wenn auch drumherum
alle laut was andres treiben.
Meistens ist sie stumm.


Kerstin sagt im Unterricht
sicher keinen Ton.
„Sprich!“,sag ich. Die redet nicht.
So war’s immer schon.

Sitzt sie abseits? Sag doch was!
Zeigst du manchmal auf?
Meinst du, das macht Mama Spaß?
Was ich alles kauf!

Will dem Mädchen jeden Wunsch
aus dem Auge lesen.
Aber außer einem Flunsch
ist da nix gewesen.

Waren auch schon beim Psychater.
Gehn wir nicht mehr hin.
Die macht sicher nur Theater.
Das hat keinen Sinn.


Man kann reden, reden, reden.
Ich sag’: „Kerstin, sprich!“
Ich sag’: „Ich erfüll dir jeden
Wunsch. Nur äußre dich!“

(...)


Gutes Gefühl

Ich hab mit der 7b ganz radikal
und bis zum Erbrechen geübt.
Danach hab ich ausnahmsweise mal
gesagt, welchen Text es gibt.

Die konnten also jetzt detailliert
schon vorher die Arbeit beschnüffeln.
Ich glaube, diesmal ham alle kapiert:
Man sollte noch etwas büffeln.

Ich bin mit der Einheit wirklich sehr
genau in der Zeit und zufrieden.
Das Thema war überhaupt nicht schwer.
Und Abschweifung hab ich vermieden.

Der Zuspruch, die Motivation: enorm!
Bei Stillarbeit war es auch still.
Die Schüler kamen richtig in Form.
Ich hab ein gutes Gefühl.


Wenn ich so denke: Beim letzten Mal
war’n die Gefühle gleich.
Wenn ich so denke: Beim letzten Mal
war die Arbeit im Teich!


Der Streber

Was mach ich falsch? Ich brauche Rat,
Ich kenn mich nicht mehr aus!
Ich lebe ständig im Spagat
in einem Irrenhaus.

Ich will ein guter Schüler sein,
den Vieles interessiert,
der fragt und lernt und hinterdrein
klug und gebildet wird.

Nehme ich teil am Unterricht,
dass mich die Lehrer loben,
bin ich ein Arsch aus Schülersicht
und gnadenlos zu mobben.

Denn wie durch einen bösen Fluch
sehn meine Kameraden
den Wissensdurst beim Schulbesuch
schlicht als Charakterschaden.

(...)


Jonas und die Gruppenarbeit

Der Jonas, der war urgesund,
ein schlauer Bub mit flottem Mund.
Er war brillant im Unterricht
und voller Ehrgeiz. Eins war Pflicht!

Doch einmal fing er an zu schrein:
„Ich pass nicht in die Gruppe rein!
Ich hasse Gruppenunterricht!
Nein, Gruppenarbeit will ich nicht!“

Die Lehrerin in Wut gerät:
„Du bist wohl in der Pubertät?
Du findest Teams erniedrigend?
Dann kriegst Du nur befriedigend!“

Doch als die Gruppe kam herein,
da fing er wieder an zu schrein:
„Ich will in diese Gruppe nicht!
Nein, diese Gruppe will ich nicht!“


Am nächsten Tage, sieh nur her,
nervt er die Lehrerin noch mehr:
„Ich will nicht so kooperieren!
Von mir aus krieg ich eben Vieren!“

Dann sollte Gruppenarbeit sein,
da fing die Gruppe an zu schrein:
„Wir wolln ihn in der Gruppe nicht!
Nein, diesen Streber wolln wir nicht!“

(...)

Ende der Leseprobe

Impressum

Texte: Dieses Buch ist eine Leseprobe. Es enthält Ausschnitte aus dem im Monolith-Verlag 2008 erschienenen gleichnamigen Buch (ISBN: 978-3-9811791-6-3)
Tag der Veröffentlichung: 29.01.2009

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /